Von Ökosystemen in der Ameisenkolonie
BLOG: Bierologie
Blattschneiderameisen sind ja ziemlich coole Insekten und keine Angst, es wird diesmal nicht darum gehen, dass ihr sie zubereiten und verspeisen solltet (Ich will euch aber auch nicht aufhalten). Nicht nur, weil die Tierchen – zumindest laut Wikipedia, citation needed – in manchen Regionen dafür verwendet werden um Wunden zu “vernähen”, in dem man sie so auf Wunden setzt, dass sie beim zubeissen die Wunde verschliessen und dann die Tiere von ihren Mandiblen trennt.
Für Biologen aber noch spannender ist ihre Lebensform. Denn auch wenn die Blattschneiderameisen jeden Tag jede Menge Blätter zerschnippeln und in ihren Bau transportieren: Sie essen sie gar nicht. Stattdessen betätigen sich die Ameisen als Gärtner, sie züchten nämlich einen Pilz, der von Blattschneiderameisenart zu Blattschneiderameisenart unterschiedlich ist – die aber wohl immer zur Familie der Lepiotaceae gehören – in ihrem Bau und verspeisen stattdessen diesen.
Diesen Pilz “unterfüttern” sie mit den kleingeschnittenen Blättern als Substrat. Die Symbiose geht sogar so weit, dass weder Ameisen noch Pilze ohne den jeweils anderen überleben können. Die Ameisen beschützen die Pilze bei ihrem Wachstum und die Ameisen sind auf ihre einzige Nahrungsquelle, den Pilz, angewiesen. Deshalb nehmen sie sogar einen Grundstock des Pilzes mit, wenn Kolonien den Bau wechseln. Für die Pilze in den Farmen ist der Befall von parasitären Pilzen und auch von Bakterien ziemlich verherrend. Bislang besonders negativ aufgefallen sind dabei die Pilze der Art Escovopsis weberi. Diese wurden bislang auch nur in den Kolonien der Blattschneiderameisen gefunden und können ziemlich rapide dazu führen, dass ganze Kolonien zugrunde gehen.
Aber, erstaunlicherweise, haben die Blattschneiderameisen auch hier einen Weg gefunden: Sie kultivieren nämlich nicht nur eine symbiotische Beziehung zu ihren Pilzen, sondern auch zu Bakterien. Und zwar ging man lange davon aus das es eine Art der Famile Actinobacteria ist, die Antibiotika gegen diesen Pilze erzeugen und direkt auf den Ameisen leben. Es also 4 Partner in diesem Netzwerk gibt: 1. Die Blattschneiderameisen 2. Die Pilze die mit den Ameisen in Symbiose leben 3. Die parasitären Pilze, die die symbiotischen Pilze befallen 4. Die Bakterienart auf den Ameisen zur Parasitenabwehr.
Aber wie so oft in der Biologie ist dieses Modell etwas zu stark vereinfacht. Denn mittlerweile hat man herausgefunden, dass es nicht nur mehr Arten von Parasiten gibt, die sich gerne über die Pilzfarmen hermachen wollen. Sondern auch mehrere Arten von Bakterien, die mit den Ameisen in Symbiose leben. Zum Beispiel einige Streptomyces-Arten. Und die Bakterien werden von den Ameisen nicht nur zur Abwehr, sondern auch als Produzenten von Pilz-Dünger verwendet.
Um zu schauen wie die einzelnen Arten von Bakterien und Pilzen in den Ameisen-Kolonien so zusammenwirken hat sich ein Team von Forschern jetzt mal angeschaut welche Chemikalien die verschiedenen Mikroorganismen die man so findet produzieren. Dazu haben sie zu erst in der Phylogenie der Bakterien die, zu den bekannten Bakterien am nächsten verwandten, Mikroorganismen herausgesucht und dann über eine Datenbank die Sekundärmetabolite dieser Organismen herausgesucht. Und dann haben sie über eine Flüssigchromatographie mit Massenspektrometrie-Kopplung versucht die spannenden Metabolite in den, mit den Ameisen assoziierten, Mikroorganismen zu detektieren.
Die so gefundenen Metabolite, die potentiell in dem Ameisen-Kolonien-Ökosystem von Relevanz sind, wurden dann im Labor auf ihre Wirkung gegen diverse Parasiten, von denen man weiss, dass sie die Kolonien befallen können, getestet. Dabei zeigte sich, dass verschiedene Stoffe nicht nur die Pathogene in ihrer Ausbreitung behindern und beseitigen können. Sondern auch der erwünschte, symbiotische Pilz wird von einigen dieser Stoffe am Wachstum gehindert. Es scheint also so, dass die Nachteile des verzögerten Wachstums durch die Vorteile der Parasitenbereinigung aufgewogen werden können. Darüber hinaus hat man auch die Verteilung der Stoffe direkt auf den Ameisen getestet: Die Stoffe finden sich, meist an lokalen Hotspots, direkt auf den Ameisen.
Was kann man also durch diese Methode lernen: Erst einmal ist das Ökosystem in den Kolonien der Blattschneiderameisen viel reichhaltiger als man recht lange angenommen hat. Und das sowohl bei den Parasiten als auch bei den symbiotisch lebenden Bakterien. Gleichzeitig ist diese Methode mit ihrer Kombination aus phylogenetischer und chemischer Analyse sehr praktisch um mit vergleichsweise wenig Aufwand ein recht breites Spektrum an Kandidatenorganismen und Kandidatenstoffen zu durchleuchten. Vorausgesetzt, dass man genug Referenzdaten zur Hand hat. Damit wird man in Zukunft dann vielleicht nicht nur Ameisenbauten durchleuchten können sondern sicher auch andere, winzige ökologische Nischen.
Fotos: Wikipedia [1] [2] CC-BY-(SA) 2.0
Schoenian, I., Spiteller, M., Ghaste, M., Wirth, R., Herz, H., & Spiteller, D. (2011). Chemical basis of the synergism and antagonism in microbial communities in the nests of leaf-cutting ants Proceedings of the National Academy of Sciences, 108 (5), 1955-1960 DOI: 10.1073/pnas.1008441108
Zitat: “Für die Pilze in den Farmen ist der Befall von parasitären Parasiten und auch von Bakterien ziemlich verherrend.”
Wirklich? Es gibt parasitäre Parasiten? Donnerwetter, wieder was gelernt^^
Ernsthaft: Blattschneiderameisen sind so ziemlich die coolsten Ameisen überhaupt. Die faszinieren mich auch schon länger und waren auch der Grund, wieso ich ein Hölldobler/Wilson-Buch mein Eigen nenne.
Danke für den Hinweis, es sind natürlich parasitäre Pilze gemeint und im Artikel ist es nun auch gefixt. 🙂
Ich hab vor ein paar Monaten an der Uni einen Vortrag über die süßen Tierchen und ihre Lebensweise gehört. Da allerdings noch mit der simplen 1x Ameise, 1x symbiotischer Pilz, 1x parasitärer Pilz, 1x Bakterium-Erklärung. Um so überraschter war ich jetzt, dass es da noch viel spannendere Interaktionen gibt. 🙂
Wenn ich mir das so überlege…mein Buch ist da auch nicht mehr das aktuellste. Aber die Grundlagen stimmen ja immer noch und zum Tierarzt werden die auch so schnell nicht kommen.
Ja, die Grundlagen stimmen immer noch, man hat jetzt nur noch mehr Querverbindungen zwischen einzelnen Bakterien und Pilzen.
Und die Chancen, dass die Blattschneiderameisen in die Tierarztpraxis oder gar Notaufnahme kommen halte ich auch für gering 😉
Einfach genial diese kleinen Tierchen…da liebe ich mein Mousepad mit Blattschneiderameise und “Yes indeed…I’m working” gleich noch ein bischen mehr.
Ist dir eigentlich bekannt wo diese Hotspots auf den Ameisen liegen? Wenn die Mandibel betroffen sind ist das Behandeln von Wunden dadurch sogar noch effizienter. Je nachdem was für Stoffe die Bakterien so abgeben wirkt das womöglich noch desinfizierend auf die Wunde…
Ich hab mir die Publikation noch mal auf deinen Hinweis hin angeschaut. Es sieht nicht so aus, als wären die Mandiblen besonders stark ausgeprägt bei den Antibiotika die sie betrachtet haben, im Gegenteil scheint es dort gar keines zu geben.
Was ja auch irgendwo sinnvoll sein könnte: Immerhin beeinträchtigen die Antibiotika das Wachstum des erwünschten Pilzes, da sollte man darauf achten, dass man nicht ständig beides zusammenbringt.
Allerdings haben sie auch nicht alle verschiedenen Antibiotika auf die Verteilung auf den Ameisen hin untersucht. Es könnte also sein, dass andere Stoffe in den Mandibeln sind.
Aber da die Wikipedia keine Quelle nennt und ich auch sonst auf die Schnelle keine andere Quelle für die Wundheilungsgeschichte gefunden habe würde ich darauf auch nicht mehr geben, als das es eine nette Anekdote ist. 🙂
Die sind so Genial diese kleinen süßen Ameisen ^^
Ich finde es so krass, was die für Gewichte im Vergleich zu ihrem Körper tragen können… ich wünschte ich wäre auch so stark ^^