Von den bösen Auswirkungen des Heavy Metals

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Heavy Metal, eine Musikrichtung die, zusammen mit ihren Fans, auch im Jahr 2011 noch von Teilen der Bevölkerung hauptsächlich negativ wahrgenommen wird (Glaubt ihr nicht? Dann solltet ihr mal ein paar der radikalen Christenpropaganda-Webseiten lesen, nur so zum Spaß). So etwas hören doch nur Leute die in ihrer Freizeit kleine Kätzchen auf dem Altar an Satan opfern, christliche Kirchen anzünden, sich mit ihrem gleichen prügeln. Oh und natürlich nehmen sie alle Drogen, sind depressiv und stehen immer kurz vor dem Suizid. So oder so ähnlich, die passenden Vorwürfe.

Die “Betroffenen“, also die Fans, selbst sehen das natürlich alles ganz anders: How Heavy Metal is Keeping us Sane titelt The Atlantic und viele Fans würden dem vermutlich gleich zustimmen. Nichts helfe besser gegen den alltäglichen Wahnsinn, als diesen in der verkonsumierten Musik auszuleben. Oder wie Funny Van Dannen so schön besingt: Und weil ich immer so friedlich bin, brauch’ ich zum Ausgleich ein bisschen Krieg. Und deshalb höre ich privat am liebsten menschenverachtende Untergrundmusik.

Einige französische Wissenschaftler haben sich mit dieser extrem negativen Wahrnehmung mal etwas ausführlicher befasst und dazu über 300 Metal-Fans befragt, um zu schauen wie es um ihre geistige Gesundheit bestellt ist. Ihre Fragen: Zeigen französische Metal-Fans mehr Angst und Depressionen? Und welche Faktoren beeinflussen Angst & Depressionen? Die Ergebnisse haben sie dann 2009 in der Zeitschrift Culture, Medicine and Psychiatry veröffentlicht. Aber kommen wir erstmal ein bisschen zur Methodik: Ihre Metal-Fans haben sie aus französischen Internet-Foren die den Fokus auf (Überraschung!) Metal-Musik legen rekrutiert. Damit wollten sie sicherstellen, dass sie Menschen erreichen, die zum einen stark in der entsprechenden Szene verwurzelt sind und zum anderen wollten sie damit die Gruppendynamik (die z.B. auf Konzerten herrschen würde) ausschliessen.
Den so gewonnen Teilnehmern wurde dann ein Fragebogen vorgelegt, der neben einem standardisierten Test über Angst und Depressionen (Das Ding heisst Hospital Anxiety and Depression Scale, ich bin kein Psychologe, wie gut dieser Fragebogen funktioniert kann ich also nicht wirklich bewerten) auch Fragen zu möglichen anderen Variablen umfasst: Welche Musikvorliebe (Die Metaller unterteilen sich ja in Fantastilliarden Sub-Genres) man hat, wie lange man schon Fan ist, Alter, Geschlecht, Bildungsgrad, Body-Mods (Tattoos, Piercings etc.), Menge der Konzerte die man besucht und die Motivation zur Teilnahme an Konzerten wurden dabei abgefragt.
Die Eckdaten der Befragung: Von den 324 Teilnehmern waren gut 90% männlich, das Durchschnittsalter lag bei gut 23 Jahren (werden die ganzen Metaller aufgrund des angeblich erhöhten Drogenkonsums nicht so alt? Andererseits macht Keith Richards ja vor, dass man das trotzdem schaffen kann). Gut die Hälfte der Befragten waren Studenten, 40 % gingen einer geregelten Arbeit nach und im Schnitt waren die Befragten seit 10 Jahren in der Metal-Kultur zuhause. So weit, so wenig überraschend.
Schon spannender: Gut 1/3 der Befragten hat mindestens eine Art von Body-Modification und fast die Hälfte der Befragten ist Mitglied in einer Metal-Band oder zumindest in einem Fanclub aktiv (Was dafür spricht, dass sie mit ihrer Theorie über Online-Befragungen besonders Aktive zu erreichen nicht unrecht hatten). Wieder weniger spannend: 96 % der Befragten gehen zu Konzerten, weil sie die Musik mögen (na, wer hätte das vermutet?). Gute 34 % der Befragten gehen (auch) zu Konzerten, um sich volllaufen zu lassen, knappe 3 % um Drogen an den Mann zu bringen und weniger als 1 % geht zu Konzerten um sich dort zu prügeln.
Aber jetzt zur ersten Frage: Sind Metal-Fans ängstlicher/depressiver? Die kurze Antwort lautet: Nein. Die durchschnittlichen Resultate liegen weit unter den Werten, die man für eine psychische Störung anlegen würde und auch sonst sind die Werte laut Aussage der Forscher recht gering. Allerdings gibt es einige Teilnehmer, deren Werte über dem Schwellenwert liegen: Gut 16 % der Befragten zeigen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Angststörung. Etwas mehr als 3 % zeigen ein erhöhtes Risiko für Depressionen. Aber das muss ja nichts heissen, auch in anderen Populationen findet man Depressionen und Angststörungen.
Leider liefern die Autoren selbst keine Werte dafür, wie sich das Risiko in andere “Durchschnittspopulationen” verteilt. Für Deutschland hab ich auf die Schnelle Werte von 14 % für Angststörungen und laut Zahlen der WHO sind weltweit 20-25 % der Frauen und 10-12 % der Männer von Depressionen betroffen. Auch wenn die Zahlen nicht direkt vergleichbar sind: Damit wären die Metal-Fans so ziemlich im Schnitt, im Fall der Depressionen sogar besser als “der” Durchschnitt (Ist an Heavy Metal keeps us sane also doch etwas dran?).
Die weitere Analyse ihrer Parameter zeigte, dass Alter, Geschlecht, die Anzahl der Konzertbesuche, Lieblings-Metal-Richtung und auch Tattoos & Piercings keinerlei Zusammenhang mit Angststörungen oder Depressionen herstellen. Dafür hängen andere Faktoren durchaus mit der geistigen Gesundheit zusammen: Nämlich (Wunder, oh Wunder): Bildung und Job. Je geringer der Bildungsstand und je schlechter der Job desto höher die erzielten Werte auf der Angst-Skala. Außerdem zeigen Studenten aus den Arts höhere Werte auf der Angst-Skala als solche aus den Naturwissenschaften (wenigstens etwas hab ich richtig gemacht!). Darüber hinaus gab es noch andere Faktoren, die mit erhöhten Angst-Werten korrelieren: Das Schreiben von Songtexten (siehe auch die Arts-Studenten) und der übermässige Alkohol-Konsum. Und die Teilnehmer, die sich den Körper mit Scarifications aufhübschen, zeigten erhöhte Depressions-Werte.

Es sieht also so aus, als könntet ihr alle beruhigt weiter Metal hören, es ist kein Indikator für eine schlechte geistige Gesundheit. Und auch die Autoren der Studie schreiben in ihrer Zusammenfassung der Ergebnisse, dass sie vermuten, dass die Beschäftigung mit Themenkomplexen wie dem Tod, auch im Zusammenhang mit Metal, durchaus positive Auswirkungen haben kann. Trinkt nur lieber nicht zu viel dabei. Und das mit den Songtexten könnte man vielleicht auch anderen überlassen. Party On, aber passt beim Headbangen auf!

Recours, R., Aussaguel, F., & Trujillo, N. (2009). Metal Music and Mental Health in France Culture, Medicine, and Psychiatry, 33 (3), 473-488 DOI: 10.1007/s11013-009-9138-2

Veröffentlicht von

Bastian hat seinen Bachelor in Biologie in nur 8 statt 6 Semestern abgeschlossen. Nach einem kurzen Informatik-Studiums-Intermezzo an der TU Dortmund hat es ihn eigentlich nur für ein Stipendium nach Frankfurt am Main verschlagen. Dort gestrandet studiert er dort nun im Master-Programm Ökologie und Evolution. Zumindest wenn er nicht gerade in die Lebensweise der Hessen eingeführt wird. Neben seinen Studiengebieten bloggt er über die Themen, die gerade in Paperform hochgespült werden und spannend klingen.

3 Kommentare

  1. >Oh und natürlich nehmen sie alle Drogen, sind depressiv und stehen immer kurz vor dem Suizid.
    Ehrlich gesagt, ich habe über die Jahre ein paar Metaller kennengelernt, und dieser Satz ist (im Gegensatz zu den anderen, die freilich alle Humbug sind), so falsch nicht 😉

    Die meisten haben so mit ~14-16 angefangen Metal zu hören und waren damals die klassischen “Teenage Dirtbags” (nicht abwertend, lediglich beschreibend gemeint), nette Kerle mit langen Haaren, die aber irgendwie außerhalb oder zumindest am Rand der üblichen Grüppchen standen und oft auch darunter litten. Später haben die meisten dann irgendwas nerdiges gemacht wie eine Ausbildung zum Orgelbauer, Entwicklungshilfe in Südamerika oder *hüstel* ein Biologiestudium.

    Dass auf Metal-Festivals in erhöhtem Maße Bier und Cannabis konsumiert wird halte ich ebenfalls für ein offenes Geheimnis. Es gibt schlimmeres.

  2. Ich bestreite gar nicht, dass es depressive, suizidgefährdete Druguser-Metal-Fans gibt. Wichtig ist doch nur, dass man dabei im Auge behält, welchen %-Satz diese Personen ausmachen.

    Und wenn man sich die Ergebnisse der Studie, die ich beschrieben habe, anschaut, dann sieht man das zumindest was die Depressionen angeht kein so großer Unterschied zur restlichen Bevölkerung vorhanden ist.

    Die von dir beschriebene Gruppe der Metal-Fans kenne ich ebenfalls zu genüge. Es ist halt nur Unfug zu glauben, dass aus denen dann am Ende nur gescheiterte Persönlichkeiten werden. 🙂

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