Virale Reisebegleiter

BLOG: Bierologie

Weissbier & Wissenschaft
Bierologie

researchblogging Philipp sagt Philipp sagt:
Heut gehts um folgendes: 2003 wurde Mimivirus entdeckt, mit seinen Eigenschaften eine absolute Neuheit in der Virologie:

Vorher nahm man an dass Viren klein und vergleichsweise simpel gebaut wären, nur dazu da ihre eigenen Gene in ihren Wirt zu schleusen, sich also blind zu vermehren.
Mimivirus änderte einiges daran: Ein Elefant unter den Mäusen mit einer Genomgröße von 1,2 Megabasenpaaren  (ausgeschrieben: 1.200.000; im Vergleich dazu die kleine Pissflitsche Herpes simplex mit grade mal 152 Kilobasenpaaren (152.000)) – seine reine Zellgröße von 400nm ist auch nicht zu verachten (zum Vergleich wieder Herpes: 140-180nm, damit gehört es schon zu den großen Viren).
Mimivirus infiziert Acanthamoeba castellanii und bildet dort sogenannte „Virus factories“, vom restlichen Mikroorganismus abgetrennte Bereiche, in denen wesentlich mehr Viren vorkommen als anderswo in der Wirtszelle.
Es gibt aber noch viel coolere Sachen bei Mimivirus: zum Beispiel Sputnik!

Erstmals beschrieben in diesem Paper im September diesen Jahres handelt es sich dabei um eine „Virophage“, also salopp gesagt um einen Virus im Virus. (Die Forscher haben sowas eine „Virophage“ getauft.)
Aber wieso der Name „Sputnik“? Aus dem Russischen kommend bezeichnet dieses Wort einen „Reisegefährten“ (deshalb also auch der Satellit in seiner Umlaufbahn um die Erde). Steckt man Mimivirus und Sputnik in eine Umgebung ohne Acanthamoeba, so passiert nichts – mit Acanthamoeba allerdings werden nicht funktionierende, verformte Mimiviren in den „virus factories“ hergestellt, daher der Name. Wie Sputnik genau auf Mimivirus wirkt ist leider noch nicht festgestellt worden.

Noch besser wirds beim Genom:
Grob gesehen setzt sich das Sputnikgenom aus Genen aus drei Quellen zusammen – aus einer völlig unbekannten Quelle, Mimivirus sowie einigen Genen aus Archeaebakterien (die dritte, älteste Domäne des Lebens, der Name kommt aus dem Griechischen für „ursprünglich“: die beiden anderen Domänen sind die Eubacteria (~echte Bakterien) und Eukaryoten (Tiere mit Zellkernen)).
Einige der unbekannten Gene haben eine Ähnlichkeit von ca.27-59% mit Genen aus dem GOS-Dataset, einem Gendatenset, dass während einer Weltreise mit dem Schiff von 2004 bis 2006 entstand.
Ziel der Expedition war es, Wasserproben zu entnehmen, die Gene der enthaltenen Organismen zu sequenzieren um die genetische Diversität des Lebens im Meer aufzuzeigen.
Dies zeigt, dass Sputnik das „Kind vieler Mütter“ ist, ein in meinen Augen extrem interessantes Nicht-Lebewesen bei dem es sich auf jeden Fall lohnt, die zukünftige Forschung im Auge zu behalten.


Bernard La Scola, Christelle Desnues, Isabelle Pagnier, Catherine Robert, Lina Barrassi, Ghislain Fournous, Michèle Merchat, Marie Suzan-Monti, Patrick Forterre, Eugene Koonin, Didier Raoult (2008). The virophage as a unique parasite of the giant mimivirus Nature, 455 (7209), 100-104 DOI: 10.1038/nature07218

Veröffentlicht von

Philipp hat einen Bachelor in Biologie, ein Graduate Certificate in IT und studiert momentan für seinen Master in IT in einem übertrieben großen Land voller Spinnen und Schafe. Für die Bierologie schreibt er zumeist über Biologie, Evolution und allem was an den Rändern der Gebiete noch so angeschwemmt wird.

Schreibe einen Kommentar