Inzucht im Adel
BLOG: Bierologie
Bastian sagt:
In unserem westlichem Kulturraum ist Inzucht ein Tabu-Thema und das Praktizieren wird öffentlich gebrandmarkt. Anders sieht es da beispielsweise in teilen von Afrika und Asien aus wo dieses Phänomenen weiter verbreitet ist. Doch auch in der westlichen Geschichte lassen sich Ausnahmen finden. Beispielsweise in der Geschichte verschiedener Königshäuser in Europa.
So auch bei den Habsburgern die von 1516 bis 1700 in Spanien herrschten und deren letzter Throninhaber, Karl II, von bösen Krankheiten geplagt kinderlos verstarb. Und genau über dieses Herrschergeschlecht und ihre inzestösen Verbindungen ist in PLoS ONE ein Paper erschienen was sich mit den Auswirkungen von Inzucht beschäftigt. Die Autoren beschreiben Karl II dabei sehr freundlich als “physically disabled, mentally retarded and disfigured”. Dazu kommt seine vermutliche Impotenz da er trotz zweier Ehefrauen keinen Nachwuchs zeugen konnte. Die Summe seiner ganzen Probleme hat dabei wohl zu seinem Spitznamen “Der Verhexte” geführt.
Als Grund dafür wird immer wieder angeführt dass seine Vorfahren halt ganz gerne mal innerhalb der näheren Verwandschaft geheiratet haben sollen um die Macht in der Familie zu halten. Für diese Theorie sprechen einige Punkte:
Zum einen war Inzucht bei den spanischen Habsburgern mehr oder weniger an der Tagesordnung. Wie man auch hier an diesem kleinen Stammbaum sieht.
Dazu kommt das die Krankheitsbilder an denen Karl II litt zu einem guten Teil ihre Ursachen in homozygoten Gendefekten liegen könnten.
Und der dritte Punkt ist die recht hohe Säuglings- und Kindes-Todesraten unter dem Nachwuchs der Habsburger.
Um dem Ganzen mit wissenschaftlicheren Methoden auf die Spur zu gehen sammelten die Genetiker einen Stammbaum mit gut 3000 Menschen und berechneten für jeden einzelnen den “inbreeding coefficient”, zu deutsch Inzuchtkoeffizienten. Dieser gibt die Wahrscheinlichkeit an das ein Gen in beiden Allelen von den gleichen Vorfahren,und damit homozygot, ist. Zusätzlich schaute man sich noch die Sterberaten unter den Nachkommen der Habsburger an um zu schauen ob es einen Zusammenhang zwischen dem Maß der Inzucht und den Todesfällen geben könnte.
Als kleine Auswahl der Ergebnisse hier eine Tabelle für die Könige und ihre Inzuchtkoeffizienten. Ist dieser zu Beginn noch recht niedrig, steigt jedoch bis zu Karl II stark an, heissen die 0,254 doch nichts anderes als das gut 25% seiner Gene homozygot sind. Verbindet man nun die Inzuchtkoeffizienten mit den Sterbedaten des Nachwuchses erhält man folgende Grafik in der die Abhängigkeit des Überlebens bis zum 10 Lebensjahr gegen den Koeffizienten aufgetragen ist. So sieht man dass die Chance das Erwachsenenalter zu erreichen stark gemindert wird durch hohe Inzuchtkoeffizienten.
In der weiteren Diskussion schlagen die Genetiker sogar noch ein paar Genorte vor die für die Gebrechen Karl II verantwortlich sein könnten. Wer sich dafür interessiert kann ja, dank Open Access, selber nachschauen welche das sein sollten.
So weit bleibt erstmal zu sehen: Ja, wer es mit der Ehe und dem Zeugen von Kindern in der Verwandtschaft übertreibt dessen Familie hat recht schnell mit genetischen Krankheiten zu kämpfen.
Alvarez, G., Ceballos, F., & Quinteiro, C. (2009). The Role of Inbreeding in the Extinction of a European Royal Dynasty PLoS ONE, 4 (4) DOI: 10.1371/journal.pone.0005174