Do It Yourself: Die Krebstherapie aus dem Hobbykeller?
BLOG: Bierologie
Therapien und Forschung mit/an embryonalen Stammzellen, das Klonen von Lebewesen, die Präimplantationsdiagnostik, die Synthetische Biologie, der Einsatz von Gentechnik. Alles Themen, die nicht unumstritten sind und wo die Deutungshoheit über diese Themen nicht alleine bei den forschenden Biologen liegt, sondern bei denen die gesamte Gesellschaft, nachvollziehbarerweise, ein Wort mitreden will. Einer noch recht kleinen Bewegung, der Do It Yourself Biology (DIYBio), ist es aber nicht genug nur mitzureden, selber mitspielen ist angesagt. DNA lässt sich zuhause mittlerweile auch mit einem vergleichsweisen kleinen Budget problemlos isolieren, vervielfältigen und bestimmen. Und mit den gleichen Methoden können hartgesottene DIY-Fans auch gleich DNA-Stücke sequenzieren. Und ich bleibe bei meiner Einschätzung vom Sommercamp der Jungen Piraten: Mit einem Budget von 5000 € dürfte man mittlerweile auch als Hobbyist in der berühmt-berüchtigten Garage transgene Pflanzen herstellen können, wenn man bei der Wahl der Chemikalien (die für Privatpersonen immer noch leider oft nicht so einfach zu bekommen sind) und Geräte kreativ ist.
OpenPCR und Open Gel Box erlauben eine günstige Vervielfältigung und Auftrennung von DNA, mit der Dremelfuge gibt es einen günstigen, auf 3D-Druckern reproduzierbaren, Aufsatz, der aus jedem handelsüblichen Dremel eine Microzentrifuge macht. Wer gerne mit Bakterien und Pilzen spielt, der findet Anleitungen wie sich aus alten PC-Lüfern und einer Styroporbox eine Inkubationskammer bauen lässt und wie man sein Mikroskop am besten um einen Inkubator bereichert. Und wer Gene nicht erst isolieren will, sondern gleich in Organismen einschleusen will, der kann die DNA-Synthese auch outsourcen und dafür 30 Cent pro Basenpaar bezahlen. Bei der iGEM-Challenge bauen Teams aus aller Welt mit standardisierten Gen-Fragmenten, den BioBricks, Mikroorganismen mit neuen Funktionen zusammen. Die Fortsetzung des Hobbykellers mit anderen Mitteln. Kritiker sehen darin im besten Fall eine nette Spielerei, die niemals mit der großen™ Forschung mithalten kann. Im schlimmsten Fall werden diese Hobby-Forscher und alle mit gentechnisch veränderten Krankheitserregern um die Ecke bringen. Aber ganz so schwarz muss man das gar nicht sehen.
Wer nur in seiner Freizeit, mit einem entsprechend schmalen Budget forscht, der kann vielleicht nicht mit Merck & Co mithalten. Und, so weit ich das sehe, will die DIY-Community das auch gar nicht unbedingt. Aber das reine Geld auf Probleme werfen, bis sie gelöst sind, ist in der Forschung zwar oft irgendwie möglich. Doch mit Ausdauer und kreative Ideen zur Problemlösung kommt man genauso gut weiter. Man denke an das menschliche Genome: Über Jahre hat das Human Genome Project sorgfältig und Schritt für Schritt neue Abschnitte entziffert, während Craig Venter und sein Team mit dem Shotgun Sequencing eine neue, radikale Haudrauf-Technik verwendet haben und in einem Bruchteil der Zeit erfolgreich waren und damit den Grundstein dafür gelegt haben, dass Sequenzierungen heute allgemein zu einem Bruchteil der Kosten ablaufen.
Und die am besten ausgestatteten Labore helfen einem nicht, wenn dort nicht an den richtigen Dingen geforscht wird. Schätzungen zufolge leiden in Europa zwischen 6 bis 8 Prozent der Bevölkerung an einer orphan disease, also an verschiedenen, seltenen Krankheiten, für die es oft keine Therapien gibt. Für Pharmafirmen rentiert sich die Forschung an so etwas, mangels Zielgruppe die man später beliefern kann, naturgemäß nicht. Aber wieso sollten die Hobbyisten, unter Umständen gar selbst betroffen, hier nicht in die Bresche springen und aktiv werden? Auch wenn wohl noch Jahre ins Land gehen werden, bis DIY-Biologen Krankheiten heilen, Bestrebungen in die Richtung gibt es bereits: Katherine Aull hat ihre PCR zum Nachweis von Hämochromatose in ihrer Wohnung entworfen. Gleichzeitig haben mehr Leute den je Zugriff auf zumindest Teile ihrer genetischen Information. Firmen wie 23andme werten nicht nur Polymorphismen aus, sie geben einem auch Zugriff auf die Rohdaten, die ihrerseits weiterverwendet werden können. Sei es für weitere Analysen des eigenen Genoms oder auch im Rahmen von Studien. Mit Genomera gibt es bereits eine erste Plattform für Kleinst-Studien, die von den Usern designt werden um neue Erkenntnisse zu gewinnen und zum Teil auch schon die Genotypisierungs-Ergebnisse mit einbeziehen. Und immer mehr Kunden von Personal Genomics-Firmen entschliessen sich dazu, ihre Daten frei verfügbar zu machen. Zu welchen Erkenntnissen das führen kann, zeigen die Veröffentlichungen von 23andme.
DIYBio kann also über den reinen, spielerischen Umgang hinaus gehen. Aber werden die Hobbyisten uns damit alle umbringen? Ich bezweifle es ehrlich gesagt. An tödlichen Krankheitserregern in der Garage forschen wird wohl auf absehbare Zeit nicht das Haupt-Steckenpferd der DIY-Community werden. Ganz abgesehen davon, dass passende Sicherheitsvorkehrungen schon zum Eigenschutz, ganz analog zum typischen Hobby-Bastel-Keller, auch bei den Hobby-Forschern angesagt ist. Und was mit fiesen Terroristen ist, die Super-Erreger züchten wollen? Die greifen doch bereits jetzt lieber zu dem, was die natürliche Selektion im Laufe der Millionen Jahre so zum Vorschein gebracht hat. Es ist ja auch viel bequemer und auch effektiver sich natürlich vorkommende Erreger zu besorgen, von denen man schon weiss, welche fiesen Eigenschaften sie mit sich bringen.
Und selbst wenn die Hobby-Biologen nie Krankheiten heilen oder Biosprit erzeugen werden, dann kann man festhalten, dass sie schon jetzt einen großartigen Dienst erbringen: Die Biowissenschaften für eine breitere Masse, außerhalb von Unibetrieb und Pharmafirmen, begreifbar zu machen. Und das ist an sich schon eine tolle Leistung.
Und zum Abschluss noch ein bisschen Eigenwerbung: Philipp und ich arbeiten übrigens gerade zusammen mit einem weiteren Freund auch an einem kleinen Portal, welches sich grob mit der DIY-Community beschäftigt. Wir wollen gerne eine Plattform schaffen, auf der User sowohl ihre Genotypisierungs-Ergebnisse – also die Rohdaten, wie sie von Personal Genomics-Firmen wie 23andme produziert werden – als auch ihre verschiedenen Phänotypen (z.B. einfache Dinge wie Augenfarbe, aber auch komplexere Dinge wie das Vorhandensein von Krankheiten) veröffentlichen können. Außerdem sollen auch neue Studien vorgeschlagen werden können. Wenn man ausreichend viele solcher Daten sammeln kann, dann würde dies relativ unkompliziert neue Genome Wide Association Studies erlauben (Quasi das Data-Mining-Äquivalent zu Genomera).
Sowas ist natürlich nicht problemlos, immerhin werden viele Leute „ihre Gene“ und ihre Patientendaten aus verschiedensten Gründen nicht frei veröffentlichen wollen. Aber genau dazu haben wir auch eine kleine Umfrage vorbereitet und würden uns natürlich freuen, wenn ihr teilnehmt. Hauptsächlich geht es darum, ob ihr eure Genotypisierungs-Ergebnisse und auch eure Phänotypen frei verfügbar machen würdet. Falls euch die Umfrage auf Englisch weniger liegt, so haben wir auch noch schnell eine deutsche Übersetzung zusammengeklöppelt. Aber bitte macht nur bei einer davon mit.
Photo: Workbench, CC-BY 2.0 by Paul Englefield
Bei der deutschen Umfrage
…ist “Sie” und “Ihre” immer mal klein geschrieben.
Sehr interessanter blogpost, wär ich nicht ein armer Student würd ich mir sofort mein eigenes kleines Labor in die (nicht vorhandene) Garage zimmern.
Vielleicht gibt es ja auch bald in Deutschland einen Bio-Hackerspace, der mit einer grundlegenden Labor-Ausstattung aufwarten kann, ähnlich des GenSpace der in dem Video gezeigt wird.
Danke auch für den Hinweis auf die Rechtschreibung in der deutschen Umfrage. Zur Erklärung: Die Variante habe ich heute recht spontan noch mit heißer Nadel nachgestrickt, da es dort Nachfrage gab, mit der ich so nicht gerechnet hatte.
Dumm ist nur …
… dass der Zulieferermarkt der Bio-Forschung mittlerweile ein richtig teuerer Markt geworden ist, ohne den recht wenig geht – und dass man leider auch ziemlich sauber arbeiten können muss. Alles nicht ganz so niederschwellig wie Computerprogramme programmieren …
Gentechnikgesetz
So toll ich DIYbio finde, zumindest in Deutschland steht dem das Gentechnikgesetz im Weg. Sobald mit transgenen Organismen gearbeitet wird (und das bedeutet schon, ein GFP in E. colis zu transformieren), muss das “Labor” S1-Standard haben. Unter anderem beinhaltet das Anforderungen an die Oberflächenbeschaffenheit und Böden und Arbeitsflächen. Außerdem muss ein Autoklav vorhanden sein. Spätestens hier wirds bei den allermeisten scheitern.
Von der behördlichen Anmeldung der transgenen Arbeiten mal ganz zu schweigen…
@Moritz: Das ist leider wirklich aktuell der große Knackpunkt, also nicht einmal unbedingt die Kosten, sondern das gerade die (völlig problemlosen/ungefährlichen) Chemikalien (So etwas wie die PCR-Zutaten) nicht an Privatpersonen geliefert werden. An günstigen Alternativen für alles andere arbeitet man in der DIY-Community ja, zum Teil auch an Alternativen für die Chemikalien.
@Alex: Yep, Sicherheitsbestimmungen gelten natürlich auch für die Hobbyisten, wer als GMOs basteln will, der wird sich entsprechend prüfen lassen müssen. Allerdings kann man sich natürlich auch zusammen tun und sich selbst ein Labor einrichten, analog zum Hackerspace. So weit ich weiss ist es genau das, was man GenSpace gemacht hat. 🙂
Wir müssen also wie die Teenage Mutant Ninja Turtles in den Untergrund gehen…
Undergroundbiology
Das hast du jetzt vorgeschlagen, ich würde natürlich nie dazu raten in der Küche GMOs zu erzeugen, ohne die passenden Genehmigungen und Sicherheitsvorkehrungen einzuhalten 😉
hey gleichgesinnte
dass ich erst jetzt hier drauf gestoßen bin…
checkt mal meine website:
http://www.openbioprojects.net
oder schreibt mich an.
Gruß, Rüdiger