Die “wunderbare” Welt der Bettwanzen
BLOG: Bierologie
Mensch sein hat doch so seine Vorteile – wenn man sich das Geschlechtsleben anderer Tiere so anguckt, ist man doch froh dass das eigene so verhältnismäßig unkompliziert verläuft …
Neues Lieblingswort – "traumatic insemination"
Geschlechtsverkehr läuft bei Bettwanzen auf die brutale Art und Weise ab. Normalerweise bewegen sich die Spermien im (Insekten-)Weibchen von der Vagina aus durch die Hämolymphe, einer Art einfachen Vorgänger unseres Blutsystems, zu den Eierstöcken, wo sie evtl. vorhandene Eizellen befruchten. Das alleine hört sich ja noch harmlos an.
Im Laufe der Zeit hat sich dann doch eine Besonderheit herausgebildet – der Penis der Männchen wurde immer spitzer und spitzer, so dass die Spermien inzwischen eine Abkürzung nehmen – die Männchen stechen den Weibchen einfach ihren Penis in den Panzer! (Daher auch das schöne Fachwort "traumatic insemination".)
Natürlich stellt diese doch extreme Praxis Kosten für die Weibchen dar – die Wunde im Rücken ist ein Einfallspunkt für Parasiten und andere Krankheitserreger. Deshalb hat sich bei den Weibchen eine zweite Genitalöffnung entwickelt, im Englischen genannt "spermalege". Diese schützt zwar vor Parasiten, scheint aber nicht vor möglichen (Heilungs-)Kosten durch die Verwundung zu schützen. Die "Original"-Vagina wird weiterhin zur Eiablage benutzt.
"Kein Stich von allen schmerzte so wie der."
Blöderweise haben die Bettwanzen kaum Mittel, um die Geschlechter voneinander zu unterscheiden – üblicherweise wird der Akt einfach mit der wohlgenährtesten Wanze in der Nähe vollzogen. Deswegen gibt es bei Bettwanzen auch in gewissen Maße Homosexualität – problematisch für Männchen, da sie nicht über ein solches "spermalege" auf dem Rücken verfügen. Werden sie durch den Penis gestochen, so sterben die meisten bestiegenen Männchen. Wissenschaftler haben in der Vergangenheit beobachtet, dass Männchen zwar andere Männchen bestiegen, aber in vielen Fällen weder "zustachen" noch Spermien abgaben – warum und wie genau ist erst seit einem Jahr bekannt.
Tipp-Ex, Nagellack, die eigenen Arme – was braucht ein Forscher sonst?
Camilla Ryne von der Lund University hat in ihrem Paper "Homosexual interactions in bed bugs: alarm pheromones as male recognition signals" vom letzten Februar untersucht, wie die Geschlechtserkennung bei Bettwanzen abläuft. Dazu brauchte sie nicht viel – um die empfangenden Bettwanzen vor dem Geschlechtsverkehr möglichst wohlgenährt erscheinen zu lassen, ließ sie sich von den Bettwanzen in die eigenen Arme beißen. Um zu beweisen, dass Alarmpheromone zur Geschlechtsidentifikation benutzt werden, bestrich sie Bettwanzen mit Nagellack, damit keine Pheromone nach außen dringen konnten – und um Wunden durch Geschlechtsverkehr nachweisen zu können, bestrich sie die Insekten mit Tipp-Ex.
Mit diesen Methoden konnte Camilla Ryne zeigen, dass Männchen anscheinend eine geringe Menge des Alarmpheromones versprühen, um sich andere Männchen vom Panzer zu halten. Männchen, deren Alarmpheromondrüsen dagegen durch Nagellack blockiert waren, wurden öfter und länger durch andere Männchen bestiegen. Versprühte sie männliche Alarmpheromone auf ein männlich-weibliches Paar, so hielt sich das Männchen signifikant kürzer auf dem Weibchen auf, und die Menge der übertragenen Spermien wurde um die Hälfte reduziert – gleichzeitig gab es weniger Verletzungen.
Da zeigt sich wieder: Evolution ist großartig und überrascht immer wieder auf neue Arten. Und damit wünsche ich allen Lesern eine gute Nacht!
Ryne, C. (2009). Homosexual interactions in bed bugs: alarm pheromones as male recognition signals Animal Behaviour, 78 (6), 1471-1475 DOI: 10.1016/j.anbehav.2009.09.033
Reinhardt, K., & Siva-Jothy, M. (2007). Biology of the Bed Bugs (Cimicidae) Annual Review of Entomology, 52 (1), 351-374 DOI: 10.1146/annurev.ento.52.040306.133913