Die Biologie der Burschenschaftler

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Bei Telepolis bin ich über ein sehr lesenswertes Interview mit einer Politologin über den letzten Rechtsruck in deutschen Burschenschaften gestolpert (Link). Der Dachverband Deutsche Burschenschaft hatte darüber diskutiert, eine Burschenschaft mit einem chinesisch-stämmigen Mitglied auszuschließen, auf Basis seiner Abstammung. Dabei fiel mir ein Zitat besonders auf: Der Burschenschaftler sei Angehöriger einer “außereuropäischen populationsgenetischen Gruppierung”. Beim Lesen dieses Zitats zog sich mir die Stirn auf die Nasenspitze – was soll das denn bitte heißen? Für mich ist diese Begründung absolut pseudo-wissenschaftlicher Quatsch, warum möchte ich hier aufführen.

Der Begriff “populationsgenetische Gruppierung” taucht beim Googlen nicht außerhalb der Geschichte mit der Burschenschaft auf. Ich meine, dass die Herren damit Population meinen (wollten wohl wissenschaftlicher klingen). Was ist eine Population? In der Biologie alle Organismen, die zur gleichen Spezies gehören und ungefähr die gleiche Gegend bevölkern. Die Abgrenzung zwischen Populationen erfolgt grob nach Geschlechtsverkehr1; zwei Angehörige einer Population haben mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Nachkommen als zwei Angehörige unterschiedlicher Populationen. Das hat mit zufälligen politischen Grenzen nicht viel zu tun, außer die Grenzen sind geschlossen: Nachkommen zwischen Süd- und Nordkoreanern gibt es momentan nur wenige.

Zu welcher Population gehört also der chinesisch-stämmige Stein des Anstoßes? Vor dem Siegeszug des interkontinentalen Reisens gab es lokale Populationen – Extrembeispiel: Japan hat sich jahrhundertelang von der westlichen Welt abgeschlossen, also gab es für kurze Zeit eine homogene Homo sapiens-Population auf den japanischen Inseln. Aber heutzutage lässt sich jeder Mensch innerhalb von geschätzt 40 Stunden “erkennen” (von meiner momentanen Position bis in mein Heimatdorf einmal rund um die Welt brauche ich, ohne Flughafenwartezeiten oder Umsteigen, 30 Stunden), abgeschlossene Populationen gibt es kaum noch. Ich denke, bei Menschen man kann von einer weltweiten Population mit lokalen heterogenen Tendenzen sprechen (weil nicht jeder seine Sexualpartner per Flugzeug bereist), zu dieser Population gehört auch unser Burschenschaftler.

Ist einer solche Vermischung denn jetzt “gut”, oder “schlecht”? Zuerst einmal kann man bei Genen selten von “guten” oder “schlechten” reden – manche Genotypen (die genetische Austattung) sind in manchen Situationen von Vorteil, in manchen von Nachteil. Es gibt kein “gut” oder “schlecht” in der Welt der Gene, nur situationsbezogen unvorteilhaft oder vorteilhaft. Das dickste Fell nützt dem Mammut nicht, wenn es in eine Felsspalte bricht weil es zu schwer wurde2.

Normalerweise ist Genfluss zwischen Populationen (wenn es sie denn gibt) von Vorteil – je mehr unterschiedliche Allele (Variationen) es für ein Gen gibt, desto eher überlebt die Population. Wenn eine Population von einer bestimmten Krankheit befallen wird, und zufällig haben einiger der Mitglieder ein Allel mit erhöhter Resistenz gegenüber dieser Krankheit, so wird sich dieses Allel über mehrere Generationen (bei gleichbleibendem Krankheitsbefall von außen) in der Population verbreiten. Biologisch betrachtet ist Immigration von Angehörigen der gleichen Spezies super!3

Über den anderen Grund “nicht Teil der deutschen Schicksalsgemeinschaft” möchte ich nur wenige Worte verlieren, ich verstehe den Begriff nicht, finde keine schlüssige Definition und die Abgrenzung zwischen “Teil” und “Nicht-Teil” macht keinen Sinn – ab wann gehört man dazu? In Deutschland geboren? In Deutschland aufgewachsen? Muss man den Mauerfall mitgemacht haben, oder reicht’s auch sich an “Hallo Spencer” erinnern zu können?

Was ich mit diesem Artikel sagen möchte: Rassismus kommt in vielen Kostümen, sehr gern im Laborkittel der Wissenschaft. Viele Menschen schmücken sich gern mit verkomplizierten wissenschaftlichen Ausdrücken, um eventuelle Diskussionsgegner/partner vorher mundtot zu machen, oder sie glauben zu machen, man hätte Ahnung von der Materie. Wenn ihr solche Ausdrücke lest oder hört, denkt nach, schaut nach – und macht euch dann über den anderen lustig, er hat’s verdient.

[1]: Ein glorreicher Tag an dem man solche Sätze schreiben darf.
[2]: Beispiel aus irgendeinem Dawkins-Buch geklaut.
[3]: Es gibt ein paar Ausnahmen – Überbevölkerung, zum Beispiel.

Veröffentlicht von

Philipp hat einen Bachelor in Biologie, ein Graduate Certificate in IT und studiert momentan für seinen Master in IT in einem übertrieben großen Land voller Spinnen und Schafe. Für die Bierologie schreibt er zumeist über Biologie, Evolution und allem was an den Rändern der Gebiete noch so angeschwemmt wird.

11 Kommentare

  1. Da hier vermutlich…

    …trotz des prinzipiell sehr ansprechenden Blognamens keiner der Burschenschaftler mitliest, die diesen Schwachsinn verzapft haben, gestatte ich mir stellvertretend mal eine Replik:

    “Nur weil es so etwas wie eine populationsgenetische Gruppierung gar nicht gibt, kann man es uns doch nicht übel nehmen, wenn wir keine Studenten aufnehmen wollen, die wie Chinesen aussehen. Und das mitten im Gesicht verdammt noch eins. Die kann man doch einfach nicht dabeihaben wollen – und wenn wir dafür extra einen neuen Begriff erfinden, um diese simple Wahrheit nicht allzu laut aussprechen zu müssen, dann machen wir das eben. Und wenn uns die schöne “populationsgenetische Gruppierung” jetzt von haarspalterischen Fachleuten kaputtgeredet wird, begründen wir den nächsten Ausschluss eben kraniometrisch – da müssen wir uns vielleicht sogar die passenden Kriterien nicht mal selbst ausdenken.

    Ach ja: Der Verweis darauf, dass der zu chinesisch aussehende Typ prinzipiell auch zum Geschlechtsverkehr mit Studentinnen unserer Hochschule befähigt wäre, macht ihn uns übrigens kein bisschen sympathischer. Aber das nur so nebenbei…”

  2. Super-Artikel!

    Vielen Dank, Philipp! Und, ja, es ist ein echtes Ärgernis, dass solcher Mißbrauch von (pseudo-)wissenschaftlicher Sprache immer wieder die Biowissenschaften insgesamt in ein schlechtes Licht rückt. Deswegen ist es m.E. der völlig richtige Weg, solche Sprachungetüme aufzugreifen und klar zu stellen, wie es hier geschehen ist – damit wird ja dann sogar ein gewisser Informationseffekt verbunden. Zumindest für diejenigen, die auch offen für entsprechende Argumente sind.

    Vor ein paar Wochen hatte ich einen ähnlichen Beitrag zum Thema “Eugenik” bei Thilo Sarrazin gepostet und prompt fiese Mails von Rechtsaußen erhalten:
    http://www.chronologs.de/…-eugenik-unm-glich-ist

    Hoffe, dass es Dir nicht auch so geht. Wenn doch, gib Bescheid, dann ärgern wir die Rassisten eben gemeinsam. 😉

  3. @Christian: Die Burschenschaftler zu erreichen ist glaube ich sehr schwer, und mit einem kleinen Blog-Artikel nicht zu machen. Mir geht’s nur um die Leute, die sich von so Quatsch beeindrucken lassen 🙂 Die Replik ist so, wie ich mir das auch vorstelle 😉

    @Michael: Noch nichts eingetrudelt – die Kommentare hier bei der Bierologie sind ja meist eher zahm und wenig, in deinem Artikel ging’s ja hoch her!

  4. “Nachdenken” allein reicht nicht aus

    Ich finde den Artikel ein bischen kurz geraten angesichts der Brisanz des Themas.

    Und vom wissenschaftlichen Standpunkt ist er in dieser Kürze klar eine Fehlinformation.

    Wenn die Japaner heute durchschnittlich einen angeborenermaßen höheren IQ haben, als die Europäer und Afrikaner, dann ist das nur möglich geworden AUFGRUND ihrer Isolation. Wenn man den Japanern rät, sich mit anderen zu vermischen, rät man ihnen, den durchschnittlichen IQ ihres Landes, auf dem ihr Bruttosozialprodukt ganz wesentlich beruht, herabzusetzen.

    Dementsprechend auch alle anderen Völker der Nordhalbkugel, so zum Beispiel wir Deutsche. Oder die aschkenasischen Juden.

    Aber das gilt nicht nur für den IQ, sondern auch für viele andere menschliche Eigenschaften mit stärkerer genetischer Komponente. Etwa die angeborene Depressionsneigung, die in Asien wesentlich weiter verbreitet ist als in Europa, woran sicherlich die dortige “konformismus-fördernde” Kultur sehr stark angepaßt ist, etc. pp. pp..

    Also, der Aufruf zum Nachdenken ist begrüßenswert. Aber nicht nur nachdenken ist notwendig, sondern zugleich auch einmal, sich umfassend auf den Stand des naturwissenschaftlichen Wissens auf diesem Gebiet zu bringen. Allein “Nachdenken” nutzt da nichts.

    Vielleicht einfach mal Richard Dawkins “Ancestor’s Tale” lesen. Oder Nicholas Wade’s “Before the Dawn” oder ähnliche ziemlich wissenschaftsnahe, ideologieferne Bücher.

  5. … oder den guten alten Charles …

    Oder auch einfach mal nur den guten alten Charles lesen. Zum Beispiel jenes ganz und gar unerhebliche Buch, das da den Titel trug und trägt und nur mal eben die modernen Evolutionswissenschaften begründete:

    “On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life”.

    Nix für ungut!

  6. @Ingo Bading

    “Wenn die Japaner heute durchschnittlich einen angeborenermaßen höheren IQ haben, als die Europäer und Afrikaner, dann ist das nur möglich geworden AUFGRUND ihrer Isolation. Wenn man den Japanern rät, sich mit anderen zu vermischen, rät man ihnen, den durchschnittlichen IQ ihres Landes, auf dem ihr Bruttosozialprodukt ganz wesentlich beruht, herabzusetzen.”

    Diese Aussage beruht auf mehreren Annahmen:
    1) IQ ist vererbbar. Dies ist umstritten (Hier eine etwas ältere Studie). Ein höherer IQ kann (soweit es erforscht ist) genausogut von Umwelteinflüssen kommen.
    2) “Vermischung” würde den IQ runterdrücken – dafür gibt es keine Beweise. Könnte auch genausogut andersrum funktionieren, die Grundlagen für den IQ-Wert sind kompliziert und nicht genügend erforscht.
    3) Wirtschaftlicher Erfolg hängt mit dem IQ des Landes zusammen.Hier eine Liste mit Länder-Durchschnittswerten. Meines Erachtens sind die Unterschiede nicht so groß, um damit wirtschaftlichen Erfolg vorherzusagen – die USA mit 98 Durchschnittspunkten sind ein wirtschaftlich sehr erfolgreiches Land, Japan hat “nur” 7 Punkte mehr. Meines Erachtens sind kulturelle Werte für wirtschaftlichen Erfolg wesentlich ausschlaggebender, in Japan zum Beispiel eine Kultur die extrem auf Zusammenhang und Zusammenarbeit setzt.

    Wir beide haben komplett andere Vorstellungen von Populationen. Bei Ihnen sind Populationen von Ländergrenzen eingeschränkt, wie es zu Darwins Zeiten sicherlich der Fall war. Heutzutage, mit dem Anstieg des internationalen Flugverkehrs und wesentlich höherer Migrationsrate fließen alle Populationen in eine große.

    Dementsprechend teile ich nicht ihre Meinung – allerdings glaube ich auch nicht das wir eine Einigung erzielen können, die Forschung (genetische Grundlagen für IQ etc.) ist noch nicht weit genug um hier eine definitive Einigung erzielen zu können. Nichts für ungut 😉

  7. @ Philipp Bayer

    zu 1.) Daß der IQ genetisch bedingt ist, dürfte sich doch seit der Sarrazin-Debatte herumgesprochen haben. Ungeklärt ist nur, ob zu 50 oder zu 80 %. Das ist aber nicht wesentlich um behaupten zu können, daß auch wesentliche menschliche psychische Eigenschaften darwinischer Selektion unterliegen.

    zu 2.) Daß Vermischung den IQ runterdrückt, bzw. heraufhebt, dafür gibt es inzwischen unzählige Hinweise. Warum haben die Amerikaner afrikanischer Abstammung einen höheren IQ als die Afrikaner Afrikas? (Die ersteren um 85, die letzteren um 65.) Bloß weil sie seit 200 Jahren den Umwelteinflüssen der USA ausgesetzt sind? Unplausibel (die Aschkenasim leben viel kürzer dort und haben einen viel höheren IQ durchschnittlich). Nein, ganz simpel: Sie tragen zwischen 10 und 20 Prozent europäische Gene in sich.

    Warum haben die Inuit einen höheren, als sonstige Gruppen ihrer Abstammungsgemeinschaft? Einmischung von norwegischen Seefahrern oder Wikingern (meines Wissens noch ungeklärt).

    Meinetwegen sehen Sie das alles nicht als “gesichert” an. Aber das all das von vornherein so unplausibel sein soll, daß Sie diese Möglichkeiten gar nicht erst zu berücksichtigen scheinen, halte ich für klare Fehlinformation der Öffentlichkeit.

    zu 3.) Die Korrelation zwischen Bruttosozialprodukt und IQ ist von Richard Lynn und Koautoren ebenfalls schon in mehreren Studien untersucht worden. Wenn Sie meinen, das Ergebnis dieser Studien ist falsch, müßten Sie das begründen.

    Ebenso sagen führende IQ-Forscher heute in Deutschland, daß Charles Murray “Bell Curve” wissenschaftlich völlig korrekt ist, und darin ist lang und breit behandelt, daß wenige psychische Merkmale so gut den Berufserfolg voraussagen können, als der IQ.

    Ich grenze Populationen nicht durch Ländergrenzen ab. Aber die traditionelle Anthropologie weiß es seit Jahrhunderten, daß geographische Barrieren, kulturelle Barrieren, Sprachbarrieren, religiöse Barrieren Fortpflanzungsschranken darstellen.

    Das beste Beispiel ist der IQ-Unterschied zwischen sephardischen und aschkeansischen Juden, der wohl erst etwa 1000 Jahre alt ist und nur durch eine Fortpflanzungsschranke zustande gekommen ist. Ganz geringe Unterschiede in religiösen Traditionen haben hier SEHR deutliche Heiratsschranken etabliert. Diese sind noch heute in Israel intakt, obwohl Sepharden und Aschkeansim innerhalb der gleichen geographischen Grenzen leben.

    Moderne Anthropologie ist ein ziemlich spannendes Forschungsfeld, wenn man es nicht mit ideologischen Scheuklappen betrachtet. Dann wirds freilich hochgradig langweilig. Und viel zu oft ganz falsch.

  8. Antwort

    “Daß der IQ genetisch bedingt ist, dürfte sich doch seit der Sarrazin-Debatte herumgesprochen haben.”

    Seit Sarrazins Buch hat sich nur eins rumgesprochen: dass der Mann keine Ahnung von Biologie hat. Warum muss ich selbst nicht ausführen – das hat der “Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland e.V.” in einer Pressemitteilung damals schon sehr gut gemacht, hier der Link.

    In dem Text werden all ihre Argumente widerlegt – hier der wichtigste Satz zu ihrer Argumentation: “Es ist daher davon auszugehen, dass jede Volksgruppe grundsätzlich das gleiche genetische Potential für Intelligenzleistungen hat.”
    “Vermischung” hat da nix mit zu tun – vielmehr kulturelle, soziale Gründe, z.B. ein schlechteres Schulsystem in ärmeren Gegenden.

    Auch zu Murray’s “Bell Curve” will ich etwas schreiben. Das Buch beruht nämlich auf den gleichen Annahmen, die ich schon in meiner letzten Antwort angerissen habe. Die Daten in dem Buch sind richtig, da kann man keine Kritik zu äußern – nur die Interpretation der Daten ist völlig daneben, da die Autoren ihr Argument auf tönerne Füße stellen:

    1. Die Autoren gehen davon aus, dass man Intelligenz über einen einzigen Wert messen kann: Den IQ. Ob das so stimmt ist nicht bewiesen (und kaum beweisbar!). Wikipedia listet 7 verschiedene IQ-Tests auf – alle mit unterschiedlichen Ergebnissen!

    Ist IQ gleich Intelligenz? Kommt drauf an wie man Intelligenz definiert – Berufserfolg? Gutes abschneiden in mathematischen Tests? Wie gut man kochen kann? Ich denke, dass IQ alles zu vereinfacht – Intelligenz ist von vielen Faktoren abhängig, ganz sicher nicht alleine davon wie gut man auf Papier Quadrate drehen kann.

    2. Dieser einzelne (IQ)-Wert führt dann dazu, dass man Menschen linear nach Intelligenz einordnen kann.
    3. Dieser einzelne IQ-Wert ist genetisch basiert.
    4. Der Wert ist Zeit des Lebens eines Individuums unveränderlich.

    Nur einer dieser vier Punkte muss widerlegt sein, damit die ganze Argumentation des Buches zusammenstürzt. Kritiken zu Punkt 1, 2, 3 haben ich (und der Verband der Biowissenschaftler weiter oben) schon aufgeführt – ich denke, dass sich da über die Jahre nur weiter Gegen-Beweise anhäufen werden.

    Zu Punkt 4: Ist der IQ eines Menschen immer gleich? Wahrscheinlich nicht, sieht so aus als würde sich der IQ über die Zeit eines Menschen um 20 Punkte verschieben (Quelle). Überraschung, Überraschung, auch hier wird der IQ von der Umwelt beeinflusst: verschiedene Schulen, wie die Eltern sich verhalten, Armut, Schulverhalten, all dies beeinflusst die Entwicklung des IQs eines Individuums.

    Außerdem ist Spearmans g-Wert, auf den sich The Bell Curve bezieht, zur Messung von Intelligenz umstritten. Der Wert basiert auf Korrelation, sagt also nichts über Kausation.
    Jeder Erst-Semester Student wird ihnen sagen können, dass Korrelation nur unter Umständen mit Kausation zu tun hat. Beispiel: Nur weil ich jeden morgen vor Sonnenaufgang Kaffee trinke geht die Sonne nicht auf (wir haben Korrelation, aber keine Kausation).
    Mit g kann man relativ gute Vorhersagen über das schulische Abschneiden von Schülern machen – das war’s dann aber auch. Irgendwas über die Menschheit damit ableiten zu wollen ist schlicht falsch.

    Nochmal zu Korrelation zwischen Bruttosozialprodukt und IQ: Wie ich weiter oben ausgeführt habe, hat die Umwelt maßgebliche Einflüsse. Her mit einem Gedankenexperiment!

    Wir befinden uns in Dorf A. Dorf A war immer arm, es gibt nur eine schlecht ausgestattete Schule, viele Kinder und die Eltern arbeiten die meiste Zeit auf Feldern, es gibt also kaum Zeit sich um die Kinder zu kümmern. Dorf A hat dementsprechend einen recht geringen IQ im Mittel. Jetzt findet jemand ein Goldvorkommen gleich neben der Stadt – die Bewohner sind reich! Über die Jahre werden neue, bessere Schulen gebaut, die Eltern haben mehr Zeit für ihre Kinder, generell werden die Menschen gesünder. Siehe da: der IQ steigt! Aber nicht weil die Menschen aus Südamerika stammen, sondern wegen der Umwelteinflüsse. Hier haben wir also ein steigendes Bruttosozialprodukt UND einen steigenden IQ. Nach Lynn et al. käme das höhere Bruttosozialprodukt vom IQ – im Gedankenexperiment steigen aber beide Werte zusammen aufgrund des Zufalls.
    Was zeigt uns das? Sicher, die beiden Werte korrelieren gerne – aber ob da Kausation ist hat niemand bewiesen. Direkte Kausation IQ -> Bruttosozialprodukt ist meines Erachtens grob fahrlässig – da werden viel zu viele, auch unerforschte Faktoren ausgelassen.

    “Moderne Anthropologie ist ein ziemlich spannendes Forschungsfeld, wenn man es nicht mit ideologischen Scheuklappen betrachtet. “
    Find ich auch.

  9. Ausgewogene Darstellung?

    Hallo Herr Bayer,

    ich will mich gar nicht vertiefter einlassen in die Diskussion. Ich habe selbst zu der unsäglichen Stellungnahme des Verbandes deutscher Biologen damals gleich Stellung genommen:

    http://studgenpol.blogspot.com/…ngnahme-des.html

    Was ich an ihr und auch an Ihrer Stellungnahme am meisten kritisiere, ist, daß Sie schlicht den derzeitigen Forschungsstand nicht vollständig darstellen. Was klar ein wissenschaftliches Fehlverhalten ist.

    Ich mag ja Dinge völlig übersehen haben. Aber so viel ich mitbekommen habe, heißt wissenschaftlich arbeiten, daß man einen Forschungsstand in allen Argumenten im Für und Wider ausgewogen darstellt und erst DANN zu einer Schlußfolgerung kommt.

    Dagegen verstößt die Stellungnahme des VBIO in eklatantem Maße. Das ist weitaus mehr Propaganda als Wissenschaft. Das ist überaus traurig und schade, daß Ihnen das selbst nicht aufgefallen zu sein scheint.

  10. “Parallel Adaptive Divergence …”

    Weil es mir gerade unterkommt:

    Wer sich über aktuelle fachwissenschaftliche Entwicklungen informieren möchte, kann gerne auch mal in einen PloS-Biology-Artikel vom Juni reinschauen. Vielleicht bekommt er dann eine Ahnung davon, was – horribile dictu! – mit einer “außereuropäischen populationsgenetischen Gruppierung” gemeint sein könnte …

    “Parallel Adaptive Divergence among Geographically Diverse Human Populations”

    http://www.plosgenetics.org/…ournal.pgen.1002127

    Aus der Zusammenfassung der Autoren:

    “Our results indicate that local adaptation in humans has occurred by subtle, repeated changes at particular genes that are likely to be associated with IMPORTANT morphological and physiological differences among human populations.”

    Und natürlich dann auch “psychological differences”, da die Psyche nur ein Teil des Körpers ist und – natürlich – “mitevoluiert”. Zum Beispiel eben der IQ, Depressions-Neigung, ADHS etc. pp. pp..

  11. @Ingo Bading:
    Was wollen Sie mir damit sagen? Natürlich gibt es genetische Unterschiede zwischen Menschen – sonst sähen wir alle gleich aus, würden uns gleich verhalten etc. Vor dem Aufkommen des internationalen Flugverkehrs und der vermehrten Vermischung von Menschen gab es auch sicherlich andere Populationsgruppierungen – wie ich im Artikel beschrieben habe.

    Zitat aus der von Ihnen verlinkten Veröffentlichung: “Thus, our results provide statistical support for a major feature of the human evolutionary process: that the same genes are selected independently in multiple environments”, auf Deutsch: die gleichen Gene werden in unterschiedlichen Umgebungen selektiert. Ich verstehe nicht wie die Veröffentlichung ihren Standpunkt unterstützen soll.

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