Der Kulli und die Armbrust

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researchblogging Philipp sagt Philipp sagt:
1991 fand man in Leiden, Niederlande, die Leiche einer Frau – unversehrt, nur mit einem leicht geschwollenen Auge. Eine Autopsie wurde durchgeführt, und was war die Todesursache?
Hinter dem Auge steckte ein kompletter Kugelschreiber! Wie er da hinkam, war nicht ersichtlich – entweder fiel die Frau auf den Kulli, während sie ihn in der Hand hielt, oder jemand hat das Schreibgerät mit Gewalt hinterm Auge versteckt.

Über diesen Fall, mit Fokus auf dem Zwischenspiel der (forensischen) Wissenschaft mit der Öffentlichkeit und der Justiz, hat Roland Bal in seiner Veröffentlichung How to Kill with a Ballpoint: Credibility in Dutch Forensic Science untersucht.

Der Fall wurde damals sofort als Kriminalfall behandelt, da der Kulli vorher wahrscheinlich nicht im Haus war, da kein Schriftstück mit der Farbe des Kullis geschrieben wurde, und da das Opfer anscheinend nur mit Füller schrieb.
Der Sohn des Opfers wurde verhaftet, da seine Therapeutin aussagte, er hätte in der Therapie den Mord zugegeben. Den Mord hätte er mit einer Armbrust durchgeführt. Der Sohn stritt alles ab und wurde in erster Instanz zu 12 Gefängnis verurteilt.

Und hier setzt die Wissenschaft ein; man muss ja beweisen, dass Mord mit Kulli und Armbrust möglich ist.
Und wie macht man dass? Wer schonmal Dexter bei der Arbeit zugesehen hat, weiß wies geht – mit einem Modellkopf (einer der Wissenschaftler hatte sogar einen echten). Sogar der Vater des Verdächtigen und damit der Ehemann des Opfers hats mit einem unechten Modellkopf versucht und für das Gericht gefilmt.

Blöd nur, dass bei allen Versuchen der Kulli beschädigt wurde – das Exemplar im Kopf des Opfers war unbeschädigt. Ums jetzt kurz zu machen – das Netherlands Forensics Institute (NFI), welches laut dem Artikel anscheinend ein Monopol in der Bewertung wissenschaftlicher Versuche für Gerichte in den Niederlanden hat, stand den Versuchen keine Aussagekraft zu. Damit wurde die Armbrustmethode vor Gericht abgeschmettert.

Dazu kommt, dass die Therapeutin vor Gericht zugeben musste, dass sie der Aussage des Verdächtigen zu 100% vertrauen kann. Jeder kann schließlich bei der Therapie lügen.
So brach der ganze Fall zusammen, der Mann kam frei, und man ist sich bis heute nicht sicher, obs überhaupt ein Mord war. Und da sieht man auch schön die Grenzen der modernen Wissenschaft.

Vielleicht wars auch der Joker mit seinen ausgefeilten Magie-Tricks!

P.S.: Hier noch ein netter Link, für den ich keinen eigenen Artikel erstellen wollte: The Biology of B-Movie Monsters, über die biologische Wahrscheinlichkeit von Riesenspinnen, ob man von einem normal großen Stuhl springen kann wenn man nur noch 30cm groß ist, usw.. Empfehlenswert!


Bal, R. (2005). How to Kill with a Ballpoint: Credibility in Dutch Forensic Science Science, Technology & Human Values, 30 (1), 52-75 DOI: 10.1177/0162243904270722

Veröffentlicht von

Philipp hat einen Bachelor in Biologie, ein Graduate Certificate in IT und studiert momentan für seinen Master in IT in einem übertrieben großen Land voller Spinnen und Schafe. Für die Bierologie schreibt er zumeist über Biologie, Evolution und allem was an den Rändern der Gebiete noch so angeschwemmt wird.

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