Der erste Eindruck: Online gegen das echte Leben

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researchblogging Bastian sagt Bastian sagt:
Vor ein paar Tagen kamen Meldungen auf das Facebook, Twitter und überhaupt dieses ganze Web einen zu ganz unmoralischen Menschen lassen werden. Das ist etwas übertrieben, was aber im Netz immer vermeintlich zu Problemen führen kann ist die beschönigte, geschummelte Selbstdarstellung von Personen. Denn wenn ich mein Facebook-, StudiVZ-, Twitter-, wasauchimmer-Profil gezielt erstelle kann man sein Bild nach aussen theoretisch stark verzerren und sich als Mutter Theresa feiern lassen.

Zu diesem Problem ist im Journal of Experimental Social Psychology ein Paper erschienen. Beleuchtet wurde ob es einen Zusammenhang zwischen dem gemocht werden im Web und im “echten Leben” gibt. Die Ergebnisse der Versuche zeigen dabei dass Menschen die im echten Leben gemocht werden auch im Web gemocht werden. Und das Menschen die viele Informationen auf ihren Profilen preisgeben dies auch im Real-Life tun.

Hört sich so weit ganz gut an, aber ich habe mit den Ergebnissen der Studie so meine Bauchschmerzen. Grundlage des Versuch war es das 37 Studenten von “Komplizen” interviewt wurden bzw. ein Gespräch mit den Probanden führten. Die Komplizen bewerteten dann das “Behavioral liking”. 10 andere Studenten durften sich dann die Facebook-Profile der Probanden anschauen und durften diese auf das behavioral liking bewerten.

Und genau das ist das Problem mit der Studie: Nicht nur das 37 Versuchspersonen für so eine Aussage ein recht geringer Stichprobenumfang ist. Der Versuch missachtet auch völlig die peer-groups, die sozialen Strukturen in denen sich sowohl die Versuchspersonen als auch die auswertenden Studenten befinden. Im Paper finden sich keinerlei Hinweise darauf dass die auswertenden Studenten daraufhin überprüft wurden.

Dazu ein kleines Beispiel: Unsere Versuchsperson ist großer Star Trek-Fan. Der Reviewer der das Interview führt ist leider Star Wars-Fan. Beide finden sich aus Überzeugung mehr als unsympathisch, der Kandidat bekommt 0 Punkte.
Doch nun kommt der Facebook-Reviewer daher und ist zufällig auch Star Trek-Fan, der Kandidat bekommt 10 Punkte. In dem Beispiel liegen die Bewertungen komplett auseinander. Man bekommt eine negative Korrelation.

Und von diesen Beispielen lassen sich vermutlich unendlich viele finden: Nazi vs. Links-Autonomer, streng gläubiger Christ vs. Atheist, Cola vs. Pepsi. Denkt euch was aus.  Und um solche Effekte, im vorliegenden Versuchsaufbau, ausschliessen zu können hilft es eigentlich nur die Stichprobe auf beiden Seiten, Befragter und Reviewer, groß genug zu machen. So kann man die Extrem-Fälle abfangen und erhält einen aussagekräftigen Mittelwert da vermutlich alle Kombinationen durchgespielt werden können.

Alternativ müsste man sicherstellen dass zumindest die beiden Reviewer einen ähnlichen, sozialen Hintergrund haben. Doch so weit ich das sehen kann ist hier weder noch geschehen. Schade, denn die Ergebnisse dieser Richtung wären interessant. Wenn der Versuch denn ordentlich durchgeführt wird.

Und solange kann man nur sagen: Vielleicht finde ich Menschen die ich online nett finde auch von Angesicht zu Angesicht nett.


Weisbuch, M., Ivcevic, Z., & Ambady, N. (2009). On being liked on the web and in the “real world”: Consistency in first impressions across personal webpages and spontaneous behavior Journal of Experimental Social Psychology, 45 (3), 573-576 DOI: 10.1016/j.jesp.2008.12.009

Veröffentlicht von

Bastian hat seinen Bachelor in Biologie in nur 8 statt 6 Semestern abgeschlossen. Nach einem kurzen Informatik-Studiums-Intermezzo an der TU Dortmund hat es ihn eigentlich nur für ein Stipendium nach Frankfurt am Main verschlagen. Dort gestrandet studiert er dort nun im Master-Programm Ökologie und Evolution. Zumindest wenn er nicht gerade in die Lebensweise der Hessen eingeführt wird. Neben seinen Studiengebieten bloggt er über die Themen, die gerade in Paperform hochgespült werden und spannend klingen.

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