Über das Leben im Bauchnabel

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In den letzten Jahren ist das Mikrobiom immer mehr in den Fokus der Wissenschaft und Öffentlichkeit gerückt. Unter Mikrobiom versteht man gemeinhin die Gesamtheit aller den Menschen besiedelnden Bakterien, “draußen” (also auf der Haut) und “drinnen” (z.B. in den Verdauungsorganen)i, sowie die Genome der jeweiligen Bakterien. Seit ca. 2007 gibt es dafür das Human Microbiome Project, mit dem Ziel, die Genome von mindestens 600 (bis zu 1000) dieser Organismen zu sequenzieren und zu annotieren.

Wie wichtig das Mikrobiom für uns Menschen ist, kommt gerade ans Licht – so erben Babys bei der Geburt das Mikrobiom ihrer Mutter, gegen das sie schon während der Schwangerschaft Antikörper erhalten haben. Wird das Kind aber per Kaiserschnitt ans Licht der Welt gebracht, so ist es nicht nur auf die eine Art nackt; da es von keinen Bakterien besiedelt wurde ist es angreifbar für womöglich schädliche Bakterien. Deswegen besiedeln manche Ärzte die Neugeborenen manuell mit den Bakterien der Mutter (die Details mag man sich vorstellen). Carl Zimmer hat dazu vor einigen Monaten einen sehr guten Artikel verfasst, hier zu finden.

Es gibt noch einige andere Beispiele für die Wichtigkeit unserer kleinen Passagiere – so ist die Verbindung zwischen Fettleibigkeit und Mikrobiom offensichtlich. Wer viel Fetthaltiges isst, der wird in seinen Verdauungsorganen von anderen Bakterien besiedelt, als jemand, der sich nur von Gemüse ernährt; darum gehts z.B. in diesem Paper Wer also versucht, durch eine andere Ernähurung abzunehmen, wird damit auch Teile seines Mikrobioms ändern. Dies kann zu Komplikationen führen wenn, wie schon vorher beschrieben, “schlechte” Bakterien das neue Land (in Form von freigewordenen Darmwänden) besiedeln. Durch die Bakterien-Zellwand-Interaktionen kann es so unter Umständen zu Entzündungen oder Ähnlichem kommen.

Logischerweise haben verschiedene Körperstellen verschiedene Populationen, je nachdem ob die Stelle eher salzig ist (Achselhöhlen z.B.), eher trocken ist (Rücken) oder feucht (Bauchnabel). Bei BoingBoing bin ich über diese schöne Übersicht von Bauchnabel-Mikrobiomen gestolpert:

Quelle: Screenshot

Bei der letzten ScienceOnline2011 Convention wurden Q-Tip-Proben von Teilnehmern der Konferenz genommen und auf Agar-Platten aufgetragen. Man sieht: Jeder Bauchnabel ist relativ einzigartig (948 und 941 sehen sich z.B. ähnlich)! Warum das ganze? Reinste PR-Arbeit, und zwar für das Mikrobiom! Den meisten Menschen ist nämlich nicht bewusst, was da so auf ihnen lebt. Wer sich übertrieben häufig wäscht, setzt wahrscheinlich seinem Mikrobiom stark zu. Möglicherweise (die Forschung ist da noch nicht weit) handelt man sich so Krankheiten oder Allergien ein. Wer seine “guten” Bakterien (d.h. die Bakterien, gegenüber denen man Antikörper hat) durch “schlechte” (womöglich schädliche) ersetzt muss schließlich die Folgen tragen.

Natürlich ist diese Agar-Platten-Übersicht nur die Spitze des Eisbergs. Mikrobiologen sprechen von der “great plate count anomaly” (also der großen Platten-Zähl-Anomalie), da die Situation auf Agar-Platten sehr künstlich ist (Agar ist ein Zucker, gewonnen aus Algen). Viele Bakterien können unter diesen Bedingungen nicht wachsen und werden deshalb nicht nachgewiesen. Um ein wenig mehr Einblick in die Probe zu gewinnen, gibt es noch andere Plattentypen wie Blut-Agar (mit ca. 5% Säugetierblut), oder Sabourad-Dextrose-Ager (mit viel Zucker, um Fungi anstatt Bakterien zum Wachstum zu bewegen), und noch viel mehr Typen. Außerdem kann man noch grob die mRNA aus einer Probe sequenzieren, um einen Überblick über vorhandene Arten(-gruppen) zu gewinnen.

Ich hoffe, dass sich jetzt keiner vor seinem Bauchnabel ekelt – an anderen Körperstellen wächst bestimmt noch viel mehr! Mir, als jemanden der praktisch seit Geburt an seinen Fingernägeln rumkaut, ist das eh egal. Ich ess am Tag wahrscheinlich das 100-fache von dem, was da in meinem Bauchnabel lebt.

Ich kann mich auch noch an ein Paper erinnern, in dem es um den Unterschied in der Besiedelung von rasierten und unrasierten Achselhöhlen ging (Stichwort: “Die Wüste lebt”). Allerdings fällt mir der Titel nicht mehr ein, und Google hilft mir auch nicht viel weiter. Kann sich da jemand dran erinnern? Da wär ich doch sehr dankbar für.

via BoingBoing.

Turnbaugh, P., Ley, R., Hamady, M., Fraser-Liggett, C., Knight, R., & Gordon, J. (2007). The Human Microbiome Project Nature, 449 (7164), 804-810 DOI: 10.1038/nature06244
Ley, R. (2010). Obesity and the human microbiome Current Opinion in Gastroenterology, 26 (1), 5-11 DOI: 10.1097/MOG.0b013e328333d751

Veröffentlicht von

Philipp hat einen Bachelor in Biologie, ein Graduate Certificate in IT und studiert momentan für seinen Master in IT in einem übertrieben großen Land voller Spinnen und Schafe. Für die Bierologie schreibt er zumeist über Biologie, Evolution und allem was an den Rändern der Gebiete noch so angeschwemmt wird.

8 Kommentare

  1. Habe letztens mal gehört, dass der Mensch circa drei Mal so viele Bakterien in und auf sich trägt, wie er Zellen hat. Durchschnittlich besitzt jeder Mensch ja 100 Billionen Zellen, aber 300 Billionen Bakterien sind mir dann doch etwas zu viel oder?

  2. “Ihre Zahl ist Legion”

    Sogar mehr als das!
    Die meisten Quellen, die ich grad so finden konnte (z.B.hier) sprechen von 10^11 bis 10^13 Zellen im menschlichen Körper, je nach Größe des Menschen etc.

    Sucht man nach der Anzahl der Bakterien in und auf dem Menschen, so findet man (hier) folgende Zahl: 10^12 auf der Haut, 10^10 im Mund und 10^14 im Verdauungstrakt. Also hat der Verdauungstrakt alleine schon mehr bakterielle Zellen als der Körper hat (natürlich nur den groben Schätzungen nach – wer will das schon wirklich zählen?).

  3. Mensch als Ökosystem

    Ein sehr interessanter Artikel! Der Mensch als Ökossystem. Als Louis Pasteur im April 1864 einen Vortrag über seine Keimtheorie an der Sorbonne in Paris hielt, war er schon auf dem richtigen Weg.

  4. Zell-Verhältnisse

    Also die letzten Zahlen die ich zu den Verhältnissen von Menschliche Zellen:Bakti-Zellen gehört habe waren:

    10^14 eigene Zellen machen im Schnitt einen Menschen aus. Die Bakterien die dann in und auf ihm leben sollen 3x so viel sein.

  5. Schätzungen..

    Ich glaub einfach dass die Schätzungen bei den Zellzahlen da weit auseinandergehen.
    Bei den Darm-Bakterien hat man wahrscheinlich aus einer Probe, die aus wenigen mm abgenommen wurden, grob auf die durchschnittliche Gesamtoberfläche des Darms hochgerechnet.
    Ähnlich wurde wahrscheinlich bei der Hautbesiedelung verfahren.

    Also genau kann mans höchstwahrscheinlich nicht (und nie?) sagen…

  6. Ja, das sind alles nur Schätzungen von der Art wie du sie beschreibst, zumindest so weit ich wiess.

    Anders kann man das ohne komplettes Auskratzen des Darms oder Abkratzen der Haut und Flow-Cytometrie vermutlich auch nicht mal Ansatzweise machen. 😉

  7. ich wüste ja sehr gerne welche Art von Bakterien sich in meinem Bauchnabel befinden , was gibt es da für Möglichkeiten ??

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