Arteriosklerose: Mit Zielerfassung gegen Plaques
BLOG: Bierologie
Die Arteriosklerose ist eine jener Krankheiten die man vermutlich ruhigen Gewissens als Zivilisationskrankheit bezeichnen kann. Denn zu den beeinflussbaren Risikofaktoren zählen neben Diabetes und dem immer ungesunden Rauchen auch Übergewicht, Bewegungsmangel, Stress und die falsche Ernährung. Und nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben jedes Jahr gute 20 Millionen Menschen, vor allem in den Industrienationen, an den Folgen dieser Krankheit. Bei den Folgen ganz vorn mit dabei: Schlaganfälle und Herzinfarkte. Aber wie kommt es überhaupt zu den oft tödlichen Folgen und was genau ist Arteriosklerose eigentlich?
Der Volksmund spricht ja gern von der Arterienverkalkung. Womit er aber nicht ganz recht hat, denn vermutlich sind die sogenannten Low Density Lipoproteins (LDLs), also Lipoproteine mit einer geringen Dichte, maßgeblich an dem Krankheitsbild der Arteriosklerose beteiligt. Hier mal eine vereinfachte Beschreibung davon, was mit den LDLs passiert, und wieso das zur Arteriosklerose führt: Wenn diese LDLs oxidiert sind und mit den Gefäßwänden in Kontakt kommen, dann sendet unser Immunsystem die Eingreiftruppen los, nämlich eine spezielle Art von weißen Blutkörperchen, die Makrophagen. Die sollen sich dann um die Entsorgung der LDLs kümmern. Durch die Absorption der LDLs werden die Makrophagen dann zu Schaumzellen umgebildet.
Diese Schaumzellen platzen dann ihrerseits irgendwann auf und verteilen das LDL wieder in der Umgebung. Dadurch kommen mehr Makrophagen zum Einsatz, die wieder zu Schaumzellen werden, wieder aufplatzen und dann geht das Spiel wieder von vorne los. Durch die so entstehende Entzündung an der Arterienwand und den resultierenden Umbau des Gewebes und den Einschlüssen von Schaumzellen entsteht an bzw. in diesem Gewebe ein Fett-Einschluss, das was normalerweise als arteriosklerotischer Plaque bezeichnet wird.
Durch die Bildung solcher Plaques wird der offene Durchmesser des Blutgefäßes natürlich verändert, das Blut kann nur unter Behinderungen weiter fliessen. In Extremfällen kann das auch so weit gehen, dass das Blut den Plaque gar nicht mehr passieren kann. Genauso gut kann es aber auch passieren, dass sich Teile dieser Plaques von der Gefäßwand lösen und im Blut durch die Strömung mit transportiert werden. Das wird dann zum Problem, wenn große Plaques auf einmal auf kleine Gefäße treffen und so ebenfalls den Blutstrom blockieren.
Wenn so etwas in den Arterien, die zum Hirn führen, passiert, dann bekommt man einen Schlaganfall. Falls es die Herzkranzgefäße betrifft, dann führt es auch gerne zum Herzinfarkt. Also in jedem Fall nichts, was man gerne haben möchte. Dementsprechend viel wird an dem Krankheitsbild auch geforscht. Böse Zungen würden sagen: Auch deshalb, weil es eine Zivilisationskrankheit ist. Die Betroffenen also alle genug Geld für eine ausufernde Behandlung der Krankheit. Es winkt also ein relativ hoher Gewinn.
Und zumindest bei der Erkennung von den Plaques tut sich auch etwas. Vor kurzem ist in PNAS eine Veröffentlichung erschienen, die sich mit der Erkennung auch der potentiellen Behandlung von solchen Plaques beschäftigt. Die Autoren haben untersucht, wie das Polypeptid LyP-1 sich in einem Mausmodell für Arteriosklerose anreichert. Das Peptid LyP-1 ist bereits aus der Krebsforschung bekannt und wird auch da zur Zielerkennung eingesetzt. Denn das aus 8 Aminosäuren bestehende Peptid erkennt recht zuverlässig Tumorzellen und mit dem Tumor in Zusammenhang stehende Makrophagen.
Zur Untersuchung hat man den Mäusen das mit verschiedenen Methoden markierte LyP-1 intravenös gespritzt und dann geschaut, wie es sich in der Maus verteilt. Und erfreulicherweise sammelt sich LyP-1, dank eines passenden Rezeptors (namens p32) an den Plaques. Und anders, als andere Peptide, die man zum gleichen Zweck einsetzt, sammelt sich das LyP-1 nicht nur an der Oberfläche der Plaques, sondern dringt auch relativ tief in die Plaques selbst ein. Und das ist natürlich spannend, wenn man solche zielsuchenden Peptide zur gezielten Verabreichung von Medikamenten einsetzen will.
Um zu testen, in wie weit man LyP-1 auch zu einer solchen Verabreichung verwenden kann, haben die Autoren auch gleich noch einen Test hinterhergeschoben: Sie haben Eisenoxid-Nanopartikel mit LyP-1 überzogen und dann geschaut, ob die Nanopartikel auch in das innere der Plaques transferiert werden. Und auch das klappt: Der LyP-1-Überzug reicht, damit die eigentliche Fracht, die Nanopartikel, auch in das innere des Plaques gezogen werden.
Diese Ergebnisse sind so weit sehr vielversprechend. Damit könnte man LyP-1 nicht nur in der Diagnose beziehungsweise zum Messen des Therapie-Fortschritts (wachsen oder schrumpfen die Plaques?) verwenden, sondern auch dafür, um Medikamente gezielt in die Plaques zu transportieren. Zukünftige Forschung wird dann zeigen, ob dieser therapeutische Ansatz funktioniert.
Hamzah, J., Kotamraju, V., Seo, J., Agemy, L., Fogal, V., Mahakian, L., Peters, D., Roth, L., Gagnon, M., Ferrara, K., & Ruoslahti, E. (2011). Specific penetration and accumulation of a homing peptide within atherosclerotic plaques of apolipoprotein E-deficient mice Proceedings of the National Academy of Sciences DOI: 10.1073/pnas.1104540108
Cooler Artikel, danke! Ich sehe allerdings ein Problem in der Anwendung des Peptids Lyp-1. Schließlich finden sich Makrophagen ja überall im Körper und nicht nur da, wo die Plaques entstehen. Daher muss man gewährleisten können, dass das Peptid targetspezifisch diese Plaques “angreift” oder ist das von dir angesprochene Oberflächenprotein p32 eben nur auf diesen Plaques zu finden?…dann wäre das Probem ja gelöst.
Das Problem ist zum Glück keins, in “normalen” Zellen ist p32 wohl nur intrazellulär bzw. mitochondrial zu finden. Ich zitiere einfach mal aus der Veröffentlichung selbst:
Ah ja, das hört sich ja super an! Dann können darin ja echt große Hoffnungen gesetzt werden!