Wie steht es um die Kernfusion? – Immer wieder neue Presseschlagzeilen

BLOG: Beobachtungen der Wissenschaft

Grenzgänge in den heutigen Wissenschaften
Beobachtungen der Wissenschaft

In den letzten Monaten hören wir von der Presse immer wieder Neuigkeiten zu einem Thema, was über Jahrzehnte eher durch lange Schweigen charakterisiert war. Zeigt dies, dass wir schon bald den tatsächlichen Durchbruch bei der wohl aufregendsten Energieerzeugung überhaupt erleben werden, der kontrollierten Erzeugung der enormen Energie der Sonne hier auf Erden: Nuklearfusion? Fortschritte in der Nuklearfusion könnten uns eines Tages tatsächlich die Möglichkeit bieten, sichere und (nahezu) klimaneutrale Energie zu gewinnen – anders als die Kernfission, auf der die heutige, sehr umstrittene Kernkraftgewinnung beruht, die wir schon seit den 1950er Jahren kontrollieren können, um friedliche Energie zu erzeugen.

So hiess es diese Woche (12. Dezember 2022) in nahezu allen Presseorganen, dass Wissenschaftler einen weiteren wichtigen Meilenstein bei der Nutzung der Fusionsenergie erreicht haben. Es sei erstmals gelungen, mit einem experimentellen Fusionsreaktor mehr Energie zu erzeugen als während des Prozesses verbraucht wurde. Es sei ein »Nettoenergiegewinn« von 120 Prozent erreicht worden. Das hört sich tatsächlich revolutionär an: Schliesslich gibt es seit ca. 70 Jahren zahlreiche Versuchsreaktoren dafür, doch ist es bislang nirgendwo gelungen, mehr Energie zu erzeugen als in die Reaktoren gegeben werden muss, um die Kernfusion zu erzeugen.

Dies hat es auch weit in die deutschsprachige Presse geschafft:

  • Der Spiegel betitelt seinen Beitrag dazu mit Ist das der Durchbruch bei der Kernfusion?
  • In der Neuen Zürcher Zeitung heisst es: Kernfusion: Ist in einem Experiment mehr Energie frei geworden, als die Forscher hineinsteckten? Das wäre ein Meilenstein
  • Die Süddeutsche Zeitung schreibt: Durchbruch bei Forschung zu Kernfusion.

Doch wie lässt sich diese Energie genau herstellen – auf der Sonne ist die Gravitationskraft gross genug, um die Kerne zusammenzubringen und fusionieren zu lassen? Bereits seit den späten 1930er Jahren wissen Physiker, dass unter sehr hohem Druck und hoher Temperatur Wasserstoffkerne zu Helium-Atomkernen verschmelzen. Die bei diesem Prozess freiwerdende Energiemenge ist weitaus höher als beim umgekehrten Vorgang, bei dem schwere Atomkerne gespalten werden. Das bereits damals erarbeitete Grundkonzept der Kernfusion ist bis heute die gleiche: Ein Deuterium-Tritium-Plasma wird in einer Art Mikrowelle auf mehrere Millionen Grad erhitzt und dann mithilfe eines Magnetfelds eingeschlossen und kontrolliert. Ab einer Temperatur von ca. 100 Millionen Grad zündet das Gemisch und setzt die Fusionsenergie frei – wobei die konkrete Zündungstemperatur von der Teilchendichte, d.h. Drucks  des Plasmas abhängig ist. Man kann auch weitere Kernfusionen mit anderen Kernen durchführen, wie z.B. Protonen mit Bor (11B), die allerdings weitaus höhere Tempertaturen (Energien)  benötigen.

In den neusten Schlagzeilen geht es (mal wieder) um die National Ignition Facility (NIF) des Lawrence Livermore National Laboratory in Nordkalifornien. Anstatt eines gewaltigen Magnetfelds, welches das Plasma einbehält, so dass die Teilchen bei ausreichender Temperatur fusionieren, wurde hier ein Hochleistungslaser verwendet, der die Deuterium und Tritium (beide positiv geladen und sich daher abstossend) nahe genug zusammenbringt, so dass sie fusionieren (aufgrund der starken Kernkraft, die allerdings nur  eine sehr kurze Reichweite hat). Diese Reaktion findet bei NIFs Technologie allerdings immer nur für einen (sehr) kurzen Moment statt. Nun hat die Energie durch die erreichte Kernfusion die Energie, die für die Erreichung der Nuklearreaktion erforderlich ist, überschritten – mit einem Nettogewinn von 120%, wie geschrieben wird. «Für die meisten von uns war dies nur eine Frage der Zeit», so hiess es in Nordkalifornien. Doch ist die permanente Kernenergiegewinnung auf die hier verwendete Weise noch sehr weit weg. Es ist sogar fraglich, ob diese Methode mit den kurzen Laserimpulsen, die zur Zeit nur einige wenige Male am Tag möglich sind, überhaupt skalierbar ist. Von den meisten Nuklearphysikern wird das Laserverfahren durch die kurze Zeitdauer des Vorgangs kaum als ein Weg zu kommerziellen Reaktoren gesehen. Und man sollte nicht vergessen: Das Hauptaugenmerk der NIF liege nicht auf der Erzeugung sauberer Energie, sondern auf militärischen Interessen.

Betrachten wir das NIF-Verfahren ein klein wenig mehr im Detail: Man ist dort auf einen Ansatz namens «Trägheitseinschluss-Fusion» (inertial confinement fusion, ICF) spezialisiert, wo hohe Temperaturen in sehr kleinen Räumen erzeugt werden, indem ein winziges Kügelchen mit den beiden Wasserstoff-Isotopen im Zentrum mit 192 Hochleistungslasern beschossen wird. Konkret wird dies durch eine sorgfältige Formgebung erreicht:  Zum einen für die Brennstoffkapsel – einer winzigen kugelförmigen Hülle aus Polycarbonat-Diamant, zum anderen mit einem «Hohlraum», in dem sich das Pellet befindet – ein kleiner Zylinder aus abgereichertem, also nicht sehr radioaktivem Uran, der mit Gold ausgekleidet ist. Innerhalb von 10 Milliardstel Sekunden(!) soll der Brennstoff dann auf einen minimalen Bruchteil seines ursprünglichen Volumens verringert werden, womit sein Kern eine Temperatur von 50 Millionen Grad Celsius erreicht, eine Temperatur, die unter den entsprechend hohen Druckverhältnissen ausreichend für die Kernfusion ist. Die Laser verbrauchen allerdings ihrerseits enorme Mengen an Energie und können bisher nur ein- bis zweimal am Tag gezündet werden. Diese Energie, die ein Vielfaches der gewonnenen Energiemengen darstellt, ist im Nettogewinn gar nicht berücksichtigt worden!

Die vom NIF verwendete Technologie ist nur eine von zahlreichen möglichen Methoden der Kernfusion. Auslöser einer ähnlichen Welle von Zeitungsartikeln vor etwas mehr als einem Jahr war das Bostoner Unternehmen Commonwealth Fusion Systems (CFS), eine Ausgründung des MIT, das, wie es kommuniziert, von Investoren wie Bill Gates und George Soros mehr als eine Milliarde Dollar erhalten hat. Die Funktionsweise dieser Kernfusion ist hier eine ganz andere als die des NIFs: Es handelt sich eher um einen traditionellen Fusionsansatz, in welchem man einen Donut-förmigen «Tokamak»-Reaktor baut, eine «große magnetische Flasche», wie es der CEO Bob Mumgaard formuliert, in der starke Magnetfelder Kugeln in einem ca. 100 Millionen Grad heissem Plasma des Wasserstoffs kontrollieren, was die gleiche Fusion von Wasserstoffisotop-Kerne hervorbringen soll wie im lasergetriebenen Reaktor (nur ist man bisher nicht ganz bei 100 Millionen Grad).

Es wird ziemlich sicher Platz für mehr als einen Fusionsgewinner geben. Zu den anderen Unternehmen gehört das in Kanada ansässige und von Jeff Bezos unterstützte Unternehmen General Fusion, das letztes Jahr von Investoren 130 Millionen Dollar erhielt. Wie beim magnetischen Einschluss bei CFS wird der Fusionsbrennstoff durch Magnetfelder zusammengehalten, während er zu einem Plasma erhitzt wird. Wie beim Trägheitseinschluss von NIF wird dann jedoch die für die Fusion erforderliche Dichte durch eine schnelle Kompression des Plasmas erreicht. Und schliesslich ist da noch TAE Energy aus Kalifornien, das wohl am weitesten mit der kommerziell erfolgreichen Kernfusion ist und bereits in den in den letzten zwanzig Jahren mit Kosten von einer Milliarde Dollar experimentiert hat und nun mit dem erfolgreichen Aufbringen weiteren Geldes innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre den ersten dauerhaft funktionsfähigen Kernfusionsreaktor bauen will, den sie schon heute als «Kopernikus» bezeichnen. Er soll zunächst auch mit Wasserstoffisotopen betrieben werden und bereit um das Jahr 2025 einen (permanenten) Nettoenergiegewinn erzielen. Dann wollen die Wissenschaftler in der Firma ihren Reaktor auf den bereits erwähnten Brennstoff p-11B umsteigen. Diese Reaktion besitzt den Vorteil, dass sie «aneutronisch» ist, d.h. sie erzeugt nicht die schwer zu kontrollierenden hochenergetischen Neutronen, die den grossen Teil der durch die Fusion der Wasserstoff-Isotopen erzeugten Energie tragen. TAEs Reaktor ist einer, der eine interessante Kombination aus einem Teilchenbeschleuniger und einem gewöhnlichen Plasmabehälter darstellt. Die ultrahohe Temperatur im Plasma wird dort erreicht, indem man Strahlen von Brennstoffteilchen beschleunigt und sie dann mit Plasmateilchen kollidieren lässt. Teilchenphysiker tun letzteres bereits seit Jahrzehnten. Die typischen magnetisch eingeschlossenen Plasmadonuts werden dabei durch eine langgestreckte Plasmaröhre in Form einer hohlen Zigarre ersetzt. Um die Stabilität zu verbessern, wird diese Röhre so um sich selbst gedreht, dass sie durch den gyroskopischen Effekt wesentlich stabiler wird. Theoretisch lässt sich mit diesem Ansatz auf viel höhere Temperaturen als die magischen 100 Mio. Grad kommen. TAE hat Belege dafür gefunden, dass die induzierte Stabilität und Ruhe im Plasma tatsächlich mit höherer Temperatur zunimmt! Es ist genau die Hypothese, dass diese vorteilhafte Skalierungseigenschaft bis zu 3 Milliarden Grad erhalten bleibt, auf der TAEs Ansatz beruht. Hier werden wir sehr wahrscheinlich in der nahen Zukunft einiges mehr erfahren.

Die Tatsache, dass Investoren zahlreiche Milliarden Dollar privates Kapital für die Entwicklung von Maschinen zur Kernfusionsenergie anzulegen bereit sind (mit einer entsprechend hohen Renditeerwartung), zeigt, dass sie sich in fünf oder nur wenig mehr Jahren eine kommerziell nutzbare Kernfusion versprechen. Kommerziell verfügbare Fusionstechnologie, stände sie uns eines Tages – und vielleicht schon bald – tatsächlich zur Verfügung, würde einen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel bedeuten. Wären wir tatsächlich in der Lage, Energie wie die Sonne zu produzieren und uns damit Zugang zur effizientesten, sichersten und umweltfreundlichsten Energieform zu verschaffen, die die Natur zu bieten hat, so wäre dies sicher nicht nur ein weiterer grosser technologischer Fortschritt, sondern vielmehr ein zivilisatorischer Sprung, der gleichzusetzen wäre mit der Erfindung der Dampfmaschine, die uns vor 250 Jahren die Energie gab, unsere Gesellschaft komplett umzukrempeln. Die mit immer höheren Frequenz auftretenden Presseberichte über neue Ergebnisse in der Erzeugung kontrollierter Kernfusion könnte ein Zeichen sein, dass wir diesen bereits sehr bald erreicht haben könnten.

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

www.larsjaeger.ch

Jahrgang 1969 habe ich in den 1990er Jahren Physik und Philosophie an der Universität Bonn und der École Polytechnique in Paris studiert, bevor ich am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in Dresden im Bereich theoretischer Physik promoviert und dort auch im Rahmen von Post-Doc-Studien weiter auf dem Gebiet der nichtlinearen Dynamik geforscht habe. Vorher hatte ich auch auf dem Gebiet der Quantenfeldtheorien und Teilchenphysik gearbeitet. Unterdessen lebe ich seit nahezu 20 Jahren in der Schweiz. Seit zahlreichen Jahren beschäftigte ich mich mit Grenzfragen der modernen (sowie historischen) Wissenschaften. In meinen Büchern, Blogs und Artikeln konzentriere ich mich auf die Themen Naturwissenschaft, Philosophie und Spiritualität, insbesondere auf die Geschichte der Naturwissenschaft, ihrem Verhältnis zu spirituellen Traditionen und ihrem Einfluss auf die moderne Gesellschaft. In der Vergangenheit habe ich zudem zu Investment-Themen (Alternative Investments) geschrieben. Meine beiden Bücher „Naturwissenschaft: Eine Biographie“ und „Wissenschaft und Spiritualität“ erschienen im Springer Spektrum Verlag 2015 und 2016. Meinen Blog führe ich seit 2014 auch unter www.larsjaeger.ch.

23 Kommentare

    • Wenn man bedenkt wieviel Geld in andere “Projekte” gesteckt wird, sind die paar Milliarden für die Kernfusion Peanuts. Die Kernfusion würde nicht nur den Klimawandel ausbremsen, sondern auch jede Menge anderer Umweltprobleme lösen können. Natürlich wird man auch mit viel Geld nicht beliebig schnell das Ziel erreichen, aber schneller als jetzt würde es schon gehen. Das heißt nicht, das wir auf die Erneubaren komplett verzichten sollen. Ich sehe die vielen Windräder eher als eine vorübergehende Notlösung.

  1. Herr Jaeger, darf ich Sie ein wenig korrigieren?
    Ein Lapsus, denn Sie schreiben: “Doch wie lässt sich diese Energie genau herstellen – auf der Sonne ist die Gravitationskraft gross genug, um die Kerne zusammenzubringen und fusionieren zu lassen?”
    Aber man kann keine Energie herstellen, man kann Energie nur umwandeln von einer Energieform in die andere.

  2. Kompakte Kernfusionsreaktoren werden vielleicht irgendwann Raumschiffe innerhalb von Wochen von der Erde zum Pluto bringen und vielleicht sogar Grossflugzeuge mit elektrischer Energie versorgen, so dass diese unbegrenzt lange in der Luft bleiben können und das erst noch mit hunderten von Passagieren.. Ob Kernfusionsreaktoren je so kompakt werden ist aber ungewiss.
    Dass es aber in einigen Jahrzehnten Kernfusionsreaktoren geben wird und das sogar in grundverschiedenen Ausführungen, das ist ziemlich gewiss. Dass die Kernfusionsforschung bis vor kurzem so langsam vorankam, liegt einfach daran, dass bei allen bisher gängigen Reaktortypen bekannte Technologien um ein Vielfaches zulegen müssen. So ähnlich, wie wenn von 100 Meter Läufern plötzlich erwartet wird, dass sie eine Sekunde früher im Ziel ankommen.

    Bei der Laserfusion etwa ist der vielversprechendste Ansatz „fast ignition“. Fast Ignition erfordert im Gegensatz zum Ansatz im National Ignition Institut zwei unterschiedliche Laser: ein erster langanhaltender Laserimpuls komprimiert das Brennstoffkügelchen und ein zweiter extrem kurzer, dabei aber einige Petawatt starker zweiter Laserimpuls zündet dann das komprimierte Fusionsgemisch. Doch Petawatt starke Kurzzeitlaser gibt es erst seit kurzem, so dass auch die Erfahrung mit ihnen bis jetzt fehlt. Das Institute of Laser Engineering der Universität Osaka verfolgt diesen Ansatz und will ihn zum kommerziellen Einsatz bringen.

    Die Kernfusion mit magnetischem Einschluss des Plasmas in einem dougnut-ähnlichen Vakuumgefäss, einem sogenannten Tokamak wiederum kann nur dann kommerziell verwertbare Energie erzeugen, wenn entweder der Tokamak riesengross ist oder aber wenn das Magnetfeld, welches das Plasma einschliesst, riesengross ist. Der Kernfusionsreaktor ITER ist deswegen riesengross, während die geplanten Kernfusionsreaktoren von Commonwealth-Fusion Systems grössenmässig klein sind, dafür aber Magnete besitzen, die 2 1/2 so stark sind wie diejenigen von ITER. Die superstarken Magnete des Commonwealth Fusion-Systems sind erst seit ein paar Jahren überhaupt realisierbar, weil die dafür nötigen Hochtemperatursupraleiter-Magneten erst seit kurzem technisch überhaupt realisiert werden können.

    Auch weitere Ansätze für eine Kernfusion wie etwa der von First Light Fusion, einem Startup, das Fusion durch Kollision von wasserstoffhaltigen Kügelchen auslösen will, erfordern es in bisher unbeschrittenes Terrain vorzudringen, müssen die kollidierenden Wasserstoffkügelchen doch sehr hohe Geschwindigkeiten erreichen.

    Fazit: Kernfusion ist Hochleistungssport, dessen Anforderungen so hoch sind, dass die meisten auf der Strecke bleiben. Einige aber werden es schaffen und werden damit die Welt verändern.

  3. Vielen Dank für diese Übersicht.

    Das Konzept des NIF erscheint mir eher das downsizing einer Wasserstoffbombe mit Laser statt Kernfision zur Erzeugung der heizenden Röntgenstrahlung.

    Einen Zeitrahmen von 5 Jahren bis zu einer kommerziellen Kernfusion halte ich für extrem optimistisch. Bis zur Herstellung der erforderlichen Bauelemente und Maschinen und zum Bau eines Kraftwerkes und zum Erhalt der Betriebsgenehmigungen dürften wohl eher zwanzig bis fünfzig Jahre zur Diskussion stehen. In 5 Jahren könnte nach meine Meinung bestenfalls das Prinzip des zu bauenden Kraftwerks geklärt sein. Das soll nicht bedeuten auf die Forschung zu verzichten, sondern im Gegenteil unterstreichen wie dringend diese Forschung ist.

  4. “Nuklearfusion könnten uns eines Tages tatsächlich die Möglichkeit bieten, sichere und (nahezu) klimaneutrale Energie zu gewinnen”
    Wenn das ca 2050 soweit ist, werden wir allerdings bei den regenerativen schon bei über 100% liegen.

    • @M2 (Zitat):“ Wenn das ca 2050 soweit ist, werden wir allerdings bei den regenerativen schon bei über 100% liegen.„

      Kaum. Deutschland erzeugt heute, im Jahr 2022, 50% des Stroms erneuerbar und damit nur 15% der Gesamtenergie, denn Wärme (für die Raumheizung etwa) , Hitze (für industrielle Prozesse) und Kühlung dominieren den Energieverbrauch – und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Ab 2040 soll im Ausland erneuerbar hergestellter Wasserstoff Deutschland im grossen Stil mit Energie für industrielle Prozesse und für den saisonalen Ausgleich versorgen. 2040 ist eine optimistische Annahme, die voraussetzt, dass alles bestens läuft von der Herstellung von Wasserstoff in Namibia, Nordafrika, dem nahen Osten bis hin zum Transport von Wasserstoff per Schiff und Pipeline bis nach Deutschland. Unter günstigen Umständen könnte Deutschland so bis 2050 tatsächlich zu 100% mit erneuerbar erzeugter Energie versorgt werden. Ganz sicher aber nicht die gesamte Welt.

      China hat CO2-Neutralität bis 2060 versprochen, Indien bis 2070. Indien vollzieht gerade die Industrialisierung, die China bereits hinter sich hat. Zur Welt gehören zudem auch noch Afrika, Indonesien, Südamerika, etc. Diese sind alle auf dem Weg zu wachsendem Wohlstand und mehr Industrie, ein Prozess, der allein mit erneuerbarer Energie kaum möglich ist – ausser die Batterietechnologie macht noch riesengrosse Fortschritte.

      Prognose: Eine kommerzielle Nuklearfusion erst ab 2050 trifft auf eine Welt in der immer noch 50% der Weltenergie fossil erzeugt wird.

  5. Zitat Lars Jaeger: „ Die Tatsache, dass Investoren zahlreiche Milliarden Dollar privates Kapital für die Entwicklung von Maschinen zur Kernfusionsenergie anzulegen bereit sind (mit einer entsprechend hohen Renditeerwartung), zeigt, dass sie sich in fünf oder nur wenig mehr Jahren eine kommerziell nutzbare Kernfusion versprechen. „

    Kaum. Sogar reiche Investoren wissen, dass es länger als 5 bis 10 Jahre dauert bis es kommerziell betriebene Kernfusionsanlagen geben wird. Denn nicht selten sind solche Investoren gar nicht so schlecht informiert und nicht unbedingt vor lauter Geld so dumm, wie Lars Jaeger das annimmt. Ein deutscher Investor, der nur schon die Zeitung liest, weiss etwa, dass es allein schon in Deutschland im Schnitt 6 Jahre dauert bis ein Windpark genehmigt wird. Wie soll da eine Technologie, die es heute noch gar nicht gibt in 5 bis 10 Jahren auf kommerzielle Weise Strom erzeugen?

    Worauf ich hinaus will: die Annahme von Lars Jaeger, wer in die Kernfusion investiere komme (Zitat Lars Jaeger) mit einer entsprechend hohen Renditeerwartung, die ist wohl eher dem Bild des Investors als Kapitalistenschwein zu verdanken, das Lars Jaeger scheinbar hat. Ich denke dagegen, dass reiche Investoren nicht nur aus Renditeerwartung ihr überflüssiges Geld in solche Projekte stecken. Ein anderes Motiv kann einfach das sein, dass sie in die Geschichte eingehen wollen. Ganz ähnlich wie die Pharaonen mit ihren Pyramidenbauten. Die Pyramiden haben nämlich genau Null Dollar Rendite gebracht, aber mit ihnen wurde sehr wohl etwas geschaffen, was die Auftraggeber selber und die Zeiten bis heute überdauerte.

    Ein Investor, der heute in ein Fusionsprojekt investiert, das schliesslich erfolgreich ist und in den Bau von kommerziellen Anlagen mündet wird genau so wie die Pharaonen in die Geschichtsbücher eingehen und womöglich in 200 Jahren immer noch auf einer Wikipedia-Seite aufgeführt werden. Damit hat er dann so etwas wie ein kleines Stück Ewigkeit für sich erobert.

    • Zum Gedanken der Rendite möchte ich zwischen betriebswirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Rendite unterscheiden. Betriebswirtschaftlich mögen die Pyramiden ein Flop sein. Über den volkswirtschaftlichen Nutzen für die Gesellschaft der Bauzeit gibt es unterschiedliche Ansichten. Ziemlich eindeutig dürfte die Meinung des ägyptischen Tourismus zum Nutzen der Pyramiden sein.

      Ein Fusionsprojekt wird höchstwahrscheinlich kein Tourismusschlager. Zur Ausbildung von Wissenschaftlern, Ingenieuren und Handwerkern erwarte ich da eben so Beiträge wie den einen oder anderen Spin-Off

  6. Kernfusionsprojekte in Grossbritannien
    Mit STEP (North Nottinghamshire) , Tokamak Energy (Oxford) , General Fusion (Culham) und First Light Fusion ( Oxford Industrial Park) gibt es in Grossbritannien mindestens 4 recht verschiedensrtige , aktiv verfolgte Kernfusionsprojekte. Das bedeutet, dass in Grossbritannien sehr viel Expertise in Bezug auf die nukleare Fusion schon vorhanden ist und weiter ausgebaut wird. Trotz oder gerade wegen der Verschiedenartigkeit der Projekte, werden sich die Projekte gegenseitig befruchten und die Chance darauf erhöhen, dass die Nuklearfusion in den nächsten 20 Jahren in Grossbritannien grosse Fortschritte macht.
    – STEP (Spherical Tokamak for Energy Production) ist ein von der britischen Regierung unterstütztes Fusionsprojekt eines kompakten, kugelförmigen Tokamaks, der mit Hochtemperatursupraleitern Plasma in einem nahezu kugelförmigen Behälter einschliesst und dort zur Fusion bringt. Ab 2040 soll STEP Elektrizität ins Netz einspeisen. STEP soll den Privatsektor nicht konkurrenzieren, sondern ihn unterstützen und vernetzen unter anderem mit einem regulatorischen Rahmenwerk, durch die Förderung von Lieferketten-Partnerschaften, durch Schulung und den Bau eines STEP-Prototypenreaktors. Die Magnete für STEP sollen zusammen mit Commonwealth Fusion Systems designt werden, wobei die Magnettechnologie auch anderen Anwendungen zugut kommen soll. (Zitat): “Diese Magnete stellen bahnbrechende Technologie für kommerzielle Fusionssysteme dar, könnten aber auch verwendet werden, um eine Reihe von Anwendungen zu revolutionieren.”
    – Tokamak Energy, gegründet 2009, ist im Unterschied zu STEP eine private Firma, die einen spärischen Tokamak bauen will und die bereits selbst in Hochtemperatursupraleit-Magnete investierrt hat. 2022 erreichte Tokamak Energy mit dem ST40-Reaktor, einem kompakten, sphärischen Tokamak, eine Betriebstemperatur von 100 Millionen Grad. Mit dem Nachfolger, dem ST80-HTS, soll ab 2026 ein bis zu 15 Minuten anhaltender Pulsbetrieb angestrebt werden womit dann die kommerzielle Eignung der Technologie demonstriert wäre. Auf den ST-80 folgt dann die Pilotanlage ST-E1, welche bis zu 200 MW Netzelektrizität erzeugen soll.
    – General Fusion, eigentlich eine kanadische Firma, wird in Culham einen Reaktor bauen, der nach einem völlig anderen Prinzip arbeitet: In eine rotierende Flüssigmetallhohlkugel wird ein Deuterium-Tritium- Gemisch injiziert, worauf die Metallhohlkugel mittels Stempeln immer mehr kompromiert wird, bis eine Kernfusion im Deuterium-Tritium Gemisch startet und ihre Energie an das umschliessende Flüssigmetall abgibt. Warum Culham? Dazu liest man: “Wenn wir nach Culham kommen, haben wir die Möglichkeit, von der Expertise der UKAEA zu profitieren”, sagte Christofer Mowry, CEO von General Fusion. “Durch die Lokalisierung auf diesem Campus erweitert General Fusion unsere Marktpräsenz über Nordamerika hinaus nach Europa und erweitert unser globales Netzwerk von Regierungs-, institutionellen und Industriepartnern.“
    First Light Fusion operiert im Oxford Industrial Park, 10, Mead Rd, Yarnton, Kidlington und verfolgt wiederum einen völlig anderen Ansatz für die Kernfusion (Zitat):“ Die Trägheitsfusion ist ein gepulster Prozess, bei dem wie ein Verbrennungsmotor eine kleine Menge Kraftstoff eingespritzt und ausgelöst wird, um ihn zum Brennen zu bringen. Der wichtigste bestehende Ansatz zur Trägheitsfusion verwendet einen großen Laser als “Funkenstecker”, der die Reaktion auslöst. Wir verwenden stattdessen ein Hochgeschwindigkeitsprojektil. Das Projektil wirkt sich auf ein Ziel aus, das Fusionsbrennstoff enthält. Das Ziel muss die Energie des Projektils fokussieren und den Brennstoff auf die Temperaturen und Dichten implodieren, die erforderlich sind, um es zu verschmelzen.„

    Fazit: Grossbritannien bildet ein oder mehrere Kompetenz- unf Forschungszentren für Kernfusion ein in Form einer Public Private Partnership. Selbst wenn sich daraus keine kommerzielle Fusionsanlagen entwickeln, profitiert die britische Industrie etwa durch gestiegene Fähigkeiten Hochtemperatursupraleiter für Starkmagnete kommerziell einzusetzen.

  7. Nun hat die Energie durch die erreichte Kernfusion die Energie, die für die Erreichung der Nuklearreaktion erforderlich ist, überschritten – mit einem Nettogewinn von 120%, wie geschrieben wird.

    Ich weiß nicht, ob ich das richtig verstehe, also wende ich erst mal einfache Zinsesrechnung an.
    Startkapital (in Form von Laserenergie) 1Joule bei einem Zinssatz von 120%. Das macht: 1Joule *(1+120%/100%)= 2,2 Joule=1.2Joule Nettogewinn

    Die Laser verbrauchen allerdings ihrerseits enorme Mengen an Energie und können bisher nur ein- bis zweimal am Tag gezündet werden. Diese Energie, die ein Vielfaches der gewonnenen Energiemengen darstellt, ist im Nettogewinn gar nicht berücksichtigt worden!

    Und jetzt blick ich gar nicht mehr durch. Setzt sich vielleicht das Startkapital aus Laserenergie und noch irgendwas zusammen?

    Und dann ist da noch was, was die Sache noch ein wenig komplizierter macht. Gestern hörte ich in den Nachrichten, dass man aus 1 Gramm Deuteritium 90 000 kWh erhalten kann. Nun macht die Kilowattstunde höchstens auf der Stromrechnung Sinn und deswegen wandle ich das Ganze in Joule und dann in das Massenäquivalent um und komme auf 3.6mg*c².

    Das heißt, wenn alles Deuteritium fusioniert wurde, das entstanden dabei 996.4mg (Helium und Neutronen und vielleicht noch anderes Zeug) und 3.6mg an Energie.
    Letzteres wäre dann (mit c² multipliziert) der Nettogewinn. Aber wird denn überhaupt alles Deuteritium verwandelt? Wenn nein, dann müsste doch der Nettogewinn auch noch mal genauer definiert werden.

  8. Warum hört man nichts über den Dual Fluid Reaktor?
    Aus, ähm, Berlin?

    Ein völlig revolutionäres, da rein ziviles!, neues Kernkraftwerkskonzept.
    https://dual-fluid.com/webarchive/2020/miscellanious/history/index.html
    Völlig ohne die bisher bekannten Nachteile der Kernenergie.

    Mit dem Konzept könnte man für 100 Jahre die gesamte Energieversorgung der Menschheit ausschließlich aus eh schon herumliegendem Müll decken.

    Heißt Atommüll + die 1-2 Millionen Tonnen abgereichertes Uran (“Uranmunition”) aus der normalen Brennelementefertigung.
    https://dual-fluid.com/webarchive/2020/technical/waste/index.html

    Übrigens betraf eines der 4 von Salvatore Pais für die US-Navy veröffentlichten Patente einen extrem kompakten Fusionsreaktor (dürfte schon länger geheim in Betrieb sein).
    Und die Entdeckung der Kernfusion durch Plasmastoßwellen von Ronald Richter stammt aus dem Jahre 1936.

    PS auch die Rakete der OTRAG, “Fly, rocket fly”, war ein zu 100% ziviles Projekt.
    Mit dieser Rakete hätte man zuverlässig! und zu 1/10! der aktuellen Kosten ins All kommen können.

    Leider versank die Firma in einer Art von Sumpf.
    🙁
    Selbst die damalige deutsche Regierung wollte scheinbar keine Milliarden an Steuern einnehmen.
    ?

  9. Mal ne technische Frage.

    Auch ein Fusionskraftwerk wäre doch so eine Art Dampfmaschine mit exotischer Wärmequelle.

    Oder gibt es inzwischen neue Ideen wie man die, wohl auch nicht zu einfach entnehmbare Wärme, beim Dual Fluid Reaktor macht das einfachst der kühlende sekundäre Bleikreislauf, in elektrische Energie umwandeln kann?

    Vielleicht noch interessant…
    Ein Video vom Erfinder des Dual Fluid Reaktors, Dr. Armin Huke:

    https://www.youtube.com/watch?v=Cb15C9eey8s

    Die aktuelle Energiepolitik mit den Infos aus dem Video zu kommentieren würde wohl ziemlich automatisch zu nicht veröffentlichbaren Formulierungen führen.

  10. Übrigens ist “freie Energie”, die definierte und daher eher ungefährliche Version, nur 3 einfache, logische und physikalische Gedanken weit entfernt.

    Der erste wäre erstmal trivial: elektrische und magnetischen Felder, samt deren Energie, bewegen sich ausschließlich mit lokaler Lichtgeschwindigkeit.

    Also auch solche in sogenannten “statischen Feldern”.

    Falls sich doch nochmal jemand für neuere Physik interessieren sollte.

  11. Á propos neuere Physik… (diese hier geht bis auf Nikola Tesla zurück)
    Ein kleines physikalisches Rätsel…

    Was passiert wenn man 2 gleiche EM-Wellen mit einer Phasenverschiebung von 180° überlagert?

    Die äußeren Felder heben sich gegenseitig auf.
    Quasi zu 0-Vektoren.

    Aber was passiert mit den darin enthaltenen Energien?

  12. Um sich argumentativ dem Thema nähern zu können, sollte man sich mit den Aspekten der Reaktorfusion mittels magnetischen Einschlusses, dem vermeintlichen Urprinzip, „unsere Sonne als Fusions-Vorbild“ und beispielsweise der Technik einer Wasserstoffbombe detailliert beschäftigt haben.

    Seit den 1960er Jahren gilt »Nutzbare Kernfusion ist immer 30 Jahre entfernt«. Bedeutet, die theoretische Modellphysik liefert(e) keine nennenswerten Impulse für praktische Anwendungen. Und mit jeder vermeintlichen technischen Weiterentwicklung wurden neue technische Probleme ans Tageslicht befördert.

    Exemplarisch Daniel Jasbby ein Physiker, der 25 Jahre lang an Kernfusionsexperimenten im Princeton Plasma Physics Lab in New Jersey gearbeitet hat und in den Bereichen Plasmaphysik und Neutronenproduktion im Zusammenhang mit der Forschung und Entwicklung im Bereich der Fusionsenergie arbeitete, erörtert die wesentlichen Probleme exemplarisch in den folgend aufgeführten Artikeln, die zur Orientierung auch weitere lesenswerte Quellen beinhalten.
    ITER is a showcase … for the drawbacks of fusion energy [2018]

    Weitere Ausführungen dazu sprengen den Rahmen eines Kommentarfeldes bei Weitem.

    Am Rande bemerkt
    Plakativ formuliert: Wie zu vielen fundamentalen Fragen, ob Theoretische oder Experimental-Physik, melden sich die professionellen erfahrenen Kritiker erst “richtig” zu Wort, wenn ihre wissenschaftliche Karriere nicht mehr gefährdet ist.

    Selbst wenn es zu einer Reaktorfusion kommt, bestehen zwei wesentliche Probleme. Erstens, das Aufrechterhalten eines geregelten, steuerbaren Prozesses und zweitens, die Abfuhr der Energie ohne den Erhalt des Magnetfeldes (lokal) zu (zer)stören… Ich beziehe mich bei meiner Aussage nicht auf die (Zer-)Störung des Magnetfeldes durch hochenergetische Ladungsträger. Das Problem ist „sekundär“. Die Apparatur setzt eine kontinuierliche, homogene Magnetfeldanordnung voraus. Sobald die hochenergetischen Neutronen Energie abgeben, wird die technische »Basis der Energieaufnahme«, die stark gekühlt wird, nun stark lokal (“materialwnah”) erhitzt. Bereits kleinste (thermische) Störungen führen zur Anisotropie des Magnetfeldes. Die früher oder später auftretenden Materialschäden sind immens. Die „Magnetfeldspulen“ beispielsweise werden in einem zeitlich sehr langen Prozess hergestellt und sind äußerst teuer. Diese werden, schlicht formuliert, lokal zu unbrauchbaren Metallklumpen verschmolzen, dann bricht das Magnetfeld komplett ein… das “Fusions-Energiewerk” ist anders als beabsichtigt lokal vollbracht…

    Zum (Miß-)Verständnis des Wirkungsgrades siehe die Ausführungen von
    Sabine Hossenfelder (Theoretische Physikerin)… Sie äußerte sich im Oktober 2021 u.a. folgendermaßen…
    Der Betrieb von Fusionsreaktoren erfordert eine Menge Energie, und der größte Teil dieser Energie geht nicht in das Plasma. Wenn man das Plasma mit einem Magnetfeld in einem Vakuum einschließt, muss man riesige Magnete betreiben, sie kühlen und die Energie aufrechterhalten. Und einen Laser zu pumpen ist auch nicht gerade energieeffizient. Diese Energien tauchen niemals in dem normalerweise angegebenen Energiegewinn auf.

    Das Q-Plasma berücksichtigt auch nicht, dass, wenn man ein Kraftwerk betreiben will, die vom Plasma erzeugte Wärme noch in elektrische Energie umgewandelt werden muss, und das geht nur mit einem begrenzten Wirkungsgrad, optimistischerweise vielleicht fünfzig Prozent. Das hat zur Folge, dass der Q-Gesamtwert viel niedriger ist als der Q-Plasma-Wert…
    Wie kann eine solche Verwechslung überhaupt passieren? Ich meine, das ist keine Raketenwissenschaft. Die Gesamtenergie, die in den Reaktor geht, ist größer als die Energie, die in das Plasma geht. Und doch verstehen Wissenschaftsautoren und Journalisten dies ständig falsch. Sie verwechseln die grundlegendste Tatsache in einer Angelegenheit, die sich auf Dutzende von Milliarden an Forschungsgeldern auswirkt
    .“… Quelle

    Aktuell: Die (SPIEGEL-)„Presse“ ist wieder einmal „besoffen“ von ihrer Ideologie, statt sich mit den Fakten zu beschäftigen: Der hier verwendete Fusionsreaktor nutzt das Trägheitsprinzip mit Laserstrahlen zur Erreichung des physikalischen Fusionskriteriums von ca. 100 Mio. Grad. Nach eigener Beschreibung wird allerdings immer noch deutlich mehr Energie für das Zünden der Prozesse aufgewandt, als dann theoretisch entnommen werden könnte. Und hier ist noch nicht berücksichtigt, dass diese Anlagen mehrere Jahrzehnte lang enorme Strommengen für die Aufbauten und Testbetriebe verschlangen. Dieser Strom stammte aus fossilen Energieträgern und aus der Kernkraft. Diese Gesamtbilanz ist verheerend. Und: Es hat sich realphysikalisch nichts geändert: Seit den 1960er Jahren gilt nutzbare »Kernfusion ist immer 30 Jahre entfernt«.

    • @Dirk Freyling(Zitat): »Nutzbare Kernfusion ist immer 30 Jahre entfernt«.

      Das ist irreführend, denn bis vor kurzem gab es überhaupt keine nennenswerte Kernfusion, nutzbare schon gar nicht.

      Erst wenn es sehr viele Kernfusionen pro Zeiteinheit gibt, beginnt überhaupt die Aussicht auf eine spätere technische Nutzung.
      Bei der Laserfusion etwa erwartet man, dass nach der ignition die bei der Fusion entstehenden Neutronen weitere Fusionen auslösen, dass also eine Burn-Phase folgt oder wie man in der Wikipedia dazu liest: Die Fusionszündung ist der Punkt, an dem eine Kernfusionsreaktion selbsttragend wird.

      Mit andern Worten: Sobald die Burnphase beginnt, hat man bei der Laserfusion schon sehr viel erreicht, denn der Fusionsprozess unterhält sich anschliessend von selbst und ein grosser Teil des fusionsfähigen Materials im Brennstoffkügelchen nimmt an der Fusionsreaktion teil.

      Allerdings ist selbst in den jüngsten Laserfusionsexperimenten, über die gerade berichtet wurde, diese Burn-Phase noch gar nicht erreicht worden. Sonst wäre nämlich noch sehr viel mehr Energie freigesetzt worden als berichtet.

      Viele der Probleme, die sie in ihrem Kommentar aufführen (Wärmeabfuhr, Materialzerstörung durch die Strahlung) gelten vor allem für Tokamaks und Stelleratoren, also für Geräte, die das Plasma magnetisch einschliessen. Eine Laserfusion dagegen dauert nur Bruchteile einer Sekunde. Dann ist es schon wieder vorbei und das nächste Brennstoffkügelchen kann zum Einsatz kommen.

      Es stimmt allerdings auf alle Fälle sowohl für die Laserfusion als auch für Fusionen in Tokamaks und Stellaratoren: ein kommerzieller Langzeitbetrieb bringt im Vergleich zum Betrieb als Forschungsreaktor neue Probleme mit sich. Vor allem bei Tokamaks und Stellaratoren beginnen viele Probleme eigentlich erst im Dauerbetrieb. Das haben sie in ihrem Kommentar ja erwähnt. Bei der Laserfusion mit der Technik des „fast ignition“ sind am wenigsten Probleme zu erwarten, wenn man zum Dauerbetrieb übergeht. Bei der „fast ignition“ benötigt man 10 Mal weniger Laserenergie als bei der zentralen Fusion wie sie im Experiment in der National Ignition Facility stattfindet. Grund: Man verwendet zwei Lasersysteme. Mit dem ersten komprimiert man das Brennstoffkügelchen, mit dem zweiten extrem kurzen und extrem intensiven Laser entzündet man es, bringt es also zur ignition

      In Deutschland soll die Firma Marvel einer speziellen, hochgradig optimierte Form der Laserfusion zum Durchbruch verhelfen.

      Fazit: Fusionsforschung ist bis jetzt noch nie in einen eigentlichen Betriebsmodus gekommen. Sobald man eine kritische Schwelle überschreitet, erwartet man, dass sehr viel mehr Energie freigesetzt wird, weil die Fusionsreaktion sich selbst erhält. Allerdings gibt es im Betriebsmodus dann neue Probleme. Am wenigsten neue Probleme sind bei bestimmten Formen der Laserfusion zu erwarten.

      Abschliessende Bemerkung: Sie schreiben (Zitat): “ Und hier ist noch nicht berücksichtigt, dass diese Anlagen mehrere Jahrzehnte lang enorme Strommengen für die Aufbauten und Testbetriebe verschlangen. “.
      Behauptung: Alle Fusionstestanlagen der Welt haben vom Bau bis in den Betrieb bis jetzt weniger Energie konsumiert als die ganze Welt heute in einem einzigen Tag verbraucht, ja es könnte sogar sein, dass Deutschland allein pro Tag mehr Strom verbraucht als alle Fusionsexperimente bisher verschlungen haben.

  13. Sollte die Kernfusion jemals einsatzfähig sein, wird es in Deutschland schon genug Leute geben, die ihren Einsatz verhindern.

  14. @Dirk Freyling

    Die Gesamtenergie, die in den Reaktor geht, ist größer als die Energie, die in das Plasma geht.

    Okay, danke, dann wäre meine Verwirrung, was die Energiebilanz angeht, jetzt beseitigt.
    Ist ja eigentlich banal. In eine Lampe muss ja auch mehr elektrische Energie rein gesteckt werden, als an Lichtenergie raus kommt. Und das wurde bei dem angeblichen Nettogewinn von 120% einfach unterschlagen.

  15. Kernfusion zur Entsorgung von nuklearem Abfall
    Die seit 1956 in Betrieb genommenen AKWs haben weltweit 400‘000 Tonnen hochradioaktiven Abfall erzeugt, der heute noch immer auf Entsorgung wartet. Eigentlich eine kleine Menge, entspricht das doch etwa dem Fassungsvermögen des grössten existierenden Öltankers, für viele aber doch Grund zur Sorge, vor allem, weil die Radioaktivität erst nach 100‘000 Jahren wieder auf die von Natururan zurückfällt.

    Allerdings sind es nur gerade 7 Isotope, die Halbwertszeiten über 300 Jahre besitzen. Das mengenmässig wichtigste davon ist Plutonium-239 mit einer Halbwertszeit von 24,000 Jahren.
    Nun die Idee: Könnte man Plutonium-239 und ein paar weitere langlebige Isotope loswerden, dann müsste man hochradioaktiven Abfall nicht mehr endlagern, müsste man ihn nicht mehr in teure, vor geologischen Prozessen sicheren Tiefenlager verbringen.
    Und tatsächlich ist das möglich: Beschuss von radioaktivem Material mit Neutronen wandelt die langlebigen Isotope in kurzlebige um. Man spricht von Transmutation. Die Kernfusion ist nun eine geradezu ideale Quelle von Neutronen. Hochradioaktiver Abfall kann in einem Fusionsreaktor also transmutiert werden, so dass man aus langlebigen, kurzlebige Isotope erhält und sich die Lagerung in geologisch sicheren Tiefenlagern sparen kann.
    Die Firma SHINE hat sich genau dies zum Ziel gesetzt: Die Transmutation von hochradioaktivem Material mittels Kernfusion.

    Kurzum: Selbst wenn es im Jahr 2030 weltweit nur 10 Kernfusionsreaktoren gibt, sind diese bereits für die ganze Menschheit nützlich, können sie doch das Problem des langlebigen radioaktiven Abfalls mithelfen zu lösen.

  16. Kernfusion in Deutschland
    Zitat Lars Jaeger:

    Doch ist die permanente Kernenergiegewinnung auf die hier verwendete Weise noch sehr weit weg. Es ist sogar fraglich, ob diese Methode mit den kurzen Laserimpulsen, die zur Zeit nur einige wenige Male am Tag möglich sind, überhaupt skalierbar ist. Von den meisten Nuklearphysikern wird das Laserverfahren durch die kurze Zeitdauer des Vorgangs kaum als ein Weg zu kommerziellen Reaktoren gesehen.

    Antwort: In Deutschland gibt es gleich 2 Firmen, die der Laserfusion zum kommerziellen Durchbruch verhelfen wollen: 1) Marvel-Fusion und 2) Focused Energy
    Beide aber verfolgen einen ziemlich anderen Ansatz als das NIF. Während im National Ignition Institute ein einziger Laserpuls die gewaltige Energie von 2 Megajoule auf ein Brennstoffkügelchen von einem Millimeter Durchmesser feuert und es bis auf Mikrometergrösse kompromiert (mit geforderter Präzision im Mikrometerbereich) , benutzt Focused Energy zwei Laser, einen für die Kompression mit einer fast 10 Mal geringeren Energie als der NIF-Laser und einen extrem kurzen, dafür aber auch extrem leistungsstarken zweiten Laser für die Zündung der Fusion. Mit 5 Mal weniger Einschussenergie als beim NIF soll so eine sich selbst erhaltende Fusionsreaktion gezündet werden. Und das mit weit weniger grossen Präzisionsanforderungen als im NIF-Experiment und ohne Kapsel, welche das Brennstoffkügelchen umgibt. Statt dessen soll der Laser direkt auf das Brennstoffkügelchen treffen und nicht indirekt wie beim NIF-Experiment. Das ermöglicht dann auch Zündungen im Sekundenabstand oder sogar noch häufiger. Eine derartige Laserfusion, wo die Laserenergie auf ein eingeschossenes Brennstoffkügelchen trifft und dort die Explosion des Kügelchens bewirkt, hat gegenüber den bekannteren Methoden mit dem magnetischen Einschluss von heissem Plasma, entscheidende Vorteile. Folgende Vorteile nämlich:
    1) Die Explosion des Brennstoffkügelchens erfolgt im Bereich von Bruchteilen von Sekunden und nur für diese kurze Zeit muss die Wand vor der intensiven Strahlung geschützt werden, welche bei der Fusion entsteht. Das kann beispielsweise mittels einer Flüssigkeit geschehen, die die Wand umspült und vor Beschädigung schützt
    2) Die Probleme einer stabilen Langzeitoperation, die es beim magnetischen Einschluss gibt, fallen weg
    3) Der Energieausstoss einer kommerziellen Laserfusionsanlage kann fast beliebig variiert werden, einfach indem der Laser häufiger oder weniger häufig zündet. Somit kann die erzeugte Strommenge immer optimal an die Nachfrage angepasst werden.

    Das was die Firma Focused Energy anstrebt, nennt man im Fachjargon „Fast Ignition“, womit man den Einsatz eines zweiten, extrem leistungsfähigen Lasers meint, der die Fusion zündet. Gemäss Simulationen ist eine Laserfusionsanlage, die mit „Fast Ignition“ arbeitet
    1) um ein Vielfaches effizienter als eine NIF-Laserfusion mit zentraler Ignition
    2) kann „Fast Ignition“ bis zu 100 Mal mehr Energie freisetzen als der Laser an Energie deponiert.

    Focused Energy verfolgt damit einen Ansatz, der bereits seit den späten 1990er Jahren bekannt und detailliert durchgerechnet ist.
    Anders Marvel-Fusion. Diese Firmengründung will mit einer hochpräzisen Interaktion von Lasern und nanostrukturiertem Material zur kommerziellen Laserfusion kommen. Das ist ein sehr viel gewagterer und experimentellerer Ansatz als bei Focused Fusion. Zudem soll als Brennstoff pB-11 eingesetzt werden, also eine Kombination von Wasserstoffkernen und dem Isotop Bor-11. damit ist Marvel-Fusion doppelt experimentell: 1) wegen der Art der Laserfusion 2) wegen dem Brennstoff. Diese Art der Fusion wurde, soweit ich weiss noch nie durchgerechnet. Wie man der verlinkten Website entnehmen kann, setzt Marvel-Fusion auf die auch so stattfindende Entwicklung der Laserindustrie und wartet quasi bis sich die Technologie soweit entwickelt hat, dass ihr Vorhaben realisiert werden kann.

    Urteil: Dass Lars Jaeger nichts über die deutsche Fusionsforschung geschrieben hat, ist kein Zufall. In der öffentlichen Wahrnehmung gibt es diese Forschung – trotz umfangreichem SPIEGEL-Bericht darüber – gar nicht. Alle Augen richten sich auf das was in den USA passiert. Und ja, die Wahrscheinlichkeit, dass der grosse Durchbruch ebenfalls in den USA stattfinden wird, die ist recht gross. Jedenfalls viel grösser als dass er aus Deutschland kommt. Nicht weil Deutschland weniger gute Forscher hätte, sondern weil den heutigen Deutschen 1) die Entschlossenheit der US-Amerikaner fehlt und 2) weil die EU nicht über die organisatorische Kraft einer USA verfügt.

  17. Investments in Kernfusion und Quantum Computing
    Kernfusion und Quantum Computing haben etwas gemeinsam: In beiden Fällen geht es um eine Technologie, die es gar noch nicht gibt, die aber sehr vielversprechend, ja disruptiv sein könnte. Die Wissenschaft dahinter ist in beiden Fällen sehr seriös und zudem schon mindestens seit der Mitte des 20. Jahrhunderts gefestigt.
    Mit andern Worten: Hinter Quantum Computing und Kernfusion stehen grosse, berechtigte Hoffnungen. Beim Quantum Computing die Hoffnung auf die rechnerische Lösbarkeit von Problemen, die zu rechenintensiv für heutige Supercomputer sind wie etwa Quantenchemie oder Primfaktorenzerlegung, bei der nuklearen Fusion die Hoffnung auf die Erzeugung grosser Mengen an elektrischer Energie aus ganz kleinen Materialmengen und damit die Erschaffung der ultimativen Energiequelle.

    Wer als Investor nicht nur an ein Return on Investment glaubt, sondern zugleich zu den Menschheitsbeglückern gehören will, der ist beim Quantum Computing und bei der Entwicklung der nuklearen Fusion also am richtigen Platz.

    Investitionen in die nukleare Fusion im Jahr 2021
    Gemäss Statista gilt:

    Im Jahr 2021 belief sich die Gesamtfinanzierung für die Fusionsindustrie weltweit auf etwa 4,8 Milliarden US-Dollar. Davon stammten 4,7 Milliarden US-Dollar von privaten Investoren, während nur 117 Millionen US-Dollar von öffentlichen stammten. Bill Gates, Jeff Bezos und Google gehören zu den Investoren.

    Investitionen ins Quanten Computing im Jahr 2021

    Im vergangenen Jahr [2021] belief sich die Gesamtfinanzierung für Quantencomputing-Start-ups auf etwa 1,4 Milliarden Dollar, mehr als das Doppelte des im Jahr 2020 aufgebrachten Betrags. Einer der größten Gewinner der jüngsten Investitionswelle ist PsiQuantum, ein in Palo Alto ansässiges Unternehmen, das behauptet, “die Quantenfähigkeiten liefern zu können, die erforderlich sind, um Fortschritte in den Bereichen Klima, Gesundheitswesen, Finanzen, Energie, Landwirtschaft, Transport, Kommunikation und darüber hinaus voranzutreiben”.

    Doch die 1.4 Milliarden sind nur das private Investment in Quanten Computing. Daneben gibt es noch ein weit grösseres staatliches Investment. China will 15 Milliarden ins Quantum Computing investieren, die EU 7 Milliarden, die USA 2 Milliarden, Japan 1.8 Milliarden, Grossbritannien 1.3 Milliarden und Indien 1 Milliarde.

    Fazit:Kernfusion und Quantum Computing versprechen beide die Lösung aktueller Probleme (Klima/Energie, Materialforschung) mittels noch nicht existierender Technologien. Öffentliches/Staatliches Geld wird vor allem ins Quantum Computing investiert, wohl um technologisch nicht abgehängt zu werden, privates dagegen in die Nuklearfusion, wohl in der Hoffnung, die Menschheit mit der ultimativen Form von Energie zu beglücken.

Schreibe einen Kommentar


E-Mail-Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren.
-- Auch möglich: Abo ohne Kommentar. +