Russlands „alte“ Politik in einer neuen Welt – Warum die schlimmsten Konsequenzen des Angriffs Putins vermutlich auf der russische Seite anfallen werden

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Grenzgänge in den heutigen Wissenschaften
Beobachtungen der Wissenschaft

Der Angriff Russlands auf die Ukraine ist der erste militärische Angriff einer europäischen Nation gegen eine anderen seit dem 8. Mai 1945. Und auf den ersten Blick scheint dieser Angriff nach genau den gleichen Prinzipien und Methoden zu funktionieren wie der Angriff NS-Deutschlands auf Polen vor mehr als 82 Jahre,  am 1. September 1939. Natürlich erleben wir Dinge, die es damals noch gar nicht gab:

  • Eine kaum zu überblickende Schar von direkten Kommentaren und Diskussionen auf dem Internet,
  • eine instantane Berichterstattung von den Einzelheiten der Militäraktionen in die ganze Welt,
  • der sofortige Eingriff in die internationale Zahlungsfähigkeit Russlands, z.B. mit dem Hinauswurf Russlands aus dem internationalem Bankgeschäft über einen Swift-Ausschluss (wenn es sich auch einige Länder wie die Schweiz und sogar Deutschland schwer damit tun, denn es droht schliesslich weniger Business),
  • die erschreckende Drohung Putins bei Eingriff des Westens: Atomwaffen einzusetzen,
  • der direkte Ausschluss Russlands aus der Entwicklung der Hightech-Wirtschaft des 21. Jahrhunderts durch Ausschluss von internationalen Projekten,
  • und zahlreiche weitere Dinge.

Doch nichtsdestotrotz erscheint der Angriff auf die Ukraine mit dem Ziel, Kiew zu erobern dem Angriff Hitlers mit dem Ziel Warschau einzunehmen, zunächst sehr zu ähneln. Bei genauerer Betrachtung ist die Situation jedoch eine ganz andere als damals, insbesondere in Bezug auf die damals wohl bereits bedeutendste Entwicklungskomponente, die heute aber um Vielfaches wichtiger ist: Wissenschaft und Technologien. Deutschland war damals die führende Wissenschaftsnation, wo nicht nur die Quantenphysik und Relativitätstheorie entstanden war, sondern die auch in Chemie, Biologie und Medizin weltweit führend war. Wie steht es mit Russland heute? Die Lage für das Land sieht ganz anders aus: In den internationalen Wissenschaften spielt es eine eher geringe Rolle, Auch neue Technologien kommen kaum daher. So gibt es zum Beispiel kaum ausländisches wissenschaftliches Personal, das nach Russland geht um dort zu forschen. Neue wissenschaftliche Ergebnisse und innovative Technologien kommen also kaum daher. Zu geschlossen und undemokratisch ist das Land. So verwenden die Russen gar in ihrer aggressiven Manipulation auf dem Internet zuletzt aus dem Auslange stammende Technologien. Dies bedeutet im Übrigen nicht, dass dies auch für individuelle russische Wissenschaftler gilt. So gab es seit 1990 fünf Physik-Nobelpreise für Russen (in drei verschiedenen Jahren). Die Mehrzahl dieser Russen hatten aber bereits lange im Ausland gearbeitet.

Wissenschaftler arbeiten nun einmal lieber in freien Ländern, und nicht in Ländern, in denen das Internet seit jeher unter staatlicher Überwachung seht (der Geheimdienst FSB kann – ohne richterliche Genehmigung! – den gesamten Mailverkehr in, von und nach Russland lesen und die Internetaktivitäten der russischen User in Echtzeit verfolgen). Mit anderen Worten: Die erfolgreichste und originellste wissenschaftliche Forschung findet nun einmal in offenen Gesellschaften statt (wie Deutschland dies mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus erfuhr, wo die führende Rolle in den Wissenschaft innerhalb von fünf Jahren verschwand). So wird der oben erwähnte Ausschuss von wissenschaftlichen und technologischen Projekten langfristig für Russland höchstwahrscheinlich am gravierendsten sein: Das Land wird von der unglaublich schnellen Dynamik der internationalen Entwicklung der Technologien abgekoppelt, was das Land immer weiter ins Hintertreffen geraten lässt, ökonomisch sowie zuletzt auch militärisch (woran zuletzt ja auch die Sowjetunion gescheitert ist).

Für autoritäre Herrscher sind die Wissenschaften nun einmal der Feind schlechthin, könnte man sagen, denn allein die Wissenschaft kann den Lügen und Zynismen, dem Machtkalkül und der verantwortungslosen, oft bis in den Wahn reichenden Vereinfachung der Herrscher die Stirn bieten. So hat auch die Sowjetunion (insbesondere unter Stalin) zahlreichen brillanten Wissenschaftlern den Tod zukommen lassen (wie unter anderem auch den Bruder vom Emmy Noether, Fritz Noether, der ebenfalls ein Mathematiker war und von Nazi-Deutschland nach Russland emigriert war).

So beschreib der heutige Chef der Russischen Akademie der Wissenschaften, Alexander Sergejew, die Lage der Wissenschaft in seinem Land als „Tal des Todes“. Die russische Wissenschaft trage nicht zur Innovation der russischen Wirtschaft bei, die Zahl der Beiträge aus Russland auf bedeutenden internationalen Konferenzen und die Aufsätze russischer Forscher in führenden internationalen Zeitschriften ist so stark zurückgegangen, dass solche mit hoher Attraktivität und vielen Zitierungszahlen vernachlässigbar seien. Die Forschungsfinanzierung pro Wissenschaftler sei 100-mal geringer als in Japan. Anfang der 90er-Jahre gab es noch fast dreimal so viele Wissenschaftler in Russland wie heute. So summiert sich unterdessen die Zahl der hochqualifizierten Auswanderer aus dem Land auf 44’000 pro Jahr. Vor allem in den letzten Jahren, seit der Annexion der Krim und den immer weitergehenden Repressionen des Putin-Regimes gegen politisch Andersdenkende, wanderten mehr und mehr Wissenschaftler, und mit ihnen viele der gescheitesten jungen russischen Geister, in den Westen ab, können sie doch zu Hause nicht das umsetzen, was sie in ihren Köpfen haben. Und dass russischstämmige Physiker im Ausland Erfolge haben, zeigten u.a. Andrej Geim und Konstantin Nowosjelow von der Universität Manchester, die im Jahre 2010 den Physik-Nobelpreis für die Erforschung des Nanomaterials «Graphen» erhielten. Auf die Frage, ob er sich eine Rückkehr nach Russland vorstellen könne, antwortete Geim sarkastisch: „Erst nach meiner Wiedergeburt.“

Was Russland ebenso langfristig sehr schwach dastehen lässt ist, dass seine Ökonomie nahezu komplett vom Export fossiler Brennstoffe abhängig ist. Dies lässt Russland auch in einer der zukünftig wohl einer der wichtigsten ökonomischen Disziplinen ebenfalls komplett ins Hintertreffen gelangen: ökologische Innovationen. Hier handelt China, der grösste Verbraucher von fossiler Energie und oft mit Russland bzgl. seines autoritären Eigeninteresses verglichen, ganz anders: Trotz des hohen Kohleverbrauchs ist China bereits der grösste Produzent alternativer Energien in Form von Wind, Wasser und Sonne. 

Die Technologien, die Putin dies ermöglichen, wurden allesamt  in den freien und offenen Gesellschaften des Westens erfunden und entwickelt, dort, wo sich die Kreativität der Menschen am besten entfalten kann. So sagte Joe Biden als Reaktion auf Russlands Angriff auf die Ukraine mit klarer Stimme:

„Freiheit, Demokratie, Menschenwürde – diese Kräfte sind um ein Vielfaches stärker als Angst und Unterdrückung. Sie können von Tyrannen wie Putin und seinen Armeen nicht ausgelöscht werden. Sie können den Herzen und den Hoffnungen der Menschen durch kein Maß an Gewalt und Einschüchterung entrissen werden. Sie überdauern.

Und täuschen Sie sich nicht im Kampf zwischen Demokratie und Autokratie, zwischen Souveränität und Unterwerfung: Die Freiheit wird siegen.“

Dieser Aussage des US-Präsidenten kann man nur zustimmen.

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www.larsjaeger.ch

Jahrgang 1969 habe ich in den 1990er Jahren Physik und Philosophie an der Universität Bonn und der École Polytechnique in Paris studiert, bevor ich am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in Dresden im Bereich theoretischer Physik promoviert und dort auch im Rahmen von Post-Doc-Studien weiter auf dem Gebiet der nichtlinearen Dynamik geforscht habe. Vorher hatte ich auch auf dem Gebiet der Quantenfeldtheorien und Teilchenphysik gearbeitet. Unterdessen lebe ich seit nahezu 20 Jahren in der Schweiz. Seit zahlreichen Jahren beschäftigte ich mich mit Grenzfragen der modernen (sowie historischen) Wissenschaften. In meinen Büchern, Blogs und Artikeln konzentriere ich mich auf die Themen Naturwissenschaft, Philosophie und Spiritualität, insbesondere auf die Geschichte der Naturwissenschaft, ihrem Verhältnis zu spirituellen Traditionen und ihrem Einfluss auf die moderne Gesellschaft. In der Vergangenheit habe ich zudem zu Investment-Themen (Alternative Investments) geschrieben. Meine beiden Bücher „Naturwissenschaft: Eine Biographie“ und „Wissenschaft und Spiritualität“ erschienen im Springer Spektrum Verlag 2015 und 2016. Meinen Blog führe ich seit 2014 auch unter www.larsjaeger.ch.

20 Kommentare

  1. Putin kommt mit Sicherheit nicht alleine, ohne jede Unterstützung von Drittstaaten, zu seinen Zielen und danach zu einer neuen Normalität in der er weltweit agieren kann wie bisher.

    Putin hat so gesehen nur eine Chance: er braucht die Unterstützung Chinas und das nicht zu knapp. Denn bis anhin hat China immer die Souveränität von Drittstaaten anerkannt. Man kann sogar sagen, dass China bis jetzt ein gutes UNO-Mitglied war, eines, das die Entscheide der UNO meist mitgetragen hat.

    Würde allerdings China Putin bis zum bitteren Ende unterstützen und hätte Putin militärischen Erfolg, dann bräche tatsächlich eine neue Phase in der Weltpolitik an, eine Phase in der Ökonomie, Wissenschaft und Technik plötzlich nur noch eine untergeordnete Rolle spielen würden. Übergeordnet wäre dann die Blockzugehörigkeit.

  2. Sie mögen ja in der Tendenz Recht haben, aber bei “Für autoritäre Herrscher sind die Wissenschaften nun einmal der Feind schlechthin, könnte man sagen, denn allein die Wissenschaft kann den Lügen und Zynismen, dem Machtkalkül und der verantwortungslosen, oft bis in den Wahn reichenden Vereinfachung der Herrscher die Stirn bieten.” fallen Sie Wunschdenken anheim. Nehmen wir doch mal die USA: Da hat doch die Wissenschaft weder den Vietnam- noch Irak-Krieg verhindert – und die strukturelle Ungerechtigkeit einer von rassistischen Besitzstandsdenken und dunklen PACs (der russischen Oligarchie durchaus vergleichbar) beherrschten Gesellschaft blieb davon unberührt. Aber klar, dafür gibt es das Silicon Valley und viele Nobel-Preise … schade nur, daß so viele davon rein gar nichts haben … nicht mal ein konkurrenzfähiges Gesundheitssystem …

    • Zustimmung dazu, dass Wissenschaft und Technologie nicht unmittelbar mit einem bestimmten politischen System in Verbindung stehen.

      Kritisch sehe ich die Verurteilung der USA, was ihre Interventionen und ihre inneren Widersprüche angeht. Ich habe den Verdacht, dass jede Supermacht zu skrupellosem Machteinsatz neigt. Wenn die USA einmal durch China abgelöst wird, dann ist sogar schlimmeres zu erwarten. Ein friedlicheres zukünftiges Weltsystem müsste meiner Meinung nach Staaten teilweise entmachten oder sie gar in kleinere Einheiten aufteilen. Schlichter und Schiedsrichter in dieser weniger mächtigeren zukünftigen Nationen-Welt wäre dann die UNO.

      Vermutung: Der Satz „Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut“ der gilt nicht nur für einzelne Menschen, sondern für ganze Staaten was ihren Welteinfluss betrifft.

      • Ich glaube, daß Ihre Vorstellung eines friedlichen Weltsystems – ziemlich genau Jener entspricht, mit der die UNO gegründet wurde. Daß sie (also die UNO) die Rolle des Schlichters und Schiedsrichters nicht wahrnehmen kann, ist das Eine – aber selbst, wenn dazu die Mechanismen reformiert würden (etwa das Vetorecht – und eine effektivere Interventionsmöglichkeit), könnte sie Frieden und Wohlstand genausowenig sichern – wie die Strafverfolgung in jedem Land (auch Unserem) Straftaten von Einzelnen oder polarisierten Gruppen verhindern kann. Ich vermute, daß sich der Geist bzw. die Kultur ändern muß – und eben nicht nur immer bei den Anderen – gehört doch das “leben und leben lassen” als Grundwert zu diesem fehlenden Geist …

  3. Danke für den interessante Artikel. Was die Wissenschaft angeht, so gibt es aber noch genug Kapazitäten, um Hyperschallraketen zu entwickeln. Also für solche “Spielzeuge” sind wohl noch genug Leute da.

    Gruß
    Rudi Knoth

    • Rudi Knoth
      28.02.2022, 17:28 Uhr

      Für das Militär, für die Rüstung werden alle Register gezogen, im Alltag bleibt dann wenig übrig, das ist in anderen Gesellschaften nicht viel anders.
      Vor Jahren in den USA habe ich mich in Bezug auf die Alltags-Eisen-Technik gefragt, wie zum Kuckuck die es zum Mond und heil wieder zurück geschafft haben – und dann fiel mir eben auf: Sondertechnik = hui, Alltagstechnik = pfui.
      Interessant wird es dann, wenn man Techniken betrachtet, die ausgehend von unterschiedlichen Voraussetzungen dann unterschiedliche Lösungen für das gleiche Problem darstellen:
      In den USA wurde eine Kugelschreibermine entwickelt, die unter Druck auch über Kopf und vor allem in der Schwerelosigkeit das Schreiben ermöglicht – in der SU nahm man für den gleichen Zweck dann einen Bleistift …

  4. Putin hat die Technologie vergrault, jetzt hetzt er ihr im Panzer hinterher… Ich wäre vorsichtig damit, Tatarussland zu unterschätzen. Die Wirtschaft des Wolfes betreibt das Schaf, der Wolf braucht nur Fangzähne. Wer viele Soldaten hat, kann Klasse durch Masse kompensieren. Merkt man auch an der Ukraine-Strategie: Erst mal das Land mit drittklassigen Hilfstruppen und lokalen Freidenkern zermürben, denn ein Kyborg mag so viel wert sein, wie zehn Tschetschenen, doch er braucht für sie zehn Kugeln, und sie für ihn nur eine. Hätte der Westen nicht Kugeln nachgeliefert, wäre Kiew schon seit Jahren russisch.

    Natürlich birgt die Hybris in Verbindung mit Schwäche auch Gefahren. Wenn Putin-Khan sich zu Xis Lukaschenko macht, und damit den Lukaschenko zum Hund eines Hundes, könnten wir die Chinesen irgendwann am Bug stehen haben. Die haben nicht nur die Masse, sondern auch die Klasse – nix mit wissenschaftsfeindlichkeit von Diktaturen, von Braun baut ja auch in der Hölle Raketen für den Satan, weil ihn nur Raketen interessieren und nicht sein Mäzen. Wenn ein Diktator das Geld hat, kann er Wissenschaftler gern in freien Ländern forschen lassen, er kann sich alles kaufen, was sie erfinden. Selbst braucht er nur Forschung in kleinem Maße zu betreiben, mit den von Brauns, die er so verhätschelt, wie die Sowjets ihre Wissenschaftler. Putin hat mehr Komplexe als Knete, hat nix mit Diktatur per se zu tun.

    Die Unterwerfung unter China würde zwar den Ich-hab-was-Kleines-zum-Kompensieren-Fantasien von Vlad dem Führer genau entgegengesetzt wirken, doch wäre der schlau, hätte er die Ukraine in Ruhe gelassen, bis in den USA Supertrump an die Macht kommt (also Trump oder schlimmer). Die Wir-züchten-uns-einen-Antichristen-Eskalationsspirale von Reagan über Dubbya bis Trump, mit Frust und Wut anheizenden Intermezzos durch irgendwelche Clintons, Obamas und Bidens als Beschleuniger, die gegen die allmächtige Korruption der Mächtigen nicht ankommen, welche wiederum an allem Schuld ist, ist ja kaum zu übersehen. Die Leute entscheiden sich mal gegen die Allmächtigen und scheitern, mal für den Super-Allmächtigen, weil sie aus religiös-ideologischer Verblendung hoffen, dass er sich gegen die Allmächtigen wendet, die ihn füttern, und sie von ihnen erlöst. Wenn man selbst die Verschwörung ist, die einen immer brutaler versklavt, muss man natürlich ein paar Hexenmenschen einschrauben, damit das passt.

    Der Messias-Massa ist ein archetypischer Traum der Sklaven quer durch alle Zeiten und Orte. Wenn die Trumps, Putins, Kaczynskis, Orbans, Erdogans, Xis, Böllersarios (wie heißt dieser Boy from Brazil?) alle auf einmal hochkommen, muss das Ohnmachtsgefühl weltweit rasant zunehmen. Natürlich macht die Weltwirtschaft schlapp, was denn sonst. Das Schneeballsystem Kapitalismus geht den Weg aller Schneeballsysteme, und in den letzten Zügen spielt es noch Gog und MAGA um die letzten Märkte, Ressourcen, Vorteile. Äffchen knurrt der Magen, Äffchen geht jagen, alle schnappen sich Speere und scharen sich ums Alphamännchen. Nur waren Affen noch nicht auf die Idee gekommen, die Realwirtschaft durch eine Fantasy-Wirtschaftssimulation aus Pixeln und Papier zum Schein zu vergrößern, die Inflation auf die Börse zu verschieben, als Profite zu verbuchen und mehr und mehr davon kreisen zu lassen, damit es Schulden generiert, die der Realwirtschaft noch brutaler zusetzen, aber auch das Drucken von mehr Geld erzwingen, das die “Profite” himmelhoch schießen lässt.

    Anscheinend hat es alle Wissenschaft der Welt nicht geschafft, auf diesem Planeten intelligentes Leben zu erschaffen. Im Gegenteil – je besser die Wissenschaft unsere Probleme lösen kann, desto mehr können wir es uns leisten, zu verdummen. Dann stehen aber auch stets mächtigere Werkzeuge der Wissenschaft einer stets wachsenden Dummheit zur Verfügung. Das Wettrennen geht nicht ewig gut.

    Naja, vielleicht kriegt sie ja für uns auch diesmal die Kurve. Immerhin ist sie das Einzige, was bei uns halbwegs funktioniert, alles andere, was die Menschheit aufzubieten hat, verteilt sich im Spektrum zwischen schlechter Witz und Selbstmordversuch. Und ich bin eh alt, beim nächsten Mal bin ich tot und nach mir die Sintflut.

    Vorläufig sollte Europa zusehen, dass es ganz schnell auf eigenen Füßen steht, bevor wir zwischen Putin, Xi und Supertrump eingeklemmt sind. Eigene EU-Armee und der Ausbau zu einem echten Föderalstaat wären ein netter Anfang. Weil wir keine eigenen natürlichen Ressourcen haben, sollten wir massiv auf Wissenschaft und Technologie setzen, neue Hightech, um die nutzbar zu machen, die bislang unerreichbar sind – in den Meeren, in den Wüsten, im All. Sollen die Anderen die Verteilungskriege führen, wir spielen Asimovs Foundation und tragen die Zivilisation über die Zeit der Barbarei.

    Werden wir natürlich nicht tun. Wenn wir unser ganzes Geld nach China schicken, hat natürlich auch China das meiste Geld für Forschung, und so doof wie die Russen sind Chinesen nicht, die schaffen einfach isolierte Schaolin-Klöster des Wissenschafts-Kung-fu, in dem die Meister aller Klassen frisch, fromm, fröhlich, geistig frei tüfteln können, ohne dem System ins Handwerk zu pfuschen. Wir können tonnenweise Geld drucken und Gesetzestexte, wir können bunte Fähnchen schwenken, uns damit nationalistische Handtuchschlachten liefern und uns dabei total wichtig vorkommen, bis uns einer den Hals umdreht, das wär’s. Aber man wird noch träumen dürfen. Noch sieht’s zumindest nicht unmöglich aus. Mal sehen, ob sich der Wir-treten-Putler-in-den-Hintern-Neuanfang genauso schnell im Sande verläuft, wie jeder andere in den letzten zwanzig Jahren. Bei uns sehen die Eskalationsspiralen anders aus, wir werden von der Wirtschaftsmisere zerfetzt, doch die Ursachen sind und bleiben global.

  5. Ganz so edel ist die USA nicht, wie sie Biden darstellt. 60 000 Tote jedes Jahr durch Faustfeuerwaffen, 1/3 der Bevökerung abhängig von Medikamenten
    und eine Kulturnation wie Rußland in eine Nebenrolle schieben. Und zu den größten Müllerzeugern der Welt gehören, zum größten Energieverbraucher pro Person, wie sieht die Welt in 50 Jahren aus ?
    Da steckt schon viel Überheblichkeit und Realitätsblindheit dahinter. Auch nicht viel besser wie bei Putin.

    • @hwied (Zitat): „ [die USA] Auch nicht viel besser wie bei Putin.„

      Antwort: Faustfeuerwaffen in den USA, Medikamentenabhängigkeit, Energieverschwendung und Müllerzeugung sind zuerst einmal interne Probleme der USA. Diese internen Probleme kann man nicht vergleichen mit einem Krieg gegen ein angeblich befreundetes Nachbarland. Diesen Krieg führt jetzt Russland gegenüber der Ukraine.

      Sie, hwied, haben ja in einem früheren Kommentar Russland ein gewisses Recht auf die Besitzergreifung der Ukraine zugestanden. Auch Tobias Jeckenburger, ein Kommentarkollege von ihnen, meinte, zum Ausgleich für das Unrecht und Leid, das das dritte Reich Russland angetan habe, dürfe jetzt Russland in der Ukraine zugreifen. Damit aber beweisen sie beide, dass sie immer noch kein echt demokratisches Bewusstsein entwickelt haben. Denn: niemand (auch Deutschland nicht) kann die Ukraine einem anderen Land zum Geschenk machen. Über die Köpfe der Ukrainer zu entscheiden und sie damit zu Mündeln und Deutschland und Russland zu Vormündern zu machen, ist zutiefst undemokratisch.

  6. “Der Angriff Russlands auf die Ukraine ist der erste militärische Angriff einer europäischen Nation gegen eine anderen seit dem 8. Mai 1945”

    Den Kosovokrieg haben Sie wohl verschlafen?

  7. Paul S,
    Ihr Weltbild in Ehren , die Zukunft wird diesesmal von der Natur gestaltet. Wir werden Wassermangel bekommen, leere Netze der Fischfangflotten, vergiftete Böden, Verteilungskriege, für Ideologie wird wenig Raum bleiben.

    Am schwersten wird es die großen Nationen treffen wie China und die USA wenn sie ihre Bevölkerung nicht mehr ernähren können weil der Weltmarkt leergekauft sein wird.

    Rußland ist noch nicht verstädtert, Rußland wird wieder einen Rückschritt machen , Platz ist genug da.

  8. Was Russland ebenso langfristig sehr schwach dastehen lässt ist, dass seine Ökonomie nahezu komplett vom Export fossiler Brennstoffe abhängig ist.

    Fossilien, günstig ausgraben und idF bei (gerne auch) so gemeinten ansteigenden Marktpreisen verkauft, stehen in Russland absehbarerweise noch lange Zeit bereit.
    Hier hilft auch eine geringe Bevölkerungsdichte, die die Verteilung passender Lizenzen wohl noch lange Zeit erlauben wird, ohne besonderem Widerstand der Bevölkerung, auch wegen der schlichten Größe Russlands.

    Ursisch-zynisch formuliert wäre in Russland auch der Aufbau sozusagen größtmöglicher Sonnen- und Windkraftanlagen möglich, ohne dass, anders als in der BRD, vielen das Naturerlebnis zu verloren gehen droht.

    Ein sog. Rentier-State kann positive Zukunftsaussicht haben, zudem sind Russen, wie sich der Schreiber dieser Zeilen erlaubt einzuschätzen, eine Pauschalaussage ist so nicht beabsichtigt, verständig, insofern böte sich hier auch bspw. im Maschinenbau, im Web mit passender technologischer Unterstützung und eben auch mit Agrarprodukten besonderes Potential (das andere so womöglich nicht besitzen).

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

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