Künstliches Fleisch aus dem Labor – Update: Wo stehen wir, wo gehen wir hin?

BLOG: Beobachtungen der Wissenschaft

Grenzgänge in den heutigen Wissenschaften
Beobachtungen der Wissenschaft

Gerade ist die letzte Klimakonferenz (die 27., dieses Mal in Kairo) zu Ende gegangen. Wie in nahezu allen dieser Konferenzen ist auch dieses Jahr darin nichts Konkretes herausgekommen. Konnten wir denn etwas erwarten? Die politische Debatte darüber, wie wir den Klimawandel zu bekämpfen und einzuschränken haben, hat bisher kaum etwas gebracht, insbesondere in Anbetracht der doch sehr kurzen Zeit, die wir Menschen wohl noch haben, um die Struktur unsere Energieverbrauchts signifikant zu verändern und dadurch eine apokalyptische Klimaveränderung zu verhindern. Als «apokalyptisch» müssen wir eine globale Erhöhung der Durchschnittstemperatur von mehr als zwei Grad Celsius erachten. Was dann auf der Erde passiert, könnte aufgrund einsetzender nicht-linearer Effekte (also nicht mehr einem proportionalen Verhältnis zwischen CO2-Gehalt und globalen Temperaturen) und einer entsprechend massiven Temperaturerhöhung nicht nur massiv das menschliche Leben auf der Erde verändern, sondern dies auch unumkehrbar machen. Und genau das ist das Verheerende: Dass wir in dreissig bis vierzig Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit global mehr CO2-neutrale Energieformen verwenden werden (höhere Effizienz der Photovoltaik, mehr Erdwärme, evtl. nukleare Fusion, die das Problem der Energieversorgung insgesamt lösen könnten), könnte uns in dem Fall kaum helfen, wenn die Kipp-Punkte hin zu nicht-linearen Temperaturerhöhungen die Temperaturen bereits um ein Vielfaches erhöht haben. Wir müssen also jetzt sofort und nicht erst in der nächsten Generation die Energiegewinnung entsprechend umformen  Und in ersten, immer noch bei weitem unzureichenden Ansätzen ist dies ja auch in Europa (nun, nahezu allein) schon geschehen. Dabei sind auch hier die grossen Schritte zum Schutz des globalen Klimas erst für nach 2030 angekündigt, also zu einer Zeit, in der die meisten Politiker, die die heutigen Pläne machen, grossspurige Reden halten und markante Sprüche klopfen, wohl gar nicht mehr im Amt sein werden.

Nun gibt es in der Umweltpolitik noch eine ganz andere Dimension, die oft sowohl in gesellschaftlichen wie auch politischen Diskussion zu wenig gewichtet wird: Unsere Ernährung (lange aufgrund unseres Reichtums nur die in Europa und Nordamerika, heute aber in weiten Teilen der Welt), genauer: die Tierhaltung zum Zweck der Fleischproduktion verursacht eine signifikante Menge an Treibhausgasen. Gemäss der Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) bewirkt diese insgesamt fast 15 Prozent der gesamten CO2-Ausstösse weltweit (ca. fünf Mal so viel wie alle zivilen Flugzeuge). Und dieser Trend nimmt dramatisch zu, sowohl mit der wachsenden Weltbevölkerung per se, wie auch durch die Steigerung von Wirtschaftskraft und Wohlstand in Asien (und dann wohl auch in Afrika). Was heute für Europäer und Amerikaner selbstverständlich ist – der nahezu tägliche Konsum von Fleisch – würde global zu einer nicht mehr tragbaren Steigerung der Tierhaltung und damit des CO2 Ausstosses führen (genauer dem «CO2 entsprechenden» Ausstoss: das von Tieren ausgestossene Methan (CH4) hat einen 20-fachen Klimaeffekt wie CO2). Dazu kommt, dass Weideland für Tierfuttermittel ca. 17% der bewohnbaren Flächen der Erde einnimmt, und dass die gesamte Landwirtschaft, wo die Tiere ca. 33% ausmachen,  69%(!) des globalen Süsswassers verwendet, und dies bei all den schwerwiegenden Wasserproblemen. So forderte der Weltklimarat (IPCC) in seinem „Sonderbericht zu Klimawandel und Landsysteme 2020“ im August 2019 – von der Öffentlichkeit wie auch Politiker kaum wahrgenommen – auch eine Kehrtwende beim menschlichen Fleischkonsum.

Genau hier könnten sich hier nun aber, wie nahezu jegliche Hoffnung auf Lösung des Klimaeffektes, durch technologische Fortschritte schon bald massive Veränderungen ergeben, und zwar durch Fleisch, das aus 3D-Druckern kommt. Solche „Drucker“ verwenden Muskelstammzellen von Rindern, die künstlich herangewachsen und vermehrt, und dann mit Nährstoffen, Salzen, pH-Puffern, etc. versetzt werden. Das Ergebnis schmeckt wohl schon sehr bald köstlicher und ist zugleich gesünder als alles tierische Fleisch bisher und … wird nahezu ohne CO2-Ausstoss auskommen (99% dem von tiererzeugten Fleisch eingespart)! Wer daran zweifelt, dass solches künstlich hergestelltes In-Vitro-Fleisch appetitvoller oder dass die Ernährung damit auch gesünder ist, sollte mal einige Stunden in einer Grossschlachtanlage verbringen. Dann wird ihm oder ihr der Appetit auf das heutige Fleisch vermutlich schnell vergehen.

Es lohnt sich, die Geschichte des In-vitro Fleisches kurz dazulegen (was ich bereits in ausführlicher Weise in vorherigen Blogs sowie meinem Klimabuch von 2021 getan habe): Vor nun nahezu zehn Jahren stellten Wissenschaftler von der Universität Maastricht eine erste künstliche Frikadelle her, dies noch für einen Preis von 250.000 Euro. Sein Name variiert heute im Alltag mit sowohl positiven wie negativen Konnotationen: «gesundes Fleisch», «schlachtfreies Fleisch», «In-vitro-Fleisch», «Fleisch aus dem Bottich», «Fleisch aus dem Labor», «Fleisch auf Zellbasis, «sauberes Fleisch», «kultiviertes Fleisch» und «synthetisches Fleisch». Zur Produktion setzen besondere 3D-Bio-Drucker die gezüchteten Zellstränge serienmässig zu Muskelgewebe zusammen. Dabei arbeiten sie, was die Schmackhaftigkeit angeht, mit Gourmet-Köchen, mit dem Ziel, den jeweiligen Geschmack täuschend echt zu dem eines heutigen entsprechenden Steaks zu machen – und durch entsprechende Aromazugaben sogar noch zu verbessern. Heute befinden sich solches In-vitro-Fleisch bereits im Markt, am prominentesten in Singapur und Israel. In Europa sind sie seit diesem Jahr, im März 2022, zugelassen und werden wohl 2023 in den Markt kommen. Und auch in den USA ist dies im November 2022 geschehen. Das Laborfleisch ist  »genauso sicher wie vergleichbare Lebensmittel, die mit anderen Methoden hergestellt wurden«, so heisst es in einem Statement der FDA .

Pflanzliche Imitationen von Fisch und Fleisch sind schon lange im Handel und schmecken immer besser. Nun fügt sich In-vitro-Fleisch aus künstlich vermehrten Hühner-, Rinder- oder Fischzellen als nächster Schritt hinzu. Die Tester attestieren unterdessen nahezu einhellig, dass die gedruckten Steaks nahezu wie echtes Fleisch schmecken und geschmackvoll, bissfest und faserig wie das Original sind, auch wenn einige davon sprechen, dass es noch etwas weicher ist als Tierfleisch. Und unterdessen ist auch die allgemeine Presse auf diesen neuen Tierfleisch-Ersatz aufgesprungen. Gibt es schon bald keine Nutztierhaltung mehr, dafür aber trotzdem noch Fleisch, das dann aber nicht mehr von der Weide kommt, sondern das wir einfach selber ausdrucken? Dies könnte die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung mit Fleisch sicherstellen, ihren ökologischen Fussabdruck stark reduzieren und sogar unser Wohlempfinden beim Essen noch einmal verbessern. Welch großartige Vision!

Nun, die traditionellen Fleischproduzenten kämpfen bereits dagegen an und nach wie vor kann sich eine überwiegende Anzahl von Menschen kaum vorstellen künstliches Fleisch zu essen. Grüne Wiesen und glückliche Rinder in der Werbung verleihen den heutigen Fleischprodukten einen Mythos von Natürlichkeit, auch wenn ihre Herstellung unappetitlich  industriell abläuft. Es wird äusserst spannend sein zu sehen, wie die Fleischersatzprodukte mit den originalen Fleischprodukten schon bald in Konkurrenz treten werden. Betrachtet man die so dramatisch schnell gewachsene Beliebtheit der pflanzlichen Fleischersatze, so ist zu erwarten, dass sich die neuen Hightech-Fleischersatzprodukte mit der Zeit ebenfalls einer gewaltigen Beliebtheit erfreuen werden. Dies könnte schliesslich zu einer historischen Wende im globalen Fleischkonsum führen, der sich (neben dem Verzicht auf Fleisch) sehr positiv auf die CO2-Bilanz auswirkt. Vielleicht schaffen wir es ja zusammen mit der immer CO2-neutraleren Verwendung von Energien, die Klimakatastrophe abzuwenden. Dies scheint zur Zeit noch ein schwierig nachvollziehbarer Optimismus zu sein. Doch die massive Geschwindigkeit neuer technologischer Möglichkeiten ist für die meisten Menschen eben einfach nicht vorstellbar.

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www.larsjaeger.ch

Jahrgang 1969 habe ich in den 1990er Jahren Physik und Philosophie an der Universität Bonn und der École Polytechnique in Paris studiert, bevor ich am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in Dresden im Bereich theoretischer Physik promoviert und dort auch im Rahmen von Post-Doc-Studien weiter auf dem Gebiet der nichtlinearen Dynamik geforscht habe. Vorher hatte ich auch auf dem Gebiet der Quantenfeldtheorien und Teilchenphysik gearbeitet. Unterdessen lebe ich seit nahezu 20 Jahren in der Schweiz. Seit zahlreichen Jahren beschäftigte ich mich mit Grenzfragen der modernen (sowie historischen) Wissenschaften. In meinen Büchern, Blogs und Artikeln konzentriere ich mich auf die Themen Naturwissenschaft, Philosophie und Spiritualität, insbesondere auf die Geschichte der Naturwissenschaft, ihrem Verhältnis zu spirituellen Traditionen und ihrem Einfluss auf die moderne Gesellschaft. In der Vergangenheit habe ich zudem zu Investment-Themen (Alternative Investments) geschrieben. Meine beiden Bücher „Naturwissenschaft: Eine Biographie“ und „Wissenschaft und Spiritualität“ erschienen im Springer Spektrum Verlag 2015 und 2016. Meinen Blog führe ich seit 2014 auch unter www.larsjaeger.ch.

15 Kommentare

  1. Allein mit Optimismus und Vertrauen in die Technologie und den Markt ist es m.E. kaum getan. Man muss das Schlachttierfleisch irgendwann auch regulieren. Nur positive Anreize reichen wahrscheinlich nicht zur Wende im Verbraucherverhalten.

    • @Paul Stefan (Zitat): „ Man muss das Schlachttierfleisch irgendwann auch regulieren. „
      Antwort: Sobald kultiviertes Fleisch gleich teuer oder sogar billiger ist, könnte ich mir vorstellen, dass man Fleisch von lebenden Tieren mit einer zusätzlichen Umweltabgabe belastet ganz ähnlich wie Autofahrer über einen Aufschlag auf den Treibstoff für den Strassenbau aufkommen.

  2. Ich werde weiterhin echtes Fleisch essen. Wenn es keines mehr zu kaufen gibt, werde ich eben selbst Tiere halten. Das Fleischessen hat den Menschen erst zum Menschen gemacht. Fleischlose Ernährung ist Mangelernährung und zu der lasse ich mich sicher nicht zwingen.

    • Peter Müller: vielen Dank für Ihren kurzen, aber wirklich guten Beitrag; 100% Zustimmung! “Fleisch ist ein Stück Lebensqualität”: das war vor etlichen Jahren mal eine Werbeparole. Aber wie überall gilt auch hier: “Es kommt auf die Dosis an, ob ein Stoff giftig ist”. Man muss sich nicht jeden Tag ein Schnitzel, ein Steak oder eine gewaltige Menge an Wurst reinhauen, aber einmal die Woche habe ich doch gerne eine ordentliche Fleischmahlzeit auf dem Teller. Wohl bekommt’s und wer es nicht mag, soll dann eben nach seiner Fasson selig werden.

    • @Peter Müller(Zitat):“ Ich werde weiterhin echtes Fleisch essen.“Laborfleisch, auch kultiviertes Fleisch genannt, ist ja echtes Fleisch, denn es besteht aus den gleichen Zellen aus denen auch das Fleisch (der Muskel) der jeweiligen Tiere besteht.
      Dazu liest man in WHAT IS LAB-GROWN MEAT, AND HOW IS CULTURED MEAT MADE?:

      Der Prozess der Herstellung von im Labor angebautem Fleisch beginnt mit der sorgfältigen Entfernung einer kleinen Anzahl von Muskelzellen von einem lebenden Tier.
      Dann legt ein Labortechniker die geernteten Zellen in Bioreaktoren, bevor er sie einem Nährstoffbad hinzufügt. Die Zellen wachsen und vermehren sich und produzieren echtes Muskelgewebe, das Wissenschaftler dann zu essbaren “Gerüsten” formen. Mit diesen Gerüsten können sie im Labor angebaute Zellen in Steak, Chicken Nuggets, Hamburger Patties oder Lachs-Sashimi verwandeln. Das Endprodukt ist ein echtes Fleischstück, das mariniert, paniert, gegrillt, gebacken oder gebraten werden kann – keine Tierschlachtung erforderlich.

      Im Labor angebautes Fleisch ist kein künstliches Fleisch. Es ist echtes Tierfleisch. Es wächst zufällig in einem Labor, nicht auf einer Fabrikfarm. Wissenschaftler arbeiten sogar daran, sicherzustellen, dass im Labor hergestelltes Muskelgewebe die genaue Textur von traditionell angebautem Fleisch nachahmt.

      Dank dieser Innovation können Fleischliebhaber immer noch die Produkte genießen, die sie bereits kennen und lieben, mit dem Wissen, dass keine Tiere brutal für ihre Mahlzeit aufgezogen oder geschlachtet wurden.

      Obwohl es keine schädlichen Antibiotika und Wachstumshormone von traditionellem Fleisch enthält, enthält im Labor angebautes Fleisch die gleiche Menge an Protein, die für die Gesundheit und das reibungslose Funktionieren unseres Körpers entscheidend ist.

      Fazit: Kultiviertes Fleisch ist nichts für Veganer, ja es kommt nicht einmal für Vegetarier in Frage, denn es ist zweifellos Fleisch. Und zwar nicht irgend ein Fleisch, sondern ganz konkret etwa Rindfleisch, Känguruh oder Huhn, je nachdem woher die Zellen stammen mit denen das Fleisch gezüchtet wurde.

      • Vermutlich ist es auch total egosistisch von mir überhaupt zu atmen und dabei das Killergas CO2 auszustoßen.

  3. Oh Gott, ein Genozid an Kühen und Schweinen steht uns bevor. Die blutige Symbiose zwischen Herr und Sklave scheitert am Pupsen. Leder wird vorübergehend sehr billig, oder?

    Bald verkauft mir McDonalds nur noch Lizenzen, die Burger werden vom Drucker gemischt, und neben Wasser- und Stromleitungen gibt’s welche für Mayo, Senf und Ketchup… Und dann marschiert Mussolini in Kroatien ein, und wir tun nichts dagegen, weil wir uns nicht aus der Ketchup-Abhängigkeit von Italien lösen können, aber dann kommt die Tomate aus dem Labor, die auf deutschen Eichen wächst, die dann bereits Kronen haben, in denen die Blätter lauter kleine Windräder bilden, sodass sie, neben Photosynthese, auch mit Strom laufen, sodass die Wälder wuchern wie nie zuvor, Nordmanntannen machen da bereits Buchhaltung, weil in Skandinavien die Serverkühlung leichter fällt, und IKEA sowieso der größte Technologie-Konzern der Welt geworden ist. Irgendwann kann ich auch Saufen und Rauchen, wie viel ich will, denn Leber, Lunge und Herz sind auf dem Server abgespeichert. Eventuell gibt’s Standard-Organe mit Rohling-Zellen, in die ich nur die entsprechende DNA einfügen muss, damit sie mit mir kompatibel werden… Gender-Gaga ist ja kein Gaga, sondern der Vorbote einer Welt, in der Körper etwas sind, womit man den Kleiderschrank füllt.

    Ich sehe auch Felder, auf denen laufende Schweinebüsche weiden, auf denen Organe und Würste wachsen, eierlegende Wollmilchsäue in der tierschutzgerechten Variante. Eventuell tief unter Wasser, am Boden der Tiefsee liegt eine dicke Schicht von Dünger, die ohne Licht und Sauerstoff nicht recycelt werden kann, aber dann würden Haie zu den Vögelchen, die mein Opa immer mit der Steinschleuder abschoss, weil sie die Kirschbäume plünderten. Sponge Bob zum Burger braten können wir uns gleich mit züchten. Was allerdings ineffizient wäre, weil jedes Schwein eigene Füße (Tentakeln, Flossen?) und Eingeweide bräuchte. Schätze mal, synthetische Organismen der Zukunft werden kein integriertes Verdauungssystem mehr haben, sondern an irgendeiner Verdauungsmaschine hängen, in die man beliebige Biomasse reinschmeißt, sie bekommen bereits verdaute Nährstoff-Pampe oder gleich Blut. Die Wirtschaft ist ja bereits eine ähnliche Verdauungsmaschine. Im Grunde ist die Welt ein Verdauungssystem, bei dem alles um alles herum für sich gegenseitig Gedärme ist, die sein Futter vorverdauen. Als ob das Leben nicht peinlich genug wäre, wir stecken auch noch in einem riesigen Human Centipede, in den auch noch der lokale Zoo mit eingenäht wurde.

    Das Outsourcen der Verdauung könnte auch für den Menschen Sinn ergeben. Bislang machen das vor allem Bakterien, Weizen, Kühe, Ziegen und Schweine, aber warum soll nicht eine Fabrik Algen oder Altpapier zu etwas verarbeiten, was wir essen können? Bei Jauche klappt’s ja bereits, wenn ich mir die Produktqualität im Supermarkt angucke, warum nicht bei anderer Biomasse? Wieso ein 2D-Feld anlegen und mich mit Russland um die beste Erde kloppen, wenn ich einen 3D-Tank in die Wüste parken kann, wo ich nur Sonne und Meerwasser hinzufügen muss, das von Zwischentanks zubereitet wird? Ich stelle mir ein ausbalanciertes Ökosystem vor, bei dem Organismen, die Wasser entsalzen, im Gegenzug Proteine enthalten, die sie selbst nicht herstellen können, sodass sich beide Enden der Leitung gegenseitig bestrafen und belohnen können und sich das Ganze selbst reguliert. Baukosten erledigen sich bei Biologie von selbst, der Fabrikleiter wird zum Gärtner, die Arbeiter werden arbeitslos und entweder umgeschult, um auf eine Wirtschaft verteilt zu werden, die immer weniger Jobs pro Arbeitsleistung bietet und deswegen immer schneller wachsen muss, oder sie würden in der Matrix entsorgt, mit Beschäftigungstherapie, Brot und Spielen, würden Konsumenten, deren einziger wirtschaftlicher Zweck darin besteht, Konsumenten zu sein und dem Ganzen Sinn zu verleihen. Sinn als natürliche Ressource und Energiequelle der Wirtschaft, die ihre Existenz nicht mehr vor dem Geld rechtfertigen muss – dem Diener, der zum Herrn geworden ist.

    Dann hätten wir aber Blut-Pipelines quer über den Planeten, die alle möglichen synthetischen Organismen, Organ- und Futterwälder, Biomaschinen, Biomaschinenfabriken und so weiter speist. Also das Gleiche wie bis jetzt, nur mit gepimpten Flüssen. Nun ja, Evolution würde nicht immer wieder den gleichen Mist hervorbringen, wenn nicht bloß immer der gleiche Mist funktionieren würde – sie funktioniert durch Konvergenz, die Physik schränkt ihre Optionen ein. An mir nagt das Gefühl, dass die Erde einfach ein Embryo wäre, der sorgfältig inszenierte Entwicklungsstadien durchläuft, doch damit sie mich fressen kann, müsste ihr ein faktisches Gebiss wachsen.

    Doch damit wäre der Klimawandel bloß ein gewöhnlicher Evolutionsbooster, die übliche Wärmeentwicklung bei chemischen und biologischen Prozessen. Schätze mal, ist einer dieser Fälle, wo die Evolution es einfach immer wieder versucht, bis es klappt, sodass erst der Erfolg rückwirkend bestimmt, dass der letzte Versuch nur ein Stadium war. Jedes Stadium wird so lange experimentell weiterentwickelt, bis es zur stabilen Routine wird, von der nicht mehr abgewichen wird, erst dadurch löst es die nächste Phase aus, und wenn die Routine mal auf irgendeiner der bereits etablierten Stufen nicht klappt, stürzt alles, was auf solch tönernen Füßen beruht, mit ein. Pädagogik ist etwas, das wir uns von der Natur abgeschaut haben. Hinterhältigkeit auch.

    Mir steckt seit Ewigkeiten eine Szene aus einer uralten Stanislaw-Lem-Story im Hinterkopf, in der der Held eine verwilderte Couch mit dem Blaster abschießen muss. Später ist daraus, vermischt mit Kapitän Nemo, Frankenstein, Dr. Moreau, Dracula, dem russischen Akula für Hai und meiner Schwäche für platte Wortspiele Dr. Akula entstanden, ein Klischee-Bösewicht, besessen von der fixen Idee, den ganzen Quark wahr zu machen, ohne einen besseren Grund, als dass er es kann und Bock darauf hat (der mich irgendwie an einen netteren Putin erinnert, aber das liegt wohl daran, dass ich und Putin beide Arschlöcher sind, und die Umwelt gerade bei allen Arschlöchern die gleichen, genetisch vorprogrammierten Ideen triggert), aber das soll hier nur eine Erklärung dafür sein, warum ich mir solchen Blödsinn aus den Fingern sauge. Die Zukunft ist, wie so oft, in vergessenen Märchen bereits enthalten, weil der Spinner vor dem Macher und die Idee vor der Verwirklichung reifen muss.

    Schön, den Anfang von etwas zu sehen, was man nie erleben wird. Ich komme mit Soja und Tofu über die Runden, aber ich freue mich auf eine ordentliche Bratwurst aus dem Labor. Schätze, bis die fertig ist, können die gleich daneben meine dritten Zähne wachsen lassen, damit ich sie besser fressen kann. Sieht aber sexy aus, das Rotkäppchen. Komm zu Opa.

  4. Ich werde weiterhin echtes Fleisch essen.

    Wissen sie denn schon genau, worin sich künstliches von echtem Fleisch unterscheidet? Wenn nein, warum haben sie dann schon eine Entscheidung getroffen?

  5. @Hauptartikel

    Ich vermute mal, dass dieses Laborfleisch auch mit pflanzlichen Rohstoffen gefüttert wird, und womöglich geht bei der Umsetzung auch Energie verloren. Genau wie bei echtem Fleisch. Dann könnte man nur Methanemissionen einsparen, aber kein Ackerland.

    Und was das Tierwohl betrifft, so kann man dieses auch entscheidend verbessern, wenn man einfach nur an die Haltungsbedingungen geht.

    Wesentlich interessanter finde ich die Bakterienkulturen, die gleich mit grünem Wasserstoff gefüttert werden. Dieses ist unabhängig von Ackerflächen und entsprechend beliebig scalierbar. Ich kann mir hiermit auch Varianten vorstellen, die gleich tierisches Eiweiß produzieren. Das wäre dann eine wirkliche Revolution.

    @Paul Stefan 06.12. 21:57

    „Nur positive Anreize reichen wahrscheinlich nicht zur Wende im Verbraucherverhalten.“

    Ich denke mal, dass eine gewisse Menge Tierhaltung zur Landwirtschaft gehört. Viele Weiden kann man nur für Tierfutter nutzen, viele Abfälle und Nebenprodukte werden verfüttert und Kulturen wie Mais haben einen sehr hohen Ertrag, wie auch Schweinekartoffeln oder Futterrüben. Der Kalorienverlust in der Fleischproduktion, der bei 1:3 bis 1:10 liegt, relativiert sich damit auch wieder teilweise.

    Solange es irgendwie geht, würde ich persönlich wirklich sehr gerne weiter tierische Produkte essen, wobei ich auch zunehmend versuche, die Menge immer weiter zu reduzieren. Ich vermute mal, tierische Produkte werden sowieso recht teuer, wenn die Menschen in Asien und Afrika sich zunehmend auch Fleisch leisten können.

    Die höheren Preise führen aber auch dazu, dass viel weniger weggeworfen wird, und dass auch die Bauern in heute armen Ländern mit moderneren Methoden und Maschinen ein Mehrfaches auf ihrem Land anbauen können. Hier sehe ich durchaus das Potential, dass sich die Weltproduktion noch verdoppeln kann.

    Insgesamt halte ich die Landknappheit für genauso dringlich wie die Klimakrise. Die Energiewende kann hinreichend vorwärts kommen, wenn wir die entsprechenden Technologien flächendeckend einsetzen. Das Methan aus der Landwirtschaft kann man immer noch abstellen, das anthropogene Methan in der Atmosphäre zerfällt dann in 10 bis 20 Jahren von selber, wenn keines mehr hinterher kommt. Das CO2 braucht dafür 1000 Jahre. Das Methanproblem ist also entsprechend reversibel, und deshalb auch weniger dringlich.

    Das Projekt Bioanbau finde ich auch sehr interessant. Neben einer Erhaltung und Verbesserung der Böden hat Bioanbau zusätzlich noch das Potential, dass Ackerflächen durch Humusproduktion zu einer Kohlenstoffsenke werden können. Und Nahrung aus dem Bioreaktor macht Ackerflächen für eine Aufforstung in großem Stil frei. Unterm Strich wird man damit dann auch die gesamte Nahrungsmittelproduktion auf nettonull Treibhausgase herunter bekommen. Ohne tierische Produkte zu verbieten.

    Alternativen wie Laborfleisch oder tierische Eiweiße aus dem Bioreaktor würde ich aber in jedem Fall mal testen. Wenn das schmeckt und nicht zu teuer ist, käme das für mich in Frage.

  6. Mit CO2-Neutralität und Laborfleisch zur Ressourcennutzung im Schongang
    Kohle, Öl und Erdgas fördern und verbrennen oder Tiere auf grossen Weideflächen halten passt zu einer grossen, gast grenzenlosen Welt, die vom Menschen kaum beeinflusst/verändert wird. Doch in so einer Welt leben wir nicht mehr. Denn wir sind heute nicht mehr Millionen, sondern Milliarden und selbst in Ländern, in denen die Bevölkerung nicht mehr wächst, wächst immer noch der Appetit auf noch mehr: Mehr und schnellere Autos, mehr Langstrecken-Grossraumflugzeuge und Fleisch bitte auch für die bis anhin Zu­kurz­ge­kom­me­nen.

    Das können wir uns nicht mehr leisten, mindestens nicht mehr auf Kosten der Natur und ihrer Ressourcen.
    Heute gilt es vielmehr, unsere Bedürfnisse mit einem Minimum an Ressourcen zu befriedigen. Und tatsächlich ist das möglich, wenn etwa Windturbinen und Solarpanel, einmal gebaut, keine neuen Materialien mehr benötigen, da aus alt wieder neu wird oder wenn Fusionsenergie jedes Jahr aus ein paar Tonnen Seewasser ein so grosses Land wie Deutschland mit Strom versorgt.

    Auch Weideland so weit das Auge reicht, kann man sich sparen, wenn es für saftiges Rindfleisch gar keine Rinder mehr braucht, weil Rindfleisch nun in Form von clean meat frei von Antibiotika oder Umweltgiften ist und aus dem Labor kommt.

    Die nachhaltige Stadt der Zukunft
    Eine Stadt wie Paris mit seinen 2 Millionen Einwohnern, belegt heute zwar nur gerade 100 Quadratkilometer, also 10 Mal 10 Kilometer, aber sie kommt nicht ohne ein Hinterland aus, dessen Fläche mindestens 1000 Mal so gross ist. Von diesem „Hinterland“ stammt die Nahrung und auch das Fleisch, das in den Pariser Gourmet-Tempeln serviert wird, dort stehen auch die Kraftwerke, die Minen und Fabriken deren Produkte die Pariser so begehren. Bildlich gesprochen sorgt halb Frankreich und auch ein Teil der ganzen Welt dafür, dass es den Parisern an nichts fehlt.
    Doch Paris könnte auch zur sich selbstversorgenden Stadt werden, zur Stadt, die alles von Strom bis zum Fleisch selbst herstellt. Tout-Paris (Schriftsteller, Politiker, Banker und prominente Künstler, die in Paris leben wie Gott in Frankreich) könnte also allein von den Ressourcen leben, die es in Paris gibt. Der Strom für Paris etwa würde aus einem vielleicht nahe des Bois de Vincennes gelegenen Fusionskraftwerks stammen, das seinen Treibstoff (Deuterium und Lithium) aus dem Regenwasser oder der Seine bezieht oder selber erzeugt (beim Lithium). Und das Rindfleisch, die Scampi, das Sashimi, das Perhuhn, das alles käme aus einer mitten in Paris gelegenen, von Touristen gerne besuchten Fabrik, in der all das leckere Fleisch in höchster Qualität und so clean wie überhaupt möglich, hergestellt wird. Und der Strom für die Fleischfabrik käme aus dem Fusionskraftwerk nahe des Bois de Vincennes.

    Klar, eine sich mit Strom aus Fusionskraftwerken und Fleisch aus dem Labor selbst versorgende Stadt könnte überall stehen. Auch auf dem Mars oder Mond. Eine solche Stadt bräuchte kein Einfallstrassen, keine Routen , die es wie Paris mit Saint Tropez und der übrigen Welt verbinden. Denn eine solche Stadt wäre selbstgenügsam.

  7. Es ist alles eine Frage des Bewusstseins. Hat der Mensch -bei steigender Weltbevölkerung ein “Menschenrecht” auf täglichem Fleischverzehr bzw. auf
    die Zeugung von 10 Kindern pro Familie ? Wenn eine gewisse Einsicht vorhanden sein sollte, muss er erkennen dass man aus leergefischten und mit Müll versauten Weltmeeren der Masse keinen gesunden Fisch mehr anbieten und dann wegen fehlendem verseuchten Futter weniger Fleisch produziert. Der konsumverwöhnte Mensch kann jetzt seinen grenzenlosen Egoismus raushängen, protestieren und fordern, oder aber sich als Hungerkünstler betätigen, falls er diese Form der Ernährung ablehnt. Wer die Erde zur Müllkippe macht, wird in Zukunft auf Müllkippen Nahrung produzieren….

    • “Hat der Mensch -bei steigender Weltbevölkerung ein “Menschenrecht” auf täglichem Fleischverzehr bzw. auf
      die Zeugung von 10 Kindern pro Familie ?”

      Hat ein Löwe ein Anrecht darauf nur Fleisch zu essen? Sollte eine Treiberameisenkönigin wirklich 50 Mio Eier im Jahr legen dürfen?

  8. Tobias Jeckenburger
    08.12.2022, 01:01 Uhr

    Ich vermute mal, dass dieses Laborfleisch auch mit pflanzlichen Rohstoffen gefüttert wird, und womöglich geht bei der Umsetzung auch Energie verloren. Genau wie bei echtem Fleisch. Dann könnte man nur Methanemissionen einsparen, aber kein Ackerland.

    Ich fürchte, das ist nicht ganz zu Ende gedacht. Wieviel Ackerland geht denn verloren, allein für so nutzloses Zeug wie Haut,Knochen,Zähne…

    Und wieviel Energie geht verloren, nur für die Lebenserhaltung der Tiere? Wieviel Futter muss verschwendet werden, ohne dass zusätzlich wesentlich mehr Fleisch produziert wird?

    Und was ist mit den Antibiotika und Wachstumshormonen?

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