Alternative Welten – was wäre, wenn …?
BLOG: Babylonische Türme
In den nächsten Monaten erreicht die Welt eine Reihe von Wegscheiden. Was passiert, wenn Donald Trump tatsächlich Präsident der USA wird? Oder wenn die Briten beschließen, die EU zu verlassen? Oder wenn die AfD bei den Bundestagswahlen die Regierungsbildung blockieren kann? Heerscharen von Experten sagen uns, was dann geschehen wird, und keine zwei von ihnen sind sich einig. Aber können wir überhaupt wissen, was uns bevorstehen wird?
Computer simulieren heute fast alles. In Computerspielen sehen wir eine dystopische Zukunft, in ökonomischen Planspielen entwerfen Firmen und Regierungen Szenarien, die sich aus bestimmten Entscheidungen ergeben. Aber stimmt das überhaupt? Computer gehen von den festgelegten Voraussetzungen aus und entwickeln sie so weiter, wie ihre Programmierer es vorgeben. Im Jahr 1972 fand eine Gruppe von Wissenschaftlern unter der Führung von Donella und Dennis Meadows heraus, dass unsere Zivilisation zum Untergang verdammt ist, jedenfalls dann, wenn ihre Computersimulation richtig ist. Das Buch darüber wurde unter dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“ ein internationaler Bestseller. Die damaligen Großcomputer leisteten allerdings weniger als mein aktuelles Smartphone und die Software entsprach in keiner Weise den heutigen Anforderungen. Letztlich, so lautete die Kritik, bestätigte der Computer nur die Vorurteile der Programmierer, weil sie durch die Auswahl der Daten und die Art der Verarbeitung für das gewünschte Ergebnis gesorgt hätten. Das bestreiten sie allerdings vehement. Andererseits: Wer will das überprüfen?
Inzwischen sind die Computer gemäß dem Moore’schen Gesetz mehr als vier Millionen mal so leistungsfähig wie damals, aber eine sichere Simulation der Auswirkungen einer so einschneidenden Entscheidung, wie der Brexit sie darstellt, hat noch niemand programmiert. Es existiert nicht einmal eine theoretische Lösung des Problems.
Science-Fiction-Autoren haben schon früh spekuliert, ob man eine Welt realistisch im Computer abbilden kann. In seinem Roman „Der Elfenbeinturm“ entwarf der Österreicher Herbert W. Franke eine vom Universalcomputer Omnivac perfekt durchgeplante Zivilisation. Eine kleine Rebellengruppe will den auf den Mond ausgelagerten elektronischen Herrscher zerstören, um den Menschen ihre Freiheit zurückzugeben. Das denkt jedenfalls der ausgewählte Attentäter, bis ihm klar wird, dass auch die Anführer der Rebellen zwar die Regierung stürzen wollen, aber auf Omnivac keinesfalls verzichten wollen …
Es gibt auch ungezählte Spekulationen über einen anderen Geschichtsverlauf. Was wäre geschehen, wenn Hitler den Zweiten Weltkrieg gewonnen hätte und die USA besetzt hätte? Die Fernsehserie „The Man in the High Castle“ (bei Amazon, nach dem Roman von Philip K. Dick) nimmt diese Idee auf, und spekuliert über ein mögliches Zusammentreffen verschiedener Zeitlinien. Könnte man tatsächlich von einer Zeitlinie in eine andere wechseln, so wie man in ein anderes Land auswandert? Nach allen bekannten physikalischen Gesetzen eher nicht – wenn es überhaupt alternative Zeitlinien gibt. Ein Wechsel könnte natürlich eine fatale Fehlentscheidung sein, auch wenn der erste Anschein ein Paradies verspricht. Manche Zeitlinien enden garantiert fatal – vielleicht mit einem weltweiten Atomkrieg oder einer Serie von Missernten, Hungersnöten und einem Zusammenbruch unserer Zivilisation. Andererseits würde man schon gerne wissen, ob wir in der besten aller möglichen Welten leben (Voltaire hatte für diese Idee nur Spott übrig) oder in einer zufällig ausgewählten. Der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz meinte, dass Gott als vollkommenes Wesen natürlich die optimale Welt erschaffen habe, was sonst? Sein Kollege Voltaire hatte für diese Ansicht nur Spott übrig. In seiner weltberühmten Satire „Candide“ schickt er den gleichnamigen Helden auf eine lange Reise voller Grausamkeiten und lässt einen Philosophen auftreten, der unbeirrbar lehrt, diese Welt sei die beste. Ganz ohne Zweifel, unsere Welt könnte anders sein, menschlicher vielleicht, freundlicher, lebenswerter, wenn nur, ja wenn …
Selbst für gestandene Historiker ist die Versuchung groß, sich auszudenken, was geschehen wäre, wenn Caesar das Attentat im Senat überlebt hätte, oder England dem Ersten Weltkrieg ferngeblieben wäre. Man nennt das kontrafaktische Geschichte. Kontrafaktisch deshalb, weil es eben anders gekommen ist. Wissenschaftliche Erkenntnisse lassen sich damit kaum gewinnen, denn wer weiß schon wirklich, was geschehen wäre, wenn Pilatus den des Aufruhrs beschuldigten Jesus von Nazareth freigesprochen hätte, weil er keine Schuld an ihm fand? Unterhaltsam sind solche Spekulationen allemal, deshalb lassen sich gut geschriebene Alternativweltromane immer verkaufen.
Gibt es eventuell eine Gruppe von Zeitreisenden, die darüber wacht, dass solche Dinge nicht geschehen, und ihre Zeitlinie erhalten bleibt? Isaac Asimov erfand für sein Buch „The End of Eternity“ eine Organisation, die mit möglichst minimalen Eingriffen dafür sorgt, dass die Welt sich auf eine ganz bestimmte Weise und nicht anders entwickelt. Das geht solange gut, bis jemand die Axt an die Wurzel der Organisation legt, und das aus einem sehr plausiblen Grund …
Aber bewirken solche Entscheidungen wie die Wahl oder Nichtwahl von Donald Trump überhaupt irgendetwas? Wäre Kennedy vielleicht vom nächsten Attentäter erschossen worden, wenn jemand Lee Harvey Oswald rechtzeitig sein Gewehr entwunden hätte? Oder hätte Hitler sein Ermächtigungsgesetz auf andere Weise durchgesetzt, falls die Zentrumspartei ihre Stimmen verweigert hätte?
Ist der Zeitfluss vielleicht zu träge, um sich durch einzelne Ereignisse umlenken zu lassen? Sie würden dann nur eine kleine Turbulenz schaffen, eine sich schnell ausbreitende und abschwächende Gruppe von konzentrischen Wellenkreisen. Müssen wir uns also eventuell keine Sorgen machen?
Nun, genau das wissen wir nicht. Wir stehen im dichten Nebel an größeren und kleineren Wegscheiden, und wir müssen uns entscheiden, ob wir den rechten oder linken, den geraden oder den krummen, den einfach erscheinenden oder steilen Weg nehmen wollen. Vielleicht führen sie alle wieder zu zusammen, vielleicht aber auch nicht.
Der dreifüßige Stuhl der Pythia in Delphi steht seit dem 5. Jahrhundert leer, und die Sybillinischen Bücher der römische Antike, in denen die Decemviri in der Not Rat suchten, sind lange verschollen.
Letztlich müssen wir uns wohl auf unseren Verstand verlassen, wenn wir mit dem Wahlzettel an wichtigen Entscheidungen teilhaben, oder uns überlegen, ob wir uns angesichts der politischen Entwicklung auf härtere Tage vorbereiten müssen.
Was wäre Deutschland ohne Adolf Hilter geworden? Ein ganz anderes Land glauben viele weltweit oder wie man im entsprecheden Welt-Artikel liest:
Personen können also doch eine Unterschied ausmachen – oder es scheint mindestens so. Und es gibt auch immer wieder Personen, die die Bedeutung von politischen Entscheidungen oder die Bedeutung der Wahl einer bestimmten Person richtig erkennen. Computern allerdings würde ich diese Erkennntisfähigkeit heute nicht zutrauen, denn heute fehlt ihnen noch die Grundlage und der richtige Blick auf die Daten um den Menschen in vielen wichtigen Aspekten überhaupt verstehen zu können.
Kann es jemals so etwas wie Asimovs Psychohistory geben, einer Wissenschaft, die die Entwicklung einer ganzen Zivilsation der der Welt voraussehen kann. Heute jedenfalls nicht und gerade heute nicht, denn vieles hängt auch von Entwicklungen in Technologie und Wissenschaft ab, die nicht voraussehbar sind und die doch alles ändern können. Eine Erfindung wie die Dampfmaschine hat eine neue Epoche überhaupt erst ermöglicht und die heutige Zeit wäre ohne Erfindung und Weiterentwicklung des Computers eine ganz andere.
Im Zusammenhang mit der Zunahme der technischen Potenz des Menschen stellt sich auch die Frage nach den existenziellen Risiken für die Menschheit neu. Während bis vor kurzem allein ein Atomkrieg ein existenzielles Risiko für die ganze Menschheit darstellte, haben sich im Bewusstsein gewisser Leute bereits neue Risiken wie die einer Knechtschaft der Menscheit durch eine vom Menschen entwickelte künstliche Intelligenz herausgebildet. Ich bin allerdings der Ansicht, dass die grössten Risiken vom Menschen selber ausgehen, vor allem von bestimmten Individuen oder von kleinen Gruppen. Wenn es später einmal selbst einem einzelnen Experten oder einer kleinen Gruppen von Fanatikern möglich wird, die Menscheit existenziell zu gefährden – beispielsweise durch Freisetzung eines tödlichen Virus -, dann wird es zwangsläufig zu solchen Katastrophen kommen, denn es gibt immer wieder Einzelne oder Gruppen, die vor nichts zurückschrecken.
Wir Deutschen wären in aller Welt dank der Zusammenarbeit unserer Wissenschaftler Albert Einstein und Werner Heisenberg als Erfinder der Atombombe beliebt, wegen unserer jüdischen Humoristen, Filmregisseure und Populärmusiker gefürchtet.
Ich fürchte, den Witz verstehe ich nicht …
Man kann sich die Frage ja mal umgekehrt stellen: Angenommen, Hitler wäre 1923 beim Marsch auf die Feldherrenhalle erschossen worden. Welcher Historiker in der alternativen Welt würde es, mit dem Abstand von nahezu 100 Jahren, für möglich halten, dass ausgerechnet dieser Clown das fertiggebracht hat, was wir als Geschichte kennen?
Der Hindsight-Bias (Rückschaufehler) führt doch dazu, dass wir das tatsächlich eingetretene Ereignis für das wahrscheinlichste halten. Ich fürchte, die kontrafaktische Geschichtsbetrachtung gefällt sich darin, das Zweit- oder Drittwahrscheinlichste zu nennen.
@Gerald Fix: Sie glauben also auch, dass Deutschland ohne Hitler heute eine Weltmacht wäre. Zitat aus Welt-Artikel:“Wir wären zwar eine Weltmacht, aber sonst ein ziemlich normales Volk.” Deutschland ohne Hitler wäre für die Welt also was heute die USA ist, nur noch etwas besser, weil normaler, weil mit nativen und nicht nur zugewanderten Genies der Wissenschaft und Kunst ausgestattet?
Weil sie heute, Gerald Fix, kein Bürger einer Weltmacht sind, verstehen sie auch den Witz nicht: “Wir Deutschen wären .. Als Erfinder der Atombombe beliebt und wegen der Kultur gefürchtet” Der Witz beruht auf einer Verdrehung, die aber bei einer Welmacht trotzdem wahr sein kann: Die Atomwaffen, die die (guten) Deutschen ohne Hitler entwickelt hätten, wären ein absolutes Machtmittel gewesen mit dem die Weltmacht-ohne-Hitler (Deutschland eben) den immerwährenden Weltfrieden – unter Deutschland und im Interesse von Deutschland – hätte bewahren und durchsetzen können – Deutschland als präpotenter Friedensbewahrer also.
Dabei ist das was herausgekommen ist – Nazi-Deutschland als Verlierer für sehr lange Zeit – doch ein sehr unwahrscheinliches Ereignis. Nicht wahr, Gerald Fix.
Sie glauben also auch, dass Deutschland ohne Hitler heute eine Weltmacht wäre.
Nein, da ich keine Informationen darüber habe, was sonst passiert wäre. Die politischen Verhältnisse in der zweiten Hälfte der Weimarer Republik sind ja nicht so klar, dass man einfach eine Figur herausnehmen und das Spiel dann weiterspielen könnte.
Dabei ist das was herausgekommen ist – Nazi-Deutschland als Verlierer für sehr lange Zeit – doch ein sehr unwahrscheinliches Ereignis.
Es gibt Bibliotheken voll von Büchern, deren Autor behaupten, das hätte man alles kommen sehen müssen.
Wie soll man sich entscheiden? Hat die eigene Entscheidung, so man keine Machtposition besitzt, überhaupt einen Einfluss? Einige der angesprochenen Szenarien, Weltanschauungen und Utopien sind spekulativ, sie erfordern daher keine Entscheidung, wie beipielsweise die Frage, was wäre, wenn Hitler den Zweiten Weltkrieg gewonnen hätte.
Vor dem Problem, von dem Karl Kraus befand:In zweifelhaften Fällen entscheide man sich für das Richtige stellt sich eben die Frage:Was ist das Richtige? Wir haben die Fähigkeit, zu antizipieren, aber nicht die Gabe der Mantik.
“Computer simulieren heute fast alles.”
Könnten also Computer die Lösung des Problems sein und als Entscheidungshilfen dienen?
Der Psychologe Dietrich Dörner simulierte Anfang der 80er Jahre Computerszenarien, bei denen die Teilnehmer als Entwicklungshelfer oder Bürgermeister mit nahezu unbeschränkter Vollmacht die Geschicke von Menschen lenken durften. Einzige Auflage: sie sollten deren Lebenssituation verbessern. Im Szenario “Tanaland” versagten auf lange Sicht praktisch alle Teilnehmer, im Szenario “Lohhausen” die meisten.
Nicht der Computer traf die Entscheidungen, er errechnete nur deren Folgen. Und m.W. können Computer derzeit auch nicht mehr, als aus den Fakten die statistische Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen eines Szenarios zu berechnen, was voraussetzt, dass auch alle relevanten Fakten programmiert wurden.
“Der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz meinte, dass Gott als vollkommenes Wesen natürlich die optimale Welt erschaffen habe, was sonst? Sein Kollege Voltaire hatte für diese Ansicht nur Spott übrig. In seiner weltberühmten Satire „Candide“ schickt er den gleichnamigen Helden auf eine lange Reise voller Grausamkeiten und lässt einen Philosophen auftreten, der unbeirrbar lehrt, diese Welt sei die beste. Ganz ohne Zweifel, unsere Welt könnte anders sein, menschlicher vielleicht, freundlicher, lebenswerter, wenn nur, ja wenn …”
Voltaires ist eine sehr anthropozentrische Sicht, was unter dem Gesichtspunkt der Aufklärung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, verständlich ist. Nur sind wir halt nicht das Maß aller Dinge, und aus einer Sicht, in der der Mensch nur Teil der Natur ist, ist sie die beste aller möglichen Welten. ‘Das Widerstreitende zusammentretend und aus dem Sichabsondernden die schönste Harmonie’ (Heraklit, nach Aristoteles: Nikomachische Ethik).
“Letztlich müssen wir uns wohl auf unseren Verstand verlassen, wenn wir mit dem Wahlzettel an wichtigen Entscheidungen teilhaben, oder uns überlegen, ob uns angesichts der politischen Entwicklung auf härtere Tage vorbereiten müssen.”
Wir sollten uns auf unseren Verstand verlassen, nur entscheidet häufig nicht der.
Trice:
“Voltaires ist eine sehr anthropozentrische Sicht, was unter dem Gesichtspunkt der Aufklärung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, verständlich ist. Nur sind wir halt nicht das Maß aller Dinge, und aus einer Sicht, in der der Mensch nur Teil der Natur ist, ist sie die beste aller möglichen Welten.”
In Leibniz Weltanschauung war der Mensch bestimmt nicht nur “Teil der Natur”. Welches Maß sollen wir denn anlegen, wenn nicht unseres? Gibt es ein anderes, was sich begründen lässt?
In Leibniz’ Weltanschauung, war der Mensch natürlich nicht nur Teil der Natur, er starb ja fast hundert Jahre bevor Darwin geboren wurde.
Vor der Frage, welches Maß, wenn nicht unseres wir anlegen sollten, steht doch die Frage, welches unser Maß ist. Und die ist relativ einfach zu beantworten: Alles hat zu unserem Nutzen zu sein. Selbst eine bessere Welt ist nur dann eine bessere Welt, wenn sie dem Menschen nutzt.
Oder wie sehen Sie das?
Den Artikel und die Kommentare finde ich sehr interessant. Wenn ich einen Schritt weiter denke, dann drängt sich mir die Frage auf, ob wir Menschen überhaupt einen freien Willen haben. Intuitiv möchte man das mit ja beantworten, nicht nur, weil es sich richtig anfühlt, sondern weil die mögliche Erkenntnis, dass Menschen vielleicht garkeinen freien Willen haben, viele haarsträubende bzw. ungewohnte Konsequenzen für die Gesellschaft hätte.
Interessant finde ich dazu folgendes zweiteiliges Gedankenexperiment: 1. Untersuche stichprobenartig verschiedene Spezies vom Mensch über Primaten, Mäusen, Ameisen, Würmern, Bakterien bis hinab zur Alge bzw. Virus. Frage: Welche Spezies haben einen freien Willen, und welche nicht? Behalte bei Deinen Experimenten im Hinterkopf, dass freier Wille definitionsgemäß es etwas ist, was entweder vorhanden ist, oder nicht. Abstufungen sind nicht möglich, denn was für einen Sinn würde ein “halber freier Wille” ergeben?
Meines Erachtens gelingt es ohne weiteres, beispielsweise Viren einen freien Willen abzusprechen. Diese haben nämlich weder Nervensystem, noch Fortbewegungsmöglichkeiten. Aber auch Spezies mit Nervensystem kommen teils ganz schön “ferngesteuert” daher. In Experimenten ließe sich vielleicht beweisen, dass sogar Spezies mit Nervensystem nicht notwendigerweise einen freien Willen haben. Bei der intensiven Beobachtung so manchen Krabbeltiers möchte man das intuitiv annehmen.
Gelänge der zweifelsfreie Nachweis, dass es Spezies mit Nervensystem, aber ohne freien Willen gibt, so würde das zum Teil zwei des Gedankenexperiments führen: Ab welchem Komplexitätsgrad kann eine Spezies überhaupt einen freien Willen haben? Ameise nein, Maus ja? Regenwurm nein, Stubenfliege ja? Affe sicherlich schon, Salatkopf sicherlich nicht? Könnte man eine Art “Willensdrüse” entdecken? Kann ein Individuum ab 10000 Nervenzellen einen freien Willen haben, eins unter 10000 aber nicht? Könnte man also die komplette belebte Welt in nur zwei Kategorien einteilen? Je nachdem, wie unlogisch man diese Fragen findet, drängt sich einem mehr oder weniger auf, dass so eine harte Grenze nicht existieren kann, weder zwischen Mensch und Affe, noch zwischen Pferd und Hamster, noch zwischen Fasserfloh und Zikavirus.
In logischer Konsequenz würde das bedeuten, dass der freie Wille nur eine Illusion ist, auch wenn der Glaube daran sich eben “richtig” anfühlt.
Die weitere Konsequenz daraus wäre, dass Geschichte streng kausal entsteht, und somit Hitler an die Macht kommen musste, weil es ohne freien Willen keinerlei Einflussfaktor geben konnte, der das verhindert hätte. Ein Trost bleibt freilich schon: aus ebenso kausalen Gründen würde er auch wieder verschwunden sein, ohne noch mehr Zerstörung anrichten zu können…
Hitler häte auch durch eine Kombination von Zufällen an die Macht kommen können anstatt durch einen determinierten kausalen Prozess, der den freien Willen ausschliesst. Auch Zufälle benötigen keinen freien Willen.
Hier wird überwiegend nur von Hitler geredet. Hätte es Hitler und somit keine Machtergreifung durch dir NSDAP gegeben, wäre vielleicht dir KPD an dir Macht gekommen und das Deutsche Reich wären kommunistisch geworden. Schließlich waren am Ende der Weimarer Republik die radikalen Parteien, die Feinde der Demokratie, die stärksten Kräfte im Reichstag.
Die alternativen Welten für das Post-Weimar Deutschland waren also durch Hitler und Stalin repräsentiert. Die Deutschen haben sich für Hitler entschieden, sie hätten aber ebenso gut “Stalin” (wer immer der deutsche Stalin geworden wäre) erhalten können.
Es gibt ja einige Republikaner, die jetzt etwas ähnliches sagen über die ihnen zur Verfügung stehenden Alternativen für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Lindsey Graham, kürzlich aus dem Rennen ums Weiße Haus ausgestiegen, brachte die Sorgen vieler Republikaner so auf den Punkt: Die Wahl zwischen Trump oder Cruz sei wie die Wahl zwischen Vergiften oder Erschießen.
Auch Panama ist eine alternative Welt: Oh, wie schön ist Panama
Die Aussage, um die es geht ist doch der einleitende Satz:
“In den nächsten Monaten erreicht die Welt eine Reihe von Wegscheiden.”
An solchen und anderen Wegscheiden standen Menschen jedoch immer. Die Frage ist also, was macht die genannten möglichen Szenarien – Trump als US-amerikanischer Präsident, AfD im Parlament des Bundestages – bedeutsamer, als die, vor denen Menschen früher gestanden sind?
Als nach dem Sturz des letzten Han-Kaisers China in drei Reiche zerfiel, interessierte das die übrige Welt überhaupt nicht. Und dass die Spanier in Mittel- und Südamerika die dortigen indianischen Reiche zerstörte und die Bevölkerung zwangschristianisierte, interessierte die Bevölkerung Chinas oder Japans nicht, nicht einmal die in weiten Teilen Europas.
Das änderte sich zwar mit der Kolonialisierung der Länder der heutigen Dritten Welt durch die Europäer, aber letztlich ist es doch wohl die Summe der Entscheidungen in der Vergangenheit, die die Weichen stellt für die Richtung, in die sich die Dinge entwickelten: Hitler wäre ohne den Ersten Weltkrieg und die Weimarer Republik nicht an die Macht gekommen; ohne eine Aufteilung Vietnams in Nord- und Süd-Vietnam, ohne Kalten Krieg zwischen USA und der Sowjetunion, und ohne die Furcht der USA , Süd-Vietnam und mit ihm auch andere Länder Indochinas könnten ebenfalls unter kommmunistische Herrschaft geraten,hätte es (vielleicht) keinen Vietnamkrieg gegeben …
Die Entscheidung, in welche Richtung sich unsere Gesellschaft entwickelt, ist doch längst gefallen. Es geht doch eher um die Geschwindigkeit, mit der die Dinge ihren Lauf nehmen, als um einen Richtungswechsel. Ob beispielsweise Trump / Cruz oder Clinton an die Regierung kommen, ob die AfD ins Parlament einzieht oder nicht, was ändert das in Bezug auf die Klimaveränderung? In Bezug auf die Migrationsströme? Auf die rasante Zunahme der Weltbevölkerung?
So oder so werden wir uns auf härtere Tage einstellen müssen, auch wenn die Zukunft hoffentlich nicht ganz so schwarz aussehen wird wie Boualem Sansal sie in “2084” beschreibt.
“Alternative Welten – was wäre, wenn …?”
Also ich bin überzeugt, daß es multiple Realitäten gibt – doch wenn Mensch (also ALLE!) in keiner die Vorsehung / die “göttliche” Sicherung / das Schicksal überwindet und …, also den Geist der “Gott” ist nicht in seiner ursprünglichen / schöpferischen Kraft “wie im Himmel all so auf Erden” befriedend / “gottgefällig” FUSIONIERT, dann werden wir in “Individualbewußtsein” / Stumpf-, Blöd-, Wahn- und SchwachSINN enden, anstatt in Möglichkeiten von geistig-heilendem Selbst- und Massenbewußtsein den FREIEN WILLEN und wirkliche Wahrhaftigkeit zu erfahren, selbst dann wenn wir in einem weiteren GEISTIGEN Evolutionssprung (Mutation) unseren geistigen Stillstand seit der “Vertreibung aus dem Paradies” …
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Ältere müssen sich womöglich nicht mehr ‘auf härtere Tage vorbereiten’; dem Schreiber dieser Zeilen geht insofern durch den Kopf, wie ältere (auch: bundesdeutsche) Politiker, zudem gerade auch: kinderlose, hier vglw. locker bleiben und bestimmte ungünstige Entwicklung gar befördern könnten.
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Die Sache mit dem „Club of Rome“, unter diesem Code wird hier bestimmte Prädiktion mit angeblichen Grenzen des wirtschaftlichen Wachstums zusammengefasst, war natürlich jämmerlich.
Dessen Einschätzung entsprach bestimmten seinerzeitigen Moden und blieb insofern kontrafaktisch längere Zeit im politischen Diskurs.
Egal, wie schlicht die Computermodelle waren, es gab eine Abnehmerschaft, der dbzgl. „wissenschaftliches“ Ergebnis konvenierte.
Apropos ‘kontrafaktisch’, kontrafaktische Geschichtsschreibung (das Fachwort) funktioniert natürlich nicht, hat jedenfalls keinen wissenschaftlichen Wert, nur einen anekdotischen.
(Anekdoten sind allerdings nicht generell wertlos, zeigen sie doch auf, was möglich ist.)
So etwas geht natürlich, auch diese Welt besteht ja aus Zustandsmengen, auf die Regelmengen angewendet werden, es findet eine Art Betrieb statt; ein Motor, der nicht Computer genannt werden muss, steht also auch hier bereit.
MFG
Dr. Webbaer
PS und Bonuskommentar hierzu:
Ja.
So etwas bewirkt etwas, nur mal so zum Vergleich: Was wäre gewesen, wenn Winston Churchill die “französische Linie” gefahren hätte und bestimmten Schmeicheleien des “Führers” gefolgt wäre?
Oder wenn Jimmy Carter, Erdnuss-Jimmy sozusagen, der Versuchung widerstanden hätte den Schah zu stürzen, vielen “Progressiven” seinerzeit explizit nicht folgend?
Oder wenn Barrack Obama nicht der Kairoer Rede folgend Umstürze im arabischen Raum evoziert hätte?
Actio und Reactio sozusagen funktioniert, kann nicht nur im Physikalischen festgestellt werden; und dem Fatalismus/Nihilismus gilt es vorzubeugen.
Womit so natürlich keine Lanze für die kontrafaktorische Geschichtsschreibung (der Webverweis ein wenig weiter oben ist ein wenig verunglückt und irgendwie hat sich dort auch ein anführendes Pluszeichen eingeschlichen) gebrochen werden soll.
MFG
Dr. Webbaer
@Dr. Webbaer
“Ältere müssen sich womöglich nicht mehr ‘auf härtere Tage vorbereiten’; dem Schreiber dieser Zeilen geht insofern durch den Kopf, wie ältere (auch: bundesdeutsche) Politiker, zudem gerade auch: kinderlose, hier vglw. locker bleiben und bestimmte ungünstige Entwicklung gar befördern könnten.”
Ich erlebe es derzeit umgekehrt: Während die 30-bis 40jährigen relativ locker bleiben, allenfalls den Kopf schütteln, aber der Meinung sind, man müsse der Zknft optimistisch entgegen sehen, sind es die Älteren 8und auch die kinderlosen), die sich die meisten Sorgen machen – auch wenn viele inzwischen resigniert haben. Bei den Kinderlosen ist es die Furcht vor dem Zusammenbruch des Sozialversicherungssystems, sowie unseres gesellschaftlichen Systems überhaupt. Bei denen, die Kinder und Enkelkinder haben, ist es die Sorge und Angst um deren Zukunft – und das Wissen darum, dass man selbst nichts mehr tun kann …
@ Trice :
Es müsste so sein, dass diejenigen, die an den Bildungsstätten wohlgeformt auf Optimismus und Multikulturalität [1] getrimmt werden, nach Verlassen derselben recht schnell realistisch werden.
Sofern es zur Familienbildung und zum Nahrungserwerb qua Arbeit kommt und dies nicht staatlicherseits erfolgt bzw. weitergeht. [2]
Dass bei der jetzigen Fertilitätsrate von ca. 1,4 wie sie seit ca. zwei Generationen besteht, auch per Immigration ergänzt oder auf- oder nachgefüllt werden darf, könnte klar sein.
Wobei es hier, wie viele finden, auf die Qualität ankommt.
Es muss hier nicht rumgemacht werden, Fernost-Asiaten oder unsere christlichen Freund aus bspw. Südamerika oder Afrika sind nicht das Problem; das Problem könnte in der avisierten Ankunft von Millionen Muslimen bestehen – wenn man ehrlich ist. [3]
MFG
Dr. Webbaer
[1]
‘Multikulturalität’ oder ‘Multikulturalismus’ oder kurz ‘Multi-Kulti’ scheinen ja auch eher ein Code für bestimmte Einwanderung zu sein.
[2]
“Geld aus der Steckdose” sozusagen, vom anonymen Steuerzahler, der zu blechen hat.
Und wenn nicht, wird auf ihm politisch-medial, es gibt hier ganz beachtenswerte Verbunde, wie einige finden, herum getreten: “Rechts”, “Rechtspopulist” und “Nazi” und so – jeweils nicht wirklich ernst gemeint.
[3]
Zum I, der nicht zu D gehört, wohl aber womöglich zu Doitschland, hat sich der Schreiber dieser Zeilen an anderer Stelle bereits verausgabt; wie der funktioniert und so…
@Dr. Webbaer:
“Es müsste so sein, dass diejenigen, die an den Bildungsstätten wohlgeformt auf Optimismus und Multikulturalität getrimmt werden, nach Verlassen derselben recht schnell realistisch werden.”
Das würde aber doch dem Zweck des Marsches durch die Institutionen – zu denen gerade auch die Bildungsstätten gehören – widersprechen, wenn man sich nicht auch die Realität in “Pippi-Langstrumpf”-Manier* zurecht machen würde: “Wir machen uns die Welt wide wide wie sie uns gefällt”.
“politisch-medial, es gibt hier ganz beachtenswerte Verbunde, wie einige finden, herum getreten: “Rechts”, “Rechtspopulist” und “Nazi” und so – jeweils nicht wirklich ernst gemeint.”
Nicht wirklich, nur rein prophylaktisch, denn schließlich wollen wir doch alle die wunderbar negative, destruktive, unkonventionelle Annabell, die unsere heile Welt kaputt machen soll – wir wissen es nur noch nicht.
Und was den I. betrifft, so schrieb ich ja oben schon, dass die Weichen längst gestellt seien. Da werden wir wohl einsehen müssen: ‘Wir’ schaffen das nicht (mehr). Aber in 2084 soll es ja friedlich sein …**
Viele Grüße,
Trice
* Zitiert nach Björn Palmer
** http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/sansals-islam-roman-2084-ist-es-friedlich-13844180.html
Zur Info: Die letzte Zeile bezieht sich auf …
Die gestundete Zeit ( Ingeborg Bachmann)
Es kommen härtere Tage….
wer es ganz lesen möchte….
http://gerthans.privat.t-online.de/49551/61232.html
Vielen Dank für den Link zum Gedicht, 🙂
Und ja, das trifft schon fast, was ich mit meiner Antwort ausdrücken wollte: das Versinken im Sand und das Wissen, dass die Zeit vorbei ist, in der man noch etwas tun konnte.
Wenn sie wenigstens die Schuhe enger schnüren …
@Dr. Webbaer
“Aber bewirken solche Entscheidungen wie die Wahl oder Nichtwahl von Donald Trump überhaupt irgendetwas?
Ja.
So etwas bewirkt etwas,…”
Es kommt aber doch darauf an, was bewirkt werden soll, bzw. was man realistischerweise erreichen kann. Auch wenn ich dem:
“und dem Fatalismus/Nihilismus gilt es vorzubeugen.”
uneingeschränkt zustimme, reicht es nicht aus, sich nur auf seinen Verstand zu verlassen, auf den sich dann doch wohl beide Seiten (mehr oder weniger) verlassen. Was die eigene Entscheidung betrifft, könnte man in Abwandlung eines Heinrich-Mann-Zitats sagen: “Was sind Entscheidungen, wenn nicht der sie trifft, der die Macht hat?”
Sicher, theoretisch geht in einer Demokratie wie der unseren alle Macht vom Volk aus, in der Praxis aber trifft es nicht zu, nicht einmal dann, wenn man akzeptiert, dass es um Mehrheiten geht. Und da ich ein Faible für Zitate habe, noch eines von Karl-Heinz Deschner: “Demokratie ist die Kunst, dem Volk im Namen des Volkes feierlich das Fell über die Ohren zu ziehen.”
Doch abgesehen von weitreichenden und irreversiblen Entscheidungen, die längst getroffen wurden und deren Konsequenzen nun auch diejenigen betreffen, die an diesen ursprünglichen Entscheidungen gar nicht beteiligt waren, sehe ich es als unabweisbare Aufgabe, den eigenen Teil dazu beizutragen, dass die Dinge weitergehen können, wie sie weitergehen soll(t)en, ohne sich Illusionen über die eigenen Möglichkeiten hinzugeben.
@ Trice :
Auch in der Praxis geht bundesdeutsch, wie auch in allen anderen Systemen, die den Ideen und Werten der Aufklärung folgend implementieren konnten, die Macht vom Volk (vs. Bevölkerung) aus.
Dieses Prinzip soll anscheinend von “Euro-Kraten” gebrochen werden, um einen europäischen Superstaat, ein “Vereinigte Staaten von Europa” zu erreichen. Dieses Ziel ist weit entfernt und es entspricht wohl auch nicht den nationalen Anforderungslagen, die EU und deren Personal sind zu schnell und zu wenig empathisch vorgegangen und haben sich auf Gesamteuropa bezogen einiges “verscherzt”.
Die jetzige Herrschaftsform (“Demokratie” wird sie verkürzend genannt) ist genau richtig und auch der Einzelne kann sich einbringen und stören bzw. weiterbringen.
MFG
Dr. Webbaer (der natürlich bestimmte Maßnahmen aus dem Hause Merkel / Maas, was bspw. das Herangehen an Privatfirmen (!) betrifft, damit sie bestimmte politische Meinung zens(ur)ieren, nicht gut finden kann – Mme Merkel ist sicherlich kein gutes demokratisches Vorbild, sie macht viele Fehler und sie kann zwar sprechen, aber nicht reden – und sie wird wohl auch nicht mehr besser werden)
@Dr.Webbaer
” “Vereinigte Staaten von Europa” zu erreichen. Dieses Ziel ist weit entfernt und es entspricht wohl auch nicht den nationalen Anforderungslagen, die EU und deren Personal sind zu schnell und zu wenig empathisch vorgegangen und haben sich auf Gesamteuropa bezogen einiges “verscherzt”.”
Was nichts daran ändert, dass mit Zähnen und Klauen daran festgehalten wird – zu unser aller Schaden. Dabei hatte es doch gut angefangen mit der EWG.
“Die jetzige Herrschaftsform (“Demokratie” wird sie verkürzend genannt) ist genau richtig und auch der Einzelne kann sich einbringen und stören bzw. weiterbringen.”
Womit wir von der besten aller Welten zur besten aller Staatsformen gekommen sind, ;-).
Und eben weil sie die beste ist, möchte ich sie erhalten wissen. Auch wenn ich meine Zweifel habe, ob wir noch in einer demokratischen Gesellschaft leben, wenn Verantwortungsethik mit nationalsozialistischem Gedankengut gleichgesetzt und jede Kritik am universalen Humanitarismus mit der Nazikeule beantwortet wird.
Die jetzige Staatsform hat auch dann nur wenig Chancen zu bestehen, wenn als Ziel ein Vereintes Europa mit Auflösung der nationalen Grenzen und einer EU-Kommission als Regierung angestrebt wird, oder wenn sich religiöser Fundamentalismus durchsetzt, was insofern nicht unrealistisch ist, als nicht zu erwarten ist, dass ihm von einer verweichlichten Gesellschaft ernsthafter Widerstand entgegengesetzt wird.
Das Problem ist m. E. nicht, dass Frau Merkel viele Fehler macht, sondern dass sie sie macht, weil sie kein staatsmännisches Geschick hat (staatsmännisch imsinne von Weitsicht und etwas leisten zu können, das über alltägliche Politik hinausgeht).
Viele Grüße,
Trice (die noch an der website basteln lässt).