Wolfgang Busch, Meister alter Optiken
BLOG: Astronomers do it at Night
Seit einigen Wochen habe ich ein neues Okular, und zwar ein ganz besonderes. Auf dem ITT in Kärnten konnte es in bester Manier zeigen, was in ihm steckt: Die nadelscharfen Sterne sprachen für sich. Es ist allerdings kein Ultraweitwinkel mit riesigem Gesichtsfeld, sondern ein orthoskopisches Okular im klassischen Design nach Ernst Abbe. Und es ist keines von der Stange, sondern Teil einer handgearbeiteten Kleinserie. Gefertigt wurde es von Wolfgang Busch, einem Optikkenner und -konstrukteur der ersten Ranges, den ich seit einigen Jahren als einen guten Freund bezeichnen darf und dem ich auch auf diesem Wege für das Geschenk noch einmal herzlich danken möchte.
Wie auch bei mir erwachte das Interesse für die Astronomie bei Wolfgang Busch in seiner Jugendzeit. Schon als Schüler machte er die Bekanntschaft der Wissenschaftler an der Hamburger Sternwarte, eine Karriere als Astrophysiker fest vor Augen. Es sollte dann aber anders kommen, und der im zweiten Weltkrieg als Flakhelfer eingesetzte Jugendliche ergriff später den Beruf des Lehrers. Statt Physik unterrichtete er Erdkunde – und seine zweite Leidenschaft, die Musik. Der Astronomie ist er dennoch treugeblieben und hat im Rahmen seiner schulischen Aktivitäten wiederum so manchen Schüler dafür begeistern können.
Fernrohre wie sie heute für kleines Geld als Massenware aus Fernost zu haben sind, kosteten damals Unsummen und waren daher für die meisten Privatpersonen unbezahlbar. Viele Amateurastronomen griffen daher zum Selbstbau, um sich ihren Traum vom Teleskop zu erfüllen. So wurde auch Wolfgang Busch zum Spiegelschleifer und erwarb sich die notwendigen Kenntnisse, um die selbst hergestellten Optiken auch auf ihre Abbildungsqualität hin zu prüfen.
Durch das Aufkommen der Dobson-Montierung und damit der Möglichkeit auch große, individuelle Teleskope zu einem günstigen Preis für visuelle Beobachtung stabil zu montieren, hält die Renaissance des Selbstschliffs bis heute an. Das beschränkt sich jedoch fast ausschließlich auf Geräte in Newton-Bauweise, und kaum ein Schleifer wagt sich heutzutage – anders als noch vor 100 Jahren, wo dies die Königsdisziplin der Optikherstellung war – an ein Linsenteleskop.
Nicht so Wolfgang Busch. Sein Streben nach der bestmöglichen Optik und die intensive Beschäftigung mit den legendären Objektivkonstruktionen aus dem Hause Zeiss führte schließlich in den 70er Jahren zur Entwicklung des "Halbapochromaten-Bausatzes nach Wolfgang Busch", einem dreilinsigen, ölgefügten Objektiv mit vermindertem sekundärem Spektrum, dessen Komponenten vom zukünftigen Refraktorbesitzer selbst geschliffen und poliert werden sollten. Auch hier galt das Prinzip guter Optik zu bezahlbaren Preisen. Der letzte verfügbare Bausatz wurde im letzten Jahr verkauft.
Als Lehrer ist Wolfgang Busch schon seit vielen Jahren im wohlverdienten Ruhestand. Als Optikkenner dagegen ist er auch im hohen Alter umtriebiger denn je. Viele holen seinen Rat ein, wenn es um die Begutachtung der Qualität einer Optik geht und überlassen ihm Objektive zur Instandsetzung, Optimierung und Justage, so auch meine Wenigkeit. Bei dieser Gelegenheit durfte ich dem Meister schon das eine oder andere Mal bei der Arbeit über die Schulter schauen.
Ein Besuch bei Wolfgang Busch zuhause ist ein Erlebnis für sich, bei dem aus Schubladen im Wohnzimmerschrank plötzlich Okulare hervorgezaubert werden können oder oder die Bäume in Nachbars Garten zum Test der Abbildungsqualität herangezogen werden. Mit der Werkstatt im Keller betritt man eine andere Welt, eine wahre Fundgrube an mechanischen und optischen Bauteilen tut sich auf. Zumeist findet sich auf der optischen Bank ein Objektiv, das auf Herz und Nieren geprüft, vermessen und verbessert wird.
Sein umfangreiches Wissen über die einst bei Zeiss gebauten Optiken hat Wolfgang Busch zu einem gefragten Fachmann auf diesem Gebiet gemacht. Aber auch andere historische Objektive, zum Beispiel ein Fundstück aus den Werkstätten Joseph von Fraunhofers im Besitz der Hamburger Sternwarte, nimmt er gern unter die Lupe. Zur Zeit widmet er sich den Rätseln der Konstruktionen Bernhard Schmidts, die sich ebenfalls im Bergedorfer Fundus befinden, und recherchiert auf der Suche nach einem geheimnisvollen Ur-Apochromaten, der sich eventuell hier in Heidelberg versteckt. Ein guter Grund für ihn also, mich hier im Süden zu besuchen…
Klasse!
Ich konnte ja auch durch das Okular schauen, und war ebenso wie Carolin von der nadelfeinen Abbildung beeindruckt. Ein super Kugelsternhaufen-Okular! Noch beeindruckender ist allerdings das Lebenswerk von Wolfgang Busch, vor dem man nur grössten Respekt haben kann.
Ein Okular…
… ist ein Okular, ist ein Okular.
Ähem, um was für ein Okular geht es denn eigentlich? Hat das beschriebene Okular ein bestimmte Brennweite, ein bestimmtes Gesichtsfeld? Nadelfeine Sterne bildet auch mein 50-Euro-Plössl ab.
Fakten, Fakten, Fakten…
Ah, stimmt, da hab ich doch glatt was vergessen. Also:
– Brennweite 20 mm
– scheinbares Gesichtsfeld 35° (geschätzt, aber deutlich kleiner als meine alten LVs)
– Augenabstand 2 cm (geschätzt, da nur schwer meßbar)
– Feldblende 23 mm
– Augenlinse 22 mm
– Steckhülse 1 1/4″, Filtergewinde
– Höhe 61 mm
– Umfang 96 mm
– Gewicht 120 g (Briefwaage)
– Material Aluminium (schwarz eloxiert), Glas (unvergütet)
Übrigens: Der Artikel selber ist auch lesenswert 😉