Rent an Astronomer – Wissenschaftler in die Schulen!

BLOG: Astronomers do it at Night

…und auch tagsüber
Astronomers do it at Night

Seit inzwischen fünf Jahren gibt es an der Hamburger Sternwarte die Astronomiewerkstatt, die es Schulklassen und Kindergartengruppen ermöglicht, kostenfrei für einen halben Tag an die Hamburger Sternwarte zu kommen und unter fachkundiger Anleitung ein astronomisches Thema zu bearbeiten. Anläßlich der Woche der Schulastronomie haben wir den Spieß umgekehrt: Wissenschaftler des Instituts besuchen Schulen aus Hamburg und Umgebung und stellen sich den Fragen der Schüler.

Das letzte Quartal des Internationalen Jahrs der Astronomie steht in Deutschland unter dem Motto "Astronomie und Schule". Astronomie in der Schule, das ist mehr als daß Grundschüler die Namen der Planeten auswendig herunterbeten können oder daß Elftklässler die Keplerschen Gesetze aus dem Gravitationsgesetz ableiten. Zumindest sollte es mehr als das sein. In der Astronomie finden sich Naturwissenschaft – besonders Physik – und Technik zusammen mit Anwendungsmöglichkeiten von Mathematik und Informatik. Astronomie bietet zugleich Anknüpfungspunkte an Religion und Philosophie oder an Geschichte. Moderne Astronomie sollte in der Schule Themen behandeln die uns alle interessieren, zum Beispiel: Wie ist das Universum entstanden und wie ist es aufgebaut? Wie bilden sich Sterne und Planeten wie in unserem Sonnensystem? Sind wir Menschen mit unserer Erde einzigartig oder gibt es noch anderswo Leben in den Weiten des Alls?

Das wichtigste ist: Kinder interessieren sich ganz von allein für astronomische Themen! Der Blick an den Himmel mit Sonne, Mond und Sternen provoziert geradezu die klassischen W-Fragen. Was sind eigentlich Sterne? Warum leuchtet die Sonne? Wieso gibt es Mondphasen? Wie funktioniert eine Sonnenfinsternis? Und so weiter…  Wir Menschen wollen von klein auf verstehen wie die Welt um uns herum funktioniert.

Ein maßstabsgetreues Modell des Sonnensystems entsteht

Solches Interesse kann und muß gefördert werden. Doch wie bringt man Astronomie Kindern und Jugendlichen näher? Vor wenigen Tagen wurde ein offener Brief an Bund und Länder gerichtet, demnach Astronomie nicht nur einigen neuen Bundesländern sondern in ganz Deutschland ein reguläres Schulfach werden sollte. Demgegenüber stehen Forderungen, stattdessen doch lieber verstärkt astronomische Inhalte interdisziplinär in anderen Fächern unterzubringen. Völlig unabhängig davon gibt es aber schon heute viele Möglichkeiten außerhalb des regulären Unterrichts in Astronomie und Astrophysik hineinzuschnuppern. Nicht nur Volkssternwarten und Planetarien bieten sich für Klassenausflüge an, auch viele astronomische Forschungsinstitute haben inzwischen Angebote speziell für Schülergruppen, bei denen man den Wissenschaftlern ein wenig in die Karten schauen kann.

An der Hamburger Sternwarte bietet die Astronomiewerkstatt halbtägige Kurse für Kinder und Jugendliche aller Altersstufen zu verschiedenen astronomischen Themen an. Ursprünglich ab der 3. Klasse konzipiert, erkunden inzwischen auch schon Kindergartengruppen unser Sonnensystem oder die Welt der Raumfahrt. Ältere Schüler befassen sich dann zum Beispiel mit unserer Sonne oder mit Teleskopen, oder auch mit spezielleren Themen wie Spektroskopie oder Gravitation. Bestandteil eines jeden Kurses sind kurze Vorträge, aber auch praktische oder computerbasierte Aufgaben und das Kennenlernen der Sternwarte und der Fernrohre vor Ort. Neudeutsch wäre die Astronomiewerkstatt also ein außerschulischer Lernort und in gewissem Maße auch ein Schülerlabor.

Die Kurse werden im Allgemeinen von Wissenschaftlern des Instituts geleitet, häufig von Doktoranden und Diplomanden, die bei der Gelegenheit nicht nur Auskunft zu astronomischen und astrophysikalischen Themen aller Art sondern auch zum Berufsbild des Astronomen oder zum Physikstudium geben können. Obwohl der Besuch der Astronomiewerkstatt für die Schüler kostenlos ist – sie wird von der Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung gefördert – scheuen einige Lehrer noch immer die Fahrt zu uns, denn die meist lange Fahrstrecke und das Kursprogramm kosten einen vollen Unterrichtstag.

Wenn der Berg also nicht zum Propheten kommt… Deshalb haben wir uns entschlossen in diesem Monat selber während der regulären Unterrichtszeiten in die Schulen zu gehen – ohne unsere großen Teleskope oder das Kursprogramm im Gepäck, sondern hauptsächlich als Ansprechpartner für Fragen aller Art. Wie genau die zur Verfügung stehende Zeit gestaltet werden soll, können Schüler und Lehrer selbst entscheiden, möglich ist alles von einer allgemeinen Fragerunde bis hin zu kurzen Vorträgen zu astronomischen Themen. Wir tauften die Aktion auf den Namen "Rent an Astronomer" – trotzdem gibt es den Mietastronomen wie bei der Astronomiewerkstatt kostenfrei. Alle weiterführenden Schulen Hamburgs wurden angeschrieben, das Programm richtet sich vornehmlich an Schüler ab der Mittelstufe.


Und so machte ich mich heute nach der Mittagspause auf den Weg von Bergedorf in den Hamburger Stadtteil Marienthal. Um 14:30 erwarteten mich am dortigen Gymnasium Herr Kubitza und sein Leistungskurs Physik, 13. Jahrgang. Astronomische Themen hatten sie um Unterricht vorher nicht behandelt, und die Schüler sollten sich im Vorfeld der Doppelstunde Fragen überlegen, die sie stellen wollten. Im Physikraum erwartete mich modernste Technik: Mein mitgebrachtes Netbook konnte ich mal eben schnell an ein Smartboard anschließen und so auch Bilder und Grafiken zur Erläuterung zeigen. In dem Kurs befanden sich auch Schüler eines zweiten Gymnasiums. Solche Kooperationen sind an Hamburger Schulen üblich, damit bestimmte Leistungskurse mit der erforderlichen Mindestteilnehmerzahl überhaupt eingerichtet werden können. Daß es für einen solchen gemischten Kurs nochmal schwieriger wäre einen Besuch bei der Astronomiewerkstatt zu organisieren, ist sofort einsichtig. Umso dankbarer waren Schüler und Lehrer für das Angebot von Rent an Astronomer.

Um das Eis zu brechen begann ich mit ein paar einleitenden Worten über die Hamburger Sternwarte, was genau ich dort als Wissenschaftlerin eigentlich mache und mit welchen Themen ich mich bei meiner Arbeit beschäftige. Meine Rechnung ging auf, denn schon aus meiner anfänglichen Erzählung ergaben sich die ersten Fragen. Ich antwortete immer so ausführlich, daß sich sofort Anknüpfungspunkte für neue Fragen boten, und tatsächlich entwickelte sich daraus eine lebhafte Runde, bei der die unterschiedlichsten Themen aufkamen, vom Funktionsprinzip der Kernfusion in der Sonne bis hin zur Frauenquote in der Astronomie.

Die Zeit verging wie im Fluge, und als alle Fragen beantwortet waren, war Lehrer Kubitza ebenso begeistert wie ich. Nur sehr selten hatte ich bisher an der Astronomiewerkstatt eine derart interessierte Schülergruppe betreut, und das trotz Nachmittagsunterricht. Daher mein klares Plädoyer: Wissenschaftler, geht in die Schulen!

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Astronomin in vielerlei Hinsicht, so könnte man mich mit wenigen Worten beschreiben. Da ist zunächst einmal die Astrophysikerin, die an der Hamburger Sternwarte über die Aktivität von Sternen promoviert und dabei hauptsächlich mit den Röntgensatelliten Chandra und XMM-Newton gearbeitet hat, aber auch schon am Very Large Telescope in Chile beobachten durfte. Auslöser ihres beruflichen Werdegangs war ein engagierter Lehrer, dessen Astronomie-AG sie ab der 7. Klasse besuchte. Ungefähr zur selben Zeit erwachte auch die Hobbyastronomin, die anläßlich des Einschlags des Kometen Shoemaker-Levi 9 auf den Jupiter begann, mit einem russischen Feldstecher vom Flohmarkt den Tanz der Jupitermonde zu verfolgen. Heutzutage freut sie sich über jede Gelegenheit, mit ihrem 16-zölligen Dobson tief im Odenwald fernab der Lichter der Rheinebene auf die Jagd nach Deep-Sky-Objekten zu gehen. Und da Amateurastronomen gesellige Wesen sind, treffe ich mich gerne mit Gleichgesinnten, zum Beispiel zum gemeinsamen Beobachten. Auch nach meinem Umzug von der Großstadt Hamburg in das schöne Universitätsstädtchen Heidelberg halte ich engen Kontakt zu meinen Vereinskameraden von der Hamburger Gesellschaft für volkstümliche Astronomie und dem Astronomieverein meiner Jugend, dem Arbeitskreis Sternfreunde Lübeck. Seit einigen Jahren bin ich außerdem in dem Internetforum Astrotreff aktiv, wo ich Teil des Moderatorenteams bin. Um meine Faszination an der Astronomie an andere weitergeben zu können, besonders an Kinder und Jugendliche, habe ich mich seit Jahren in der Öffentlichkeitsarbeit engagiert, habe populärwissenschaftliche Vorträge gehalten und Schülergruppen betreut, die in Hamburg das Institut besucht haben. Diese Leidenschaft habe ich nun zu meinem Beruf gemacht. Hier in Heidelberg arbeite ich in einem kleinen aber feinen Team am Haus der Astronomie. Hiermit lade ich Sie ein, lieber Leser, an all diesen Facetten meines Astronomendaseins teilzuhaben. Mal witzig, mal spannend oder nachdenklich, manchmal auch persönlich oder mit Aha-Effekt. Carolin Liefke

1 Kommentar

  1. Weiter so und mehr davon!

    Liebe Carolin

    Super! Ich kann nur sagen: Euer Engagement ist eine ganz tolle Sache und ich wünsche mir, dass das Beispiel im wahrsten Sinne des Wortes Schule macht.
    Es ist richtig, dass die Lehrer einen Unterrichtstag “opfern” müssen, aber dafür bekommen sie umso viel mehr zurück, wie die Erfahrungen in der vergangenen IYA-Astronomie-Schulwoche belegen. Schon ein intensives Gespräch zwischen Astronomen und Schülern stösst eine Tür zu einer neuen, faszinierenden Welt auf, nämlich unserem Universum.

    Während meiner Zeit an der Landessternwarte Heidelberg kamen immer wieder Schülergruppen zu Besuch. Es gab einen Vortrag zu einem spannenden Thema mit Diskussion, eine Begehung des Planetenwegs (ein maßstabsgetreues Modell des Sonnensystems auf dem Gelände) und natürlich (wenn das Wetter mitmacht) eine Beobachtung mit Teleskopen.
    Leider profitieren in der Regel nur die Leute, die in unmittelbarer Umgebung zur Sternwarte bzw. zum Forschungsinstitut wohnen. Deshalb ist “Rent an Astronomer” eine wichtige Ergänzung.

    Ich wünsche mir, dass Wissenschaftler und Lehrer noch viel mehr aufeinander zugehen. Davon profitieren beide.

    Am anderen Ende von Deutschland ist unser Exzellenzcluster Universe in München auch sehr aktiv und entsendet Wissenschaften an umliegende Schulen – es ist jedesmal ein Ereignis, das Schüler und Lehrer begeistert. Ich kann die Lehrerinnen und Lehrer nur ermuntern auf astronomische Institutionen in ihrer Nähe zuzugehen – sie werden nicht enttäuscht werden.

    Wer einen geeigneten Wissenschaftler bzw. Experten für ein bestimmtes astronomisches Thema in seiner Nähe sucht, sei an unsere webbasierte Suchmaschine verwiesen, die geeignete Redner aus der Referentendatenbank anzeigt: Link Vortrags-Pool. Die Suchmaschine deckt ganz Deutschland ab, wächst ab weiterhin.

    Beste Grüße,
    Andreas

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