Plancks erster All-Sky Survey: Auf den Spuren der kosmischen Hintergrundstrahlung

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Fast ein Jahr ist es nun her, daß Andreas Müller in Einsteins Kosmos umfassend über die Planck-Mission berichtet hat. Damals war Planck nach erfolgreichem Start zwei Monate zuvor gerade im Begriff an die Arbeit zu gehen. Am 19. August 2009 hat der Satellit damit begonnen, die kosmische Hintergrundstrahlung zu vermessen. Heute nun hat die europäische Weltraumorganisation ESA die erste Karte des gesamten Himmels veröffentlicht, die Planck inzwischen aufgenommen hat.

Um eine Gesamtansicht des Himmels zu bekommen, muß Planck den Himmel einmal komplett abscannen. Das passiert mehr oder weniger automatisch, denn zusätzlich zu seiner Umlaufbahn um die Sonne im Lagrange-Punkt L2 (oder genauergesagt um den Lagrange-Punkt L2) dreht sich der Satellit auch noch um sich selber. Die beiden Mikrowellendetektoren an Bord, das Niederfrequenzinstrument LFI und das Hochfrequenzinstrument HFI, überstreichen daher kontinuierlich und sehr schnell einen schmalen Streifen am Himmel, bis sie nach knapp einer Minute wieder am Anfangspunkt ankommen. Das allerdings nur fast. Denn Plancks Drehachse ist auf die Sonne ausgerichtet, so daß der Scan-Kreis im Laufe der Zeit verschiebt. Andere Himmelsdurchmusterungen haben ganz ähnlich funktioniert, zum Beispiel Anfang der 90er Jahre der ROSAT All-Sky-Survey im Röntgenlicht. Nach einem halben Jahr Beobachtungsdauer ist der Himmel theoretisch vollständig abgedeckt.

Dementsprechend hat Planck schon zwei solcher Komplett-Scans hinter sich. Ganz vollständig war der erste Durchlauf allerdings nicht, so daß Planck erst jetzt sein erstes Bild ohne Lücken im Gesamthimmel zeigen kann. Die Aufnahme zeigt uns den Kosmos im Mikrowellenbereich in seiner ganzen Pracht: Deutlich wird das Band der Milchstraße sichtbar, wenn auch etwas ungewohnt im Vergleich zum Anblick im sichtbaren Licht. Hinzu kommen andere Galaxien wie der Andromedanebel oder die beiden Magellanschen Wolken sowie Radioquellen wie Centaurus A und 3C273, der Prototyp der Quasare. Aber auch Sternentstehungsgebiete wie der Orion-Komplex und unzählige OB-Assoziationen mit jungen, heißen Sternen tauchen auf, ebenso wie das genaue Gegenteil, denn auch Überbleibsel nach dem gewaltsamen Tod eines Sterns wie Cassiopeia A und der Vela-Supernovaüberrest werden sichtbar.

Der kosmische Mikrowellenhimmel nach einem Jahr Beobachtungszeit durch den Planck-Satelliten (beschriftete Version hier).Image Credit: ESA, HFI and LFI consortia

In Richtung der galaktischen Pole schimmert ein feines, orange-rotes Muster durch: Plancks eigentliches Zielobjekt, die kosmische Hintergrundstrahlung. Sie ist zwar kein Echo des Urknalls selbst sondern stammt aus einer Zeit etwa 400000 Jahre danach, ist aber das älteste Signal, das uns aus dem Kosmos erreicht. Die Hintergrundstrahlung entstand, als sich das Universum von den unvorstellbar hohen Temperaturen direkt nach der Entstehung des Universums auf ungefähr 3000K abgekühlt hatte. Zu dieser Zeit hatten sich im Kosmos bereits die ersten Ansätze von Strukturen entwickelt. Diese Keimzellen, aus denen viel später Galaxien und Galaxienhaufen wurden, haben der Hintergrundstrahlung ihren Stempel aufgedrückt. Wo sich die Materie zu dichteren Klumpen zusammengeballt hatte, war es heißer. Dort dauerte es länger, bis aus der kosmischen Ursuppe von geladenen Atomkernen – vornehmlich Protonen – und frei dazwischen herumschwirrenden Elektronen neutrale Atomkerne werden konnten: Wasserstoff, dazu Helium und eine verschwindend kleine Winzigkeit Lithium. Daß der Kosmos plötzlich elektrisch neutral wurde, hatte ganz entscheidende Auswirkungen auf die Strahlung, die zusammen mit den Teilchen das Universum füllte. Wo zuvor ein ständiges Hin und Her aus Zusammenstößen stattfand, so daß das Licht laufend neu ausgesendet wurde, war es plötzlich so gut wie unmöglich für das Licht, mit den Materieteilchen zu wechselwirken. Damit wurde der damalige  Strahlungszustand des Kosmos praktisch eingefroren und bis heute für uns konserviert. Etwas hat sich allerdings noch geändert, denn durch die Expansion des Universums wurde die kosmische Hintergrundstrahlung rotverschoben: Sie erscheint uns heute wie die Strahlung eines nur 2.7K warmen Schwarzen Körpers und ist damit das kälteste was das Universum zu bieten hat. Im sichtbaren Licht ist sie nicht mehr nachweisbar, dafür umso besser im Radio- und Mikrowellenbereich.

Das Geheimnis der kosmischen Hintergrundstrahlung liegt dem feinen Muster, das sich auf der Planck-Aufnahme bereits andeutet. Hier sehen wir die Fingerabdrücke der sich bildenden Strukturen, ihre Größe und Verteilung sagt eine Menge darüber aus, wie das Universum in seiner Frühzeit beschaffen war. Erstmals konnte man das Muster in den Daten des Cosmic Background Explorer COBE nachweisen, der 1989 gestartet wurde. Anfang der 90er Jahre zementierte diese Entdeckung endgültig das Urknallmodell. George Smoot und John Mather, die führenden Köpfe in den Instrumententeams des kleinen Satelliten, erhielten dafür im Jahr 2006 den Nobelpreis.

Störkomponenten in den COBE-Daten. Image Credit: Michael Hauser (STScI), the COBE/DIRBE Science Team, and NASA

Obwohl mein Interesse für die Astronomie erst Mitte der 90er Jahre erwachte, erinnere ich mich noch gut an die Begeisterung meines Lehrers, die damals in der Astronomie AG beim Anblick der rosa-blauen Tupfen auf den COBE-Bildern auf mich überschwappte. Schon damals bekam ich einen ersten Eindruck davon, wie schwer es ist, das Signal überhaupt erst aus dem Untergrund herauszuarbeiten. Die Schwankungen sind winzig gegen die Störsignale aus unserer unmittelbaren kosmischen Nachbarschaft. Zunächst muß man eine Dipolanisotropie herausrechnen, die dadurch entsteht, daß wir nicht stillstehen – auf der Erde, im Sonnensystem, innerhalb der Milchstraße und in der Lokalen Gruppe von Galaxien. Dann ist da noch das helle Leuchten unserer Milchstraße mit all ihrem Staub und den verschiedenen oben aufgelisteten Objekten. Erst wenn man auch noch die schwachen extragalaktischen Quellen aus dem Bild entfernt hat, bleibt ausschließlich die gesuchte Struktur zurück.

Daß die korrekte Bestimmung all dieser Effekte nicht ganz einfach ist, haben auch die Beobachtungen der Wilkinson Microwave Anisotropy Probe WMAP gezeigt, der Nachfolgemission COBEs, mit der man die Strukturen viel besser auflösen konnte. Mithilfe von WMAP ließ sich die Temperaturverteilung der Hintergrundstrahlung aufs genaueste kartieren und die Schwankungen vermessen. Dadurch ließ sich die Zusammensetzung des Universums aus "normaler" Materie und den beiden dominierenden, aber nach wie vor rätselhaften Ingredienzen Dunkle Materie und Dunkle Energie recht gut festnageln.

Die Mikrowellenhimmel nach sieben Jahren Beobachtungszeit durch WMAP. Image Credit: NASA / WMAP Science Team

Planck ist nun auf dem besten Weg, die Qualität der Daten von WMAP nochmal entscheidend zu verbessern. Fürs erste müssen wir uns aber noch mit dem nahezu unbearbeiteten Bild zufrieden geben, das noch Spuren der Milchstraße und anderer Störquellen enthält. An dem fertigen Datensatz müssen die Wissenschaftler noch ein Weilchen sorgfältig arbeiten.

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Astronomin in vielerlei Hinsicht, so könnte man mich mit wenigen Worten beschreiben. Da ist zunächst einmal die Astrophysikerin, die an der Hamburger Sternwarte über die Aktivität von Sternen promoviert und dabei hauptsächlich mit den Röntgensatelliten Chandra und XMM-Newton gearbeitet hat, aber auch schon am Very Large Telescope in Chile beobachten durfte. Auslöser ihres beruflichen Werdegangs war ein engagierter Lehrer, dessen Astronomie-AG sie ab der 7. Klasse besuchte. Ungefähr zur selben Zeit erwachte auch die Hobbyastronomin, die anläßlich des Einschlags des Kometen Shoemaker-Levi 9 auf den Jupiter begann, mit einem russischen Feldstecher vom Flohmarkt den Tanz der Jupitermonde zu verfolgen. Heutzutage freut sie sich über jede Gelegenheit, mit ihrem 16-zölligen Dobson tief im Odenwald fernab der Lichter der Rheinebene auf die Jagd nach Deep-Sky-Objekten zu gehen. Und da Amateurastronomen gesellige Wesen sind, treffe ich mich gerne mit Gleichgesinnten, zum Beispiel zum gemeinsamen Beobachten. Auch nach meinem Umzug von der Großstadt Hamburg in das schöne Universitätsstädtchen Heidelberg halte ich engen Kontakt zu meinen Vereinskameraden von der Hamburger Gesellschaft für volkstümliche Astronomie und dem Astronomieverein meiner Jugend, dem Arbeitskreis Sternfreunde Lübeck. Seit einigen Jahren bin ich außerdem in dem Internetforum Astrotreff aktiv, wo ich Teil des Moderatorenteams bin. Um meine Faszination an der Astronomie an andere weitergeben zu können, besonders an Kinder und Jugendliche, habe ich mich seit Jahren in der Öffentlichkeitsarbeit engagiert, habe populärwissenschaftliche Vorträge gehalten und Schülergruppen betreut, die in Hamburg das Institut besucht haben. Diese Leidenschaft habe ich nun zu meinem Beruf gemacht. Hier in Heidelberg arbeite ich in einem kleinen aber feinen Team am Haus der Astronomie. Hiermit lade ich Sie ein, lieber Leser, an all diesen Facetten meines Astronomendaseins teilzuhaben. Mal witzig, mal spannend oder nachdenklich, manchmal auch persönlich oder mit Aha-Effekt. Carolin Liefke

2 Kommentare

  1. Expedition zur Rekombination

    Sehr schönes Allsky-Bild, und ein ebenso schöner Blogbeitrag dazu!!
    Man darf wirklich mehr als gespannt sein was höhere Winkelauflösung, Sensitivität und Polarisation so alles an Überraschungen ermöglichen sobald die Daten fertig reduziert sind. Wobei für einige von uns die Vordergründe ja ebenso interessant sind 😉

    Grüsse aus dem schon wieder mehr als 2.7K warmen Büro hier,
    Dominik

  2. Pingback:Anonymous

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