Lang ist’s her: Supernova 1987A

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Astronomers do it at Night

Die Nacht vom 23. auf den 24. Februar des Jahres 1987 begann für die großen Sternwarten der Welt wie jede andere auch. Zwar hatte schon vor einigen Jahren die CCD-Technologie Einzug in die Forschungslandschaft gehalten, aber nach wie vor war die chemische Fotografie weit verbreitet. Dementsprechend bestückten viele Astronomen nach wie vor die Kameras ihrer Teleskope mit klassischen Fotoplatten und begannen mit ihren Aufnahmen. Einer von ihnen war der junge Kanadier Ian Shelton, den es an das Las Campanas-Observatorium in Chile verschlagen hatte. Seine Aufnahmen vom Tarantelnebel in der Großen Magellanschen Wolke, einer großen Sternentstehungsregion, entwickelte er noch in derselben Nacht. Sofort fiel ihm auf den Bildern ein heller Stern auf, der dort wo er war nicht hingehörte. Shelton ging nach draußen und sah den Lichtpunkt mit seinen knapp fünf Magnituden auch sofort mit bloßem Auge am Himmel. Gemeinsam mit Oscar Duhalde, einem weiteren Astronomen von Las Campanas, der den Stern ebenfalls gesehen, aber nicht weiter beachtet hatte, und dem neuseeländischen Amateur Albert Jones gilt er als Entdecker dessen, was bald darauf zum am besten untersuchtesten astronomischen Objekt aller Zeiten werden sollte.

Schon eine einfache Helligkeitsabschätzung ergab, daß es sich um eine Supernova handeln mußte. Alle normalen Sterne in der Großen Magellanschen Wolke sind mindestens sieben Größenklassen lichtschwächer, und auch der Helligkeitsausbruch einer Nova hätte wesentlich schwächer ausfallen müssen. Die Profis in Chile taten das was man in so einer Situation tut: Man benachrichtigt eine zentrale Stelle. Das war und ist das Central Bureau for Astronomical Telegrams (CBAT) der Internationalen Astronomischen Union (IAU), damals personifiziert durch den im November 2010 verstorbenen Brian Marsden. Auch der erfahrene Veränderlichenbeobachter Jones alarmierte Kollegen, die seine Meldung weiterleiteten.


Die Supernova 1987A am 8. März 1987 (links) und der Vorgängerstern Sanduleak -69° 202 (mit Pfeil markiert) auf einer Aufnahme vom 5. Februar 1984 (rechts), jeweils vom 3.9m-Anglo-Australian Telescope am australischen Siding Spring-Observatorium. Mit freundlicher Genehmigung von David Malin.

Das Internet steckte damals noch in den Kinderschuhen, und so verbreitete sich die Nachricht von der ersten Supernova in unserer unmittelbaren kosmischen Nachbarschaft seit gut 400 Jahren noch deutlich langsamer als heutzutage. Sternwarten weltweit konnten Rundschreiben über aktuelle Ereignisse abonnieren – und bekamen sie üblicherweise per Post, per Fax oder als Telegramm. Erst kurz vor dem Ereignis war es möglich geworden, die IAU-Zirkulare auch über einen “Computer-Service” abzurufen. Überall auf der Welt waren Astronomen daher schon am nächsten Tag in heller Aufregung. Auch Amateure wurden über Vereinigungen wie die American Association of Variable Star Observers dazu aufgerufen, sich an der sofort startenden Beobachtungskampagne zu beteiligen.

Die Supernova erhielt die Bezeichnung SN 1987A – weil sie die erste war, die im Jahr 1987 entdeckt worden war. Zum Vergleich: In diesem Jahr ist man am Jahrestag der Entdeckung bereits bei SN 2012aj angekommen, hat also das Alphabet in Großbuchstaben schon einmal komplett durch, und dann mit aa, ab, ac usw. weitergemacht. Himmelsdurchmusterungen wie der Catalina Sky Survey oder die Palomar Transient Factory leisten mittlerweile ganze Arbeit, aber auch Amateure werden immer wieder fündig bei der Suche nach Sternexplosionen in fernen Galaxien, wie im letzten Jahr zum Beispiel bei der Supernova 2011dh in der Whirlpoolgalaxie M51.

Bereits am nächsten Tag konnte Marsden vermelden, daß man auf älteren Aufnahmen der Himmelsregion den Vorgängerstern der Supernova identifiziert hatte – ein Novum in der Erforschung von Supernovae und nur deshalb möglich, weil die Große Magellansche Wolke als Begleitgalaxie der Milchstraße mit 50 kpc, also gut 160.000 Lichtjahren, nah genug ist um sie in Einzelsterne aufzulösen, die man photometrisch und spektroskopisch charakterisieren kann. Der Stern Sanduleak -69° 202 entpuppte sich allerdings überraschenderweise als blauer Überriese. Gerechnet hatte man basierend auf den damaligen Modellen der Sternentwicklung entweder mit einem roten Überriesen oder einem Wolf-Rayet-Stern als Vorläufer, und so vermutete man zunächst, daß man es in Wirklichkeit mit einem zufällig an fast derselben Stelle stehenden Stern, der von dem hellen B-Stern überstrahlt wurde oder aber mit einem Doppelsternsystem zu tun hatte. Nach dem Abklingen der Supernova stand dann aber endgültig fest, daß Sanduleak -69° 202 tatsächlich von der Bildfläche verschwunden war.


Die Supernova, eingebettet in ihre Umgebung in den Ausläufern des Tarantelnebels. Das Bild ist zusammengesetzt aus verschiedenen Hubble-Aufnahmen aus den Jahren 1994, 1996 und 1997. Bild: The Hubble Heritage Team (AURA/STScI/NASA)

Die ersten spektroskopischen Messungen ergaben, daß SN 1987A vom Typ II war, also starke Signaturen von Wasserstoff zeigte. Damit muß es sich um eine Kernkollaps-Supernova gehandelt haben, bei der ein einzelstehender, massereicher Stern sein Leben ausgehaucht hat. Doch wie sollte es anders sein: SN 1987A war alles andere als eine normale Supernova, die man als Prototypen für diese Klasse im Detail hätte untersuchen können. In ihrer Maximalhelligkeit blieb sie mit knapp drei Magnituden um zwei Größenklassen hinter der Erwartung zurück und im Vergleich zur Prognose verzögerte sich der Helligkeitsverlauf deutlich.

Zu Zeiten von SN 1987A standen Neutrinophysiker vor einem seit langen Jahren bekannten Problem, nämlich daß sie mit ihren Detektoren immer nur einen Teil der von der Theorie zur Energieerzeugung im Inneren der Sonne vorhergesagten Neutrinos auch wirklich nachweisen konnten. Dieses Rätsel konnte erst 2001 mit dem Nachweis der Neutrino-Oszillationen endgültig geklärt werden. Die Supernova sollte sich daher für die Neutrinoforscher als willkommene Ablenkung herausstellen: Man konnte gut zwei Dutzend dieser Teilchen nachweisen, die sich mit der Supernova in Verbindung bringen ließen. Der größte Teil davon ging dem japanischen Kamiokande II-Experiment in die Falle, und das vor dem Aufleuchten im sichtbaren Licht. Zwar fanden sich nachträglich am australischen Siding Spring-Observatorium noch Aufnahmen, die noch vor denen von Shelton entstanden waren und auf denen die Supernova bereits zu erkennen war, aber die Neutrinos hatten dennoch mehrere Stunden Vorsprung. Das hat jetzt allerdings nichts mit Überlichtgeschwindigkeit oder nicht Überlichtgeschwindigkeit zu tun, denn die kaum mit anderer Materie wechselwirkenden Neutrinos können den Ort, an dem sie entstanden sind, praktisch ungehindert verlassen. Der Lichtblitz der Supernovaexplosion dagegen nicht.

Der Kollaps des Kernbereiches eines massereichen Sterns wie Sanduleak -69° 202 versetzt die Materie im Sterninneren in einen extremen Zustand: Sie wird so stark komprimiert, daß die negativ geladenen Elektronen, die in einem neutralen Atom eine ausgedehnte Hülle bilden, sozusagen in die Kernteilchen gequetscht werden und dazu gezwungen werden, sich mit den positiv geladenen Protonen zu Neutronen zu vereinen. Die Neutronenansammlung hat auf viel kleinerem Raum Platz – es entsteht praktisch ein 10km großer Atomkern, ein Neutronenstern. Bei dem Kollaps werden nicht nur ungeheure Mengen an Energie frei, es entstehen auch Unmengen von Neutrinos, die den überwiegenden Teil der Energie gleich mitnehmen. Nur ein winziger Bruchteil bleibt übrig, um die äußeren Bereiche des Sterns explosionsartig nach außen zu treiben. Bevor sie allerdings an die Oberfläche gelangt ist und sichtbar wird, sind die Neutrinos schon lange weg.


SN 1987A und die drei Ringe, die den schwachen Supernovaüberrest umgeben. Mittlerweile leuchtet der innere Ring aufgeheizt duch Stoßwellen hell auf. Aufgenommen mit Hubbles Advanced Camera for Surveys im Dezember 2006. Bild: ESA/Hubble & NASA

Nachdem das Hubble Space Telescope im Dezember 1993 mit der COSTAR-Korrekturoptik und der neuen Wide Field and Planetary Camera 2 ausgestattet worden war, konnte man ab 1994 um das schwache Nachleuchten der Supernova drei ringförmige Strukturen abbilden. Mit der Supernova haben diese Ringe allerdings nur indirekt zu tun, sie sind lange vor dem Kollaps als Teil des Sternwinds von Sanduleak -69° 202 entstanden. Durch die intensive Strahlung der Supernovaexplosion wurden sie allerdings überhaupt erst zum Leuchten angeregt. Seit gut zehn Jahren kann man außerdem verfolgen, wie die sich mit mehr als 7000 km/s ausdehnende Hülle auf den innersten Ring trifft. Die dabei entstehende Stoßwelle erzeugt Röntgenstrahlung und läßt den Ring perlschnurartig aufleuchten. Leider ist die Große Magellansche Wolke aber wohl zu weit entfernt, um jemals einen ansehnlichen Supernovaüberrest wie den Krebsnebel sehen zu können.

Auch nach 25 Jahren hält SN 1987A die Wissenschaftler in Atem und gibt noch so manch Rätsel auf. Bis heute hat man beispielsweise keinen Neutronenstern nachweisen können. Es bestünde auch die Möglichkeit, daß sich sogar ein stellares Schwarzes Loch gebildet hat, die Entwicklung der Röntgenleuchtkraft deutet zumindest darauf hin. Mit Sicherheit wird das, was von Sanduleak -69° 202 noch übrig ist, auch noch für weitere 25 Jahre viele Astronomen beschäftigen – und wer weiß, vielleicht wird die Geduld der Astronomen ja auch bald belohnt, und das lange Warten auf eine Supernova in unserer Milchstraße hat ein Ende.


Lesestoff: Lawrence E. Marshall: The Supernova Story, Princeton University Press (1994)

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Astronomin in vielerlei Hinsicht, so könnte man mich mit wenigen Worten beschreiben. Da ist zunächst einmal die Astrophysikerin, die an der Hamburger Sternwarte über die Aktivität von Sternen promoviert und dabei hauptsächlich mit den Röntgensatelliten Chandra und XMM-Newton gearbeitet hat, aber auch schon am Very Large Telescope in Chile beobachten durfte. Auslöser ihres beruflichen Werdegangs war ein engagierter Lehrer, dessen Astronomie-AG sie ab der 7. Klasse besuchte. Ungefähr zur selben Zeit erwachte auch die Hobbyastronomin, die anläßlich des Einschlags des Kometen Shoemaker-Levi 9 auf den Jupiter begann, mit einem russischen Feldstecher vom Flohmarkt den Tanz der Jupitermonde zu verfolgen. Heutzutage freut sie sich über jede Gelegenheit, mit ihrem 16-zölligen Dobson tief im Odenwald fernab der Lichter der Rheinebene auf die Jagd nach Deep-Sky-Objekten zu gehen. Und da Amateurastronomen gesellige Wesen sind, treffe ich mich gerne mit Gleichgesinnten, zum Beispiel zum gemeinsamen Beobachten. Auch nach meinem Umzug von der Großstadt Hamburg in das schöne Universitätsstädtchen Heidelberg halte ich engen Kontakt zu meinen Vereinskameraden von der Hamburger Gesellschaft für volkstümliche Astronomie und dem Astronomieverein meiner Jugend, dem Arbeitskreis Sternfreunde Lübeck. Seit einigen Jahren bin ich außerdem in dem Internetforum Astrotreff aktiv, wo ich Teil des Moderatorenteams bin. Um meine Faszination an der Astronomie an andere weitergeben zu können, besonders an Kinder und Jugendliche, habe ich mich seit Jahren in der Öffentlichkeitsarbeit engagiert, habe populärwissenschaftliche Vorträge gehalten und Schülergruppen betreut, die in Hamburg das Institut besucht haben. Diese Leidenschaft habe ich nun zu meinem Beruf gemacht. Hier in Heidelberg arbeite ich in einem kleinen aber feinen Team am Haus der Astronomie. Hiermit lade ich Sie ein, lieber Leser, an all diesen Facetten meines Astronomendaseins teilzuhaben. Mal witzig, mal spannend oder nachdenklich, manchmal auch persönlich oder mit Aha-Effekt. Carolin Liefke

7 Kommentare

  1. Super Artikel

    Ganz toller Rückblick auf ein wahrhaft historisches Ereignis, dessen Tragweite zu überblicken ich damals als Kindergartenkind aber doch noch zu jung war 😉

  2. Ja, lang ists her…

    Ich kann mich noch dumpf erinnern, zu dem Thema damals in der Schule ein Referat gehalten zu haben. Ich fand das enorm spannend, was da am Himmel passierte.

    Danke für den interessanten Blogbeitrag und die tolle Erinnerung

  3. Hallo Caro,

    an die SN 1987 A kann ich mich auch noch sehr gut erinnern. Einen Tag später, am 25.2.1987, hatten wir im Hamburger Planetarium – das waren noch Zeiten – unseren monatlichen Klönsnackabend und der arme Klaus-Peter Schröder, heute Prof. in Mexico, musste die Geschichte immer und immer wieder neu erzählen. Waren aufregende Tage damals. Und noch alles ohne schnelles Internet oder irgendwelche Weblogs!

    Viele Grüße

    Manfred

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