Girls’ Day 2009

BLOG: Astronomers do it at Night

…und auch tagsüber
Astronomers do it at Night

Einmal jährlich findet der Girls’ Day oder Mädchen-Zukunftstag statt, an dem Mädchen in typischerweise männerdominierte Berufe in Naturwissenschaft und Technik hineinschnuppern können. Der Beruf des Astronomen – oder besser des Astrophysikers – ist für den Girls’ Day geradezu prädestiniert: Astrophysik, das ist wie der Name schon sagt eben Physik, und Physik schreckt Mädchen offenbar ab. Die Frage warum das eigentlich so ist, ist und bleibt ein großes Rätsel, das nun schon seit vielen Jahren gelöst werden will. Nach wie vor lassen sich Mädchen nur schwer für Physik begeistern und wählen Physik als Schulfach häufig ab so schnell es geht. Das setzt sich dann fort zu einem Frauenanteil von üblicherweise nur um die 25% bei den Physik-Studienanfängern. Geht man weiter zu den Studienabschlüssen, Doktorarbeiten und Physikprofessoren an Universitäten, sinkt der Anteil noch einmal. Aktionen wie der Girls’ Day sollen Mädchen eine Vorstellung von Berufen wie dem des Physikers vermitteln.

Am letzten Donnerstag war es wieder einmal soweit. Wie in den letzten Jahren gab es auch dieses Mal bei uns am Institut einige Anfragen zum Girls’ Day. Seit 2001 gibt es den Mädchen-Zukunftstag, seit ein paar Jahren können aber nicht nur Mädchen, sondern auch Jungs daran teilnehmen. Das ganze richtet sich an die Klassenstufen 5 bis 10, und während die Teilnehmer in den Vorjahren meistens vierzehn- oder fünfzehnjährige Mädchen waren, die schon eine gewisse Vorstellung von ihren beruflichen Perspektiven hatten, hatten sich dieses Jahr drei Fünft- und Sechstklässler angemeldet um die ich mich kümmern würde – zwei Jungs und ein Mädchen.

Was macht man nun mit Kindern in diesem Alter am Girls’ Day? Ein Rundgang über die Sternwarte zu den Teleskopen ist Pflicht, aber dann? Wie vermittelt man das Berufsbild des Astrophysikers jemandem, der noch gar kein Physik in der Schule hatte? Vielleicht habe ich hier die einmalige Chance, ein positives Bild von einem Physiker – oder besser gesagt einer Physikerin – in den Köpfen der drei zu zeichnen, bevor sie eventuell an einen Physiklehrer geraten wie ich ihn in der Mittelstufe hatte und der auf einer Elternversammlung verkündete: "Mädchen können kein Physik".

Morgens um 9 Uhr hole ich die drei in unserer Bibliothek ab. Sie waren allesamt überpünktlich, und lachend erkläre ich den Eltern, daß das erste was die Kinder heute lernen "ct – cum tempore" ist, also daß Wissenschaftler höchstens pünktlich, eher aber zu spät sind. Wir beginnen den Tag beim Großen Refraktor. Das Teleskop mit seiner 60cm-Linse und den 9m Brennweite ist nicht nur ungeheuer beeindruckend sondern eignet sich auch hervorragend, um meinen drei Schützlingen zu zeigen wie eigentlich so ein Fernrohr funktioniert. Die Bedeutung von Brennweite und Öffnung, wieso man die Bäume vor dem Kuppelspalt nicht scharfgestellt bekommt. Die Lupenfunktion des Okulars, die parallaktische Montierung, und so weiter…

Mit dem kleinsten Teleskop auf der Sternwarte, einem C90, auf der Suche in den unendlichen Weiten der Bibliothek 

Als nächstes geht es weiter in ein anderes Kuppelgebäude, wo wir dank klarem Himmel mit dem kleinen H-alpha-Teleskop einen Blick auf die Sonne werfen und dort ein paar kleinere Protuberanzen entdecken können. Das ist die perfekte Überleitung, denn als nächstes geht es in mein Büro und wir schauen uns auf SOHO-Bildern an, was auf der Sonne gerade alles passiert. Filme von SOHO, TRACE und Hinode zeigen spektakuläre Flares, wie ich sie auf Sternen untersuche. Besonders beeindruckt die drei die Auswirkungen einer heftigen Coronal Mass Ejection (CME) auf den Satelliten selber, jetzt können sie sich vorstellen, wie es zu den Polarlichtern kommt, die einer von ihnen beim letzten Norwegen-Urlaub sehen konnte.

Die Zeit verfliegt: Viele Fragen wollen gestellt und beantwortet werden. Zum Abschluß geht es nochmal zu einem Teleskop: Erst steuern wir das Oskar-Lühning-Teleskop aber von meinem Büro-Rechner aus fern, webcamüberwacht. Dann geht es in das Kuppelgebäude zum Teleskop selber. Nein, man kann tatsächlich nicht mehr durchschauen, nur Photos sind möglich. Die drei lernen, daß die Astrophysiker meist nur einen geringen Teil ihrer Arbeitszeit nachts am Teleskop verbringen um diese Photos aufzunehmen, dafür aber umso länger dafür brauchen, die Bilder und andere Daten tagsüber am Computer auszuwerten.

Und, wollen meine drei Jungforscher – egal ob Junge oder Mädchen – nun auch alle Astronomen werden? Die drei sind klug genug um zu wissen, daß zwischen ihnen und diesem Beruf noch einige Jahre Schule und das Studium eines Fachs liegen, unter dem sie sich noch nicht viel vorstellen können. Aber wiederkommen wenn die Sternwarte mal abends geöffnet hat, so daß man auch mal einen Blick damit an den Sternhimmel werfen kann, das wollen sie alle.

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Astronomin in vielerlei Hinsicht, so könnte man mich mit wenigen Worten beschreiben. Da ist zunächst einmal die Astrophysikerin, die an der Hamburger Sternwarte über die Aktivität von Sternen promoviert und dabei hauptsächlich mit den Röntgensatelliten Chandra und XMM-Newton gearbeitet hat, aber auch schon am Very Large Telescope in Chile beobachten durfte. Auslöser ihres beruflichen Werdegangs war ein engagierter Lehrer, dessen Astronomie-AG sie ab der 7. Klasse besuchte. Ungefähr zur selben Zeit erwachte auch die Hobbyastronomin, die anläßlich des Einschlags des Kometen Shoemaker-Levi 9 auf den Jupiter begann, mit einem russischen Feldstecher vom Flohmarkt den Tanz der Jupitermonde zu verfolgen. Heutzutage freut sie sich über jede Gelegenheit, mit ihrem 16-zölligen Dobson tief im Odenwald fernab der Lichter der Rheinebene auf die Jagd nach Deep-Sky-Objekten zu gehen. Und da Amateurastronomen gesellige Wesen sind, treffe ich mich gerne mit Gleichgesinnten, zum Beispiel zum gemeinsamen Beobachten. Auch nach meinem Umzug von der Großstadt Hamburg in das schöne Universitätsstädtchen Heidelberg halte ich engen Kontakt zu meinen Vereinskameraden von der Hamburger Gesellschaft für volkstümliche Astronomie und dem Astronomieverein meiner Jugend, dem Arbeitskreis Sternfreunde Lübeck. Seit einigen Jahren bin ich außerdem in dem Internetforum Astrotreff aktiv, wo ich Teil des Moderatorenteams bin. Um meine Faszination an der Astronomie an andere weitergeben zu können, besonders an Kinder und Jugendliche, habe ich mich seit Jahren in der Öffentlichkeitsarbeit engagiert, habe populärwissenschaftliche Vorträge gehalten und Schülergruppen betreut, die in Hamburg das Institut besucht haben. Diese Leidenschaft habe ich nun zu meinem Beruf gemacht. Hier in Heidelberg arbeite ich in einem kleinen aber feinen Team am Haus der Astronomie. Hiermit lade ich Sie ein, lieber Leser, an all diesen Facetten meines Astronomendaseins teilzuhaben. Mal witzig, mal spannend oder nachdenklich, manchmal auch persönlich oder mit Aha-Effekt. Carolin Liefke

4 Kommentare

  1. Teil des Problems

    “bevor sie eventuell an einen Physiklehrer geraten wie ich ihn in der Mittelstufe hatte und der auf einer Elternversammlung verkündete: “Mädchen können kein Physik”.”

    Wow, nach so einem Spruch müsste ein Lehrer aufgrund offensichtlicher Inkompetenz für seinen Beruf sofort aus dem Dienst entfernt werden. Ein Teil des Problems scheinen eben solche “Lehrer” zu sein. Wie soll man sich als junger Mensch denn für etwas begeistern, wenn man von vermeintlich höherer Stelle gesagt bekommt, dann man dafür völlig ungeeignet ist?

  2. Eines Besseren belehrt

    Hallo Jan,

    immerhin war besagter Physiklehrer von seinem Statement nicht überzeugt genug als daß es ihn gehindert hätte, mir eine Eins im Zeugnis zu geben 🙂

    Trotzdem waren meine Eltern auf besagtem Elternsprechtag verständlicherweise von dieser Aussage nicht besonders begeistert, genauso wie andere Eltern auch. Sie haben ihrem Ärger dann auch Luft gemacht und sich beschwert.

    Caro

  3. Zufall

    Ich will nicht Lehrer generell kritisieren, aber viel zu oft hängt das Schicksal so mancher Karriere mMn vom Glück ab, den richtigen Lehrer zur richtigen Zeit zu haben. Ich hatte in der Oberstufe einen wirklich ausgezeichneten Physiklehrer, ohne dessen Engagement ich wohl nie Physik studiert hätte. Davor, in der Mittelstufe allerdings, löste das Fach bei mir nur irgendetwas zwischen Langeweile und Angstständen aus…

    Manche Lehrer sind sich wohl nicht wirklich bewusst, was sie mit Aussagen wie die von dir zitierte für einen Schaden anrichten können. Gut, wenn sich Eltern dann genug interessieren, um dem entgegenzusteuern.

  4. Gute Lehrer, schlechte Lehrer

    Hallo Jan,

    sicher hast du recht. Ich fürchte allerdings, es ist müßig darüber zu diskutieren was Lehrer tun sollten um Begeisterung für ihr Fach zu vermitteln (auch und gerade was den Umgang mit Schülerinnen angeht) und was sie besser unterlassen sollten. Ich denke mal, heutzutage liegt das Problem weniger bei irgendwelchen geschlechtsspezifischen Vorurteilen als bei der Tatsache, daß zum Lehrerberuf nunmal mehr gehört, als ein fachspezifisches Studium plus einer didaktischen Ausbildung absolviert zu haben. Für den Lehrerberuf muß man schon irgendwo geboren sein. Den Draht zu Schülern zu bekommen, das kann man eigentlich nicht lernen. Lehrer müssen motiviert sein, was mit wachsendem Dienstalter immer schwieriger wird. Und selbst wenn man einen engagierten und fähigen Lehrer hat, der sich um seine Schüler bemüht: Im “Kampf” um ihr Interesse muß er nicht nur gegen Fernsehen und Computerspiele bestehen. Nachmittagsunterricht und Berge von Hausaufgaben in all ihren Fächern lassen Physik in der Prioritätenliste der Schüler schnell hintenanstehen.

    Hinzu kommt, daß man sich den Bezug von Physik als Schulfach zu Physik als Beruf als Schüler nur schwer vorstellen kann. Der Physikunterricht ist oft viel zu theorielastig und hat häufig keinen echten Bezug mehr zu technischen Anwendungen. Erst recht nicht zu aktueller wissenschaftlicher Forschung, aber etwas wirklich Neues zu entdecken, ist es ja eigentlich gerade, was den Reiz der Naturwissenschaften ausmacht.

    Caro

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