Expedition Sonnenfinsternis

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Astronomers do it at Night

Auslese 2009 Wie schon berichtet steht meine Reise zur Sonnenfinsternis nach China unmittelbar bevor, Zeit also, sich ans Zusammenpacken zu machen. Teleskop und Photoausrüstung, alles Notwendige für einen kurzen China-Aufenthalt – und Kiste 128. Kiste 128 ist eine Tradition, und zwar eine Hamburger Sonnenfinsternis-Tradition. Um zu erfahren, was es damit auf sich hat, müssen wir allerdings mehr als 100 Jahre zurück in die Vergangenheit reisen, in eine Zeit, als eine Expedition zu einer Sonnenfinsternis noch ein richtiges Abenteuer war.

Vieles hat sich geändert seit dieser Zeit. Das Reisen um den Erdball zum Schauplatz einer Finsternis wurde schneller, bequemer und viel weniger kostspielig, so daß sich inzwischen jeder Interessierte als Sonnenfinsternis-Tourist betätigen kann. Wissenschaftliche Beobachtungen dagegen werden während einer Sonnenfinsternis heutzutage kaum noch durchgeführt. Damals war das anders, eine Sonnenfinsternis bot den Astronomen die einmalige Gelegenheit, die äußeren Schichten der Sonnenatmosphäre zu untersuchen, über die man damals noch nicht wirklich viel wußte. Lange Zeit hatte man gerätselt, ob die während der Totalität sichtbare Korona überhaupt der Sonne zuzuordnen ist, oder ob es sich um ein Phänomen der Erdatmosphäre handelt,  man es mit einer Sinnestäuschung zu tun hat oder ob der Mond vielleicht sogar eine eine Atmosphäre hat, die das Licht der verfinsterten Sonne in Richtung Erde streut.

Pierre Janssen und Norman Lockyer entdeckten durch spektroskopische Beobachtungen von Protuberanzen bei der Sonnenfinsternis von 1868 eine hellen gelben Emissionslinie, deren Wellenlänge nicht mit denen der Fraunhoferschen Natrium-D-Linien aus dem Spektrum der Photosphäre der Sonne zusammenpaßte und die auch sonst keinem bis dato bekannten Element zugeordnet werden konnte. Lockyer nannte das neuentdeckte Element Helium (nach dem griechischen Sonnengott Helios), da es anscheinend nur auf der Sonne vorkam. Es sollte übrigens bis 1895 dauern, daß Helium bei Laborversuchen mit dem Uranerz Pechblende auch auf der Erde gefunden wurde. Janssen gelang es in den folgenden Jahren, die bekannten Fraunhoferlinien auch im schwachen kontinuierlichen Spektrum der Korona zu messen, ein eindeutiger Nachweis, daß die Korona zur Sonne gehört. 1870 bemerkte Charles A. Young, daß die meisten der Emissionslinien, die man im Spektrum der Protuberanzen und der Chromosphäre beobachten konnte, im Spektrum der Photosphäre in Absorption erschienen. Ein Jahr zuvor hatte er jedoch im Koronaspektrum auch eine grüne Emissionslinie entdeckt, für die dies nicht galt. Diese grüne Koronalinie, zusammen mit einigen weiteren später entdeckten Linien, stellte die Spektroskopiker vor dasselbe Rätsel wie die chromosphärische Heliumlinie, und man löste das Problem zunächst auf dieselbe Art: Das neu postulierte Element erhielt den Namen Koronium, und nach der Entdeckung des Heliums auf der Erde gab man sich auch optimistisch was seinen Nachweis anging.

Eine der noch erhaltenen Transportkisten für die Sonnenfinsternisexpeditionen auf dem Dachboden des Hauptgebäudes der Hamburger Sternwarte

Wir schreiben das Jahr 1905. Am 30. August dieses Jahres sollte eine totale Sonnenfinsternis stattfinden, deren Sichtbarkeit sich von Kanada über den Atlantik bis nach Nordafrika und Saudi-Arabien erstreckte. Viele Wissenschaftler wollten diese Gelegenheit nutzen, um nicht nur dem Koronium-Rätsel sondern auch noch vielen anderen offenen Fragen zur Sonne nachzugehen, so auch die Astronomen an der Hamburger Sternwarte um ihren Direktor Richard Schorr. Eine Expedition in den Norden Algeriens wurde angesetzt, zu der man einiges an Gerät mitnehmen wollte, unter anderem ein offenes Teleskop mit 20 Metern Brennweite in Verbindung mit einem Coelostaten mit dem die Protuberanzen und der innere Bereich der Korona photographiert werden sollte, sowie ein parallaktisch montierter Doppelrefraktor mit dem man nach Planeten innerhalb der Merkurbahn suchen wollte (Nibiru läßt grüßen…), dazu noch jede Menge kleinere Fernrohre. Sämtliche Gerätschaften wurden in insgesamt 130 Kisten verpackt und nach Tunis verschifft. In Kiste 128 allerdings befanden sich keine optischen Instrumente, sondern zwölf Flaschen feinster schottischer Whisky.

Nach dem Transport ihrer Ausrüstung an den Bestimmungsort mußten die Hamburger Astronomen mußten noch mit heftigen Gewitterstürmen in den Tagen vor der Finsternis kämpfen, was die Justage der Optiken erschwerte. Dennoch wurde die Beobachtung der Finsternis selber ein voller Erfolg, so daß Schorr bald nach der Rückkehr nach Hamburg mit den Planungen für die nächste Expedition in die Nähe von Samarkand begann, natürlich mit einer neuen Kiste 128 samt entsprechendem Inhalt. Die Beobachtung der Finsternis am 14. Januar 1907 wurde dann aber von einem heftigen Schneesturm vereitelt. Die nächste Finsternisreise führte die Hamburger Astronomen ganze 50 Kilometer südlich von Hamburg in die Lüneburger Heide, am 17. April 1912 beobachteten sie von dort aus die letzte ringförmige Finsternis, die über Deutschland als solche sichtbar war.

Für den 21. August 1914 war wieder wiederum eine Kiste 128 gepackt und mit den Instrumenten – ein neues Teleskop mit 40 Metern Brennweite war noch hinzugekommen – zum vorgesehenen Beobachtungsort auf die Krim gebracht worden. Doch auch diese Expedition scheiterte, diesmal allerdings am Ausbruch des ersten Weltkrieges kurz nachdem vor Ort alles eingerichtet worden war. Schorr mußte sich mächtig ins Zeug legen um sich und seine Mitarbeiter vor der Kriegsgefangenschaft zu bewahren und die Rückkehr nach Deutschland zu arrangieren. Das Instrumentarium der Sternwarte blieb aber noch vier Jahre über das Kriegsende hinaus in Odessa eingelagert.

Erst 1923 konnte die Hamburger Finsternis-Crew sich wieder auf den Weg machen, diesmal nach Mexiko, wo man trotz großer Schwierigkeiten mit dem Zoll am 10. September doch noch erfolgreich beobachten konnte. Schorrs letzte Finsternisreise 1925 war eine Art Kreuzfahrt auf dem Atlantik – allerdings auf einem Frachtschiff und ohne größeres Beobachtungsgerät. 1927 schickte er an seiner Stelle Walter Baade und Bernhard Schmidt nach Lappland, aber ohne Kiste 128. Die beiden brachten sich stattdessen von der letzten großen Hamburger Finsternisexpedition auf die Philippinen 1929 eine Kiste Zigarren als Ersatz mit. Nachzulesen gibt es all das im entsprechenden Kapitel von Jochen Schramms "Sterne über Hamburg", das man nur noch antiquarisch bekommt, den größten Teil des Buches hat der Autor jedoch auf seiner Webseite bereitgestellt.

Die Suche nach dem Ursprung der koronalen Linien war übrigens erst 1939 von Erfolg gekrönt, und der kam von theoretischer Seite. Als Verursacher entpuppte sich hauptsächlich Eisen, aber auch Calcium und Nickel, und das ominöse Koronium ging ins Reich astronomischer Legenden ein. Der Grund warum man nicht früher in der Lage war die Linien diesen Elementen zuzuordnen lag darin, daß es sich um verbotene Übergänge in hochionisierten Zuständen dieser Elemente handelt, die man im Labor nicht beobachten konnte. Angeregt durch die Labormessungen des Spektroskopikers Bengt Edlén an hochionisiertem Eisen berechnete Walter Grotian, daß neunfach ionisiertes Eisen, Fe X, die rote Koronalinie bei einer Wellenlänge von 6374 Angstrom erzeugt. Edlén selber ermittelte dann mit derselben Methode zu vielen weiteren Koronalinien das zugehörige Element. So gelang es schließlich, die grüne Linie des Koroniums bei 5303 Angström Fe XIV, also 13fach ionisiertem Eisen, zuzuordnen. Um einem Eisenatom 13 seiner 26 Elektronen zu entreißen, benötigt man eine sehr große Energie oder eine sehr hohe Temperatur: Mehr als eine Million Grad muß das koronale Plasma aufweisen. Da die Temperatur der Photosphäre aber nur 5800 Kelvin beträgt, bedeutet das, daß die Temperatur in den äußeren Schichten der Sonne nach außen hin wieder zunehmen muß. Noch heute sind die Mechanismen, die Chromosphäre und Korona derart aufheizen Gegenstand aktueller Forschung.

Meine Kiste 128 für die Sonnenfinsternis am 22. Juli 2009

Die Tradition von Kiste 128 jedoch haben die Amateurastronomen aus Hamburg bei ihren Finsternisreisen gerne aufgegriffen. Entweder aus Freude nach erfolgreicher Beobachtung der Totalität oder aus Frust bei mißliebigem Wetter oder Problemen mit der Technik mit einem entsprechend feinen Tropfen angestoßen. Während sich meinem Bekannten Hartwig Lüthen da im letzten Jahr russischer Vodka anbot, darf es bei mir in diesem Jahr sogar echter schottischer Whisky werden.

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Astronomin in vielerlei Hinsicht, so könnte man mich mit wenigen Worten beschreiben. Da ist zunächst einmal die Astrophysikerin, die an der Hamburger Sternwarte über die Aktivität von Sternen promoviert und dabei hauptsächlich mit den Röntgensatelliten Chandra und XMM-Newton gearbeitet hat, aber auch schon am Very Large Telescope in Chile beobachten durfte. Auslöser ihres beruflichen Werdegangs war ein engagierter Lehrer, dessen Astronomie-AG sie ab der 7. Klasse besuchte. Ungefähr zur selben Zeit erwachte auch die Hobbyastronomin, die anläßlich des Einschlags des Kometen Shoemaker-Levi 9 auf den Jupiter begann, mit einem russischen Feldstecher vom Flohmarkt den Tanz der Jupitermonde zu verfolgen. Heutzutage freut sie sich über jede Gelegenheit, mit ihrem 16-zölligen Dobson tief im Odenwald fernab der Lichter der Rheinebene auf die Jagd nach Deep-Sky-Objekten zu gehen. Und da Amateurastronomen gesellige Wesen sind, treffe ich mich gerne mit Gleichgesinnten, zum Beispiel zum gemeinsamen Beobachten. Auch nach meinem Umzug von der Großstadt Hamburg in das schöne Universitätsstädtchen Heidelberg halte ich engen Kontakt zu meinen Vereinskameraden von der Hamburger Gesellschaft für volkstümliche Astronomie und dem Astronomieverein meiner Jugend, dem Arbeitskreis Sternfreunde Lübeck. Seit einigen Jahren bin ich außerdem in dem Internetforum Astrotreff aktiv, wo ich Teil des Moderatorenteams bin. Um meine Faszination an der Astronomie an andere weitergeben zu können, besonders an Kinder und Jugendliche, habe ich mich seit Jahren in der Öffentlichkeitsarbeit engagiert, habe populärwissenschaftliche Vorträge gehalten und Schülergruppen betreut, die in Hamburg das Institut besucht haben. Diese Leidenschaft habe ich nun zu meinem Beruf gemacht. Hier in Heidelberg arbeite ich in einem kleinen aber feinen Team am Haus der Astronomie. Hiermit lade ich Sie ein, lieber Leser, an all diesen Facetten meines Astronomendaseins teilzuhaben. Mal witzig, mal spannend oder nachdenklich, manchmal auch persönlich oder mit Aha-Effekt. Carolin Liefke

2 Kommentare

  1. Die Tradition von Kiste 128 jedoch haben die Amateurastronomen aus Hamburg bei ihren Finsternisreisen gerne aufgegriffen. Entweder aus Freude nach erfolgreicher Beobachtung der Totalität oder aus Frust bei mißliebigem Wetter oder Problemen mit der Technik mit einem entsprechend feinen Tropfen angestoßen. Während sich meinem Bekannten Hartwig Lüthen da im letzten Jahr russischer Vodka anbot, darf es bei mir in diesem Jahr sogar echter schottischer Whisky werden.

    Aha, jetzt wird mir klar, warum Astronomen so viele Doppelsternsysteme finden. 🙂

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