Eine Spiralgalaxie im Entstehen – Baufortschritt am Haus der Astronomie
BLOG: Astronomers do it at Night
Bei den derzeitigen Temperaturen ist es ein Leichtes, den letzten Winter mit seinen Unmengen von Schnee und dem monatelangen Dauerfrost zu vergessen. Als ich damals Anfang Februar nach Heidelberg kam, war von meinem zukünftigen Arbeitsplatz – dem Haus der Astronomie – noch nicht viel mehr zu sehen als eine vereiste Grube im Boden. Mit dem Frühling änderte sich das schlagartig, und plötzlich bevölkerten die Bauarbeiter mit ihren schweren Maschinen den Bauplatz. In unglaublicher Geschwindigkeit ist der Rohbau inzwischen über das Kellergeschoß hinausgewachsen. Gestern konnten die Mitarbeiter des MPIA, in dessen unmittelbarer Nachbarschaft das ganze entsteht, erstmals einen Blick hinter die Kulissen des Bauzauns werfen.
Wenn ich mich morgens auf den Weg zur Arbeit mache, dann kann ich ihn schon von Weitem sehen, den großen Kran, der auf dem Königstuhl über die Baumwipfel ragt. Oben auf dem Königstuhl angekommen zeigt sich: Es gibt noch einen zweiten, einen kleineren von seiner Sorte. Beide sind tagsüber ununterbrochen in Bewegung und heben schwere Lasten oder bewegen sperrige Bauteile. Täglich liefern unzählige LKWs Baumaterial. Und all das, damit aus Unmengen von Stahl und Beton innerhalb kürzester Zeit das Haus der Astronomie wird. Im September soll Richtfest sein, ein Jahr später die offizielle Eröffnung.
Wahrscheinlich wäre das ganze nur halb so spannend, wenn die zukünftige Heimat von Sterne und Weltraum, Wissenschaft in die Schulen, der Astronomieschule e.V. und der astronomischen Öffentlichkeitsarbeit in Heidelberg generell ein ganz normaler, rechteckiger Kasten sein würde. Stifter Klaus Tschira und das Architekturbüro Bernhardt und Partner haben sich aber stattdessen ein Gebäude ausgedacht, das den astronomischen Bezug widerspiegeln soll und daher die Form einer Spiralgalaxie bekommt. 90°-Winkel sind in diesem Konzept eher eine Seltenheit. Kaum eine Wand ist nicht rundgebogen, vieles besteht aus Spezialteilen in Einzelanfertigung.
Um so erstaunlicher ist es, wie schnell der Rohbau des Hauses nun wächst. Wachsen tut natürlich auch die Neugier der gut 250 Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie, die tagtäglich von ihren Büros aus verfolgen können, was auf der Baustelle gegenüber passiert. Und damit man sich nicht die Nase am Bauzaun plattdrücken muß (oder verbotenerweise mal durchschlüpft) um das Ganze mal von Nahem zu sehen, waren am gestrigen Tag zwei Termine für "Besichtigungstouren" angesetzt.
Mein Kollege Olaf Fischer und ich trafen uns gestern in der sengenden Mittagshitze mit dem Rest der ersten Gruppe am Eingangstor vor der Einfahrt zur Baustelle. Dort erwartete uns die obligatorische Kopfbedeckung: Auf Baustellen herrscht Helmpflicht. Unwohler war mir zwar eher ob meiner Fußbekleidung, denn ich hatte morgens zwar daran gedacht, meine Kameraausrüstung einzupacken, nicht aber zusätzlich zu den Sandalen noch baustellentaugliche Schuhe einzupacken. Da ich aber mit meinem sommerlichen Schuhwerk nicht alleine war und und unsere beiden "Tourguides" vom Architekturbüro keine Einwände erhoben, machte ich mir keine weiteren Sorgen mehr.
Und so ging es dann los, über eine kleine Behelfsbrücke direkt in einen der Bereiche, die später mal zu einem der Spiralarme der Galaxie werden würden. Die dicken Betonpfeiler, die die Konstruktion später einmal tragen werden, ragen bereits hoch heraus, ansonsten werden hier gerade die Seitenwände für das Erdgeschoß gegossen. Die Kellerräume, in denen wir dann später unser Film- und Tonstudio, Werkstätten und Lagerräume einrichten werden, waren leider nicht zugänglich. Dafür konnten wir uns im Bulge der Galaxie von der zukünftigen Bühne des Hörsaals aus vorstellen, wie die Zuschauer später der Präsentation folgen werden.
Um uns herum wurde währenddessen fleißig weitergearbeitet. Der Boden der Rampe, die Keller und Erdgeschoß verbindet, wurde mit Beton ausgegossen, die Verschalungen für neue Spannwände wurden eingezogen, und so weiter. Insgesamt werden später unvorstellbare Mengen an Stahl und Beton in dem Gebäude verbaut sein, so viel wie in 80 Einfamilienhäusern. Täglich fahren derzeit 20 Betonmischer vor. Auch Elektriker sind schon vor Ort und legen Leitungen, die dann im Inneren der Wände verlaufen werden. Bei einem derart komplexen Gebäude sind natürlich auch Statiker und Vermessungsingenieure den ganzen Tag beschäftigt.
Wer aus der Ferne verfolgen möchte, wie unsere Galaxie wächst und gedeiht, sollte die entsprechenden Webcams im Auge behalten: Die Kamera auf dem Dach des MPIA verfolgt das Geschehen aus der Distanz und zeigt auch den Kran bei der Arbeit. Das Architekturbüro bietet den Blick direkt von oben auf den Baubetrieb und von der Seite.
Galaxienentwicklungs-Modelle bestätigt!
Danke, Caro, für diesen Bericht!
Schön zu sehen, wie auch die HdA-Galaxie “bottom up” entsteht, das dürfte dann die letzten Verfechter der “top down”-Modelle stillstellen! 😉
Grüße aus dem MPIA-“Turm”!
Leo