Scilogger, wir sollten ins Internet sprechen

Es gibt viele sensorische Wege, etwas zu lernen. Mit den Augen kleine hyroglyphenartige Zeichen von leuchtenden Brettchen abzulesen etwa [1]. Wir setzen in den Scilogs alle darauf, dass eben das funktioniert: dass Menschen auf diese Webseite finden, unseren neuen Artikel darin anklicken, ihn genügsam konsumieren und am Ende erhellt ihren Tag weiterführen.

(gemeinfrei)
Radio hören und dabei etwas tun (gemeinfrei)

Nicht immer gelingt das: „I wüürd ja auf so nem Ding nix erkenne“, sagte etwa vorhin der Mann neben mir in der Straßenbahn. Ich saß und blätterte auf meinem Smartphone die neusten Blogposts durch. Er schüttelte den Kopf.

Es geht um diese Leute: Berufspendler. Paketdienstfahrer. Blinde. Menschen mit Sehbehinderung. JoggerInnen. Wohnungsputzende Hausmänner.

All sie führen entweder monotone Tätigkeiten aus, die sie kognitiv nicht auslasten. Oder sie haben einen erschwerten Zugang zur Schrift. Und würden gern eine menschliche Stimme hören, um sich nicht zu langweilen oder an der Welt teilzuhaben.

Was toll ist: es gibt Podcasts für all diese Menschen.

Weniger toll: es gibt noch viel zu wenig wissenschaftliche Podcasts.

Das habe ich versucht, mit meinem Workshop auf dem Bloggertreffen in Deidesheim ins Licht zu rücken: Es gibt da draußen eine schnell wachsende freie Podcastszene! Podcaster, die ihre Eltern über die DDR interviewen. Die schöne Ecken um Hannover besuchen. Hunderte Techpodcasts. Hunderte Sendungen, wo zwei Leute vor einem Mikrofon über irgendwas vor sich hinquasseln.

Und es gibt so wenig über Wissenschaft.

Okay, das ist ein bisschen gelogen. Es gibt in den Scilogs Arvids Braincast, Markus` Omega Tau, Leonies Protrepticast, meinen AstroGeo Podcast. Anderswo diskutieren auch schon vereinzelt Psychologen (Psychocast) oder aufklärungsfreudige Gegner von Verschwörungstheorien (Hoaxilla). Scienceblogs-Platzhirsch Florian Freistetter erzählt neuerdings schöne Sternengeschichten. Und es gibt seit jeher gute Podcasts öffentlich-rechtlicher Radioformate aus der Wissenschaft (SWR2 Wissen, DLF-Wissenschaft im Brennpunkt, WDR5 Leonardo u.v.m.).

Einfach machen

Ich würde gern mehr wissenschaftliche Podcasts hören. Schwierig zu produzieren sind die heute nicht mehr: wir haben in Deidesheim über das Spektrum des technischen Aufwands gesprochen. Theoretisch reicht ein Smartphone, die ein oder andere App für Schnitt und Audiobearbeitung. Die fertige Audiodatei muss auf einen Server geladen werden, etwa die eigene Dropbox. Am Ende braucht man einen Player, den man per Embed-Code in seinen Blog setzt: fertig.

Wer mehr will, kann sich auch ein gutes Mikrofon oder ein Headset leisten, das Ganze über ein Mischpult jagen, den Tonstrom schön abmischen, ein eigenes WordPress aufsetzen und über eines der vielen Podcasting-Plugins die Audiodatei veröffentlichen. Der Vorteil: solche Plugins erzeugen einen Feed, den Verteildienste wie iTunes automatisch aktuell hält. Und die eigenen Hörer bekommen eure Sendung vollautomatisch auf ihr Smartphone.

Wenn ihr die Audiowelt für euch entdecken wollt, lohnt sich die Hörsuppe als Einstieg, wo viele aktuelle Podcasts vorgestellt werden. Rudimentäre Tipps zur Ausrüstung gibt es im Podcast.de Wiki. Um Podcasttechnik auf hohem Niveau geht es im Lautsprecher. Und wenn die Qualität am Ende nicht ganz stimmt: Auphonic ist ein genialer kostenfreier Dienst, der eure Audiodateien automatisch abmischt und wenn nötig auch rauschreduziert.

Teamformat

Zuletzt täte es Not, die Wissenschaft unter den Podcastern besser zu vernetzen: in einem gemeinsamen (Meta-)Blog, wo alle neuen Sendungen automatisch oder manuell eingestellt werden. Und vielleicht auch zur gemeinsamen Planung neuer Sendungen: Podcasts sind (anders als textbasierte Blogs) natürlicherweise ein Teamformat. Ich habe letztes Jahr meine Pilotausgabe mit Scilogger Gunnar Ries aufgenommen – zu einem staubtrockenen Thema (AG001: Asbest). Mich würde interessieren, ob ihr solche langen Formate auch für staubtrocken haltet. Und wohin sich die wissenschaftlichen Podcasts demnächst entwickeln werden.

[1] Früher, in der Steinzeit, nutzte man auch mit Farbe bedruckte Bäume.

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https://www.astrogeo.de

Karl Urban wäre gern zu den Sternen geflogen. Stattdessen gründete er 2001 das Weltraumportal Raumfahrer.net und fühlt sich im Netz seitdem sehr wohl. Er studierte Geowissenschaften und schreibt für Online-, Hörfunk- und Print-Publikationen. Nebenbei podcastet und bloggt er.

18 Kommentare

  1. An die Mikros, fertig, los!

    Yeah, danke für diese schöne Zusammenfassung – und auf diesem Weg nochmal HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH zum Scilogs-Preis 2013!!!
    Ich habe beizeit auch mal vor, meine gesammelten Internetquellen zu verwendbarer Musik und Atmo zusammenzustellen.

    Zum Thema Asbest bist Du mir übrigens noch eine Antwort schuldig (siehe Kommentare zur Folge):-)

  2. Hm… – also ich weis nicht, vielleicht bin ich ja doch schon zu alt, aber bei den Podcasts stelle ich ab, bzw. klicke auf den “Zurück”-Button, ohne das Werk anzuhören, das dort präsentiert wird. Wenn ich die SciLogs oder andere Blogs aufrufe, dann will ich was lesen aber nichts hören!

  3. Leider

    Leider reagiere ich auf Podcasts genau so wie Hans.

    Das Lesen hat gegenüber dem Hören den Vorteil, dass man viel leichter innehalten oder zurückspringen kann, um nachzudenken, oder Worte in Google oder Wikipededia kopieren kann, um herauszufinden, was sie genau bedeuten.

    Ich schlage vor, zu den Podcasts immer auch den geschriebenen Text zu veröffentlichen, denn dieser existiert bestimmt irgendwo.

    Mit einem iPhone-5-Bildschirm mit 12 Zentimetern Grösse kann man mich nicht hervorlocken.

    Ich verwende einen Bildschirm mit 76 Zentimetern Grösse, der auf 800 mal 600 Pixel eingestellt ist, damit ich keine Lesebrille brauche.

    Wenn meine Altersweitsichtigkeit stärker werden sollte, dann kaufe ich einfach einen grösseren Bildschirm, denn deren Preise sinken langsam.

    Für die unvermeidlichen Bücher verwende ich eine Lesebrücke mit einer Videokamera, die den Bildschirm versorgt, wenn ich keine Lust habe, meine Lesebrille zu tragen.

  4. Bin und bleibe Leserin

    Ich für meinen Teil lese lieber, weil ich da zwischendurch auch mal einen Artikel unterbrechen und was anderes machen kann. Außerdem kann ich Sachen, die mir unklar sind, zweimal lesen. Gesprochenes kann manchmal auch recht anstrengend sein, besonders wenn der Redner undeutlich spricht. Die Sternengeschichten von “Platzhirsch Florian Freistetter” sind zwar interessant und er spricht auch deutlich, aber seine Beschreibung des Herzsprung-Russel Diagramms fand ich doch recht anstrengend, weil man das Diagramm ja nicht sehen kann. Sowas wäre als Blogbeitrag wesentlich anschaulicher oder als Film, wo das Diagramm gezeigt werden kann.

    Ein anderes Problem ist die Länge mancher Beiträge. Wenn jemand über eine Stunde spricht, dann muss man sich die Zeit dafür freinehmen. Was oft nicht so einfach sein dürfte. Interessante schriftliche Beiträge kann man sich hingegen auch mal ausdrucken um sie in Ruhe zu lesen oder zu bearbeiten. Momentan habe ich mir das astronomische Grundwissen von Nachbarblogger Markus Pössel als Lektüre ausgedruckt. Sehr Lohnenswert! Das würde sich auch gut als Buch machen.

  5. Dann wäre ich seltener hier.

    Ich mag Podcasts und Videos nicht sonderlich. Sie zwingen mir ihre Geschwindigkeit auf (ich lese sehr schnell), erfordern oft separate Plugins, sie sind schwerer wieder auffindbar und so gut wie gar nicht durchsuchbar. Man kann aus ihnen schwerer zitieren, sie sind umständlich und Akku-strapazierend, wenn man gerade unterwegs ist, und man kann auch währenddessen nichts anderes hören.

    Wenn ein Transscript mitgeliefert wird, ignoriere ich die Audio- und Videodatei zu 99,9%. Ansonsten zu 99,8.

    Ich bin da also ganz bei Mona, Karl und Hans, fürchte ich…

  6. Um das gerade klar zu machen: ich sehe Audioformate nicht als Konkurrenz zum Bloggen. Es ist eine Ergänzung. Es gibt eine Hörerschaft da draußen, die rasant wächst. Es gibt Podcasts mit tausenden oder zehntausenden Hörer.

    Und ich werde hier auch weiterhin bloggen. Text hat seine Stärken.

    Und seine Schwächen: wieviel Vertrauen schenke ich jemandem, der vorgibt, Sachverstand zu haben? Habe ich ihm 30 Minuten zugehört, kann ich das beurteilen. Kann mich dieser jemand sogar inspirieren, mit seiner Weltsicht anstecken? Auch das können Texte nur begrenzt.

    Zuletzt: Bücher und Zeitungen sind nicht ausgestorben, als das Radio kam. Das Radio starb nicht aus, als das Fernsehen kam. Medien entwickeln ständig sich weiter, auch die Nutzungsgewohnheiten. Im Audioumfeld ist ein großer Entwicklungsschritt vollzogen worden, das Publikum ist jetzt vorhanden. Und wer lieber weiter liest, liest eben lieber weiter.

    @Mona: Ich persönlich nehme mir keine Zeit, Podcasts zu hören. Ich höre sie nur, wenn ich nebenher etwas anderes mache. Ich glaube auch, das Radio ist vor allem bis heute nicht verschwunden, weil es beim Autofahren der ideale Begleiter ist.

  7. Ich stelle fest, dass ich ja gar nicht so alleine bin mit meiner Meinung.
    Und okay, gegen Podcasts als zusätzliches Angebot hab ich nix. Aber ich bin auch nicht der Typ, der immer irgendwelches “Gedudel” im Hintergrund braucht. Beim Kochen, bzw. Haushaltsarbeiten allgemein oder Autofahren okay, aber sonst ist es für mich eher störend. Wenn ich mir z.B. so Sachen wie das Hertzsprung-Russell-Diagramm vornehme oder ein Programm schreibe (bzw. ein fertiges von anderen zu verstehen versuche) dann stört es mich einfach, wenn im Hintergrund was anderes läuft.

  8. “wieviel Vertrauen schenke ich jemandem, der vorgibt, Sachverstand zu haben? Habe ich ihm 30 Minuten zugehört, kann ich das beurteilen.”

    Naja. Es gibt Leute mit jeder Menge Sachverstand, die aber miserable Redner/Sprecher/Vorleser sind und in Podcasts & Co. schnell einen inkompetenten, unsicheren Eindruck machen, obwohl sie es womöglich gar nicht sind.

    Ich denke, da sollte jeder Verfasser ehrlich zu sich selbst sein und das Format wählen, das er am besten beherrscht.

    Wirklich gute Sprecher sind selten. Und wenn dann noch unnötiges Musikgedudel und Ähnliches im Hintergrund läuft, um die Sache “aufzulockern” oder “die Stimmung zu unterstreichen” (habe ich auf irgendeinem Blog hier auch schon erlebt), dann ist der Beitrag für mich persönlich schnell vom Tisch…

    Ist und bleibt wohl Geschmacksache, und für mich spricht mehr gegen als für Podcasts. Aber solange es zusätzlich auch noch Texte gibt, ist ja alles in Butter. 🙂

  9. @Ute

    1. Es ist eine Binse, dass ein guter Podcast halt gut gesprochen, d.h. gut gemacht sein muss. Das gilt für jede Medienform. Es gilt auch für Text und sogar (!) für Scilogs-Blogbeiträge.

    2. Es wird zu viel belanglos gefaselt. Das gilt für Podcasts ebenso fürs Formatradio. *Genau deshalb* wünsche ich mir ja mehr Sciencenerds, die mal ein Mikrofon in die Hand nehmen.

    3. Was man selber hört, bleibt jedem selbst überlassen. Im UKW-Autoradio kann ich vielleicht 20 Sender empfangen. Wenn ich mein Smartphone anschließe, höre ich *nur* gute Podcaster. Wer sich für die schöne neue Audiowelt interessiert, weiß schnell, was er gut findet.

    Wer nicht: einfach weitergehen, es gibt hier nichts zu sehen.

  10. Also ich bin begeisterte Podcasthörerin und schrecke auch nicht vor 3-Stunden-Podcasts wie NSFW oder Psychotalk zurück. Wissenschaftspodcasts würde ich wahnsinnig gerne mehr hören, also nur zu!

    Ich höre eigentlich den ganzen Tag Podcasts, denn den Knopf im Ohr kann man fast überall haben, während sich lesen nicht mit allen Tätigkeiten verträgt!

  11. Krude Argumente

    Hm, ziemlich krude Diskussion hier: “Ich bin zu alt für Podcasts” (Wie bitte?) – “Ich mag keine Podcasts, weil ich lieber lese”. Da könnte man auch sagen: “Ich mag keine Schokolade, weil ich lieber Kamillentee trinke”. Es kann hier doch nicht darum gehen, verschiedene Genres gegeneinander auszuspielen. Und ein Podcast ist ein eigenes Genre, das eigenen Gepflogenheiten und Gesetzen folgt. Über Wissenschaft zu sprechen, ist etwas ganz anderes als über Wissenschaft zu schreiben: Es bietet Möglichkeiten, die bisher vielleicht noch nicht ausreichend erprobt wurden. Und nichts anderes fordert der obige Blogpost: Probiert doch mal neue Formate aus! Vielleicht entdecken wir was Neues.

  12. Du willst nicht alleine ins Mikro sprechen, sondern mit jemandem sprechen. Das hört sich einfacher, vor allem über längere Strecken. Du willst nicht mit anderen Wissenschaftlern sprechen, weil das für die Hörerschaft dann nämlich auch bloß belangloses Gefasel würde – außer für die paar Nasen, die sowieso schon verstehen, worum es geht. Stattdessen willst Du interessierten, eventuell vorgebildeten Nicht-Wissenschaftlern deine Wissenschaft erzählen, dann bleibt das länger spannend.

    Aber was weiss ich denn schon, was Du willst. Ich jedenfalls würde sowas hören wollen 😉

  13. Videos

    Ich vermute, dass Videos viel besser als Podcasts angenommen werden würden.

    In den Videos kann man auch Diagramme und Naturvorgänge zeigen.

    Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.

  14. Grausame Wortwahl

    Heiliger Bimbam! Jetzt werden hier auch noch “Krude Argumente” und eine “ziemlich krude Diskussion” ausgemacht. Das Wort “krud” leitet sich übrigens vom lateinischen “crudus” ab und bedeutet so viel wie roh oder grausam. Ich kann jetzt nicht erkennen, dass hier jemand in diese Richtung argumentiert hat.

  15. Ich glaube, da längere Podcasts nur als Dialoge auszuhalten sind. Oder mit auflockernden Szenenwecheln. Aber an sich wünsche ich auch längere Beiträge.

    Ich denke, dass Podcasts mehr inspirieren sollen, als (umfassenst)Lehren. Weshalb es also eher nicht nötig sei, eine Themaik durch viele ins letzte Detail erklärte Sachverhalte in einem Beitrag zu konzentrieren. Da ermüdet leicht.

    Ansonsten habe ich eine Podcastliste, die mir ca. 5-8 Stunden pro Woche Wissensschaftsbeiträge bietet. Nicht alle sind immer für mich interessant – aber immerhin.

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