Fukushima. Und die Physiker schweigen.
BLOG: AstroGeo
Über Japan wollen sie sich nicht äußern, Fragen werden sogar unterbunden. Beobachtungen von der Frühjahrstagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.
Dies ist ein Gastbeitrag von Laura Hennemann. Sie ist Physik-Doktorandin an der Universität Tübingen.
Sonntag vor einer Woche, im Zug nach Dresden: Ich war gespannt, wie die deutschen Physiker auf die fürchterlichen Nachrichten von den japanischen Kernreaktoren reagieren würden. Ich stellte mir vor, dass ich in späteren Jahren an die Frühjahrstagung 2011 der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) zurückdenken und sagen würde: Sie stand unter dem Eindruck, stand unter dem Schock von Fukushima.
Oder bin ich immer zur falschen Zeit am falschen Ort? Ich frage eine Studentin vom Organisationsteam. Sie weiß nichts von einer Sonderveranstaltung; aber auch sie findet es schade, dass es die nicht gibt. Ich spreche mit Freunden und Kollegen, die oft andere Veranstaltungen besucht haben als ich: nichts. Aber, sagt ein Kollege, er habe durchaus Gespräche mitbekommen, abends beim Bier, da würde doch manchmal der Name Fukushima fallen. Und wenn es sich thematisch ergibt, macht der ein oder andere Vortragende am Anfang vielleicht eine kurze Bemerkung dazu. Eine andere Kollegin hat im Hotel im Fernsehen Stellungnahmen des DPG-Präsidenten Wolfgang Sandner gesehen. Ein normaler Fernsehzuschauer hat das wahrscheinlich eher mitbekommen als die Teilnehmer der Tagung.
Das Unglaubliche aber passiert gleich am ersten Konferenztag. Montag, 12:30 Uhr: Im Anschluss an den Vortrag „Vergleichende Bewertung von Stromerzeugungstechniken“, in dem es durchaus auch um Umwelt- und Sicherheitsfragen geht, stellt ein Zuhörer eine Frage rund um die neuesten Ereignisse in Japan. Doch noch bevor der Vortragende antworten kann, greift sich der Vorsitzende das Mikrofon: „Wir wollen bitte beim Thema bleiben, es geht hier um einen Vergleich der Sicherheit von Kraftwerken.“ Ich wünsche mir in diesem Augenblick, mein am-Kopf-Kratzen könnte auch per Mikrofon verstärkt werden. Dann fügt der Vorsitzende hinzu: „Außerdem wissen wir noch gar nicht genau, was in Japan los ist.“ Das ist das Hauptproblem. Die meisten hier empfinden sich als nicht kompetent genug, die Ereignisse in Fukushima zu beurteilen. Warum sie nicht trotzdem durch Diskussionen zu einer Meinungsbildung – auch der eigenen! – beitragen wollen, bleibt ein Rätsel. Dazu kommt: Das Themenfeld ist ihnen zu politisch. Andererseits ist das Thema Guttenberg ebenso politisch, und da haben die Physiker als Untergruppe der Akademiker eine sehr klare Meinung, mit der sie auch nicht im Geringsten hinterm Berg halten.
Komischer Text. Zuerst beschwert man sich 8 Absätze lang, dass die Physiker nix zu Fukushima sagen. Und am Schluss wird dann erzählt, dass es ja eh eine Podiumsdiskussion zum Thema gab (das die nicht im Programm steht ist wenig überraschend. Die wurden sicher schon lang vor dem Beben gedruckt).
Vielleicht ist es auch ganz gut, wenn die Physiker sich hier zurückhalten. Die wenigstens sind nämlich Experten für Kernkraftwerke; die wenigstens haben Ahnung von Strahlenschutz etc und die wenigsten haben irgendwas mit Kernkraft zu tun. Die Stimmung in Deutschland ist eh schon hysterisch genug, da braucht es wirklich keine Physiker, die da alles noch chaotischer machen. Eine Meinung gebildet haben sich sicher alle dazu. Aber muss man die dann auch gleich “offiziell” bei einer Konferenz verkünden (wie gesagt, die meisten Physiker sind KEINE Experten für Atomkraftwerke). Ich kann absolut nicht bestätigen, dass Physiker “den Kopf in den Sand stecken”. Da wird in den letzten Tagen heftig genug diskutiert. Aber nicht jeder der diskutiert und eine Meinung hat rennt damit gleich zu den Medien oder veranstaltet große Diskussionsrunden. Und das finde ich eigentlich recht gut.
Was sollen sie denn sagen?
Zum Beispiel dass Physik funktioniert, aber nicht jede Technik jederzeit beherrschbar ist? Dass “Restrisiko” nicht “unmöglich” sondern nur “relativ unwahrscheinlich” bedeutet, entgegen der Beteuerungen der Lobbyisten und dem naiven Vertrauen von politisch Verantwortlichen darauf?
Und tatsächlich: Was sollen Wissenschaftler ohne konkrete Fakten sagen? Anders als in der Politik gebietet gerade die wissenschaftliche Redlichkeit, sich wilder Spekulationen und wolkiger Statements zu enthalten. In jede Richtung.
Mich wundert eher die plötzliche Betroffenheit hierzulande. Wem nicht schon seit jeher klar war, dass jede technische Anlage irgendwann wirklich übel auseinander fliegen kann, egal wie heftig geprüft, gerechnet und gewartet wird, der hat weder Wissenschaft noch Realität begriffen.
Diese Einstellung zu allem immer und sofort eine Meinung abgeben zu müssen scheint ja recht populär zu sein.
Der jedoch klügere Weg ist es: Abwarten und erstmal auf genauere Informationen warten. Aufgrund der aktuellen Lage lassen sich kaum sinnvolle Einschätzungen abgeben. Die Meinungen kochen zudem viel zu sehr hoch.
Lassen Sie doch erstmal genaue Studien zu diesem Thema zu (die zu diesem Zeitpunkt natürlich nachrangig sind), anhand deren die Vorgehensweise für die Zukunft bewertet werden kann.
Zu kritisieren, dass es keine Veranstaltung zu diesem Thema gab und am Ende festzustellen, dass ja doch eine Diskussion stattfand stellt Ihren Text so oder so auf recht wacklige Füße.
Ich finde den Weg, der dort gewählt wurde äußerst rational. Kein Aktionismus und Populismus. Und das ist auch gut so!
Seh ich genauso
Ich bin auch Physikerin und halte mich auch bewusst zurück. Wir sind WissenschaftlerInnen. Und da geht es um Fakten. Nicht um Meinungen. Im Gegenteil, wir haben irgendwann gelernt, dass Meinungen allzuoft in die Irre führen. Also lass ich mich nicht kirre machen.
Und so ne Konferenz ist eben dazu da die Fachthemen zu besprechen, in denen man drinsteckt. Fukushima ist zu neu. Nächstes Jahr wird es da sicherlich mehr geben.
Ne offizielle Stellungnahme der DPG gab es dazu auch und ne Podiumsdiskussion, die die Leute sich aus den Rippen geleiert haben.
http://www.scienceblogs.de/…fukushimahavarie.php
Ach ja so ganz nebenbei. Es gibt nicht die EINE Frühjahrstagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft sondern in der Regel mehrere, wo jeweils verschiedene Arbeitsgruppen zusammen tagen.
Wir von der Arbeitsgruppe extraterrestrische Physik hatten unsere Tagung z.B. im Februar. Und wir gehören auch zur DPG. Oder nicht? 😉
Wärst Du bitte so nett, dass im Text zu korrigieren? Denn so erweckst Du den Einruck, als ob in Dresden die eine Konferenz für alle PhysikerInnen in Deutschland stattfand. Was noch nicht mal annähernd stimmt.
P.S.: Es gab vor ein paar Jahren in Berlin zum Jubiläum der DPG mal wirklich eine Frühjahrstagung aller PhysikerInnen. Da liefen dann zehntausende rum. So wenige sind wir auch wieder nicht 😉
Schweigen sagt mehr als tausend Worte
Meine Verwunderung über das allgemeine Schweigen der Wissenschaftler wird nur noch von dem Staunen über die Beschimpfung der Atomkraftgegner getoppt. Der Verweis auf Dürrenmatt trifft den Nagel auf den Kopf.
Viele Menschen versuchen sich grade eine Meinung auf der Basis einer – vorsichtig ausgedrückt – sehr dünnen Informationslage zu bilden (Im Schnitt werden etablierte News-Seiten seit einer Woche 4x soviel besucht wie sonst). Und die meisten Physiker wissen über den Gegenstand natürlicherweise wesentlich mehr als Otto Normalverbraucher. Und obwohl sie keine Kraftwerkstechniker sind können sie sich gut erklären, wie ein Siedewasserreaktor funktioniert. Das ist keine Raketentechnik sondern schon vierzig Jahre alt.
Physiker könnten daher durchaus zu einer Abkühlung der Debatte beitragen. Dass sie es nicht tun sagt viel über Drittmittelvergabe und Abhängigkeiten in der deutschen Forschungslandschaft aus.
Rolle der Physiker in der Gesellschaft?
Von Physikern erwarte ich fundiertere und allgemein gültigere, tiefergehende Aussagen als von Leuten direkt vom Fach (Nuklear- und Sicherheitstechniker), weil ich Physiker in einer ähnlichen Kategorie/Liga sehe wie Philosophen, die – um eine Analogie zu geben – auch keine Aussagen zu einem Ehestreit oder einer Scheidung geben wohl aber zum Phänomen der Liebe.
Eine fundiertere über das aktuelle Ereignis hinausgehende Aussage zum Unfall in Fukushima kann es aber nur geben, wenn es entweder innerhalb der Phyiskergemeinschaft bereits eine Forschungsschwerpunkt oder eine allgemein anerkannte Institution gibt, die sich um Fragen kümmert, die Fukushima berühren oder aber nachdem sich Physiker eingehend mit den Problemen um Fukushima befasst haben – womit zeitnahe Aussagen ausgeschlossen sind.
Das oben gesagte betrifft die Aussagen gegenüber den Medien. Solche Statements vor den Medien in Namen der Gemeinschaft der Physiker scheinen mir besonders schwierig – auch weil es wohl eine grosse Meinungsvielfalt innerhalb der Physikergemeinschaft gibt.
Eine ganz andere Frage ist die nach der Diskussionskultur . Hier kann ich dem Autor recht geben, wenn er schreibt: “Aber ich verlange eine Auseinandersetzung. Kein Kopf-in-den-Sand-Stecken, wie es Dürrenmatts Physiker vormachen.”
Die Frage dazu ist für mich nur, ob hier Physiker etwas eigenständiges, aus ihrem Fach hervorgehendes, es aber auch übersteigendes, beitragen können oder ob sie dann einfach auf ihre Rolle als Wissenschaftler und Akademiker zurückgreifen müssen. Das können wohl nur Physiker selbst beantworten – womit bereits ein Anknüpfungspunkt für eine Diskussion gegeben ist.
Mit Fukushima gibt es eine ernste nukleare Situation, eine sehr schlechte Nachrichtenlage (die aber wohlgemerkt um Längen besser ist als nach Tschernobyl) und damit verbunden extreme Ängste der Bevölkerung. In dieser Lage fahren die Medien dennoch die Berichterstattung hoch, denn das ist ihre Aufgabe.
Physiker haben aus meiner Sicht eine erhöhte Verantwortung, denn sie können am ehesten einschätzen, wie groß die Gefahren sind, was genau in so einem Reaktor passieren kann und etwa ob eine bestimmte Strahlungsdosis oder ein spezielles Spaltprodukt in der Umwelt gefährlich sein kann. Physiker müssen gerade in dieser noch völlig unübersichtlichen Lage in Fukushima erklären, abschätzen und auch auf Fehler in der Berichterstattung hinweisen. Ihr könnt das nicht alles Ranga überlassen, der zwar selbst Physiker ist, aber eben auch nur eine Stimme hat.
Die DPG ist da besonders in der Pflicht, denn sie hat sich in den letzten Jahren oft als Anwalt der sicheren Kentechnik dargestellt. Sie sollte gerade auf einer Tagung die Möglichkeiten ergreifen, eine Versachlichung der medialen Debatte anregen, indem sie zur Diskussion einlädt. Das ist am Ende in Dresden passiert, aber Lauras Bericht klingt so, als sei diese Entscheidung nicht leicht gefallen.
Danke für die Diskussion
Danke für alle Ihre/Eure Meinungen; ich freue mich, dass ich hier eine kleine Diskussion anstoßen konnte.
Zwei Anmerkungen @ Florian Freistetter und Jan Gniesmer:
Mir geht es nicht unbedingt um Pressekonferenzen und Medienauftritte, sondern um eine interne Auseinandersetzung – auf der DPG-Konferenz wäre das doch DIE Chance gewesen, zeitnah zu diskutieren.
Zweitens: Podiumsdiskussion schön und gut, aber ich kritisiere, dass, falls sie überhaupt angekündigt wurde, dann gut versteckt. Natürlich kann und soll man nicht das Programm neu drucken. Aber man kann Plakate aufhängen, die darauf hinweisen. Ich habe verbegens darauf gewartet und von der Podiumsdiskussion erst hinterher rein zufällig erfahren.
@ Ludmila:
Mir ist bewußt, dass es noch weitere DPG-Frühjahrskonferenzen gibt. Die in Dresden ist aber doch mit Abstand die größte. Daher halte ich meinen Text – wie wir PhysikerInnen sagen würden – in erster Näherung für richtig. Dennoch danke für die Ergänzung.
Chance vertan…
Ich war selbst bei den erwähnten Vorträgen und kann das hier geschilderte Bild nur bestätigen. Im wesentlichen haben mich zwei Dinge gestört.
Erstens im Speziellen:
Im angesprochenen Vortrag “Vergleichende Bewertung von Stromerzeugungstechniken” wurden Kosten und Risiken diskutiert und nach bestimmten Algorithmen bewertet. Dabei kam die Kernkraft mit Abstand zum besten Ergebnis. Dass das in Anbetracht der neusten Geschehnisse in Japan Fragen aufwirft, sollte naheliegend sein. Der Redner stellte heraus, dass für jeden berücksichtigte Faktor der Erwartungswert in die Rechnung miteinbezogen wird. Dieser ist das Produkt aus Wahrscheinlichkeit für einen Zwischenfall und der Kosten, die er verursacht. Ich bezweifle sehr, dass ein Fall wie Fukushima in der vorgestellten Berechnung ausreichend repräsentiert wird. Zwar ist die Wahrscheinlichkeit wohl sehr klein, doch die Auswirkungen können immens sein. Man stelle sich vor, dass Tokio wirklich betroffen sein würde…
Leider wurden solchen Fragen vom Chairman unterbunden.
Zweitens hätte ich es gut gefunden, wenn besagte Podiumsdiskussion mit Plakaten angekündigt worden wäre.
Das hat mit Populismus und Aktionismus nichts zu tun. Im Gegenteil: ich finde, dass solche Themen von denen diskutiert werden sollten, die sich am meisten damit auskennen. Unsere Poltiker können nicht auf jedem Gebiet Experten sein (was einige auch recht anschaulich zeigen); eine Dabatte, die von Sachverständigen geführt wird, kann am ehesten helfen, wieder aufgrund von Fakten und nicht aufgrund von Emotionen Entscheidungen zu fällen. Die übereilte Abschaltung von Reaktoren, die vor dem Vorfall seltsamer Weise noch als sicher genug galten ist hier ein Paradebeispiel.
Da die meisten bei der DPG-Tagung anwesenden Physiker keine Experten hinsichtlich Kernkraft sind, bin ich überzeugt, dass ich nicht der einzige bin, der gerne etwas mehr Infrormationen von Sachverständigen erhalten hätte.
PS: Personengruppen wurden hier o.B.d.A. in Ihrer männlichen Form gewählt, um die Lesbarkeit zu erhalten.
Vermintes Gelände
Die Autorin spricht hier etwas an, dass leider nicht nur Physiker betrifft, aber angesichts der Katastrophe von Fukushima natürlich besonders ins Auge sticht. Eine eigene Meinung zu vertreten ist für Leute, die Karriere machen möchten, oft geradezu tödlich, da sie in erster Linie die Firmenphilosophie zu vertreten haben. Manche Fachleute trauen sich deshalb erst am Ende ihrer Berufslaufbahn kontroverse Untersuchungsergebnisse zu diskutieren.
Gestern war eine Sendung in Fernsehen (Kanal: Phönix) zu sehen, die sich mit der Katastrophe von Tschernobyl befasste. Erst durfte nicht sein, was nicht sein kann (Atomenergie ist sicher!), als sich die Katastrophe nicht mehr verheimlichen lies wurden Messergebnisse gefälscht oder verheimlicht, da man angeblich keine voreiligen Schlüsse ziehen wollte. (Genaue Statistiken zu den Ereignissen gibt es aber bis zum heutigen Tag nicht.) Zur Schadensbegrenzung wurden insgesamt 500 000 sog. Liquidatoren eingesetzt, meist einfache Menschen, die in keinster Weise über das Risiko aufgeklärt wurden und von denen eine ganze Reihe unter furchtbaren Qualen an den Strahlenschäden starb. Dem Rest verweigerte man häufig eine Entschädigung, da sie für ihre z.T. dramatischen Gesundheitsschäden nicht den Beweis erbringen konnten, dass es einen Zusammenhang mit Tschernobyl gab. Um evtl. Klagen abzuwehren hatte die russische Regierung vorher schon die Obergrenze für Strahlenwerte um das Fünffache raufgesetzt. Von den enormen Kosten die hier für die Steuerzahler entstanden sind und immer noch entstehen will ich jetzt gar nicht reden, obwohl Kernkraft von den Befürwortern immer noch als “billige” Energie angepriesen wird. Auch die Bundesregierung muss nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl noch jedes Jahr Entschädigungen für die verursachten Umweltschäden zahlen.
Siehe hier: http://www.abendblatt.de/…en-in-Deutschland.html
Allerdings bin ich über den rasanten Schwenk unserer Regierung in Sachen Kernenergie doch sehr erstaunt. Vor allem weil sie ja den Energiekonzernen vor nicht allzu langer Zeit noch sehr entgegengekommen ist. Falls die Regierung im Juni tatsächlich das endgültige Aus für die alten Meiler beschließen sollte, dürfte es eine juristische Auseinandersetzung geben. “Schon aus aktienrechtlichen Gründen gibt es natürlich die Notwendigkeit, die Dinge genau zu prüfen, was man hier tut”, sagt ein Kernkraft-Manager.”
Quelle: http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/1128213
Vielleicht sollte sich der eine oder andere schweigende Physiker doch einmal überlegen wem er hier u.U. in die Tasche arbeitet.
Nicht alle schweigen:
John Baez’ Initiative, die allerdings die Klimathematik in ihrer Gesamtheit umfasst, wäre da zu nennen.
und noch eine Ausnahme:
Hier in dem blog einer Physikerin.
Inwiefern steckt jemand, der sich auf Dauer in eine Psychiatrie einweisen läßt, weil er ahnt, daß sein Wissen grauenhafte Konsequenzen zeitigen könnte, denn “den Kopf in den Sand”? Es scheint mir naheliegender, von einem Sarkophag zu sprechen, in den er sich da gänzlich steckt. Wenngleich dieser Risse bekommen mag.
Die Stunde der Physiker?
In den letzten Tagen rief ich mehrmals die Seiten der DPG auf. Zunächst war ich ebenfalls etwas enttäuscht, dass nach den ersten Stellungnahmen vom 14. und 15.3. keine weiteren direkten Informationen geliefert wurden.
Ein Hinweis in einem Nachbarblog macht es aber vielleicht klarer: Dies ist nicht die Stunde der Physiker sondern die Stunde der Ingenieure. (Es hat ja keinen Zweck, im ZDF Statements abzugeben, wie H. Lesch es tat, die im Kern nur darin bestanden, dass “wir nicht genug wissen.”)
MfG H.-J. S.
fehlverstandene Verantwortung?
Ich war selbst auf der Tagung und ja, im offiziellen Programm hab ich ebenso wenig von Fukushima mitbekommen (bis auf eine Schweigeminute für die Opfer der Gesamtkatastrophe in Japan).
Es wäre allerdings interessant, wenn man die Internetseitenaufrufe von Tagungsmitgliedern im Nachhinein ansehen koennte – ich hatte naemlich jeden Morgen das Gefuehl, dass die Notebookfraktion sich sehr intensiv und ausfuehrlich ueber Fukushima informiert hat. Im persoenlichen Kreis waren so auch viele, sachlich fundierte – soweit die Faktenlage es hergab – Gespraeche moeglich. Und dabei wurden naturgemaess auch sehr fundierte Meinungen geaeussert.
Fuer mich stellt sich so auch die Frage, ob eine offiziellere Diskussion wirklich so sinnvoll gewesen waere – auch wenn der Arbeitskreis Energie der DPG auf der Tagung anwesend war, handelt es sich doch keineswegs um Experten fuer Kern- und Sicherheitstechnik. Die Kernphysiker waren im Uebrigen _nicht_ auf dieser Tagung. Was haette da eine notduerftig zusammengestellte, oeffentliche Diskussion zu Fukushima in ueberfuellten Hoersaelen bewirken sollen? Betroffenheit und Nachdenklichkeit war auch so bei vielen zu spueren. und breite Expertise war einfach nicht auf dieser Tagung vorhanden. Interessant waere ein Anwesenheitsbericht von der “geheimen” Podiumsdiskussion, um diese These zu untermauern oder zu widerlegen.
Zusammenfassend finde ich es nicht so enttaeuschend, dass die Physiker sich der Sache nur im kleinen Kreis angenommen haben. Denn Physiker haben keineswegs ein besseres Verständnis von Kerntechnik als jeder Interessierte, der sich mal ein paar Tage damit beschaeftigt hat. Man braucht keine mehrsemestrigen QM- und Kernphysik-Vorlesungen, um das Problem der Nachkuehlung zu verstehen.
Die angebliche hoehere Verantwortlichkeit der Physiker a la Karl Urban beruht aus meiner Sicht auf einer eklatanten Ueberschaetzung der Physik als Grundlage der Technik. Natuerlich stecken physikalische Prozesse in jeder Technologie, aber die konkrete Umsetzung ist doch recht haeufig nicht mehr wirklich physikalisch modellierbar. ganz zu schweigen von soziokultureller und wirtschaftlicher Einbettung der Technologie, die gerade bei Risikotechnologien eine wichtige Rolle spielt.
Was nicht heisst, dass wir den Kopf in den Sand stecken sollten, sondern eben so damit umgehen sollten, wie jeder andere verantwortungsbewusste Mensch auch – naemlich auf ausreichend Informationen aufbauend fundierte Schluesse zu ziehen, um bestimmte, sich selbst explizit vorausgesetzte Werte zu erreichen.
Es ist nicht Aufgabe einer Tagung und der DPG, hier eine Art Feigenblatt einer Stellungnahme zu liefern. Und wenn die Physiker wirklich auf den Diskussionskristallisationskeim einer Podiumsveranstaltung angewiesen waeren, waere das schlimm. Aus meiner Sicht ist und war es auch auf der Tagung keineswegs so. Es wurde nebenbei diskutiert und viele haben sich sehr fundiert informiert und ausgetauscht. und Meinungen gebildet und geaeussert.
Meinung ohne Information ist wertlos
Wie meine Vorredner schon angemerkt haben, sind die Informationen aus Japan recht dünn gesäht. Es gibt keinerlei Informationen, was im Detail alles ausgefallen ist und daher ist auch eine Bewertung der Situation recht schwierig. Ich bin auch kein Freund von schnellen Vermutungen, ohne dass fundierte Fakten vorliegen. Deswegen kann ich mir auch noch keine genaue Meinung dazu bilden. Die einzige Meinung, die ich mir bilden kann ist die, dass das Erdbeben wirklich extrem heftig gewesen sein muss, denn sonst hätten so viele Sicherheitssysteme nicht versagen können. Naja “versagen” ist da eigentlich auch schon das falsche Wort. Die Situation kommt mir dann schon so vor als wolle man ein Flugzeug ohne Flügel landen. Die einzige Lehre, die man nun daraus ziehen könnte wäre die, dass man wohl keine Kernkraftwerke mehr in erdbebengefährdete Gebiete baut oder die Sicherhheit ich solchen Gebieten nach oben korrigiert, was sich aber recht schwierig gestalten sollte. Jetzt Kernenergie für unsicher zu erklären ist genauso sinnvoll, wie das Fliegen einzustellen, weil ein Flugzeug vom Meteoriten getroffen wurde. Das ist eine Meinung. Und wie ich finde auch die einzige, die nach der derzeitigen Informationslage möglich ist. Da bedarf es doch keinem Physiker, um zu solchen Schlüssen zu kommen, sondern man muss nur die eigenen grauen Zellen aktivieren. Ohne ein so starkes Erdbeben wäre doch in Fukushima rein gar Nichts passiert.
Würde ich drauf angesprochen werden, würde ich mich auch nicht äußern, die Frage impliziert doch bereits nur was man da hören will. Entweder Pro oder Kontra Kernkraft, damit man dann die Quote stimmt. Es nervt wirklich langsam, dass man Meinungen mehr Gewicht beimisst als Fakten. Meinungen helfen doch nur weiter, wenn die Kompetenz der Person die sie ausspricht gesichert ist. Wer von Otto-Normal-Verbrauchern prüft das denn? Man findet immer jemanden mit Prof. oder Dr. den man Quotenwirksam die Meinung vertreten lassen kann. Mir fällt da die nette Diskussion mit schwarzen Löchern am CERN ein, die die Erde verschlingen werden … . Ich diskutiere gern mit Leuten anderer Meinung, aber nur wenn auch Fakten die Meinung unterstützen. Ansonsten kann man doch nur nebeneinaderstehen und mit den Schultern zucken: Meine Meinung, deine Meinung. Nur mit Fakten kommt man weiter und kann auch die eigene Meinung eventuell revidieren. Man ändert die Meinung doch nicht, weil man eine andere hört, sondern nur aufgrund von Informationen, die man vorher nicht hatte. Und von Fukushima gibt es nun mal noch keine genaueren Informationen.
Deswegen sehe ich da keine Verantwortung bei den Physikern die Leute ohne Grund zu verängstigen oder Entwarnung zu geben, obwohl es dafür keine Anzeichen gibt.
Goethe, Sprüche und Prosa:
“Man erkundige sich ums Phänomen, nehme es so genau damit als möglich und sehe, wie weit man in der Einsicht und in praktischer Anwendung damit kommen kann, und lasse das Problem ruhig liegen. Umgekehrt handeln die Physiker: sie gehen gerade aufs Problem los und verwickeln sich unterwegs in so viel Schwierigkeiten, dass ihnen zuletzt jede Aussicht verschwindet.”
Selbstkritisch haben viele Physiker diese Weisheit von Goethe verinnerlicht.
Wie sieht es mit da mit Journalisten und Politikern aus?
Physiker, zumal Atomphysiker könnten
einschätzen ob die Explosion von AKW 3 in Fukushima wirklich nur eine Wasserstoff-Knallgas-Explosion war. Warum nimmt man sich nicht die Videos und Strahlungskurven vom “Haupttor” vor und analysiert gemeinsam ob diese Daten zusammenpassen!?
Was sagt man (Physiker) z.B. zu der Aktion den Reaktor 3 mit Wasser aus Feuerwehrautos zu bespritzen? Meines Erachtens ist die Menge viel zu gering um den Kern merklich abzukühlen. Eine AKW kann ca. 7 Tonnen/h durch den Kern befördern. Soviel wurde hier von Außen während eines Tages gesprüht. Natürlich läuft der Kern nun auch nicht unter Last. Aber eine Abschätzung ob wir (die Japaner) hier nur beruhigt werden sollen durch Fachleute wäre dringend nötig.
Diskussion ist auch eine der Grundlagen von freier Wissenschaft. Wieso kastriert man sich selbst und wagt nicht zu diskutieren? Weil man Angst hat das Geld für die Forschung gestrichen zu bekommen? Forschung ist 100% abhängig von Staat und Industrie. Und die mögen keine Kritik durch abhängig Beschäftigte.
Wie abhängig die Forschung ist hat man doch beim Superconducting Supercollider in Amerika gesehen. Kaum war die UDSSR weg stellte man das Projekt ein. Das Militär sah keine Notwendigkeit für weitere massive Investitionen in Elementarteilchenphysik.
@F. Ulbricht Vergleich Fliegen/Atomkraft
“Jetzt Kernenergie für unsicher zu erklären ist genauso sinnvoll, wie das Fliegen einzustellen, weil ein Flugzeug vom Meteoriten getroffen wurde. Das ist eine Meinung.”
Zwei Dinge nur deswegen miteinander zu vergleichen weil sie ähnliche theoretische Wahrscheinlichkeiten beinhalten ist Irreführung und unwissenschaftlich.
Bei einem Flugzeugabsturz sterben die Leute an Bord. Die Vergleichsgruppe beim AKW wären die Bedienungsmannschaft.
Da ein AKW großflächig Landstriche unbrauchbar macht, wenn ein Super-GAU eintritt, sind die Ereignisse nicht vergleichbar.
@A. Debus
“Was sagt man (Physiker) z.B. zu der Aktion den Reaktor 3 mit Wasser aus Feuerwehrautos zu bespritzen? Meines Erachtens ist die Menge viel zu gering um den Kern merklich abzukühlen. Eine AKW kann ca. 7 Tonnen/h durch den Kern befördern. Soviel wurde hier von Außen während eines Tages gesprüht. Natürlich läuft der Kern nun auch nicht unter Last. Aber eine Abschätzung ob wir (die Japaner) hier nur beruhigt werden sollen durch Fachleute wäre dringend nötig.”
Und hier haben wir mal wieder ein Ingeniertechnisches Problem. Es wurde das Reaktorgebäude von oben mit Wasser besprüht, nicht um den Reaktor zu Kühlen (da kommt das garnicht an), sondern um das austrocknende Abklingbecken mit Wasser zu Füllen, weil das nun mal die beste Möglichkeit war.
Das selbe bei Block 4, da muss der Reakror nicht mal gekühlt werden, weil er keine Brennelemente mehr hat. Und ein Schwimmbecken (so kann man sich das AKB vorstellen) kann man eben mit solchen Maßnahmen befüllen.
Und bei den Explosionen gibt es nun mal nur a) H2 aus Zirkuniumoxidation (eher wohl ein Thema für Chemiker) oder Dampfexplosion. Kerntechnisch waren und sind die Reaktoren tot.
G.Heim
PS: Ich bleibe dabei, das das Ganze ein ingeniertechnisches Problem ist. Und für die Physiker, Chemkter, Statiker usw. Tonnen (nicht radioaktives 😉 ) Material in der Nachbearbeitung der aufgetretenen Effekte bereitstehen werden.
Dank an die Autorin Laura für diesen wirklich sehr aufschlussreichen Bericht. Ich kann Ihre Enttäuschung gut verstehen.
Ich kann nur hoffen, dass diese qualifizierte, aber schweigende Minderheit später einmal erkennt, dass sie Verantwortung für unsere Gesellschaft trägt. Es wird nicht darum gehen, nur einander zu beeindrucken, sondern sich eine Haltung anzueignen, die man auch öffentlich vertritt. Natürlich. Was denn sonst?
Und wer sich hier über mangelnde Faktenlage beklagt, der kann auch dazu seine Stimme erheben, und mehr Informationen einfordern. Die gleichen Physiker, die das nicht tun und sich einen schlanken Fuß machen, fallen dann später über die Medien her, wenn die sich auf wenig Fakten stützen müssen. Ich bin selbst Elektroingenieur und suche mir die Informationen im Netz zusammen. So gut das geht. Ich blogge darüber und engagiere mich auch politisch, eben DAMIT sich keine Pädagogen (wie der Herr Pofalla von der CDU) oder abgebrochen Kunststudenten der Sache annehmen..
Ich hoffe, dass da keine gehorsame, stille, brave Generation von Physikern heranwächst, sondern eine, die später Verantwortung übernehmen wird. Leute wie Laura lassen einen da hoffen.
Und eines müsst Ihr auch noch lernen: Es gibt keine Fakten. Nur Modelle. Und Interessen.
Fukushima – Eine Schmutzige Bombe
@A. Debus
Die Sache sieht wie folgt aus, A. Debus.
Zuerst sollte man aber wissen was ein Atomkraftwerk (AKW) überhaupt ist.
Ein Atomkraftwerk ist nichts anderes als eine Gezähmte Atombombe.
Hier eine grob vereinfachte Darstellung.
Sie haben zwei Mechanismen.
– Der eine Mechanismus ist der, der eine Bombe zu einer Atombombe macht. Das ist die Kernspaltung.
– Der zweite Mechanismus ist die Zähmung, die den Atombombenmechanismus (die Kernspaltung) zähmt. Das ist ein mit Wasser gefüllter und gekühlter Druckbehälter.
Die beiden Mechanismen sind miteinander verknöpft.
Eine kleine Atombombe steckt in einem mit Wasser gefüllten Druckbehälter und gibt ihre gesamte Energie nicht innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde, einer Explosion ab, sondern ganz moderat und gemütlich über einen Moderator, in diesem Fall Wasser, über einem langen Zeitraum ab. Das ganze wird über ein Steuerungssystem geregelt. Gekoppelt mit einer Turbine ergeben die beiden Mechanismen eine Atomangetriebene Dampfmaschine, ein AKW.
So, wenn also der zweite Mechanismus länger ausfällt, also der Druckbehälter oder nur die Kühlung des Druckbehälters, dann haben Sie kein AKW mehr vor sich stehen, sondern eine Atombombe mit einem gezündeten Zeitzünder.
Fairerweise sollte man jedoch dazusagen dass eine Atomare Explosion in einem AKW “nicht möglich ist”, was die Langzeitschäden für die Natur bei einer Explosion im betroffenen Gebiet wesentlich noch verschlimmert. Während bei einer Atomaren Explosion fast das komplette Spaltmaterial vernichtet wird, wird bei der Explosion eines AKWs das spaltbare Material in der Gegend verstreut.
@G.Heim
Ich bleibe dabei, das das Ganze ein ingeniertechnisches Problem ist. Und für die Physiker, Chemkter, Statiker usw. Tonnen (nicht radioaktives 😉 ) Material in der Nachbearbeitung der aufgetretenen Effekte bereitstehen werden.
Für Sie scheint das ganze wohl nur eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zu sein. Mehr Blendgranaten geht ja wohl kaum noch.
“sondern ganz moderat und gemütlich über einen Moderator, in diesem Fall Wasser”
Moderatoren moderieren nicht etwa die Heftigkeit der ungezähmten Kettenreaktion, sondern vielmehr die Geschwindigkeit der freigesetzten Neutronen. Dadurch wird die kritische Masse heruntergesetzt, sodaß die Kettenreaktion mit wesentlich weniger Brennstoff ablaufen kann, als ohne Moderatoren nötig wäre.
@Euro vs. DM
Der Versuch einen Kernreaktor in der ihnen eigenen bildhaften Sprache zu erkären scheitert in diesem Fall mit dem Verwenden der falschen Bilder.
Insbesondere diese Passage
“Fairerweise sollte man jedoch dazusagen dass eine Atomare Explosion in einem AKW “nicht möglich ist”, was die Langzeitschäden für die Natur bei einer Explosion im betroffenen Gebiet wesentlich noch verschlimmert. Während bei einer Atomaren Explosion fast das komplette Spaltmaterial vernichtet wird, wird bei der Explosion eines AKWs das spaltbare Material in der Gegend verstreut.”
zeugt von der Unkenntnis nicht nur komplexer sondern auch elementarer Zusammenhänge.
Ich spare mir hier weitere Ausführungen, da ich denke, dass die Leserschaft des Blogs bessere Vorkenntnisse haben als Sie vermuten.
Es ging hier darum, weshalb die Physiker zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Stellungnahmen abgeben wollen und können.
Die Stunde der Physiker schlägt, wenn fundierte Informationen über aufgetretene Effekte vorliegen.
Blendgranaten werden hier nur von Ihnen gezündet.
G.Heim
freundlicher Hinweis
Der Vorsitzende der Sitzung “Energiepolitik und Technologiepolitik” hat freundlich, korrekt und auch sachgerecht darauf hingewiesen, dass man in der anschließenden Sitzung “Kernspaltung” mit den dort vortragenden Fachleuten sicherlich die Fragen der Sicherheit der Kernenergie kompetenter diskutieren könne. Daraus macht Laura Hennemann und ihre Mitstreiter geradezu eine Verschwörung zur Unterbindung von kritischen Fragen zu Fukushima. Mit Verlaub: das ist doch albern – ja eigentlich schon ein bißchen hysterisch. Lehrreich ist, mit welcher Faktendürre man die Aufmerksamkeit so vieler Leser auf sich ziehen kann, wenn man geschickt die vorhandenen Vorurteile vertieft.
Natürlich wird sich der Arbeitskreis Energie (AKE) der DPG weiterhin sehr intensiv und wie bisher in einem breiten Meinungsspektrum mit der Kernenergie beschäftigen. Jedermann kann übrigens die Arbeit des AKE in dem von mir betreuten AKE-Archiv
http://www.uni-saarland.de/fak7/fze/
einsehen und jeder Physiker kann im AKE mitarbeiten.
Bleiben wir also rational – auch nach einer Katastrophe.
Gerhard Luther
nur verwundert und enttäuscht
Lieber Dr. Gerhard Luther,
ich halte den Tonfall meines Gastbeitrages keinesfalls für hysterisch. Sonst hätte ich anders formuliert als zu schreiben, dass ich mich am Kopf gekratzt habe, als die Frage unterbunden wurde.
Ich kann hier natürlich nur für mich sprechen: Ich habe weder Vorurteile noch glaube ich an eine Verschwörung. Ganz ehrlich nicht. Ich war nur verwundert und enttäuscht.
Danke für Ihren Beitrag, der wichtige Informationen liefert. Allein das hysterisch, das finde ich nicht so schön.
@ H.
So etwas finde ich auch nicht schön. Das stört nur in einer sachlichen Diskussion. Am besten blendest Du so etwas aus und gehst nicht weiter auf das Ablenkungsmanöver ein.
Das Kochen im eigenen Saft
Danke für diesen Beitrag. Ansonsten zeigt sich mal wieder Eines: Wissenschaftler kochen offenbar gern im eigenen Saft. Geeignete Öffentlichkeitsarbeit: Pustekuchen.
Der Artikel gibt genau diesen Eindruck wieder.
Da nützt es auch nichts, wenn der “Vorsitzende der Sitzung “Energiepolitik und Technologiepolitik” … darauf hingewiesen, dass man in der anschließenden Sitzung “Kernspaltung” … sicherlich die Fragen der Sicherheit der Kernenergie kompetenter diskutieren könne.”
Ist ja schön, noch schöner wäre es, wenn diese Information nicht einigen wenigen schwarzen Löchern vorbehalten, sondern an den Informationsständen verteilt gewesen wäre.
nochmal Gedanken
Ich moechte hier doch mal meine Verwunderung zum Ausdruck bringen, wie eine sinnvolle Diskussion denn in Form von Frage-Antwort in einem mehrere 100 fassenden Saal in der sowieso nur auf wenige Minuten bemessenen Fragenzeit entstehen soll.
Sicher waere es besser gewesen, wenn der Referent einfach kurz gesagt haette “tja, leider haben wir sowas nicht vorhersehen, und ja, wenn man das anders einpreist, ist Kernkraft ploetzlich viel teurer”. Plus anschliessendem Rumoren in Publikum, das gar nichts sagt und auch nicht ausdiskutiert werden kann.
Ist das wirklich das, was man sich von einer solchen Diskussion verspricht?
Nebenbei: vermutlich haette eine sauberer zugeschnittene Frage auch genau diesen Verlauf genommen, aber die Frage nach Fukushima zu stellen, ist ein riesiges Fass, was in diesem Rahmen nicht aufmachbar ist.
Man versetze sich mal in die Sitzungsleitung hinein…
Eine sinnvolle ausfuehrlichere Diskussion erfordert breite Expertise, und die war nicht vorhanden auf der Tagung. Das war eine wissenschaftliche Konferenz mit Themen, von denen sich vielleicht 0.1 % mit Kernkraft in Verbindung bringen lassen.
Physik ist nicht gleich Physik und ja, das macht was aus. Hätte eine hypothetische Konferenz, auf der ein Strahlenmediziner unter 1000 anderen vorgetragen haette, aus eurer Sicht auch eine Podiumsdiskussion zu fukushima organisieren sollen? Wenn euch das komisch vorkommt, warum sollte das bei den Physikern anders sein?
Die Physiker schweigen nicht.
Warum meinen eigentlich die meisten Physiker dass Kernkraft (AKWs) alternativlos sind?
Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach.
Ohne AKWs laufen ihre Spielzeuge wie z.B. der LHC nicht mehr, oder Zukunftsprojekte wie das ITER-Spielzeug sind dann auch auf einmal nur noch Ressourcen-Vernichtungsprojekte.
Als Berater der Politik fungieren Leute und Gesellschaften, deren Dasein von AKWs abhängt.
Ohne AKWs gäb’s die Leute gar nicht.
@Felix
“Eine sinnvolle ausfuehrlichere Diskussion erfordert breite Expertise, und die war nicht vorhanden auf der Tagung.“
Auf einem Vortrag zum Thema: “Vergleichende Bewertung von Stromerzeugungstechniken” fehlt die Expertise zu den allgemeinen Themen wie Sicherheit oder Kernkraft? Da fragt man sich doch was bei diesem Vortrag überhaupt miteinander verglichen und bewertet wurde. Oder war die ganze Veranstaltung nur eine reine Unterhaltungsschau?
Zum Beitrag L. Hennemann
Abgesehen davon, dass es aus verschiedenen Gründen nicht jedem Physiker möglich ist an der Veranstaltung der DPG teilzunehmen, (selbst wenn der Wohnort Dresden ist) sollte bedacht werden, dass sie vielleicht davon in Anspruch genommen waren, die ankommenden Informationen zu analysieren und für die Politik und die Öffentlichkeit aufzubereiten. Für mich und eine ganze Reihe von Wissen-schaftlern, die mit Fragen der kerntechnischen Sicherheit zu tun haben, war das so. Ich empfehle für seriöse Information die Seite der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit GmbH: http://www.grs.de. Im Mai findet in Berlin die Jahrestagung der Kerntechnischen Gesellschaft statt. Dort werden sich auch Physiker mit Einschätzungen äußern (www.kernenergie.de). Die öffentliche Meinung ist im Moment doch sehr aufgeheizt, notwendig erscheint mir hingegen solides Analysieren, bevor irgendwelche Entscheidungen getroffen werden.
@Dr. Jürgen Götz
“Die öffentliche Meinung ist im Moment doch sehr aufgeheizt, notwendig erscheint mir hingegen solides Analysieren, bevor irgendwelche Entscheidungen getroffen werden.”
Das ist genau auch meine Meinung. Aus Sicht der Wissenschaftler ist erst mal eine gründliche Analyse notwendig, bevor voreilige Schlüsse gezogen werden. Zu wenig ist über die tatsächliche Situation vor Ort bekannt. Da hilft auch kein lamentieren über eine “verfehlte” Informationspolitik der Japaner. Es sind keine belastbaren Fakten bekannt und Vermutungen helfen nicht weiter.
Ich frage mich aber, wie unter den gegebenen Umständen schon “Stresstests” für die KKW von Politik und Medien verkündet werden. Das ist Aktionismus pur.
Es ist zwar klar, das ner “Nebenkriegsschauplatz Abklingbechen” vernachlässigt wurde, aber welche anderen Prozesse in der Kausalkette eine Rolle gespielt haben, kann zu gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht belegt werden. Das ist wie bei deb “Bankenstresstests”.
G.Heim
Danke
dieser Beitrag war fast genau das, was ich gesucht habe, als ich das Stichwort “Physiker gegen Atomenergie” gegoogelt habe. Ich studiere Physik im 6.Semester und hatte gerade kurz vor Fukushima einen Versuch “Gamma-Spektroskopie”, den ich dann nach Fukushima auswertete. Und ich habe ein immenses Redebedürfnis, ich habe die Tagesschau geguckt und Deutschlandfunk gehört und fand nie genug Hintergrundinformationen, auch nicht über Kernkraft im Allgemeinen. Mit den Praktikumsleitern diskutieren zu wollen, ist müßig, die haben alle den Standpunkt, dass die Grünen und die Medien usw. nur Panik machen — das ist einfach frustrierend.
Es gibt übrigens an der Fakultät für Naturwissenschaft der Uni Magdeburg eine Unterschriftenliste gegen den Atomausstieg (wollte ich mal anmerken, weil du Stellungnahmen vermisstest), aber ich weiß nicht, was damit passiert und wie viele Leute unterschrieben haben.
Zur DPG: im aktuellen DPG-Journal befindet sich eine Fußnote, die besagt, wenn genug Informationen vorhanden sind, wird es einen umfassenden Beitrag im DPG-Journal geben. Mal sehen, wann das sein wird.
Ich empfinde es auch als ungeheuer wichtig, über das Studium/das eigene Fachgebiet in der Physik hinaus sich mit der Verantwortung als Physiker selbst auseinanderzusetzen, über den eigenen Tellerrand zu gucken und vor allem: nicht immer mit dem “Wir haben nicht genug Informationen”-Argument sich einer politischen Stellungnahme entziehen. Ich habe manchmal den Eindruck, dass Physiker erschreckend unpolitisch sind.
Viele Grüße aus Magdeburg,
Caro
@Caroline
Das bedeutet dann also, dass du von uns Physikern lieber eine unfundierte aber dafür klare Botschaft aus dem Bauch hören möchtest, als sachliche Informationen.
Ich denke auch das ist möglich, aber in dem Fall spricht der Physiker dann eben nicht mehr als Physiker sondern als Laie. Wir alle sind Laien auf fast allen gebieten und Physiker haben sicher auch Meinungen und Gefühle, die mit ihrem Fachgebiet nichts zu tun haben. Die wenigsten haben Kernphysik als Fachgebiet.
Wenn sich aber jemand aus dem Bauch heraus für oder gegen Atomkraft ausspricht, dann sollte er oder sie sich tunlichst nicht als Physiker ausweisen, denn das impliziert einen wissenschaftlichen Anspruch, sondern ganz einfach als Laie mit politischer Ansicht.
Die DPG tut gut daran, offizielle Standpunkte gut fundiert zu begründen.
Physiker empört euch! (?)
wäre ein Alternativtitel zu “Das Schweigen der Physiker”, denn die Autorin wünscht sich offenbar eine geharnischte Stellungsnahme von Seiten der Physiker gegen die Nukleartechnologie. Anmerkung: Es gibt übrigens ein Buch mit dem Titel Indignez-vous! (deutsch: Empört euch), das von einem Physiker stammt, jedoch vor allem als Staffelholz-Übergabe eines frühereren Resistance-Kämpfer (der er auch war) an die nächste Generation wahrgenommen wird.
Widerstand also gegen das Empörende. Doch verhält es sich nicht vielmehr so: Ein grosser Teil der deutschen Öffentlichkeit, der Medien und der politischen Parteien empörten sich tatsächlich äusserst lautstark gegen den atomaren Wahnsinn – allein es fehlten die Physiker! Von ihnen hörte man sehr wenig.
Ob das nun ein Sündenfall oder Ausdruck der gebotenen Zurückhaltung von Seiten der Physiker ist, sei dahingestellt. Viel wichtiger und mutiger jedenfalls als die Unterstützung eines gesellschaftlichen Konsens – wie es der Ausstieg-aus-der- Nukleartechnologie-in-D-lieber-heute-als-morgen darstellt – ist der begründete Dissens. Wichtig ist der Dissens dann, wenn es um eine Weichenstellung geht wie beim Göttinger Manifest der 18 Atomwissenschaftler vom 12. April 1957. Die Göttinger Achtzehn – es waren 18 bekannnte Atomwissenschaftler -wandten sich in diesem Manifest gegen die von Konrad Adenauer und Verteidungsminister Franz Josef Strauss angestrebte atomare Wiederaufrüstung der Bundesrepublik. Mitglieder der Göttinger Achtzehn begründeten übrigens 1959 die Vereinigung Deutscher Wissenschaflter (VDW), die sich einer verantwortlichen Wissenschaft verpflichtet fühlt. Zu Fukushima hat sich die VDW in einem offenen Brief an Bundeskanzlein Merkel geäussert.
Der Fall der Göttinger Achtzehn und des VDW zeigt uns übrigens auch beispielhaft, dass die Physiker eben nicht als geschlossene Gruppe auftreten. Vielmehr kann sich eine Gruppe von Physikern zu etwas bekennen und politisch Stellung beziehen. Wer im Namen eines Berufes gegen oder für etwas eintritt, will oft den für diesen Beruf typischen Ethos nutzbar machen. Die Organisation IPPNW (Abkürzung für International Physicians for the Prevention of Nuclear War) beispielsweise, die gegen alles Nukleare (nicht nur gegen Atomwaffen) Stellung bezieht, tut dies – so legt es der Name Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. nahe – aus humanitären, philantropischen Gründen. Wie ein Arzt gesundheitliche Gefahren, die seinen Patienten drohen, abwehrt, so geben die Internationale[n] Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges vor, die Unversehrtheit aller Menschen über die Ächtung der Nuklearenergie zu wahren. Das hat auch etwas Usurpatorisches an sich. Man sollte damit vorsichtig umgehen. Andererseits wird es den meisten klar sein, dass programmatische Bezeichnungen wie Theologen gegen den Zölibat oder Physiker gegen Atomkraft zu lesen sind als Die Theologen, die sich gegen den Zölibat wenden und Die Physiker, die die Atomkraft kennen und sie gerade deshalb ablehnen.
DPG macht in Teilen Atom-Lobbyarbeit
Ich habe mir jetzt noch Mal die Studie ‘Klimaschutz und Energieversorgung in Deutschland
1990 – 2020’angeschaut. http://www.dpg-physik.de/…o/klimastudie_2005.pdf
Sie ist ein empörendes Beispiel, dass auch angesehene Wissenschaftlerorganisationen sich mit auch scheinwissenschaftlichen Argumenten vor Interessenskarren spannen lassen.
Es wäre wünschenswert, in der DPG würde so etwas diskutiert und gemeinsam auf die Qualität von Studien geachtet! Auch und gerade wenn diese Studien politische Entscheidungen beeinflussen sollen.
Raimund Kamm
Nichtphysiker sondern Ökonom