Eyjafjallajökull: Am Ort des Geschehens

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Von Steinen bis zu den Sternen
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Allenthalben wird lamentiert. Rauchverbote werden gefordert. Zumindest für isländische Vulkane. Es ist zum in die Luft gehen. Wenn das Eurocontrol nur erlauben würde.

Eruptionswolke am 17. April 2010 (NASA)
Eruptionswolke am 17. April 2010 (NASA)

Der Eyjafjallajökull (zu deutsch etwa: Inselberggletscher) – mittlerweile können den Namen die meisten ModeratorInnen aussprechen – ist ein Glücksfall für die Isländer. Gewiss, unter dem Eispanzer schlummert ein Vulkan, was eine gefährliche Mischung aus Feuer und Eis mit sich bringt. Reagiert vulkanische Lava mit Wasser, sind Eruptionen umso explosiver. Nein: Eyjafjallajökull gehört zu den kleineren Gletschern Island. An seinen Flanken liegen nur wenige Höfe.

Explodieren subglaziale Vulkane, kommt es zu einem Jökulhlaup (wörtlich: Gletscherlauf) und Schmelzwasser dringt unter dem Gletscher hervor. Nicht Asche oder Lava stellen die unmittelbarste Gefahr der isländischen Kettenraucher Vulkane dar, sondern Jökulhlaups. Auch hier können die Isländer froh sein: Eyjafjallajökull entwässerte die geschmolzenen Massen über eine vergleichsweise schmale Sandur-Fläche, das Markafljótsaurar. Ein Sandur, oder Sander, ist eine Jökulhlaup-Auswaschebene aus grobem Gesteinsschutt und etlichen größeren Findlingen.

Warum hatten die Isländer Glück? Die letzte große Jökulhlaup ereignete sich im Herbst 1996. Der Vulkan Gjálp unter der größten Eiskappe Europas, dem Vatnajökull, brach damals aus. Die wenige Wochen andauernde Eruption führte übrigens genauso zu Einschränkungen im Flugverkehr, jedoch nur im Nordatlantikraum aufgrund für Mitteleuropa günstigerer Windbedingungen.

Die Eruption füllte den subglazialen See Grímsvötn mit Schmelzwasser, der ab einer kritischen Füllung überlief und dann binnen eines Tages zum zweitgrößten Strom der Welt anwuchs: Bis zu 45.000 m³/s Schmelzwasser ergossen sich ins Meer, an Wassermasse nur übertroffen durch den Amazonas. Die Ringstraße, Islands Hauptverkehrsstraße, wurde schwer beschädigt, zwei Flüsse verlagerten willkürlich ihre Flussbetten und das angespülte Sedimentmaterial verschob die Küstenlinie um 800 Meter ins Meer hinaus. Rund 750 km² neues Land entstanden. Bei der Besichtigung der Schäden sagte der damalige Ministerpräsident Davíd Oddson*, in wenigen Stunden sei Island im Straßenbau um 20 bis 30 Jahre zurückgeworfen worden.

Die Jökulhlaup von 2010 ist bei weitem nicht so schlimm [Nachtrag: selbst die Ringstraße wurde aktuell nur leicht beschädigt und ist bereits wieder repariert]. Als ich im März 2008 einen Ausflug in die Gegend machte, war es noch friedlich. Durch das Markafljótsaurar zogen ein paar Rinnsale, durch die wir mit unserem Leihwagen leicht furten konnten. Die Sanderebene ist erstaunlich weit und karg – so als warte die Natur schon auf den nächsten Ausbruch mit der damit verbundenen Flutwelle. Mancherorts liegen erstaunlich große Findlinge herum.

Markafljótsaurar (Karl Urban, CC-BY-SA)

(Karl Urban, CC-BY-SA)

Markafljótsaurar (Karl Urban, CC-BY-SA)

Markafljótsaurar (Karl Urban, CC-BY-SA)

(Karl Urban, CC-BY-SA)

Markafljótsaurar (Karl Urban, CC-BY-SA)

Markafljótsaurar (Karl Urban, CC-BY-SA)

Markafljótsaurar (Karl Urban, CC-BY-SA)

Dreht man sich an dieser Stelle um, steht man vor Gígjökull, einer Gletscherzunge des Eyjafjallajökull. Die Gletscherlagune Lónið ist hier noch gefroren, im Sommer driften Eisberge darüber.

Gígjökull (Karl Urban, CC-BY-SA)

Gígjökull (Karl Urban, CC-BY-SA)

Gígjökull (Karl Urban, CC-BY-SA)

Gígjökull (Karl Urban, CC-BY-SA)

Gígjökull (Karl Urban, CC-BY-SA)

Gígjökull (Karl Urban, CC-BY-SA)

Gígjökull (Karl Urban, CC-BY-SA)

Gígjökull (Karl Urban, CC-BY-SA)

Gígjökull (Karl Urban, CC-BY-SA)

Gígjökull (Karl Urban, CC-BY-SA)

Gígjökull (Karl Urban, CC-BY-SA)

Beim Ausbruch des Eyjafjallajökull kam es wie 1996 zu einer Gletscherflut, die aber weitaus kleiner ausfiel. Ein Großteil der Wassermassen trat aus dem Gígjökull aus und ergoss sich über das Markafljótsaurar in Richtung Meer. Es wird gemunkelt, die ausfließende Lava hätte die Lagune Lónið komplett ausgegossen. Die so malerische Landschaft existiert in dieser Form wohl gar nicht mehr. Auf einer aktuellen Aufnahme des deutschen Satelliten TerraSAR-X erkennt man gut, wie sich das Schmelzwasser seinen Weg gen Norden sucht, in Richtung Gígjökull. Gut erkennbar sind auch die drei Schlote direkt unter dem Gletscher.

TerraSAR-X: Eyjafjallajökull (DLR)

TerraSAR-X: Eyjafjallajökull (DLR)

*Der gleiche Davíd Oddson wurde später übrigens Zentralbankchef, gilt als Hauptverantwortlicher für den Crash des isländischen Bankensektors 2008 und schaffte es 2009 dennoch, Chefredakteur der größten Tageszeitung Morgunblaðið zu werden.

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Karl Urban wäre gern zu den Sternen geflogen. Stattdessen gründete er 2001 das Weltraumportal Raumfahrer.net und fühlt sich im Netz seitdem sehr wohl. Er studierte Geowissenschaften und schreibt für Online-, Hörfunk- und Print-Publikationen. Nebenbei podcastet und bloggt er.

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