Curiosity: Die Sache mit den Keimen

Vielleicht habt ihr es in einem Medium eures Vertrauens gelesen: Bei Spiegel Online, Welt oder ZEIT. Curiosity ist eventuell verunreinigt. Der Rover könnte Leben bei sich haben, von der Erde eingeschleppte Mikroben. Und das nicht, weil die NASA vorher nicht daran gedacht hätte: Ingenieure sollen schlicht die Hygieneregeln im Reinraum nicht eingehalten haben.

Der Galekrater in ferner Zukunft - stammt dieses Leben vom Mars? (Bild: Big Daddy Dune, Namibia /  hobgadlng auf flickr / CC-BY-ND 2.0)
Der Galekrater in ferner Zukunft – stammt dieses Leben vom Mars? (Bild: Big Daddy Dune, Namibia / hobgadlng auf flickr / CC-BY-ND 2.0)

Bemerkenswert ist die Nachrichtenwelle schon wegen des Timings (Google News listet 100 deutsch- und hunderte englischsprachige auf). Am 9. September hatte zunächst die NASA berichtet, dass der Roboterarm seinen Betrieb aufnimmt. Noch am gleichen Tag erschien ein Artikel der LA Times, auf den sich die gesamte deutsch- und englischsprachige Welle bezieht: Der Bohrer am Roboterarm sei vielleicht biologisch verunreinigt. Ingenieure hätten die strikten Vorgaben missachtet, mit der Raumfahrzeuge vor dem Start behandelt werden. Catharine Conley, eine NASA-Beamtin für Planetary Protection, wird zerknirscht zitiert.

"They shouldn’t have done it without telling me," she said. "It is not responsible for us not to follow our own rules."

Zunächst: Der Vorwurf ist alt. Kurz nach dem Start im November 2011 erschien auf Space.com ein Artikel mit identischen Vorwürfen und verblüffend ähnlich klingenden Zitaten von Catherine Conley.

"It would have been better for them to check with me before they opened the box of bits to confirm that it was okay … rather than trying to ask for it afterwards," she said. "In this case it was fine. But for future missions we want to make sure that they ask beforehand."

Offenbar hat die LA Times die Vorwürfe also nur in PR-technisch besten Moment wieder wiederbelebt.

Was dran ist: Erdmikroben auf Mars

Tests am Roboterarm Curiositys im Reinraum (Bild: NASA/JPL-Caltech)
Tests am Roboterarm Curiositys im Reinraum (Bild: NASA/JPL-Caltech)

Catharine Conley hat recht. Es gibt lange vor der Konstruktion Regularien darüber, wie Raumfahrzeuge reingehalten werden müssen. Besonders betrifft das Reiseziele wie den Mars, die potentiell Leben beherbergen können. Denn würden wir dorthin ständig irdisches Leben schicken, würde das die Suche nach den mikrobischen Marsianern nicht einfacher machen.

Bei Curiosity lief die Aushandlung der Regeln 2005, also etliche Jahre vor dem Start. Diese Bestimmungen wurden tatsächlich nur wenige Monate vor dem Start, im Sommer 2011, an entscheidender Stelle gebrochen. Ingenieure hatten sich kurzfristig entschieden, einen von drei Bohrköpfen Curiositys nicht wie geplant in einer Box zu lagern, sondern bereits an der Bohrmechanik zu befestigen. Damit war dieser Bohrer im Reinraum einer etwas stärker keimhaltigen Umgebung ausgesetzt als vorgeschrieben.

Gerade für den Bohrer ist das relevant, der ja nicht nur am Staub kratzen soll, sondern bis zu fünf Zentimeter ins Gestein bohren soll. Dort könnten Marsmikroben leben, die sich hier effektiv vor der aggressiven UV-Strahlung der Marsoberfläche verstecken.

Aber wahrscheinlich ist das nicht: Der Galekrater liegt nämlich in der wasserarmen Äquatorprovinz des Mars, wo es ausgesprochen trocken ist – und Signaturen für Wassereis eher selten sind. Eine intensive Risikoanalyse des Büros von Catharine Conley hatte alle nur denkbaren Probleme der Curiosity-Mission erwogen. Besonders riskant wäre ein Absturz gewesen, weil dann die radioaktive Stromversorgung des Rovers über Jahrzehnte Wärme abgegeben hätte. Dadurch hätte sie für die mitgebrachten Erdlinge unkontrolliert lebensfreundliche Bedingungen schaffen könnte.

Auf dieser Grundlage hatte das Büro einen Sporen-Grenzwert festgelegt: Das gesamte Raumfluggerät samt Rover, Flugstufe und Landesystem sollte nicht mehr als 500.000 bakterielle Sporen enthalten. Eine letzte Analyse vor dem Start stellte laut NASA gerade mal 278.000 Sporen fest.

David Lavery, verantwortlich für Sonnensystemforschung im NASA-Hauptquartier, sagte mir letzte Woche zur biologischen Reinheit von Curiosity:

The Curiosity rover is actually the cleanest rover NASA has ever sent to Mars. At the point what we have seen at Gale crater and the expected science activities there will be no probabitions against any sort of planned drilling activities based on what we have seen so far and what we expect the rover will do and where it gonna go.

Eine Einschätzung, die übrigens auch Catharine Conley im November 2011 schon vertrat:

Conley emphasized that the Curiosity assembly team and technicians did an excellent job of keeping Curiosity cleaner than any robot that NASA’ s sent to Mars since the Viking lander in the 1970s.

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Karl Urban wäre gern zu den Sternen geflogen. Stattdessen gründete er 2001 das Weltraumportal Raumfahrer.net und fühlt sich im Netz seitdem sehr wohl. Er studierte Geowissenschaften und schreibt für Online-, Hörfunk- und Print-Publikationen. Nebenbei podcastet und bloggt er.

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