AstroGeo Podcast: Tschernobyls Wildschweinbraten

Weißer Rasling (Bild: CC-BY-SA Bernie Kohl / Wikimedia Commons)
Der Pilz Weißer Rasling
Weißer Rasling (Bild: CC-BY-SA Bernie Kohl / Wikimedia Commons)

Am 26. April 1986 verteilt sich von Tschernobyl in der heutigen Ukraine radioaktives Material über große Teile Europas. Obwohl bei uns vergleichsweise wenig Nuklide ankommen, sind die Folgen bis heute messbar und beeinträchtigen teilweise sogar Lebensmittel aus den Wäldern Deutschlands.

In dieser Folge unterhält sich Gastmoderator Faldrian mit Karl Urban über die Auswirkungen von Tschernobyl. Die waren zwar besonders für die Landwirtschaft in Deutschland kein Thema mehr, aber in den Wäldern gibt es bis heute gegentlich erhebliche Belastungen. Bei Wildschweinen scheinen die Messwerte aus unbekannten Gründen sogar zuzunehmen.

Audio

Links

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

https://www.astrogeo.de

Karl Urban wäre gern zu den Sternen geflogen. Stattdessen gründete er 2001 das Weltraumportal Raumfahrer.net und fühlt sich im Netz seitdem sehr wohl. Er studierte Geowissenschaften und schreibt für Online-, Hörfunk- und Print-Publikationen. Nebenbei podcastet und bloggt er.

5 Kommentare

  1. Warum ist die Belastung von Wildschweinen mit Cäsium 137 gleichbleibend bis leicht angestiegen?

    Die Prozesse für dieses “Mysterium” sind bekannt. Wie im Podcast angesprochen wird der Wald nicht umgepflügt und somit gelangt weniger Cäsium in tiefere Schichten oder wird ausgewaschen. Der Wald bildet einen geschlossenen Stoffkreislauf. Zu diesem gehört jedoch nicht nur der saure und humusreiche Waldboden, der Cäsium besonders gut speichert, sondern auch die Fichtenbäume aus denen ein Großteil des Bayerischen Waldes besteht. Nadelbäume wirken wegen ihrer dichten Oberfläche wie ein Filter, sie nahmen nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl viele radioaktive Partikel aus der Atmosphäre auf. Ihre Nadeln sitzen mehrere Jahre am Baum, dann werden sie braun und fallen ab, um einen neuen Nadeljahrgang Platz zu machen. Fallen Nadeln, Zapfen oder Zweige vom Baum gelangt erneut radioaktives Cäsium in den Waldboden, wo es für Pflanzenwurzeln oder Pilze verfügbar ist. Auswirkungen hat das auf jene Wildtiere, die fast ausschließlich im Wald leben. Am höchsten mit Cäsium belastet sind Wildschweine, weil sie die oberflächennahe Bodenschicht nach Futter durchwühlen. Mit der Nahrung aufgenommenes Cäsium wird aufgrund der chemischen Ähnlichkeit zu Kalium im Magen-Darm-Trakt resorbiert und wie Kalium vorwiegend im Muskelgewebe gespeichert. Daher die hohe Belastung!

    • Naja, das Ganze wäre logisch nachvollziehbar, würde das Cäsium nicht zerfallen. Tatsächlich ist ja heute die Hälfte des Cäsium-137 bereits zerfallen. Und trotzdem ist die Belastung belasteter Wildschweine über die letzten 30 Jahre gleichbleibend bis höher.

      Und natürlich ist es so, dass die Nahrungsquellen teilweise aus Bodentiefen stammen, wo das verbliebene Cäsium bis heute liegt. Aber auch da müsste die Belastung ja durch den radioaktiven Zerfall zurückgegangen sein. Oder zumindest müsste der Zerfall durch sehr starke Anreicherungseffekte aufgewogen worden sein. Was schon deshalb unwahrscheinlich ist, weil sich Stoffe in der Natur eher verteilen als konzentrieren.

      Es gibt ergo einige Erklärungsansätze. Aber offenbar ist nichts davon belegt.

      • Ich verstehe ehrlich gesagt Ihr Problem nicht ganz!

        Auch wenn die Hälfte des Cäsiums schon zerfallen ist, wird es durch den Abwurf von Baummaterial z.T. wieder ersetzt. Hinzu kommt, dass der Lieblingspilz der Wildscheine, die Hirschtrüffel, das Cäsium besonders gut speichern kann. Dementsprechend wird die Hirschtrüffel in diversen Untersuchungsberichten auch als Hauptursache für die hohe Kontamination von Wildschweinen mit Cäsium 137 genannt.
        SPON schrieb bereits im Jahre 2005, dass in den kommenden Jahrzenten nicht mit einem nennenswerten Rückgang der Kontamination von Wildscheinen zu rechnen sei.

        http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/tschernobyl-unfall-bayerns-wildschweine-strahlen-noch-immer-a-371239.html

        Siehe auch:
        http://www.environmental-studies.de/Radiooekologie/caesium/Cs_6/Cs_10/cs_10.html

        • Also:

          1) Das Problem ist nicht neu, in der Tat. Habe ich auch nicht behauptet. Tatsächlich gibt es aber Ämter (wie das LFU in Bayern), die allein den (leichten) Anstieg der Kontamination nicht aus ihren Daten ableiten können wollen.

          2) Tschernobyl ist 30 Jahre her, alles was die Baumnadeln also direkt aus der Atmosphäre / dem Niederschlag aufgenommen haben, ist längst auf dem Waldboden gelandet. Sicher resorbieren die Bäume über die Wurzeln wieder neues Radiocäsium, aber ich bezweifle, dass es viel ist. Zumindest Blätter und Beeren von Laubgewächsen nehmen fast kein Cäsium auf. Deshalb sind Rotwild und andere Pflanzenfresser heute auch kaum noch cäsiumbelastet.

          3) Ja, Hirschtrüffel und andere Pilze spielen für die Belastung der Wildschweine die Hauptrolle, das ist sicher unstrittig. Allerdings sind die Ernährungsgewohnheiten der Wildschweine eben sehr unterschiedlich, je nach Region, Klima, Populationsdichte und entsprechend dem Nahrungsangebot. Einfach abzuleiten “das ist so wegen den Pilzen”, geht deshalb nicht. Das sagt ja auch der zweite Link.

          Die genannten Quellen sind immerhin auch schon wieder 10 Jahre alt. Ich finde es deshalb schon erstaunlich, das der Trend offenbar immer noch anhält.

          Ich glaube, dass hier zwei Punkte zusammen kommen, die es eben doch zu einem wissenschaftlichen Rätsel machen. Es ist sind eigentlich zwei methodische:

          Die Verteilung des Fallouts und vom Cäsium-137 ist nicht sonderlich gut bekannt. Auch, wie sich das Cäsium heute verhält, ob es seine chemischen Eigenschaften verändert hat, ob es seine Wasserlöslichkeit geändert hat.
          Wildschwein-Populationen sind nicht gut zu untersuchen. Sie ändern sehr schnell ihre Ernährungsweise. Der Bestand kann extrem schnell zunehmen.

          • Wie bereits in meinem ersten Kommentar erwähnt, spielen bei dem Problem mehrere ungünstige Faktoren eine Rolle. Es gibt jedoch keine Studien, die die von Ihnen aufgeworfenen Fragen klären könnten.

            Pünktlich zum dreißigsten Jahrestag der Reaktorkatastrophe kam in der Gemeinde Ortenburg in Bayern, die ebenfalls zu den stark kontaminierten Gebieten gehört, doch tatsächlich ein weißes Wildschwein zur Welt. Der Frischling ist kein Albino, hat also keine roten Augen, sondern ein Mutant. Mutationen kommen in der Natur natürlich öfter, aber bei Wildschweinen werden einige Leute doch hellhörig.

            http://tinyurl.com/zfpfzke

Schreibe einen Kommentar