Mondauto gefunden – Privatastronaut glücklich

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Wer eine Sache für teures Geld erwirbt hat gerne Gewissheit über ihren Verbleib. Richard Garriott war sich die letzten Jahre über den Standort einer von ihm erworbenen Mobilie nicht so ganz im Klaren. Doch nun konnte ihm die NASA helfen. Eine Organisation, die einst nichts von ihm wissen wollte. Verwirrend? Gut, fangen wir von vorne an…

Mondrover Lunochod 2

Vor ziemlich genau 37 Jahren, am 15. Januar 1973 landete die russische (seinerzeit sowjetische) Mondsonde Luna 21 im 55 Kilometer durchmessenden Krater Le Monnier. Nach der Landung klappte die Sonde zwei Rampen nach unten, auf denen wenig später der 840 Kilogramm schwere Mondrover Lunochod 2 auf die Oberfläche rollte. Die nächsten vier Monate verrichtete das sechsrädrige Fahrzeug emsig alle geforderten Aufgaben, bevor es am 3. Mai 1973 etwas überraschend seinen Dienst aufkündigte und sich nicht mehr meldete. Bald legte sich der Mantel des Vergessens über dieses Relikt des sowjetisch-amerikanischen Wettrennens zum Mond.

Landestelle von Lunochod 2 am Südrand des Kraters Monnier im Mondatlas…

…und im Foto

Niemand wusste so ganz genau, wo Lunchod 2 denn nun gestrandet war. Dies hielt die Russen aber nicht davon ab, sich in den finanziell klammen Tagen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wieder ihres Oldtimers auf dem Mond zu erinnern und den Rover  (und seine Luna 21-Landestufe gleich mit) zum Verkauf anzubieten. Im Dezember 1993 wurden de Lander und das Mondauto bei einer Sotheby’s-Aktion in New York versteigert. Das höchste Gebot kam von einem gewissen Richard Garriott, und so gingen insgesamt zwei Tonnen bester – wenn auch recht abgelegen positionierter – sowjetischer Raumfahrttechnik für 68.500 $ in seinen Besitz über.

Nach dieser eher anekdotischen Randnote der Raumfahrtgeschichte geriet Lunochod 2 erneut in Vergessenheit. Bis zur letzte Woche. Da wurde er von der amerikanischen Raumsonde Lunar Reconnaissance Orbiter aufgefunden. Ein Umstand, der naturgemäß das Interesse seines Besitzers weckte. Und das Interesse der Öffentlichkeit AUF den Besitzer.

Der ist nun nicht gerade irgendwer. Er ist zunächst der Sohn des US-Astronauten Owen Garriott. Garriott Senior absolvierte eine 60 Tage-Mission auf der ersten US-Raumstation mit der Bezeichnung Skylab ziemlich genau zu der Zeit, als sich Lunochod 2 zum letzten Mal aus dem Krater Le Monnier meldete. Garriott junior wäre übrigens auch gerne in die Fußstapfen seines Vaters getreten. Die NASA winkte jedoch ab. Aus medizinischen Gründen. Seine Augen seien zu schlecht für einen Raumflug, meinten sie.

"Privat-Astronaut" Richard Garriott

Das konnte Richard Garriott‘s Raumfahrtbegeisterung jedoch nicht bremsen. Er wurde ein erfolgreicher Entwickler von Videospielen und brachte es dabei zu beträchtlichem Reichtum. Sein Vermögen war ausreichend groß, dass er der russischen Raumfahrtagentur 30 Millionen Dollar dafür bezahlen konnte, dass sie ihn in einer Sojus-Raumkapsel zur Internationalen Raumstation mitnahm. Er war der insgesamt sechste Privatastronaut weltweit, der bis dahin auf eigene Kosten in den Orbit flog.

Die Auswertung der Bilder des Lunar Reconnaissance Orbiter ergab, dass Lunchod 2 seinerzeit etwa 40 Kilometer auf der Oberfläche des Erdtrabanten zurückgelegt hatte. Das ist bis heute der Rekord für die weiteste Fahrstrecke auf dem Mond. Zum Vergleich: Der Mars-Rover Opportunity der NASA hat derzeit gut 19 Kilometer zurückgelegt (na gut, auf dem Mars, wir reden ja vom Mond). Die Moon-Buggies der Apollo-Missionen 15, 16 und 17 wurden von ihren Besatzungen jeweils etwa 20-25 Kilometer weit gefahren. Lunochod 1 kam zwei Jahre vor Lunochod 2 nur 10,5 Kilometer weit.

Übersicht über die gesamte Fahrtroute Lunochod 2

Die Lunochod-Rover bezogen ihre elektrische Energie über Solarzellen. In der 14tägigen Mondnacht war somit kein Fahrbetrieb möglich. Damit die Instrumente in der Kälte nicht einfroren, wurden sie während dieser Zeit mit einem Radioisotopen-Generator beheizt, der mit Polonium 210 betrieben wurde.

Den Grund, warum Lunochod 2 einst seinen Dienst quittierte, beschreibt der "International Atlas of Lunar Exploration" auf den Seiten 357 – 379 wie folgt: "Gegen Ende des Mondtages fuhr der Rover mit der Sonne im Rücken und schlechter Sicht. Dabei wurde er versehentlich in einen kleinen Krater gelenkt. Beim Versuch ihn wieder herauszumanövrieren stieß die offene Klappe (mit den Solarzellen), die nach hinten über den Rumpf des Rovers hinausragte, an den Kraterwall, worauf sie und ihre Solarzellen teilweise mit Mondmaterial bedeckt wurden. Das Bodenteam stellte einen Abfall in der Energieleistung fest, betrachtete das jedoch nicht als ernsthaftes Problem. Als aber wenig später die Klappe geschlossen wurde, um den Rover während der Mondnacht warm zu halten, ergoss sich dieses Mondmaterial auf die Kühler, deren Zweck es war, den Rover während des Mondtages vor Überhitzung zu bewahren…Am 8. Mai wurde Lunokhod 2 wieder geweckt und die Fahrt in Richtung eines Hügels mit der Bezeichnung "Fernes Kap" fortgesetzt. Aber schließlich überhitzte er und versagte einige Tage nach Beginn des fünften Mondtages. Bevor er seinen Dienst einstellte wurde er jedoch noch so platziert, dass der Laser-Reflektor weiter genutzt werden konnte. Im Jahre 2005 war er noch in Gebrauch".

Die Fahrstrecke von Lunochod in den letzten Wochen vor seinem Ende

Machen Sie sich selbst ein Bild von den letzten Kilometern des Lunochod. Hier der Bildstreifen des Lunar Reconnaissance Orbiter, auf dem die Fahrspuren und der Rover selbst abgebildet ist. Das in dieser Aufnahme abgebildete Areal ist mehrere Quadratkilometer groß. Um die Fahrspuren des Mondautos aufzufinden stellen Sie die Lupenfunktion zunächst auf eine mittlere Auflösung, gehen dann in die Bildmitte und identifizieren zunächst einen hellen Krater am rechten Rand einer grabenartigen Geländeformation. Dann gehen Sie nach rechts, stellen auf höchste Auflösung und versuchen das Schicksal des sowjetischen Mondautos selbst zu ergründen. Folgen Sie den Fahrspuren bis zu ihrem Ende.

Hier ist das Bild des allerletzten Abschnitts von Lunochods Mondfahrt. Er beginnt an dem kleinen Krater (schwarzer Pfeil) in dem das Unheil seinen Anfang nahm, bis zum Punkt (weißer Pfeil) an dem er schließlich endgültig aufgeben musste..

Um den Vorgang vollständig zu rekonstruieren müsste man das Fahrzeug am besten direkt vor Ort unter die Lupe nehmen. Richard Garriott selbst sieht  durchaus Chancen, diese Überprüfung noch persönlich vornehmen zu können. Auch wenn die NASA ihr Mondprogramm gerade eben eingestellt hat. Garriott setzt seine Hoffnungen auf die private Raumfahrt. Der ist auch sein Astigmatismus egal.

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Post Scriptum: Eigentum kann man nur an Sachen erwerben, die auf den Mond gebracht oder dort hergestellt wurden. Eigentum am Mond selbst, oder an Teilen von ihm, kann man nicht erlangen, ganz gleich was in der Boulevardpresse  kolportiert oder von windigen Immobilienhändlern behauptet wird. Warum das so ist lesen Sie hier.

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Ich bin Raumfahrt-Fan seit frühester Kindheit. Mein Schlüsselerlebnis ereignete sich 1963. Ich lag mit Masern im Bett. Und im Fernsehen kam eine Sendung über Scott Carpenters Mercury-Raumflug. Dazu der Kommentar von Wolf Mittler, dem Stammvater der TV-Raumfahrt-Berichterstattung. Heute bin ich im "Brotberuf" bei Airbus Safran Launchers in München im Bereich Träger- und Satellitenantriebe an einer Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technik tätig. Daneben schreibe ich für Print- und Onlinemedien und vor allem für mein eigenes Portal, "Der Orion", das ich zusammen mit meinen Freundinnen Maria Pflug-Hofmayr und Monika Fischer betreibe. Ich trete in Rundfunk und Fernsehen auf, bin Verfasser und Mitherausgeber des seit 2003 erscheinenden Raumfahrt-Jahrbuches des Vereins zur Förderung der Raumfahrt (VFR). Aktuell erschien in diesen Tagen beim Motorbuch-Verlag "Interkontinentalraketen". Bei diesem Verlag sind in der Zwischenzeit insgesamt 16 Bücher von mir erschienen, drei davon werden inzwischen auch in den USA verlegt. Daneben halte ich etwa 15-20 mal im Jahr Vorträge bei den verschiedensten Institutionen im In- und Ausland. Mein Leitmotiv stammt von Antoine de Saint Exupery: Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Menschen zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge zu verteilen und Arbeit zu vergeben, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten unendlichen Meer. In diesem Sinne: Ad Astra

7 Kommentare

  1. Schöne Geschichte

    Da will ich mal hoffen, dass dem Enthusiasten Garriott noch eine Besichtigung seines Autos gelingt. Er ist jedenfalls der erste Oldtimersammler, der mir sympathisch ist.

  2. Espressomaschine

    Das Ding sieht aus wie aus einem dieser billig produzierten Science Fiction Filme aus den 60-er Jahren, eine Espressomaschine, made on mars 🙂

  3. Espressomaschine

    Made in USSR, aber das war in den späten Sechzigern und frühen Siebzigern auch – gefühlt – so weit entfernt wie der Mars, oder zumindest der Mond. Und es sieht wirklich kultig aus. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich Ingenieure von Science Fiction (und sei es billige) inspirieren lassen. So wird aus Bildern in den Köpfen Realität.

  4. Don’t diss Oppy!

    Opportunity hat bis jetzt 12 MEILEN zurückgelegt, nicht 12 km. Das sind 19.4 km, also immer noch lange nicht so viel wie Lunochod 2.

    Ich wette, MSL (“Curiosity”) mit seiner nuklearen (RTG) Stromversorgung wird den Rekord brechen.

  5. Oppy forever

    Ups, stimmt. Und dabei ist “Oppy” auch noch viel kleiner. Sagen wir also mal so: Lunochod 2 hält den Streckenrekord im Sonnensystem für Radfahrzeuge außerhalb des Planeten Erde.

    Höchstwahrscheinlich.

    Und nicht zu vergessen: Oppy ist noch gar nicht fertig mit Fahren.

  6. Lunochod 2 steht woanders!

    Vielen Dank für den Hinweis und den Link. Ich hab die Ergänzung und ein paar zusätzliche Bilder gleich in den Beitrag eingebaut. Raumfahrt-Archäologie ist doch was Schönes…

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