Kosmos der Frauen in Wien

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Der Bericht über die außerordentlich erfolgreiche „Yuri‘s Night“ des Vorjahres im Naturhistorischen Museum der Stadt Wien  endete seinerzeit mit den Worten: „Wir freuen uns auf eine rauschende Yuri’s Night am Freitag, dem12. April 2013 im Wiener Planetarium“. Genau diese „rauschende Yuris Night“ wurde es dann auch tatsächlich an diesem 12. April 2013.  Die inzwischen fünfte Yuri‘s Night in Wien war eine Veranstaltung der Superlative.

Mazlan Othman von der UNOOSA hielt die Keynote-Rede. Bild: Jürgen Wrba

Hatte „Der Orion“ als Organisator bei den beiden ersten Veranstaltungen noch das Problem, günstige und akzeptable Räumlichkeit aufzutreiben, gehört diese Sorge inzwischen der Vergangenheit an. Angebote für kostenlose und schöne Veranstaltungsräume kommen inzwischen ungefragt, denn die Yuri‘s Night in Wien erwies sich erneut als Besuchermagnet. der jeder Institution, die sie beherbergt, Reputation bringt.

Bereits vor Beginn der Einlasszeit hatte sich eine erhebliche Menschenmenge versammelt. Zehn Minuten vor Veranstaltungsbeginn waren alle 120 Stühle bis auf den letzten Platz belegt. Minuten Gleich darauf waren auch keine Stehplätze mehr zu bekommen. Zu diesem Zeitpunkt waren die insgesamt 180 Platzkarten allesamt vergeben. Nachdem aber immer noch Menschen hereinströmten legten die Techniker des Planetariums kurzerhand eine Tonleitung in die Eingangshalle damit die später gekommen Besucher zumindest akustisch an der Veranstaltung teilnehmen konnten.

Begonnen hatte die Yuris Night Wien 2013 eigentlich schon am Vorabend in einem Wiener Programmkino mit einem Dokumentarfilm der ungarischen Regisseurin Marian Kiss über die Kosmonauten des Interkosmos-Programms. Dieses sowjetische Raumfahrtprogramm lief zwischen März 1978 und August 1988. Dabei unternahm je ein „Fluggast“ eines der sowjetischen „Bruderländer“ zusammen mit einem russischen Kommandanten einen jeweils einwöchigen Flug zu den Raumstationen Salut 6, Salut 7 und Mir.

Das Freitagsprogramm begann um 18:00 Uhr mit einer launigen Einführung durch den Planetariums-Direktor Werner Gruber. In Österreich und im süddeutschen Raum ist Gruber weniger durch seinen „Brotberuf“ bekannt, denn vielmehr als Mitglied des Wissenschafts-Kabaretts „Science Busters“.

Die Moderation der Veranstaltung führte professionell, spritzig und charmant Monika Fischer von „Der Orion“ durch. Sie war, zusammen mit Maria Pflug Hofmayr, auch für die Organisation des Events zuständig und fungierte zum zweiten Mal als die „Anchor-Woman“ der Veranstaltung.

Offiziell eröffnete nach Werner Grubers Einführung die Direktorin des UN-Büros für „Outer Space Affairs“ (UNOOSA), Mazlan Othman, die Veranstaltung mit ihrem Keynote-Vortrag zum Thema „Die UNO und der Weltraum“. Dabei referierte sie über das Komitee zur friedlichen Nutzung des Weltraums (COPUOS) und die Aufgaben des Weltraumbüros der UN (UNOOSA).

Lisa Kaltenegger (links) und Moderatorin Monika Fischer (rechts). Bild: Jürgen Wrba

Danach war die Reihe an der renommierten Astrophysikerin Lisa Kaltenegger,  die über „Die faszinierende Suche nach einer zweiten Erde“ sprach. Mindestens ebenso so faszinierend wie das Thema war die Referentin selbst, die mit entwaffnender Freundlichkeit (Begrüßung am Mittag bei der Probe: „Hallo, ich bin die Lisa“) und erfrischender Wesensart die Zuhörer für sich gewann. Ihre Persönlichkeit, ihre klare und strukturierte Darstellung und ihre metaphernreiche Sprache in Verbindung mit einer ungemein professionellen Präsentationstechnik erinnert stark an den verstorbenen Carl Sagan.

Claudia-Elisabeth Wulz –  als Physikerin im CERN für die Vorauswertung der Versuchsergebnisse des größten und leistungsfähigsten Teilchenbeschleunigers der Welt, des „Large Hadron Collider“ zuständig – berichtete im Anschluss über „Das Higgs-Teilchen, Baumeister des Universums“. Sie führte die Zuhörer dabei in die Geheimnisse der Dunklen Materie,,der dunkle Energie und der Stringtheorie ein. Keine leichte Aufgabe, die trotz der bildhaften Präsentation einiges an Aufmerksamkeit von den Zuhörern forderte.

Podiumsdiskussion. Von links Gerda Horneck, Veronika Haberle, Gesprächsleiterin Maria Pflug-Hofmayr, Claudia-Elisabeth Wulz und Lisa Kaltenegger. Bild: Jürgen Wrba

Unter dem Titel „Forschung im Weltraum“ leitete danach Maria Pflug-Hofmayr von „Der Orion“ ein Podiumsgespräch. Hier ging es im ersten Teil um die Arbeit der Astrobiologin Gerda Horneck. Sie entwickelte Experimente, die an Bord von Spacelab und der ISS durchgeführt wurden. Anschließend ging es in größerer Runde um „frauenspezifische Aspekte“ in den Naturwissenschaften. Teilnehmerinnen waren aus der etablierten Wissenschaftsgemeinde Gerda Horneck vom DLR, Claudia-Elisabeth Wulz und Lisa Kaltenegger. Mit auf der Bühne war auch die Studentin Veronika Haberle, die an der TU-Wien derzeit im fünften Semester technische Mathematik studiert. Mini-Fazit der Runde: Die Männer sind gar nicht so schlecht wie ihr Ruf, Frauen sollten nicht auf die Realisierung ihrer  Rechte warten, sondern müssen sie einfordern,  sie sollten nach einem Misserfolg nicht gleich das Handtuch werfen, sondern – wie ihre männlichen Kollegen auch – es erneut versuchen und natürlich, das ist die alten Krux, vor allem in größerer Zahl naturwissenschaftliche Studiengänge belegen.

Gerda Horneck, heute 73 und nach wie vor in der Forschung tätig, bietet hier ein Rollenmodell: Sie erzählte, dass auch sie beruflich eine Weile kürzer treten musste als ihre beiden Söhne aufwuchsen und erst mit 50 Jahren wieder so richtig durchstarten konnte. Ihr wichtigster Rat an junge Wissenschaftlerinnen: Auch in einer Babypause niemals den Anschluss an das Arbeitsgebiet verlieren, denn wer den Anschluss verliert, hat schon verloren. Neuen Medien erlauben eine Teilnahmen am Wissenschaftsbetrieb, und sei es nur für wenige Stunden am Tag selbst von zu Hause aus.

Im Anschluss an die Diskussion veranstaltete das Planetarium eine kommentierte Sonder-Vorführung in der Planetariumskuppel. In 25 Minuten wurden die Zuschauer auf eine Reise in den Weltraum mitgenommen, die bei unserem Erdmond begann, den Andromedanebel erreichte und auf der Erde endete. Titel: „Juwelen des Kosmos“.

Eugen Reichl im Gespräch mit Sonja Rohde. Bild: Jürgen Wrba

Nach der Show führte Eugen Reichl von „Der Orion“ ein Podiumsgespräch mit  Sonja Rohde. Sollten die Testflüge des „SpaceShipTwo“ nach Plan verlaufen, wird sie in gut einem Jahr  als erste deutsche Frau einen kurzen Trip in den Weltraum unternehmen.  Sonja Rohde ist in der Virgin Galactic Terminologie ein so genannter „Founder“ und gehört damit zu den allerersten privaten Raumflug-Teilnehmern mit diesem Fluggerät.

Ihren Flug bezahlt sie dabei selbst und muss dabei etwa 140.000 Euro investieren. Bei ihrem Einsatz handelt es sich nicht um einen Orbitalflug. Davon gibt es gegenwärtig für „Privatpersonen“ nur alle paar Jahre einen einzelnen Platz und der kostet 50 Millionen Dollar. Vielmehr wird sie einen suborbitalen Raumflug unternehmen. Dabei wird das Raketenflugzeug „SpaceShipTwo“ zunächst von einem Trägerflugzeug auf eine Starthöhe von 15.000 Metern getragen. Dann wird es ausgeklinkt und zündet seinen Raketenmotor. In senkrechtem Steigflug erreicht es dann eine Geschwindigkeit von etwa 4.200 Kilometer pro Stunde und eine Höhe von 120 Kilometern. So ein Unternehmen dauert insgesamt nur etwa zwei Stunden. Der eigentliche „Raumflug“ sogar nur etwa 25 Minuten. Das reicht aber aus, um die Krümmung der Erdkugel zu erkennen, fünf Minuten in der Schwerelosigkeit zu verbringen, und mit dem Raketenantrieb in der Beschleunigungsphase und dem hohem Andruck bei der Landung wesentliche Aspekte eines richtigen Raumflugs realistisch zu erleben. Zu Bedenken ist auch: Genau wie bei einem orbitalen Flug ist die Sache nicht ungefährlich.

In Vorbereitung auf ihren Flug musste Sonja Rohde ein umfangreiches Trainingsprogramm absolvieren, das Parabelflüge in Flugzeugen und Start- und Landesimulationen in der Zentrifuge beinhaltet.

Fragen aus dem Publikum. Bild: Jürgen Wrba

Eine Erkenntnis des Gesprächs wurde vom Publikum mit ziemlicher Erheiterung aufgenommen: Wenn man als Privatperson einen Raumflug unternehmen will, kann man seine Lebensversicherung getrost vergessen. Sonja Rohde berichtete nämlich, dass sie zwei Tage, nachdem sie in der Öffentlichkeit von ihrer Absicht berichtet hatte, einen Brief von ihrer Lebensversicherung mit der Kündigung ihrer Police bekam.

Nach Sonja Rohdes Bericht verlieh – wie immer gegen Ende des offiziellen Teils der Veranstaltung – das Österreichische Weltraum Forum den „Polarsternpreis“. Der ging in diesem Jahr erstmals an eine ausländische Honoratorin, nämlich an Mazlan Othman. In ihrer Dankesrede verkündete sie, dass sie ihr Preisgeld der Institution CliniClowns  spenden werde.

Im Anschluss begann der „Party-Teil“ der Veranstaltung. Mit Drinks, Snacks und vielen Gesprächen zwischen den Besuchern und den Wissenschaftlerinnen. Die letzen Gäste verließen – nach einer rundum gelungenen Veranstaltung – gegen 0:30 Uhr das Planetarium am Prater in Wien.

 

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Ich bin Raumfahrt-Fan seit frühester Kindheit. Mein Schlüsselerlebnis ereignete sich 1963. Ich lag mit Masern im Bett. Und im Fernsehen kam eine Sendung über Scott Carpenters Mercury-Raumflug. Dazu der Kommentar von Wolf Mittler, dem Stammvater der TV-Raumfahrt-Berichterstattung. Heute bin ich im "Brotberuf" bei Airbus Safran Launchers in München im Bereich Träger- und Satellitenantriebe an einer Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technik tätig. Daneben schreibe ich für Print- und Onlinemedien und vor allem für mein eigenes Portal, "Der Orion", das ich zusammen mit meinen Freundinnen Maria Pflug-Hofmayr und Monika Fischer betreibe. Ich trete in Rundfunk und Fernsehen auf, bin Verfasser und Mitherausgeber des seit 2003 erscheinenden Raumfahrt-Jahrbuches des Vereins zur Förderung der Raumfahrt (VFR). Aktuell erschien in diesen Tagen beim Motorbuch-Verlag "Interkontinentalraketen". Bei diesem Verlag sind in der Zwischenzeit insgesamt 16 Bücher von mir erschienen, drei davon werden inzwischen auch in den USA verlegt. Daneben halte ich etwa 15-20 mal im Jahr Vorträge bei den verschiedensten Institutionen im In- und Ausland. Mein Leitmotiv stammt von Antoine de Saint Exupery: Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Menschen zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge zu verteilen und Arbeit zu vergeben, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten unendlichen Meer. In diesem Sinne: Ad Astra

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