Jason wird zum Astronauten
BLOG: Astra's Spacelog
Jason ist in der griechischen Sage ein Seefahrer, der sich auf seinem Schiff Argo mit einer Schar von Freunden, den "Argonauten", auf den Weg zur Insel Kolchis macht um dort nach dem goldenen Vlies zu suchen. Nach vielen Gefahren erreicht er die Insel, findet das goldene Vlies und verliebt sich in Medea, die Tochter des Königs von Kolchis. Leider bleibt ihm ein Happy-End verwehrt, denn am Ende begeht Jason Selbstmord, nachdem Medea dem Wahnsinn verfällt und ihre eigenen Kinder tötet.
Die Projektcrew des "Ocean Surface Topography Programms" focht das grämliche Ende des griechischen Seefahrers nicht an, denn seit 2001 tragen die Beobachtungssatelliten in diesem gemeinsamen französisch-amerikanischen Meeresforschungsvorhaben den Namen des antiken "Argonauten". Ziel des sehr langfristig angelegten Projektes ist vor allem die Messung der Meeresströme mittels zentimetergenauer Bestimmung des Meeresspiegel-Niveaus.
Der gut 500 Kilogramm schwere Jason 2, um den geht es hier, wurde von Thales Alenia Space in in Cannes gebaut. Von seiner stark gegen die Eklipitik geneigten Umlaufbahn kann er 95 % aller eisfreien Meeresflächen des Planeten beobachten. Seine Instrumente sind so ausgelegt, dass er jeden Punkt der Erde mit einer Wiederholfrequenz von 10 Tagen überstreicht.
Die weltraumgestützte Beobachtung der Meere begann bereits im Jahre 1992, als die NASA und die französische Raumfahrtbehörde CNES die Mission TOPEX/Poseidon starteten. Der Bezug zur griechischen Seefahrer-Mythologie gefiel den Projektverantwortlichen so gut, dass der nächste Satellit dieser Reihe auf den Namen Jason 1 getauft wurde. Er ging am 7. Dezember 2001 auf die Reise in den Orbit. Als Träger wurde damals wie heute eine Delta 2 eingesetzt.
Jason 1 liefert seither seine Daten an die europäische EUMETSAT (EUropean Organization for the Exploitation of METeorological SATellites) und die amerikanische NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration).
Der jetzt gestartete Jason 2 wird die Arbeit von Jason 1 fortsetzen (der nach wie vor gut funktioniert, obwohl er teilweise schon mit den Reservesystemen arbeitet). Recht genau wird die Aufgabe des neuen Satelliten übrigens von der korrekten Missionsbezeichnung beschrieben. Die lautet OSTM, was nun bei weitem nicht so schön klingt wie Jason. Das etwas sperrige Akronym, ich habe es eingangs schon teilweise zitiert, steht für "Ocean Surface Topography Mission".
Das Hauptinstrument von Jason 2 trägt übrigens weiterhin den Namen des griechischen Meeresgottes, der dem ersten Satelliten der Reihe den Namen gab. Poseidon 3, wie das von der französischen CNES entwickelte Gerät heißt (seine beiden Vorläufer waren bereits auf TOPEX/Poseidon und Jason 1), kann nicht nur das Meeresniveau genau bestimmen, sondern auch die Strömungsrichtung, die Wellencharakteristik und die Windgeschwindigkeit.
Mit der langfristigen Betrachtung der Meeresströmungen versucht man Rückschlüsse auf Klimaschwankungen zu ziehen. Jason 2 kann die Meereshöhe mit einer Genauigkeit von wenigen Zentimetern ermitteln.
Jason 2 ist für eine Einsatzlebensdauer von 15 Jahren ausgelegt. Jason 3, der einmal Jason 2 ablösen soll nachdem die beiden einige Jahre überlappend Dienst machen sollen, ist bereits in der Konstruktionsphase und soll voraussichtlich in sechs Jahren starten.
Jasons Reise war, wie schon die seines historischen Vorbildes, nicht ohne Probleme und beinhaltete einige Ungereimtheiten. Mehr darüber können Sie im Bericht des Orion (auf den letzten vier Abschnitten) nachlesen.
Und was tat sich seit meinem letzten "Launch Log" Eintrag vom 6. Juni auf den Startrampen der Welt?
Am 9. Juni brachte eine Trägerrakete des Typs Long March 3B den chinesischen Kommunikationssatelliten Chinasat 9 von Xichang aus in einen geostationären Transferorbit. Lesen Sie hier den Startbericht.
Am 11. Juni startete GLAST von Cap Canaveral. Darüber habe ich in den Kosmologs bereits berichtet.
Am 12. Juni ging von Kourou aus eine Ariane 5 ECA mit den beiden Kommunikationssatelliten Skynet 5C und Turksat 3A auf die Reise. Informieren Sie sich hier.
Am 19. Juni startete von Kapustin Jar eine Kosmos 3M mit sechs Satelliten der Orbcomm-Konstellation in den Orbit. Hier ist der Startbericht.
Und am 20. Juni, wie oben geschildert, Jason 2 auf einer Delta 2 von der amerikanischen Luftwaffenbasis Vandenberg in Kalifornien aus auf die Reise in den Orbit.
Danke für den Jason
Lieber Eugen Reichl:
Der “Jason” ist zwar nur eine Randfigur der Labyrinthiade – aber gerne lege ich in meiner Monats-Spätlese einen Link auf diesen interessanten Beitrag ind zitiere daraus. Das “Foto” ist wirklich atemberaubend!
Herzliche Grüße
J. vom Scheidt
Danke für den Jason
Lieber Jürgen vom Scheidt,
in Kürze sind der Phantasie kaum noch Grenzen gesetzt. Der Verein zur Förderung der Raumfahrt e.V., bei dem ich im Vorstandsrat bin, veranstaltet zusammen mit dem DLR und EADS Astrium einen Science-Fiction Kurzgeschichten-Wettbewerb. In wenigen Tagen ist es so weit, dass ich hier einen speziellen Beitrag dazu einstelle.
Leider ein Wermutstropfen
Ueber den gelungen Start von jason 2 kann und soll amn sich natuerlich freuen.
Hier sind noch einige Details dazu:
http://www.eumetsat.int/…s/SP_1213708779383?l=en
Nicht so schoen ist, wie die Oberstufe der zum Start verwendeten Delta-2 entsorgt wurde, naemlich anstatt mit einem kontrollierten Absturz in den Ozean in eine angehobene Parkbahn.
http://www.spaceref.com/news/viewsr.html?pid=28470
Zitat hieraus:
> and two further burns to a 1332 x 4258
> x 65.85 orbit and then a 2160 x 4360
> km x 65.2 deg disposal orbit
Zitat Ende.
In dem Orbit wird die Stufe wohl sehr, sehr lange bleiben, was nicht gerade im Sinne der laufenden Bemuehungen zur Verringerung des Weltraumschrotts ist, denen sich auch die Amerikaner verschrieben haben.
Sicher gab es gute Gruende, die Entsorgung in die Endbahn zu waehlen, die verfuegbare Treibstoffmasse kann es nicht gewesen sein, denn der kontrollierte Absturz haette sogar WENIGER erfordert als die Bahnanhebung.
Es waere schoener gewesen, wenn man das nicht so gemacht haette. Formal sind natuerlich die Anforderungen erfuellt, weil die Stufe aus den besonders geschuetzten Regionen um 900 km und um 1500 km Bahnhoehe entfernt ist. Aber zwischen “formal erfuellt” und “wirklich gut” klafft manchmal eine Luecke.
Auch die Wahl der Jason-Zielbahn ist mit 1330 km durchaus als problematisch anzusehen. Mir ist zwar durchaus einsichtig, warum in diesem Fall diese Bahnhoehe gewaehlt wurde, nur gibt es auch hier wieder eine Abwaegung des Gemeinwohls (alle profitieren davon, wenn man den erdnahen Weltraum von menschengemachtem Schrott freihaelt) gegenueber der Optimierung einzelner Missionen. Im Sinne des Gemeinwohls waere es besser, wenn man solche Erdbeobachtungssatelliten wie Jason auf niedrigeren Bahnen platziert und/oder etwas Treibstoff zum Deorbit aufbewahrt.
Wermutstropfen
Tatsächlich sieht die Aktion recht unsinnig aus, wie Michael Khan vermutet. Es wäre tatsächlich mehr als genug Treibstoff an Bord gewesen, um einen gesteuerten Deorbit durchzuführen.
Eine Erklärung, warum es nicht geschah, könnte darin liegen, dass die Delta über ihre vielen hundert Starts auch eine lange Historie an Teilen hat, die einen Wiedereintritt überstanden haben. Es gibt meines Wissens sogar eine kleine museale Sammlung von Delta-Zweitstufenkomponenten, die nach einem (unkontrollierten) Wiedereintritt in die Erdatmosphäre geborgen werden konnten. Hier könnten simple Haftungsfragen für den Launch Provider ULA eine Rolle gespielt haben, keinen Deorbit durchzuführen.
Mindestens ein prominenter Beobachter (Ed Kyle) vermutet eine militärische Zweitnutzung der Stufe, möglicherweise als optisches Ziel für eine spätere militärische Mission.
Dafür spricht dass gegen ende des Jahres die aus zwei einzelnen Satelliten bestehende erste Space Tracking and Surveillance System Mission gestartet wird. Ebenfalls mit einer Delta 2 von Vandenberg aus und ebenfalls auf eine Bahnhöhe von 1.350 Kilometer (über die Inklination ist allerdings noch nichts bekannt, deshalb hat das recht spekulativen Charakter).
Gleich nach dem Start hatte Omar Baez, der NASA-Startmanager der Mission von einer “underperformance” der ersten Stufe gesprochen. Dies resultierte, wie sich später herausstellte, aber aus unvollständig übermittelter Telemetrie. Tatsächlich hatte die Rakete innerhalb der normalen Parameter funktioniert.
Das Brennmanöver Nummer vier fiel dennoch kürzer aus, als zunächst veranschlagt. Am Schluss befand sich dann die zweite Stufe auf einer Bahn mit den Parametern 2.160 x 4.360 Kilometern anstatt den zunächst veranschlagten 2.468 x 4.824 Kilometern bei einer Inklination von 65.85 Grad.
Jason selbst wurde übrigens auf eine Bahn von 1.329 x 1.335 Kilometer bei einer Bahnneigung von 66.03 Grad gebracht. Etwas unterhalb seines Arbeitsorbits, auf den er sich aber mit seinen Bordtriebwerken selber bringen wird.
Entsorgung
Die “Entsorgung” der Oberstufe in einer hoeheren Bahn loest das Problem des unkontrollierten Wiedereintritts und des moeglichen Auftreffens von Baiuteilen auf der Erdoberflaeche nicht. Sie verlagert es nur auf unbestimmte Zeit in die Zukunft. Formal ist man zwar sauber, weil den Bestimmungen Genuege getan wurde – es wurde ein Stueck Schrott aus der besonders wichtigen Bahnhoehe um 1500 km entfernt, das stimmt. Leider wurde es in die falsche Richtung entfernt.
Die wirkliche Entsorgung bestuende in einem kontrollierten Eintritt ueber dem pazifischen Ozean. Den zu treffen, ist nicht so schwierig, wenn man Treibstoff hat, um die entsprechenden Bahnmanoever zu machen. Und diesen Treibstoff hatte man, denn es kostet aus der gegebenen Jason-Bahn weniger, in die Absturzbahn zu gehen, als in die gewaehlte Parkbahn.
Bei einem Absturz in den Ozean – wie es ja u.a. auch die Progress-Raumtransporter machen und auch das ATV machen wird, mag zwar etwas unten ankommen. Den Absturz kann man aber so zielen, dass innerhalb der Unsicherheit der Aufschlagzone keine Insel liegt. Dann ist das Risiko wirklich minimiert. Insbesondere, wenn man viel Treibstoff hat, dann laesst sich naemlich ein sehr steiler Eintritt bewerkstelligen. Der fuehrt zu einer sehr kleinen Fehlerellipse, d.h., man kann das Zielgebiet genau treffen.
So etwas ist wirklich Stand der Technik, das ist gar nichts Neues.
Wenn man es hier nicht gemacht hat, dann kann das daran liegen, wie Herr Reichl erwaehnt, dass man die Oberstufe noch anpeilen will. Ich vermute aber, man wollte sich einfach nicht mehr Muehe machen als notwendig.
Fuer den kontrollierten Absturz in den Ozean muesste man eventuell noch ein paar Stunden im Orbit warten, bis der Zeitpunkt zur Einleitung des Absturzes guenstig ist. Vielleicht liessen die Batterien an Bord der Stufe dieses Warten nicht zu, vielleicht wollte man es aber einfach auch nicht, und hat deswegen vorgezogen, einfach die formal zulaessige Variante der Parkbahn zu waehlen.
Durchaus verstaendlich und nachvollziehbar, aber leider nicht wirklich im Sinn eines schonenden Umgangs mit der wertvollen Ressource “erdnaher Weltraum”.
Ohne sektiererisch wirken zu wollen, meine ich doch, an dieser Stelle haben alle Seiten, beileibe nicht nur die USA, noch einiges an Hausaufgaben zu erledigen.
Off topic
Wenn ich jetzt eine Bemerkung machen würde, würde ich sagen, aus heiterem Himmel hat Medea nicht durchgedreht, Jason hat schon auch was dazu beigetragen. Es ist halt üblich zu sagen “die Frau ist wahnsinnig geworden”. Aber es geht ja hier weder um griechische Mythologie noch moderne Soziologie, nur um Raumfahrt 😉 also werd ich keine Bemerkungen machen…
Off topic (2)
Na gut, vielleicht ist er ihr ein klitzekleines bisschen untreu geworden :-). Dafür muss er jetzt auch die nächsten 1000 Jahre um die Erde rotieren. Aber Medea hatte – zumindest in der antiken Fassung – auch ganz nett was auf dem Kerbholz.
Eine Benachteiligung, das muss MANN zugeben, bleibt allerdings: Es gab weder in der Vergangenheit noch gibt es in der absehbaren Zukunft ein Raumfahrtvorhaben mit der Bezeichnung “Medea”.
Off topic
Würde sich in der Presse wohl nicht so gut machen – kommt gleich hinter “Medusa” und “Pandora” 😉 (auch lauter Frauen – komisch.)
Medea, Medusa & Pandora
Ach Maria, da wär ich jetzt nicht so pessimistisch. Pandora find ich Klasse, das steht für Neugier, Begabung und Schönheit. Und alles in allem weniger Sündenfall als Eva (und DER Name steht heute 1a da).
Medusa aber war tatsächlich schon im Weltraum. Auf dem schwedischen Satelliten Astrid 2 (schon wieder eine Frau). Es gab drei Experimente an Bord: EMMA, LINDA und eben MEDUSA ein kombiniertes Elektronen und Ionen-Spektrometer.
Hätt’ ich aber bis heute abend auch nicht gewusst. Aber es gibt ja die Encyclopedia Astronautica http://www.astronautix.com/
I like to listen this while doing homework, thousand of miles away from my homeland.