Gagarin & Co.

BLOG: Astra's Spacelog

Raumfahrt: Informationen – Meinungen – Hintergründe
Astra's Spacelog

Ähnlich wie die Gruppe der „Mercury 7“, der sieben Astronauten die in den USA für das erste bemannte US-Raumfahrtprogramm ausgewählt wurden, bestand auch die Kosmonautengruppe 1 ausschließlich aus Militärpiloten. Interessanterweise erfolgte die Auswahl der sowjetischen Kosmonauten aber fast ein Jahr später als die ihrer amerikanischen Kollegen. Die US-Astronauten waren bereits am 9. April 1959 bestimmt worden, ihre sowjetischen Kollegen folgen erst am 25. Februar 1960.

Dieses Bild entstand kurz nach Gagarins Flug. Die erste Kosmonautengruppe war da schon nicht mehr ganz vollzählig. In der Mitte Koroljew mit Frau und Tochter.

Anders als bei den Amerikanern, wo diese Weltraumpiloten aus allen drei Waffengattungen kamen (Air Force, Navy und Marines) stammten die sowjetischen Kosmonauten allesamt aus der Luftwaffe.

Auch sonst unterschied sich der „Anforderungskatalog“ erheblich:

Mercury-Astronauten: Alter unter 40 Jahre, Größe unter 182 Zentimeter, Gewicht unter 82 Kilogramm. Mindestens 1.500 Flugstunden auf Hochleistungsflugzeugen. Mindestens ein Universitätsabschluss in Ingenieurswissenschaften. Berufserfahrung als Testpilot.

Wostok-Kosmonauten: Offiziersrang in der Luftwaffe. Alter unter 30 Jahre. Größe unter 170 Zentimetern. Gewicht unter 70 Kilogramm. Flugerfahrung auf Jets gewünscht, aber nicht notwendig. Keine Universitätsausbildung erforderlich.

Während die Amerikaner also hochkarätige Mitarbeiter an einem Entwicklungsprogramm suchten, waren die sowjetischen Kosmonauten eher als Passagiere einer automatischen Raumkapsel vorgesehen. Sie griffen nicht in die Entwicklung der Raumfahrzeuge ein und ihre Pilotenpraxis beschränkte sich meist auf wenige hundert Flugstunden. Gagarins gesamte Flugerfahrung betrug zum Zeitpunkt seiner Aufnahme ins Kosmonauten-Korps genau 265 Stunden, davon nur einige wenige Stunden auf Jets. Seine gesamte Jet-Flugerfahrung zum Zeitpunkt seines Todes (beim Absturz in einer MIG 15 im Jahre 1968) betrug nur 75 Flugstunden.

Etliche der US-Astronauten hatten dagegen beim Eintritt in das Mercury-Programm bereits mehr als 3.000 Flugstunden auf Hochleistungsflugzeugen absolviert und waren national bekannte Kapazitäten auf ihrem Gebiet.

Während bei den Amerikanern ausnahmslos alle ausgewählten Mercury-Astronauten auch für Raumflüge nominiert wurden, waren es von den 20 sowjetischen Kosmonauten der ersten Gruppe nur 12.

Von den acht, die nicht flogen, starb einer im Training, drei wurden im Training so schwer verletzt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen ausscheiden mussten und vier mussten das Kosmonautencorps aus disziplinarischen Gründen verlassen.

Die erste Gruppe sowjetischer Kosmonauten bestand aus den folgenden Personen:

•    Iwan Nikolajewitsch Anikejew
•    Pawel Iwanowitsch Beljajew
•    Valentin Wassiljewitsch Bondarenko
•    Valerij Fjodorowitsch Bykowski
•    Valentin Ignatiew Filatjew
•    Juri Alexejewitsch Gagarin
•    Viktor Wassilijewitsch Garbatko
•    Anatoli Yakowlewitsch Kartashow
•    Jewgenij Wassilijewitsch Khrunow
•    Wladimir Michailowitsch Komarow
•    Alexeij Archipowitsch Leonow
•    Grigorij Grigorjewitsch Neljubow
•    Andrian Grigorjewitsch Nikolajew
•    Pawel Romanowitsch Popowitsch
•    Mars Zakirowitsch Rafikow
•    Georgij Stepanowitsch Shonin
•    German Stepanowitsch Titow
•    Valentin Stepanowitsch Varlamow
•    Boris Valentinowitsch Volynow
•    Dimitri Alexejewitsch Zaikin

Die Geschichte Gagarins ist hinreichend bekannt. Was aber wurde aus den anderen Mitgliedern seiner Gruppe?

Anikejew, Filatjew und Neljubow wurden am 17. April 1963 wegen Disziplinlosigkeit entlassen. Die drei waren von der Polizei am Bahnhof Tschkalowski wegen Trunkenheit und Erregung öffentlichen Ärgernisses aufgegriffen und verhaftet worden. Neljubow, der als großes Talent galt, kam nie darüber weg. Er wurde nach Sibirien versetzt und starb am 18. Februar 1966, als er sich in betrunkenem Zustand vor einen Zug warf. Anikejew ging zurück zur Luftwaffe und starb am 20. August 1993. Filatijew wurde Lehrer und starb am 15. September 1990 an Lungenkrebs.

Von oben links: Neljubow, Anikejew und Filatjew

Beljajew machte am 18. März 1965 einen Raumflug als Kommandant von Woschod 2. Er starb aufgrund eines Behandlungsfehlers am 10. Januar 1970 nach einer Magenoperation an einer Lungenentzündung ausgelöst durch Sepsis.

Bondarenko starb am 23. März 1961 bei einem Feuer in einer mit reinem Sauerstoff betriebenen Druckkammer, das in seiner Art das Apollo 1-Feuer vom 27. Januar 1967 vorwegnahm. Der Unfall passierte am 10. Tag eines auf 15 Tage angesetzten Ausdauer-Experiments im Trainingszentrum im Sternenstädtchen.

Bykowski lebt noch heute. Er ist 76 Jahre alt und flog dreimal in den Weltraum: mit Wostok 5, Sojus 22 und Sojus 31 (zusammen mit Sigmund Jähn). Während seiner drei Flüge verbrachte er 20 Tage, 17 Stunden und 21 Sekunden im Weltraum.

Kartaschow erlitt beim Zentrifugentraining nur wenige Tage nach Gagarins Flug eine massive Blutung im Rückenmarkskanal und musste ein Jahr später das Kosmonautenkorps aus medizinischen Gründen verlassen. Er kehrte zunächst zur Luftwaffe zurück, wo er im Rang einen Oberst im Jahre 1985 ausschied. Danach arbeitete er als Testpilot bei Antonow. Er  starb am 11. Dezember 2005 an Krebs.

Garbatko ist 76 Jahre alt und lebt noch heute. Er flog dreimal in den Weltraum, mit Sojus 7, Sojus 24 und Sojus 37 und verbrachte dabei 30 Tage, 12 Stunden und 47 Minuten im Weltraum.

Chrunow flog mit Sojus 5 für eine knapp zweitägige Mission in den Weltraum, bei der er zur angekoppelten Sojus 4 umstieg. Dies blieb sein einziger Raumflug. Er verließ das Raumfahrtprogramm im Jahre 1980 und wurde Wirtschaftsfunktionär. Er starb im Jahre 2000 an einem Herzinfarkt.

Komarow war Kommandant der Mission Woschod 1, des ersten Raumfahrzeugs, das mit drei Personen flog. Bei seiner zweiten Mission, mit Sojus 1, kam er am 24. April 1967 ums Leben, als sich der Landefallschirm nicht öffnete. Sein Ersatzmann bei diesem Flug war übrigens Juri Gagarin.

Leonow lebt noch heute. Er ist 77 Jahre alt und ist ein gefragter Redner und Gast bei Raumfahrtevents. Bei seinen zwei Raumflügen (Woschod 1 und Sojus 19) verbrachte er insgesamt 7 Tage und 32 Minuten im Weltraum.

Nikolajew flog zweimal in den Weltraum, mit Wostok 3 und mit Sojus 9, und verbrachte dabei 21 Tage, 15 Stunden und 20 Minuten im Weltraum. Heiratete 1963 Valentina Tereschkowa, die erste Frau im Weltraum. 1982 wurden die beiden wieder geschieden. Er starb am 4. Juli 2004 74-jährig als Schiedsrichter bei einem heimatlichen Sportfest in Tschuwaschien an Herzversagen.

Popowitsch flog zweimal in den Weltraum, mit Wostok 4 und Sojus 14 und verbrachte dabei insgesamt 18 Tage, 16 Stunden und 27 Minuten im Weltraum. War stellvertretender Leiter des Kosmonauten-Ausbildungszentrums und Volksvertreter der Ukraine im Obersten Sowjet. Seit 1993 war er pensioniert. Am 29. September 2009 erlitt er eine Gehirnblutung und starb kurz darauf im Krankenhaus von Gurzuf auf der Krim.

Rafikow wurde am 27. März 1962 wegen fortgesetzter Disziplinlosigkeit aus dem Kosmonautenkorps entfernt. Er hatte sich mehrmals unerlaubt von der Gruppe entfernt um sich in Moskauer Bars zu amüsieren, verprügelte seine Frau und hatte Affären mit anderen Frauen. Galt als nicht länger tragbar. Ging zurück zur Luftwaffe und flog unter anderem Einsätze in Afghanistan. Starb am 23. Juli 2000 in Alma Ata.

Shonin war Kommandant der Mission von Sojus 6. Am 28.04.1979 schied er aus medizinischen Gründen aus, und war danach Abteilungsdirektor im Zentralen Wissenschaftlichen Forschungsinstitut des Verteidigungsministeriums. Seit 1990 war er im Ruhestand. Er starb am 7. April 1997 an den Folgen eines Herzinfarktes.

Titow ist bis auf den heutigen Tag der jüngste Mensch, der je in den Weltraum geflogen ist. Bei seinem einzigen Raumflug vom 6. auf den 7. August 1961 war er noch keine 26 Jahre alt. Nach seinem Raumflug machte Titow eine Ausbildung als Testpilot und verließ das Kosmonautenkorps im Juli 1970. Er machte in der sowjetischen Militärhierarchie einen steilen Aufstieg und schied im Jahre 1991 im Range eines Generalobersten aus, dem höchsten militärischen Rang, den je ein Kosmonaut erreichte. Im Mai 1995 wurde er in die Duma gewählt. Am 20. September 2000 starb er an einem Herzinfarkt.

Varlamow verließ das Kosmonautenkorps noch vor den ersten Raumflügen, nachdem er im Juli 1960 beim Wasserspringen eine Halswirbelverletzung zugezogen hatte. Er blieb aber dem Raumfahrtprogramm verbunden, weil er als Fluglehrer für die Kosmonauten arbeitete. Er starb am 2. Oktober 1980 nach einer Hirnblutung in der Folge eines häuslichen Unfalls.

Volynow lebt noch heute. Er ist 76 Jahre alt und der einzige jüdische Kosmonaut. Er absolvierte zwei Raumflüge (mit Sojus 5 und Sojus 21) und verbrachte dabei 52 Tage, 7 Stunden und 17 Minuten im Weltraum. Nach seiner Zeit als Kosmonaut war er zwischen 1982 und 1990 Chef der Kosmonautenausbildung in Moskau.

Zaikin lebt ebenfalls noch und ist heute 78 Jahre alt. War als Kommandant der Ersatzcrew von Woschod 2 benannt. Trainierte für das Sojus-Programm, als er an einem Magengeschwür erkrankte und danach das Kosmonautencorps aus medizinischen Gründen verlassen musste. Arbeitete danach als Kosmonautenausbilder und anschließend als Chefingenieur im Kosmonauten-Ausbildungszentrum. Seit 1987 pensioniert.

Hinweise:

Ein Klick hierher oder in das Logo am Beginn des Artikels führt zur zentralen deutschen Juris-Night Webpage.

Ein Klick hierher führt zur zentralen österreichischen Veranstaltung in Wien.

 

Avatar-Foto

Ich bin Raumfahrt-Fan seit frühester Kindheit. Mein Schlüsselerlebnis ereignete sich 1963. Ich lag mit Masern im Bett. Und im Fernsehen kam eine Sendung über Scott Carpenters Mercury-Raumflug. Dazu der Kommentar von Wolf Mittler, dem Stammvater der TV-Raumfahrt-Berichterstattung. Heute bin ich im "Brotberuf" bei Airbus Safran Launchers in München im Bereich Träger- und Satellitenantriebe an einer Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technik tätig. Daneben schreibe ich für Print- und Onlinemedien und vor allem für mein eigenes Portal, "Der Orion", das ich zusammen mit meinen Freundinnen Maria Pflug-Hofmayr und Monika Fischer betreibe. Ich trete in Rundfunk und Fernsehen auf, bin Verfasser und Mitherausgeber des seit 2003 erscheinenden Raumfahrt-Jahrbuches des Vereins zur Förderung der Raumfahrt (VFR). Aktuell erschien in diesen Tagen beim Motorbuch-Verlag "Interkontinentalraketen". Bei diesem Verlag sind in der Zwischenzeit insgesamt 16 Bücher von mir erschienen, drei davon werden inzwischen auch in den USA verlegt. Daneben halte ich etwa 15-20 mal im Jahr Vorträge bei den verschiedensten Institutionen im In- und Ausland. Mein Leitmotiv stammt von Antoine de Saint Exupery: Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Menschen zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge zu verteilen und Arbeit zu vergeben, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten unendlichen Meer. In diesem Sinne: Ad Astra

Schreibe einen Kommentar