Ein wenig Statistik

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Raumfahrt: Informationen – Meinungen – Hintergründe
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Was war los im letzten Jahr im Weltraum? Hier ein paar ganz interessante Zahlen für die Leser der "Kosmologs".

Im Jahr 2007 wurden von insgesamt 7 Raumfahrtnationen (Europa zähle ich hier als "Nation") insgesamt 68 Weltraumstarts durchgeführt. Zum Vergleich die Zahlen der Vorjahre:

2006: 6 Raumfahrtnationen, 64 Starts
2005: 6 Raumfahrtnationen, 55 Starts
2004: 6 Raumfahrtnationen, 55 Starts

2007 repräsentiert damit die höchste Zahl an Starts seit dem Jahre 2000. Damals waren es 81 Missionen. Zum Vergleich noch einige Zahlen aus den Jahren vor 2000: 1999: 73; 1998: 77; 1997; 86.

1990 übrigens, die Sowjetunion existierte noch, waren es 114 Weltraumstarts, das bislang letzte Jahr mit mehr als 100 Starts. Davor, bis zurück bis in die frühen 60iger Jahre, fanden durchweg mehr als 100 Starts jährlich statt.

64 der Missionen des Jahres 2007 waren Orbitalstarts, 4 Flüge gingen zum Mond oder in den interplanetaren Raum. In den Vorjahren sah dieses Bild wie folgt aus:

2006: 62 Orbitalstarts, 2 Sondenmissionen
2005: 52 Orbitalstarts, 3 Sondenmissionen,
2004: 53 Orbitalstarts, 2 Sondenmissionen.

65 Missionen des Jahre 2007 waren erfolgreich. Es gab 3 Fehlstarts. Dabei wird der Start einer Atlas 5 401 am 15.6. Juni als erfolgreich gewertet, obwohl zwei amerikanische Militärsatelliten bei diesem Flug wegen einer Minderleistung des Centaur-Oberstufen-Triebwerks auf einer zu niedrigen Bahn ausgesetzt wurden. Die Satelliten konnten das Defizit aber mit Bordmitteln ausgleichen.

Insgesamt ist das eine akzeptable Bilanz in Sachen Startzuverlässigkeit angesichts der Anzahl der Missionen. In den Vorjahren zeigte sich die Situation wie folgt:

2006: 4 Fehlstarts bei 64 Missionen (Fehlerquote: 4,7 Prozent)
2005: 3 Fehlstarts bei 55 Missionen (Fehlerquote: 5,5 Prozent)
2004: 3 Fehlstarts bei 55 Missionen (Fehlerquote: 5,5 Prozent)

In diesem Jahr kristallisierte sich China klar als Weltraumnation Nummer drei heraus und ließ den bisherigen "langjährigen Dritten" Europa weit hinter sich. Im Reich der Mitte fanden dieses Jahr nicht weniger als 10 Missionen statt. Mit dieser Zahl rückt China in schnellen Schritten zu den beiden bislang führenden Weltraummächten auf.

Israel kehrte nach dreijähriger Pause wieder in den Kreis der Weltraummächte zurück, mit dem ersten Start des verbesserten Feststoff-Trägers Shavit 2.

Und Indien, die dritte aufstrebende Weltraummacht Asiens, absolvierte seine erst rein kommerzielle Mission.
Nun zu den Raumfahrtnationen im Einzelnen:

Russland und Ukraine

Russland und die Ukraine brachten in diesem Jahr sieben verschiedene Trägertypen zum Einsatz, wenn man die Zenith 3SL mitzählt, die von der Ukraine (Erst- und Zweitstufe) und Russland (Drittstufe) gebaut, aber von einer internationalen Betreibergesellschaft mit amerikanischer Majorität gestartet wird.

Es flogen die Zenit 2M (1), die Zenit 3SL (1), die Proton (7) in den Versionen ProtonM/Breeze M (5) und Proton K Block DM (2), die Sojus (11) in den Versionen U (6) und FG (5), die Dnepr (3), die Kosmos 3M (3) und die Molnija M (1).
Insgesamt führten Russland und die Ukraine 27 Missionen durch. Die Vorjahreszahlen waren wie folgt:

2006: 24
2005: 26
2004: 23

Bei der Zahl der russisch/ukrainischen Starts sind die Sea-Launch Missionen mitgezählt, weil dafür die ukrainisch/russische Trägerrakete Zenith 3SL genutzt wird. Dies trotz der Tatsache, dass die Starts der Zenith 3SL Offshore vor der Küste von Hawaii stattfinden und das Sea Launch-Konsortium von Boeing dominiert wird.  Die überwiegende technische Expertise für die Start-Durchführung stammt allerdings wieder aus der Ukraine.

Die Zenith 3SL sorgte Anfang des Jahres 2007 für einen überaus spektakulären Fehlstart, als bei der ersten Mission des Jahres der Träger noch auf der Startplattform explodierte.

Auch die Proton zeigte sich wieder unzuverlässig. Dieser Träger hat eine insgesamt nur mäßige Zuverlässigkeitsquote, was allerdings weniger an konstruktiven Mängeln liegt, sondern regelmäßig in Qualitätsmängeln bei der  Fertigung zu suchen war. Dies war auch beim neuerlichen Fehlstart am 6. September so. In diesem Fall stellte sich heraus, dass die Verkabelung zu den Pyrocuttern, welche Stufe eins und zwei trennen, schadhaft gewesen war.

USA

Die USA starteten im Jahre 2007 sieben verschiedene Trägertypen. Die Atlas 5 in der Version 401 (3) mit einer vier Meter weiten Nutzlastverkleidung, ohne Booster und einer Centaur-Oberstufe mit einem einzelnen RL 10-Triebwerk und der Version 421 (1) mit zwei Boostern, die Delta 2 (8) in den Versionen 7925 "Heavy" (2), 7925 (4) und 7420 (2), die Delta 4 (1) in der Version "Heavy" (1), die Minotaur 1 (1), die Falcon 1 (1), die Pegasus XL (1) und für die bemannten Missionen der Space Shuttle (3) mit den Orbitern Atlantis (1), Endeavour (1) und Discovery (1).

Der zweite Testflug der Falcon 1 verlief zwar erfolgreicher als die erste Mission, aber auch diesmal wurde kein Orbit erreicht. Trotzdem erklärte Elon Musk, Gründer und Alleininhaber von Space X den Träger nach der Mission vom 21. März für einsatzbereit.

Die Mission einer Atlas 5 401 am 15. Juni endete auf einer etwas zu niedrigen Bahn, weil wegen eines defekten Ventils in der Driftphase zwischen den beiden Brennmanövern der Centaur-Oberstufe zuviel Wasserstoff verdampft war. Trotzdem wird diese Mission als Erfolg gewertet, weil beide Satelliten schlussendlich in ihrem vorgesehenen Orbit ankamen, wenn auch aus eigener Kraft.

 Insgesamt fanden 2007 19 amerikanische Missionen statt. (2006: 22; 2005: 16 ; 2004: 19; 2003: 26).

Volksrepublik China

Die Aktivitäten der Volksrepublik China waren in diesem Jahr auf einem Allzeit-Hoch. Insgesamt wurden 10 Missionen durchgeführt. (2004: 8; 2005: 5; 2006: 6 Missionen). Eingesetzt wurden dabei Trägerraketen der Typen Long March 2C (1), Long March 2D (1) Long-March 3A (4), Long March 3B (2), Long March 4B (1) und überraschend und ohne vorherige Ankündigung beim Start von Yaogan 3 am 12. November ein Träger mit der Bezeichnung Long March 4C (1).bei dem es sich um eine Variante der Long March 4B handeln dürfte.

Europa

Im Jahre 2006 führte Europa 6 Weltraummissionen durch. Eingesetzt wurde dabei die Ariane 5-Varianten Ariane 5 GS (2) und Ariane 5 ECA (4) (2006: 5; 2005: 5; 2004: 3; 2003: 4).

Indien

Nach zwei Starts im Jahre 2003, je einer Mission in 2004, 2005, und 2006 (die scheiterte), war 2007 ein überaus erfolgreiches Jahr für Indien mit 3 Starts der PSLV (2) und der GSLV (1)  darunter den ersten kommerziellen Einsatz eines indischen Trägers, als am 23. April eine PSLV den italienischen Astronomie-Satelliten AGILE in den Orbit brachte. Auch die indische Raumfahrt befindet sich in steilem Aufstieg.

Japan

Nachdem es in Japan 2003 und 2004 keine einzige erfolgreiche Orbitmission gegeben hatte, fanden 2005 wieder zwei Einsätze statt, im Jahr 2006 sogar sechs, die allesamt erfolgreich verliefen. In diesem Jahr fanden zwei Missionen statt, darunter der Start der aufwendigen Forschungsmission der Raumsonde SELENE. Verwendet wurden dabei Trägerraketen des Typs H-2A.

Israel

Nach mehrjähriger Pause gab es heuer auch wieder einen Satellitenstart in Israel. Eine verbesserte Trägerrakete des Typs Shavit, mit der Bezeichnung Shavit 2 (1) brachte am 10. Juni einen militärischen Aufklärungssatelliten in den Orbit. Der bislang letzte Start liegt bereits drei Jahre zurück und war seinerzeit ein Misserfolg.

Und für die, die es wirklich bis auf die einzelne Mission genau wissen wollen, mit Tabellen, Tortengrafiken und allem Drum und Dran, verweise ich wieder einmal auf die Informationen des "Orion", bei dem Ihnen detaillierte Übersichten jede einzelne Mission des Jahres 2007 erläutern.

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Ich bin Raumfahrt-Fan seit frühester Kindheit. Mein Schlüsselerlebnis ereignete sich 1963. Ich lag mit Masern im Bett. Und im Fernsehen kam eine Sendung über Scott Carpenters Mercury-Raumflug. Dazu der Kommentar von Wolf Mittler, dem Stammvater der TV-Raumfahrt-Berichterstattung. Heute bin ich im "Brotberuf" bei Airbus Safran Launchers in München im Bereich Träger- und Satellitenantriebe an einer Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technik tätig. Daneben schreibe ich für Print- und Onlinemedien und vor allem für mein eigenes Portal, "Der Orion", das ich zusammen mit meinen Freundinnen Maria Pflug-Hofmayr und Monika Fischer betreibe. Ich trete in Rundfunk und Fernsehen auf, bin Verfasser und Mitherausgeber des seit 2003 erscheinenden Raumfahrt-Jahrbuches des Vereins zur Förderung der Raumfahrt (VFR). Aktuell erschien in diesen Tagen beim Motorbuch-Verlag "Interkontinentalraketen". Bei diesem Verlag sind in der Zwischenzeit insgesamt 16 Bücher von mir erschienen, drei davon werden inzwischen auch in den USA verlegt. Daneben halte ich etwa 15-20 mal im Jahr Vorträge bei den verschiedensten Institutionen im In- und Ausland. Mein Leitmotiv stammt von Antoine de Saint Exupery: Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Menschen zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge zu verteilen und Arbeit zu vergeben, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten unendlichen Meer. In diesem Sinne: Ad Astra

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