Buzz Aldrin ist 80

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In den Tagen vor und nach dem denkwürdigen 21. Juli 1969, an dem Buzz Aldrin kurz nach Neil Armstrong als zweiter Mensch den Mond betrat, hielt Wernher von Braun in den NASA-Zentren von Florida, Alabama und Texas eine Reihe von Reden. Darin gab er sich überzeugt, dass US-Astronauten spätestens im Jahre 1989 auf dem Mars landen würden. Von Brauns Prognosen für den Verlauf der US-Raumfahrt hatten immer gestimmt, es gab keinen Grund, ihnen dieses Mal zu misstrauen.

 Buzz Aldrin und Jim Lovell vor der Mission Gemini 12

Stellen wir uns vor, man hätte Buzz Aldrin während der Apollo 11-Mission gefragt, wie man wohl dereinst den 40. Jahrestag seiner historischen Tag begehen würde. Auf Grundlage der von Braun’schen Prognosen und vor allem seiner eigenen Erfahrungen des rasanten Fortschritts in den sechs Jahren, seit er im Astronautencorps war, hätte er ohne weiteres folgendes Szenario schildern können: "Im Mare Tranquillitatis, an der eingezäunten Landestelle von Apollo 11, findet eine kleine Feier statt, zu der eine Abordnung von der seit 25 Jahren bestehenden "Tranquillity Base II" herübergekommen ist. Dann wird eine Gedenktafel aus lunarem Basalt mit den Konterfeis der drei ersten Mondfahrer enthüllt. Die siebte US-Marsexpedition übermittelt dazu angemessene Grußworte aus dem Vallis Marineris und der amerikanische Präsident verspricht in Kürze selbst endlich einmal auf dem Mond vorbeizuschauen".

Heute sieht eine solche Vorstellung wie pure Science-Fiction aus. Damals hätte das wahrscheinlich niemand sonderlich in Frage gestellt. Überhaupt hätte Buzz Aldrin wahrscheinlich mit vielem gerechnet, aber bestimmt nicht damit, dass er an jenem 21. Juli 1969 nicht nur der zweite, sondern für viele Jahrzehnte auch schon wieder der elftletzte Mensch auf dem Mond sein würde.

Für sich selbst konnte er erwarten, dass die Zukunft Großartiges bereithielt. Er war noch keine Vierzig und er war auf der Höhe seiner mentalen und physischen Fähigkeiten. Doch es kam alles anders: Als er vom Mond zurückkehrte, war seine Karriere als Astronaut beendet. Er kam mit dem Ruhm nicht zu Recht und mehr noch mit dem Gefühl, nur der Zweite gewesen zu sein.

Erst wenige Monate vor der Landung hatte die NASA entschieden, dass Neil Armstrong, der Kommandant, beim Betreten des Mondes den Vortritt vor dem Piloten der Landefähre haben sollte. Bis dahin war die Reihenfolge bei Außenbordmanövern stets andersherum gewesen: Der Kommandant blieb im Schiff, der Pilot unternahm den Ausstieg. So war es bei allen fünf Gemini-Missionen mit Außenbordeinsätzen gewesen und so hatte man es bei Apollo 9 praktiziert, der bis dahin einzigen Apollo-Mission mit einer EVA (Extra Vehicular Activity = Außenbordmanöver). Aldrin konnte somit nach seiner Nominierung zur ersten Lande-Crew fest davon ausgehen, dass es auch dieses Mal so laufen würde. Doch dann entschied die NASA anders, und er war um seinen Ruhm gebracht.

Diese Kränkung, aber mehr noch innere Leere und Perspektivlosigkeit bemächtigten sich seiner in den Monaten und Jahren nach dem Flug. Es ging steil bergab mit dem bemannten Raumfahrtprogramm der USA und mit Dr. Edwin Aldrin. Er verließ die NASA, war noch für einige Monate Leiter der militärischen Astronautenausbildung in Edwards, wurde schließlich depressiv und begann exzessiv zu trinken.

Seine Persönlichkeitsveränderungen wurden evident. Die Beförderung zum Brigadegeneral blieb aus, er wurde abgelöst, erlitt einen Nervenzusammenbruch, seine Ehe scheiterte. Den Tiefpunkt hatte er erreicht, als er in der psychiatrischen Abteilung des Air Force Hospitals in San Antonio landete. 1972 schied er auch aus der Luftwaffe aus. Danach versuchte er in verschiedenen Jobs Fuß zu fassen: als Berater einer Ölgesellschaft, als Cadillac-Dealer und als Werbemann für Volkswagen. Nicht dass er irgendeine eine Ahnung von diesen Geschäften gehabt hätte, aber sein Name war nach wie vor Gold wert.

Es spricht für Buzz Aldrin, dass er sich seine mentale Stärke nach und nach wieder erarbeitete. Gewisse Phasen der Labilität machten sich später bei ihm nur noch durch gelegentliche Temperamentsausbrüche bemerkbar. Einer, der ihm viele Sympathien einbrachte, ging 2002 durch alle Medien: Als ihm auf dem Weg zu einer Veranstaltung ein Verschwörungstheoretiker den Weg verstellte, ihn in eine Ecke drängte und ihn zwingen wollte, auf die Bibel zu schwören, dass er nie auf dem Mond gewesen sei, brachte er den gerade mal halb so alten Mann kurzerhand mit einem gut gezielten Kinnhaken zur Strecke.

Buzz Aldrins Vermächtnis für die bemannte Raumfahrt liegt übrigens gar nicht so sehr im Apollo-Programm begründet. Für die Entwicklung der Raumfahrttechnik leistete er zuvor schon wesentlich Bedeutenderes. Während des Gemini-Programms hatte sich Aldrin eine Art Ehrentitel als "Dr. Rendezvous" erdient. Er hatte am Massachussats Institute of Technology über das Thema "Rendezvous-Techniken für bemannte Raumfahrzeuge" promoviert, arbeitete auch bei der NASA in diesem Gebiet und half mit, die für die späteren Mondlandungen so wichtige Technik der Annäherung und des Zusammenkoppelns von Raumfahrzeugen zu vervollkommnen.

Fast noch bedeutender aber war seine akribische Arbeit an der Perfektionierung von Außenbordmanövern. Die erste ernsthafte EVA (= ExtraVehicularActivity) des Gemini-Programms, durchgeführt bei der Mission von Gemini 9, war ein lebensgefährliches Desaster und auch bei den Flügen von Gemini 10 und 11 bekamen die Crews die Probleme nicht in den Griff.

Edwin Aldrin bei einem seiner Außenbordmanöver während der Mission Gemini 12

Aldrin entwickelte und testete in der Folge dieser Fehlschläge mit den Ingenieuren der NASA Technologien und Arbeitspraktiken, welche für die erfolgreiche Durchführung einer EVA unabdingbar sind. Am 11. November 1966 startete er zusammen mit James Lovell in Gemini 12 in den Erdorbit. Er demonstrierte bei dieser Mission die von ihm mit geschaffenen Verfahren und Werkzeuge und löste damit das letzte große Problem der Gemini-Ära in Vorbereitung für Apollo.

Seine Raumfahrt-Begeisterung und seinen Elan hat Buzz Aldrin bis heute nicht verloren. Er hat vier Unternehmen gegründet, schreibt Sachbücher, Science-Fiction und biografische Werke. Anders als früher tritt er heute gerne in der Öffentlichkeit auf und ist ein gefragter (und teurer) Redner. Ein Asteroid ist nach benannt: "6470 Aldrin", und auch ein Mondkrater – vormals "Sabine B" – trägt jetzt seinen Namen.

Er tourt auf dem ganzen Planeten in Sachen Weltraum herum. In Deutschland war er zuletzt bei der Premiere des Films "Im Schatten des Mondes" in München zu sehen. Diese Woche kann man ihn in Wien erleben. Beim Kongress "Com.sult 2010", der unter dem Motto "Shape the Future" steht. Bei Gelegenheiten wie diesen sagt er es jedem der es hören will oder auch nicht: Die Menschheit muss sich Ziele setzen. Der Forscherdrang ist dem Menschen angeboren. Grenzen sind da, um überwunden zu werden.

Am 20. Januar ist Buzz Aldrin 80 geworden.

 

Mit 80 ist Buzz Aldrin ein gefragter (und teurer) Redner

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Ich bin Raumfahrt-Fan seit frühester Kindheit. Mein Schlüsselerlebnis ereignete sich 1963. Ich lag mit Masern im Bett. Und im Fernsehen kam eine Sendung über Scott Carpenters Mercury-Raumflug. Dazu der Kommentar von Wolf Mittler, dem Stammvater der TV-Raumfahrt-Berichterstattung. Heute bin ich im "Brotberuf" bei Airbus Safran Launchers in München im Bereich Träger- und Satellitenantriebe an einer Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technik tätig. Daneben schreibe ich für Print- und Onlinemedien und vor allem für mein eigenes Portal, "Der Orion", das ich zusammen mit meinen Freundinnen Maria Pflug-Hofmayr und Monika Fischer betreibe. Ich trete in Rundfunk und Fernsehen auf, bin Verfasser und Mitherausgeber des seit 2003 erscheinenden Raumfahrt-Jahrbuches des Vereins zur Förderung der Raumfahrt (VFR). Aktuell erschien in diesen Tagen beim Motorbuch-Verlag "Interkontinentalraketen". Bei diesem Verlag sind in der Zwischenzeit insgesamt 16 Bücher von mir erschienen, drei davon werden inzwischen auch in den USA verlegt. Daneben halte ich etwa 15-20 mal im Jahr Vorträge bei den verschiedensten Institutionen im In- und Ausland. Mein Leitmotiv stammt von Antoine de Saint Exupery: Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Menschen zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge zu verteilen und Arbeit zu vergeben, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten unendlichen Meer. In diesem Sinne: Ad Astra

5 Kommentare

  1. Wobei…

    … sich beim Foto, auf das Herr Khan verweist, die Frage stellt, weshalb der Herr rechts im Bild so breit grinst. Steht er etwa unter Drogen? Oder möchte er in all dem derzeitigen Pleitentaumel vielleicht gerne dorthin entschwinden, wo die drei netten Jungs damals waren?

  2. Verständliches Grinsen

    Herr Obama freut sich vielleicht deswegen so offenkundig, weil er drei Männern die Hand schüttelt, die das gemacht haben, wovon viele andere, wahrscheinlich auch Herr Obama selbst nur träumen konnten und schon seit ihrer Kindheit geträumt haben.

    Als Präsident dieser großen Nation, der auch wir eine Menge zu verdanken haben und der die meisten von uns (natürlich abzüglich der in Deutschland sehr verbreiteten Besserwisserei) positiv gegenüber stehen, freut er sich vielleicht auch deswegen, weil der phänomenale Erfolg dieses größten Abenteuers – trotz allen Hindernissen, die überwunden werden mussten – besser als alles andere die positiven Charakteristiken der USA aufzeigt, die Fähigkeit und den Willen, sich Problemen zu stellen und sie zu lösen.

    Ich bin mir sicher, dass auch Ende des Jahrhunderts die USA noch ein bedeutender Spieler in der globalen Arena sein werden – wenn auch nicht von der Statur wie im vergangenen Jahrhundert, so doch als eine der großen und mächtigen Nationen der Welt. Nicht zuletzt wegen dieser Eigenschaften, die exemplarisch im Apollo-Programm verkörpert werden.

    Im Falle von Europa und vor allem im Falle von Deutschland bin ich mir in dieser Hinsicht schon weitaus weniger sicher.

    Und vor allem bin ich mir über eins sicher: Im Jahre 2069 und noch lange danach wird man die erste Landung von Menschen auf einem anderen Himmelskörper weltweit als das bedeutendste Ereignis der Menschheitsgeschichte feiern.

    Wäre ich der amerikanische Präsident oder irgendein anderer Amerikaner, dann wäre ich verdammt stolz, dass meine Nation diese Leistung erbracht hat. Ich würde keinen, der mir das kleinreden will, auch nur ansatzweise Ernst nehmen.

    Und wenn ich da stehen würde und den drei Astronauten von Apollo 11 die Hand schütteln, dann würde ich grinsen wie ein Honigkuchenpferd, das ist mal sicher.

  3. Verständliches Grinsen, aber wobei?

    Michael Khan kann ich nur vollinhaltlich zustimmen. Und Max Fröppler muss ich sagen, dass ich langsam befürchte, dass Obama zwar tatsächlich breit grinst, aber mit Sonne, Mond und Sternen offensichtlich wenig am Hut hat. Wahrscheinlich zieht ihn die Kraft des Faktischen bleischwer auf den Erdboden. Die drei älteren Herrschaften (siehe Bildadresse in Michael Khans Kommentar oben) hätten es sich jedenfalls 1969 bestimmt nicht träumen lassen, dass 40 Jahre nachdem sie die Erde mit dem ausgestreckten Daumen abdecken konnten, der Mensch es gerade mal mit Müh und Not schafft, sich 450 Kilometer von seinem Heimatplaneten zu entfernen. Ungefähr so weit wie von mir zu Hause (Riedering in Oberbayern) bis nach Frankfurt.

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