Eine Bulle mit dem Namen einer biblischen Person gefunden in Jerusalem

BLOG: Archäologische Spatenstiche

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Archäologische Spatenstiche

Die archäologischen Ausgrabungen in Jerusalem fördern immer neue Funde zutage. Wir haben im Januar 2008 auf dieser Seite über den Fund eines Siegels berichtet. Damals wurde bei der Grabung in der Davidstadt (südlich vom Tempelberg), die durch die israelische Archäologin Dr. Eilat Mazar geleit wird, ein Siegel mit dem Namen „Schelomit“ gefunden. Die Internetausgabe der israelischen Zeitung Jerusalem Post berichtete am 19. August 2008 über einen neuen Fund aus derselben Grabung, wobei der Zeitpunkt des Fundes nicht angegeben wurde.

Es handelt sich um eine Bulle, einen im Ton festgehaltenen Abdruck eines Siegels. Die ovalförmige Bulle hat die Zeit von ca. 2600 Jahren gut überstanden – von den drei tiefen Schürfungen an der Oberfläche abgesehen. Alle Buchstaben sind erhalten und sind leicht zu lesen. Der Text ist in zwei Zeilen geschrieben, jede Zeile endet mit einem Punkt. Die Textzeilen sind durch zwei Linien getrennt. Der Text, der diese Bulle so interessant macht, lautet „Von Gedalja, dem Sohn Paschhurs“. Ein Mann gleichen Namens ist aus dem Buch Jeremia, Kapitel 38, Vers 1 bekannt. Er war einer der Beamten des Königs Zedekija, die gegen den Propheten Jeremia vorgegangen sind. Aufgrund des Namens, der eine Filiation enthält, und aufgrund der Fundlage können wir mit hohem Wahrscheinlichkeitsgrad den Besitzer des Siegels mit dem biblischen Paschhur gleichsetzen.

Die Fundlage spielt bei dieser Identifikation folgende Rolle. Die Bulle wurde außerhalb der Ruine gefunden, die E. Mazar als den Palast Davids deutet. Im Jahre 2005 wurde innerhalb dieser Ruine bei derselben Grabung die Bulle mit dem Namen „Juchal, der Sohn des Schelemja“ gefunden. Ein gleichnamiger Beamter des Königs Zedekija wird neben Gedalja, dem Sohn Paschhurs, im oben genannten Vers aus dem Buch Jeremia erwähnt. Dieser Umstand lässt die Identifizierung der Besitzer der beiden Siegel mit den im Buch Jeremia genannten Personen als sehr sicher erscheinen. Nach E. Mazar ist der Fund von den Siegeln zweier Personen, die im selben Vers der Bibel genannt werden, einmalig.

Abdruck des Siegels von Gegalja, des Sohnes von Paschhur
Bild: Der Abdruck des Siegels des Gegalja, des Sohnes Paschhur (Bildquelle)

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Veröffentlicht von

Viktor Golinets arbeitet im Bereich der semitischen Sprachen und der Hebräischen Bibel. Sein Interesse gilt unter anderem der Sprache und der Textgeschichte des Alten Testaments.

4 Kommentare

  1. Spannend!!!

    Es ist schon aufregend zu sehen, wie sich durch archäologische Forschungen nicht nur das Bild der Vergangenheit stückweise klärt, sondern auch wiederum neue Fragen ganz anderer Disziplinen berührt werden – hier z.B. der Frage, wie genau einige Sachverhalte in biblischen Überlieferungen tradiert wurden.

    Eine Frage: Geht man bei Jeremia eigentlich von einer zunächst mündlichen Überlieferungskette aus, die dann in Schrift gegossen worden wäre? Dann wäre es ja durchaus bemerkenswert, dass sich Namen und Funktionsbezeichnungen auch von Gegnern so genau erhalten haben.

    Also: Danke, gerne mehr Berichte zu diesen Themen! 🙂

  2. Jeremia

    Laut Jeremia 36 hat der Prophet von Gott den Auftrag erhalten die Worte in einem Buch zu schreiben. Er hat sie dann dem Schreiber Baruch diktiert. Später wurden diese Worte dem König Jojakim vorgelesen und er verbrannte die Schriftrolle (nach ein paar Sätze trennte er ein Stück ab und warf es ins Feuer). Daraufhin bekam Jeremia den Auftrag eine neue Buchrolle zu schreiben und er nahm sich wieder den Schreiber Baruch und ließ eine neue schreiben.

    Ich weiß aber nicht, ob das Deine Fragestellung war.

  3. Off-Topic: Volljährigkeit im antiken Rom

    Hallo liebe Kollegen,

    entschuldigt, wenn ich mich mal ganz eigennützig und off-topic an euch wende: Weiß jemand von euch, in welchem Alter ein Mann im antiken Rom als volljährig galt? Hat jemand sogar eine zitierfähige Quelle parat?

    Es dankt es euch

    euer Brain-Freund

    Stephan

  4. Off-Topic: Volljährigkeit im antiken Rom

    Unser heutiges Verständnis der Volljährigkeit ist sehr weit vom damaligen Verständnis entfernt.
    Als volljährig galten Jungen sowie Mädchen, sobald sie heirateten, bzw. durch das Familienoberhaupt, dem pater familias, verheiratet wurden. Mädchen konnten verheiratet werden, wenn sie zwölf Jahre alt waren, dann galten sie als volljährig, Jungen mit 14 Jahren.
    Als zitierfähige Quelle kann ich das Buch von Frank Kolb empfehlen: Das antike Rom Geschichte und Archäologie

    Beste Grüße

    Stefan

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