Von Titulaturen (Teil I)

Zum Auftakt eine Schnurre, die ich meinem Ex-Chef, Prof. Korf, dem ehemaligen Geschäftsführenden Direktor der Dr. Senckenbergischen Anatomie in Frankfurt verdanke. Der wiederum hatte, als er selber noch nicht Chef, sondern Assistent in der Anatomie – und zwar in Gießen – war, einen Chef, der hieß Andreas Oksche.

Das heißt – nein. Er hieß Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Andreas Oksche.

So. Jetzt denken Sie sich bitte mal in die bewegten späten 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück, die Zeiten also, in denen man  systemverändernde Latzhosen (1), formverneinende Schlabberklamotten und antiautoritäre Kinderladengesinnungen an und mit sich trug.

Denken Sie sich weiter in einen Präpariersaal der Anatomie, denn Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Andreas Oksche war Anatom. Und zwar ein berühmter. Stellen Sie sich weiter den Herrn Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Andreas Oksche als das vor, was er auch war: eine physisch imposante Erscheinung. Groß, breitschultrig, ein Mannschrank. Im weißen Kittel im Präpariersaal, um und unter sich den Fluor albus (2) seiner gleichfalls weißbekittelten Assistenten und Studenten, den er er allerdings um Haupteslänge überragte.

Nun stellen Sie sich bitte einen unter seinem gleichfalls weißen Kittel schlabbrig belatzhosten Studenten vor, denken Sie sich ihn, damit die Pointe besser kommt, ein bisschen vermickert, ein Männchen hinter dem Rücken des Mannes, der Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Andreas Oksche war.

Jener Student also, hinter Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Andreas Oksche stehend, wollte irgendwas von diesem, tippte ihm also (wobei er hochreichen musste) von hinten auf die Schulter und sagte:

“Herr Oksche, können’se mal …”

… und weiter kam er nicht. Denn Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Andreas Oksche drehte sich um, blickte, wie von Bergeshöhen, mit völlig leerem Gesichtsausdruck, hinab auf die Niederungen der studentischen Erscheinung und sagte:

“Können Sie ja gleich ‘Andreas’ zu mir sagen.”

Ich habe diese Geschichte nicht erlebt. Ich hab’ sie erzählt bekommen. Und ich habe sie, um der Botschaft willen, ein wenig ausgeschmückt. Ich weiss nicht, ob der Student (die Studentin?) Latzhosen trug. Dass Professor Oksche aber ein imposanter Mann war, das weiß ich. Ich hab’ ihn noch persönlich gekannt.

Ich hab’ vor allem – erneut um der Pointe willen – dem Herrn Professor Oksche in dem Textschnipsel da oben dauernd sein “Professor Doctor medicinae Doctor honoris causa multiplex” vorne angehängt, was natürlich im akademischen Alltagbetrieb eine arg sperrige, mithin also ungebräuchliche Anrede wäre. Der Herr Professor Oksche wäre mit “Herr Professor Oksche” zufrieden gewesen.

 

 

Ich hab das mit der lang ausgerollten Titulatur vor allem auch deshalb getan, um noch einen bösen Witz anbringen zu können. Ich selbst bin, mit vollem Titularschwanz, der “Privatdozent Doctor rerum naturalium Helmut Wicht” — woran Sie sehen können, dass die Akademiker, anders als die echten Ratten, ihre Schwänze vorne tragen.

Schwanzlänge wäre jetzt ein schönes Stichwort. Ich will aber gar keine egalitär-antiautoritäre Kritik der akademischen Titularbeschwanzung schreiben – ganz im Gegenteil. Das Lob der Schwänze will ich singen.

Da wäre doch erstmal – ich habe einst Biologie studiert – eine Taxonomie, eine Systematik, eine vergleichende Anatomie der “Caudae academicae” (“akademische Schwänze”) angesagt. Oder sollen wir lieber (sie sind ja vorne) von “akademischen Antependien” (also dem, was “vorne heraushängt”) oder gar von “Penes professionales” reden?

Bleiben wir erstmal neutral – lassen Sie mich von “Titulaturen” schreiben. Das kommt von lat. “titulus, -i, masc.” und bedeutet laut Georges’ Wörterbuch ursprünglich soviel wie “Überschrift, Aufschrift, Beschriftung, beschriftetes Schild, Aushängeschild” usw. – allerdings kann es auch “Grabinschrift” bedeuten. Nun ja. Manche Akademiker nehmen ihre Titel ja wirklich bis auf den Grabstein mit.

Eine Systematik also, eine Inventur der akademischen Titulaturen. Die ist, so hoffe ich, dem akademischen Novizen nützlich, und vielleicht auch für den von Interesse, der staunend außen vor steht. Ich trau’ mich, diese Inventur zu machen, weil ich schon seit 80 Semestern dabei bin. Ich kenn’ den Laden. Ich bin 1979 als Studiosus rerum naturalium ins universitäre Leben eingetreten, habe es nie verlassen und letzteres auch nie bereut. Ich bin seither – als Biologe – in der Humanmedizin gelandet, auch das ohne Reue, denn man muss nicht Arzt sein, um am Menschlichen (und damit auch an den Eitelkeiten) Spass zu haben, ganz im Gegenteil, ich glaube, das Arztsein verdirbt ihn.

Fein. Nun die Inventur. Zuerst die Studs. und Cands.

Man tritt also als Student in den akademischen Betrieb ein, dann ist man (im Falle der Medizin) Studiosus medicinae oder Studiosa medicinae, mithin ” Herr oder Frau stud.med. N.N.”. Hat man das erste Staatsexamen (“Physikum”) bestanden, reift man zur Candidata (3) oder zum Candidatus medicinae (cand.med.). Hat man das das dritte Staatsexamen hinter sich, ist man — gar nichts mehr. Zumindest titulartechnisch nicht. Denn man ist zwar Arzt, aber kein Doktor, wiewohl alle Welt natürlich zum Arzt “Frau/Herr Doktor” sagt. Hierzu bald mehr, aber erst noch was zu den Studs. und Cands.

Kein Mensch führt diesen Titel, und ich mache mir auch nur gelegentlich den Spass (bei der Begrüssung der Erstsemester oder gleich nach dem Physikum) den Titel in der Anrede anzuwenden: “Frau Sowieso, Sie haben bestanden! Sie sind nun Candidata medicinae! Gratulor!” (4)

Warum das ein Spass ist? Weil der Titel mir tatsächlich die Möglichkeit gibt, auf meinen Glückwunsch noch einen draufzusetzen. Es hat sich etwas getan, eine Veränderung ist eingetreten. Eine positive in diesem Falle. Der Titel gibt dem Ausdruck.

Als ich einst mein Biologie-Studium abschloss, hatte ich den Titel eines Diplom-Biologen (Dipl.-Biol.) in der Tasche. Heutzutag’, post-Bologna, hat sich der Titularapparat der Naturwissenschaftler glatt verdoppelt, da marschiert man mit einen Bacchalaureus scientiarum (B.Sc.) nach ein paar Semestern aus der Uni heraus, kann es aber, wenn man es länger dort aushält, noch zum “Magister scientiarum” (M.Sc.) bringen. Meist anglisiert aber: “Master of Science”, “Bachelor of Science”.

Interessant finde ich, dass man die “alten” Titel (den Dipl.-Biol. oder den Dipl.-Ing.), wenn man sie denn führen wollte, dem Namen voranstellte: “Dipl.-Ing. Daniel Düsentrieb” stand dann im Briefkopf. Den M.Sc. oder B.Sc. hängt man sich (den angloamerikanischen Usancen folgend) aber hinten an.  Ich bin geneigt, das als einen Ausdruck der endgültigen akademischen Verrattung (siehe oben) im Zuge des Bologna-Prozesses zu sehen.(5)

So. Jetzt müsste ein längerer Absatz über den vertrackten “Doctor”, vor allem in der Medizin folgen. Auch die höheren akademischen Weihen, vom Professor bis zur Magnifizenz, stehen noch aus. Zudem fehlt noch fast ganz und gar das Loblied der Titulatur, das anzustimmen ich versprach. Das wird mir aber im Augenblick alles zu lang und zu viel, ich wart’ jetzt erstmal ab, welche garstigen oder wohlwollenden oder informativen Resonanzen der Text bis hierher erzeugt und schreibe den Teil II später. Oder gar nicht.

 

Fußnoten:

(1)  Die “systemverändernde Latzhose” verdanke ich Herrn Prof. Ohrloff, dem gewesenen Leiter – nein, nicht der Ohrenheilkunde, sondern der Ophthalmologie, der Augenheilkunde an meiner Alma mater, nämlich der Goethe-Universität Frankfurt. Der Prof. Ohrloff ist nicht nur ein gestandener Professor der Medizin, sondern – wie er selbst gerne erzählt – auch ein Veteran der Hippie-Bewegung. Mit dem VW-Bus nach Goa. Allen Ernstes. Der Mann ist gut drauf und wird mir den Kalauer mit dem Ohr verzeihen.

(2) Das ist so bitterböse, so garstig .. das verdient eine Erklärung. Als “Fluor albus” (“weisser Fluss”) bezeichnen die Kliniker die weissbekittelte Horde der Assistenten, die den Chef auf Visite in den Krankenzimmern umfliesst und die, einem weissschäumenden Katarakt gleich, mit dem Chef zusammen durch die Station strömt. Zugleich – und da wird’s eben garstig – ist “Flour albus” (diesmal im Sinne von “weißer Ausfluss”) der Terminus technicus der Medizin für das (normale) Vaginalsekret der geschlechtsreifen Frau, das unter Mitwirkung der Döderleinschen Bazillen (doch, die heissen wirklich so) in der Vagina produziert wird und deren saures Milieu aufrecht erhält.

(3) Das kommt auf einigen Umwegen von dem lateinischen Wort “candidus, -a, -um”, was soviel wie “leuchtend, hell, weiss” bedeutet, denn in der “Toga candida”, einer leuchtend weiß gebleichtenToga, wurden die Jünglinge im alten Rom in den Kreis der Männer aufgenommen. Vorher war wahrscheinlich grau in grau angesagt.

(4) Tja. Ein Deponens, ein Wort im Passiv. “Gratulor” heisst: “ich gratuliere”. Und nicht: “ich werde gratuliert”.

(5) Auf dem Bild oben ist natürlich keine Ratte, sondern eine Maus zu sehen. “Vermausung” ist aber auch ein schönes Wort, und eigentlich für die Folgen des Bologna-Prozesses an den Universitäten sogar passender.

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Veröffentlicht von

Gedankenfragmente von Helmut Wicht, Dozent an der Frankfurter Universität, über Neurobiologie, Anatomie, Philosophie, Gott und die Welt. Seine eigentliche Expertise bezieht sich auf die (Human-)anatomie und die vergleichende Anatomie des Nervensystems.

17 Kommentare

  1. Liest sich gut, lieber Herr Privatdozent Doctor rerum naturalium Helmut Wicht, Folklore muss sein und Titel geben Struktur.
    Die lateinische Sprache wirkt hier, wie einige finden, günstiger, weil sie schlechter (!) verstanden wird heutzutage als die englische.
    Autorität entsteht aus dem Nichtwissen anderer, böse formuliert.
    Sie scheinen es ja an den hier gemeinten Bildungsstätten lange und gut ausgehalten zu haben.
    MFG + schönes WE schon mal,
    Dr. Webbaer

  2. Nicht böse sein…Ich finde Titel nicht so dolle…Muß unweigerlich an alle Titel des Erich Honeckers denken, welche grundsätzlich in der aktuellen Kamera zum besten gegeben werden mußten. Ich wollte die Titel hier hinschreiben, bekomme sie aber nicht mehr hin. Egal. Lange her.
    Neuer Absatz, auch der Zeit geschuldet…
    Wir brauchen in erster Linie -gestern wie heute- keine Titel, sondern Kompetenz, wo und in welchen Fach auch immer. Amen!

  3. Zugleich – und da wird’s eben garstig – ist “Flour albus” (diesmal im Sinne von “weißer Ausfluss”) der Terminus technicus der Medizin für das (normale) Vaginalsekret der geschlechtsreifen Frau

    Stellt sich noch die Frage, welche Titulatur der Fluor trägt, wenn die Candidata einen Candida hat …

    ich wart’ jetzt erstmal ab, welche garstigen oder wohlwollenden oder informativen Resonanzen der Text bis hierher erzeugt und schreibe den Teil II später. Oder gar nicht.

    Mit letzterem würden sie in die Fußstapfen von Gödel treten, der seinem epochalen Artikel “Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme I” auch kein “Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme II” folgen ließ.

  4. @ hilsebein

    Lieber Dietmar,
    der Titel ist lieblos, das geb’ ich zu.
    Allerdings geht MIR bei dem Wort “Kompetenz” das Messer in der Tasche auf. Wofür das Wort nichts kann, wohl aber die empirische Bildungsforschung, die es gekapert und mit “instrumenteller Vernunft” in eines gesetzt hat.

  5. @ Wicht

    Lieber Helmut,

    Allerdings geht MIR bei dem Wort “Kompetenz” das Messer in der Tasche auf.

    Das kann ich nachvollziehen -müßte Dir aber dann bei den Titeln ebenso ergehen, da nach meinem Verständnis der Titel kurz und bündig Auskunft über die Fachkompetenz geben *sollte*.

  6. So eine Titulatur hat schon was. An der Länge der Anrede kann man dann schon abschätzen, habe ich einen überkorrekten Menschen vor mir oder einen Kulturrevoluzzer.
    Die moderne Form der Titulatur ist die Länge der E-mail Adresse. Eine Person, die gerade nicht genannt werden will, hat eine 32 Buchstaben lange E-mail Adresse, was aber von der 36 Buchstaben langen Titulatur des Herrn Oksche noch getoppt wird.

  7. .. Mannschrank .. um Haupteslänge überragte.

    Ich habe Mal gegoogelt und das gefunden: https://idw-online.de/de/image?id=120619&size=screen .. Hm (allerdings soll man ja im Alter schrumpfen).

    Hier ein, gewissermaßen akademischer (und historisch nicht uninteressanter), Link (off topic?): http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/12968/1/dorado.pdf.

    Modifiziertes Zitat aus dem Blogtext: … denn man muss nicht Physiker und Philosoph sein, um am Menschlichen Spaß zu haben, ganz im Gegenteil, ich glaube, das Menschsein kann ihn trüben. Dies, weil Herr Boltzmann etwa 1 Jahr nach seiner Rückkehr Suizid beging …

    Informative Resonanz? Ich bin in den 70-ern auch Mal in Goa gewesen ..

  8. Die moderne Form der Titulatur ist die Länge der E-mail Adresse.

    So in etwa, in der Kürze liegt die Würze, der Schreiber dieser Zeilen verfügt insofern (unter anderen) über eine E-Mail-Adresse, die aus drei Buchstaben besteht, die Abkürzung von ‘Webbaer’ ist ‘W’, und aus dem schnöden, aber ebenfalls semantisch tauglichen ‘mail.com’, einige weiter Sonderzeichen sind dabei, dennoch verfügt Dr. W über eine der auch semantisch tauglichsten kurzen E-Mailadressen, die im Sinne sog. Web-Handles möglich sind.

    Unser lieber Herr Inhaltegeber wird insofern womöglich selbst seinen Nachnamen zu schätzen wissen, es gibt zudem auch das Adjektiv ‘wichtig’.

    In der Einfachheit ist die Schönheit zu finden,
    MFG – WB (der abär nichts gegen Folklore und Rangsysteme hat, stand schon so weiter oben, alles wichtich (niederdeutsch))

  9. Das ist ein spannendes Thema; ich bin neugierig, was als nächstes kommt.

    Ich habe eine geteilte Meinung dazu: Ein Dr-Grad ist eine akademische Qualifikationsstufe, nämlich die Lizenz zum selbständigen wissenschaftlichen Arbeiten. Also sowas wie ein Führerschein – nur eben nicht für PKW oder LKW, sondern für wissenschaftliches Arbeiten bzw die Selbstständigkeit dieses Tuns. Daher predige ich meinen Studierenden stets, dass Sie mich nicht mit meinen Titeln anreden müssen, sondern mit meinem Namen – sie schreibt oder sagt schließlich auch keinen Führerschein vor den Namen. “LKW-Fahrer Henning” … oder so hab ich noch nirgends gelesen: die schreiben immer nur ihren Vornamen (wenn überhaupt).
    Die Bestimmungsvokabeln nach dem “Dr.” sagen auch nur etwas über die Fakultät, nicht einmal etwas übers Thema oder die Methode: Bspw. hat ein Freund von mir eine Biographie geschrieben (wissenschaftshistorische Arbeit) und dafür “rer.nat.” bekommen, während ich in einer meiner Dissertationen ca. 80% der Zeit Rechnungen, Simulationen, Visualisierungen programmiert habe (naturwissenschaftliche Methoden) und dafür “Dr phil” bekommen habe. Was also sollte das aussagen?

    Die Berufsausbildung, die dieser Arbeitsprobe in selbstständigem wiss. Arbeiten vorausgegangen war (denn die Lizenz wird erst vergeben, wenn man bewiesen hat, dass man es kann und selbständig arbeiten kann man nur beweisen, indem man es tut), ist durch ein Diplom gewesen. Diplome hat man aber typischerweise (außer bei Ingenieuren) nicht in Briefköpfe geschrieben. Ein Dipl.-Phys., Dipl.-Math. oder Dipl.-Inf nicht nur als Ausbildungszeugnis den Bewerbungsunterlagen beizulegen, sondern in der täglichen Korrespondenz wäre nur in begründeten Ausnahmenfällen schicklich (z.B. bei öffentlichen Vorträgen oder so, aber auch da eher selten).

    Zusammengefasst: Meine Diplome standen fast nie vorm Namen, warum sollten es dann die Führerscheine tun?

    Natürlich weiß ich, dass das in der Medizin anders ist und dass Ärzte und Juristen (die dauernd in der Öffentlichkeit präsent sind oder gar mit dem Schild an der Praxis werben müssen) den Dr-Titel zu Werbezwecken brauchen. Im akademischen Alltag kann ich aber, ehrlich gesagt, die Titelreiterei nicht nachvollziehen. Bin daher gespannt auf Teil II zu dem Thema.

  10. Dr. W.
    die Länge der e-mail Adresse kann in der Tat beindrucken.
    Aber auch umgekehrt. Meine E-mail Adresse ist überlang. Die Übelregung dabei war, wer mir schreiben will, der soll sich auch die Mühe machen, diese Adresse richtig zuschreiben. Hat gut funktioniert. Meine E-mails sind überschaubar. Mit Eitelkeit hat das gar nichts zu tun.
    Bei den Titeln , da ist es Eitelkeit, man kann es aber auch positiv sehen, es ist eine Form von Exzentrik, die in unserer Gesellschaft selten georden ist. Es fehlen die Exzentriker, die sich auch der Masse der Mitläufer abhebt. Ganz wohltuend empfinde ich immer den Aufenthalt in Egnland , wo die eccentric noch geschätzt wird.
    Die Iren brauchen das nicht , jeder Ire ist von Geburt an anarchisch und bleibt es auch. Achten Sie mal auf die Entwicklung in Nordirland bezüglich des Brexit, da werden wir noch viele Auseinandersetzungen erleben, wie gerade in Derry. Die Stadt heißt Derry, nicht Londonderry.

  11. Der Doktortitel weist darauf hin, dass zumindest einmal, nämlich bei der Doktorarbeit, wissenschaftlich gearbeitet worden ist.
    Allerdings können Diplomierte schlecht davon abgehalten werden, durch Zähigkeit, diesen zu erlangen, in praxi sozusagen nicht und wenn sie dies anstreben, eben zäh.
    Einigen wäre insofern, die dbzgl. erreicht haben, abgeraten sich bspw. mit einem sozusagen Urvieh des wissenschaftlichen Seins, der werte hiesige Inhaltegeber bleibt gemeint, zu vergleichen.
    Wobei mit derartiger Einschätzung selbstverständlich nicht Mitkommentierende gemeint sind, über die der Schreiber dieser Zeilen nur wenig weiß.
    Dr. W weiß zudem auch wie im seinerzeitigen “Ostblock” promoviert werden konnte, Dr. W will die womöglich hier passende bundesdeutsche Vorzeigekraft selbstverständlich unbenamt lassen.
    MFG
    Dr. Webbaer

  12. Lieber Helmut (auch @Hoffmann),

    wie erfrischend, wieder einmal etwas von dir zu lesen!

    Doch als Philosoph mit Affinität zu den Rechtswissenschaften will ich mir zwei kritische Anmerkungen nicht verkneifen:

    Ein Exkurs darüber, was ein echter Titel ist, würde wahrscheinlich so manchen Akademiker überraschen. Auf behördlichen Dokumenten habe ich bisher nur die Formulierung “akademischer Grad” gesehen.

    Was in unserer Gesellschaft der Name ist, regelt das Gesetz. Dabei ist es eine deutsche (und auch österreichische) Eigenart, über die sich viele Ausländer wundern, einen akademischen Grad in Ausweise eintragen zu lassen.

    Die Reaktion des Profs, “dann können Sie mich doch gleich Alexander nennen” (Warum nicht Alex?), ist doch sehr souverän.

    Ich erinnere mich an einen alten Sketch von Otto, in dem eine Frau den Professor anhinmelt und immer artig mit “Herr Professor” anredet, bis dieser erwidert: “Auch Fräulein, nennen Sie mich doch nicht Professor. Nennen Sie mich einfach Herr Doktor.”

    P.S. In meinem Studium (2000-2005) war die Unterscheidung zwischen einem stud. und cand. phil. (letzterer hatte die Zwischenprüfung bestanden und war im Hauptstudium) durchaus noch gebräuchlich.

    P.P.S. Ich widme mich jetzt mal wieder den Herausforderungen des echten Lebens und putze Gecko-Mist weg. Das wäre doch auch ein Thema für einen Biologen. Grüße aus Rishikesh.

  13. @Stephan Schleim, PS: Zur selben Zeit, anderes Fach studiert: Es gab weder den Titel “stud” noch “cand phys”.
    Zeichnet sich die Physik gegenüber anderen Fächern durch ausgesprochene Titelarmut aus (weil es eben keine Titel, sondern akademische Grade sind, die da vergeben werden = Qualifikationsstufen, lat. “gradus”=”Stufe”) oder war ich einfach nur an der richtigen Uni, dass mir das erspart blieb?

  14. @ Schleim

    Rishikesh und Gecko-Mist?
    Wo treibst Du Dich denn herum?

    Was ein “echter” Titel sei?
    Nun, ein akademischer (Doktor-)Grad ist es sicher nicht, er ist ja – wiewohl in den Personalausweis eintragbar – kein Namensbestandteil. Sind von daher nur die ererbten Adelstitel “echt”?

    Ich weiss es nicht, und es ist mir für die Zwecke dieses Beitrags, und derer, die noch folgen sollen, auch nicht wichtig. Es geht mir mehr um die Titulaturen als “Differenzmaschinen” – wider den egalitären Brei, der die tatsächlich bestehenden Hierarchieverhältnisse nur überkleistert. Aber ich greife vor.

    Erstmal, im zweiten Teil, will ich über den vertrackten Doktor schreiben. Aber ich komme nicht dazu.

    Viel Spass da, wo die Geckos sind.

    Helmut

  15. @ Hoffmann

    In meinem akademischen Alltag – in der Medizin – verwende ich die Titel dauernd. Es käme mir nicht in den Sinn, meine Chefs als “Herr/Frau XY” anzureden, das sind “Herr/Frau Professor”, wenn ich salopp bin, sage ich: “Chef” oder “Chefin”.
    Ich bin stets gut damit gefahren.

  16. @Hoffmann: stud/cand

    Warum diese Negativität?

    Und es war ja auch nicht, dass wir uns so angeredet hätten, außer vielleicht im Scherz. Es ging vor allem um den Schriftverkehr.

    Es war aber ein zweischneidiges Schwert: Einerseits drückte dieser Status eine gewisse Erfahrung aus; andererseits wurde dann auch eine entsprechende Ernsthaftigkeit und Verantwortlichkeit etwa im Umgang mit jüngeren Semestern oder in der akademischen Selbstverwaltung erwartet.

    Früher waren Zeugnisse nicht nur etwas für in den Lebenslauf, sondern auch ein Zeugnis der Reife. Ich verstehe nicht, was daran falsch sein sollte.

  17. @Wicht: Titel

    Die Adelstitel wurden ja zumindest in Deutschland nach dem ersten Weltkrieg abgeschafft. Meistertitel sind meiner Erinnerung nach noch echte Titel; oder ein “Konsul” und vielleicht gibt es so etwas auch noch in der Kirche.

    Die Medizin ist hierarchisch organisiert; und dazu kommt, dass man in Deutschland noch einmal extra hierarchisch denkt (mit Sie und Du und Herr Dr. und Frau Professor und so weiter).

    Ein Professor mit Frankfurter Vorgeschichte, für den ich mal arbeitete, herrschte mich einmal an, weil ich ihn immer “Herr Professor X.” nannte: “Warum nennen Sie mich so? Finden Sie das toll, oder was?”

    Tja, so unterschiedlich kann man über Titulaturen denken.

    Ich bin gespannt auf deine Fortsetzung. (Und wenn ich schon schrieb: Gecko und Mist in Rishikesh, wie genauer könnte ich dann noch auf deine Frage antworten, wo ich mich herumtreibe? Eben im Geckomist in Rishikesh.)

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