Beitrag zur Theologie (Katharsis)

BLOG: Anatomisches Allerlei

Kopflose Fußnoten von Helmut Wicht
Anatomisches Allerlei

Mein Lieblingstheologe ist der Professor X vom Fachbereich katholische Theologie an der Goethe-Universität in Frankfurt. Schon deshalb, weil er der einzige Theologe ist, den ich näher kenne. Aber auch sonst — man kann so herrlich mit ihm zusammensitzen und sich theologische und philosophische Schnurren erzählen lassen. Politische auch. Manchmal mein’ ich, er ist fast mehr Kirchenpolitiker als Theolog’. Er kennt (wie es sich für einen Mann seines Standes gehört) Gott und die Welt, und womöglich auch den Papst persönlich(1). Mindestens aber ein paar Kardinäle. Oh, und er ist sehr katholisch.

Von dem will ich eine Schnurre erzählen. Und die geht so:

Auf dem wunderschönen Hauptcampus unserer gemeinsamen Alma mater steht der “Poelzig-Bau.”

Hans Poelzig hat dieses imposante Gebäude um 1930 ursprünglich für die IG Farben errichtet, die 1925 in Frankfurt am Main gegründet wurde. Die theologischen Fakultäten, fein säuberlich in Katholen und Evangelen schismiert(2), residieren in einem Seitenflügel dieses Gebäudes. Da gibt es im Erdgeschoß einen großen, hohen, freundlichen, lichtdurchfluteten Raum, einen Seminar- und Vortragsraum, um den man jede Fakultät beneidet.

Das war früher eine Verkaufsstelle der IG Farben. Da konnte man alle möglichen Produkte der IG über’n Tresen kaufen. Auch Zyklon B(3). Der Raum ist, sozusagen, historisch und spirituell verseucht.

Der herrliche Seminarraum gehört, seit die Uni in den Poelzig-Bau einzog, nicht zur evangelischen Theologie. Sondern zur katholischen. In dem Raum stehend, und befragt, warum man ihn der katholischen Theologie zugesprochen habe, wirft sich Professor X ein wenig in Positur, setzt ein Grinsen auf, das zwischen Schelm und Mephisto changiert, und sagt: “…wegen der größeren kathartischen Wirkung.” (4, 5, 6)

Sie haben den Witz nicht verstanden?

Schade. Dann hab’ ich ihn falsch erzählt. Er liegt auch im Atmosphärischen. Darin, wie dieser recht kleine, fast ein wenig koboldhafte Professor X, dessen Gestus und Habitus wirklich zwischen geradezu diabolischer Verschmitztheit, jesuitischem Trickreichttum, heideggerscher Hingabe, eisernster Gewissheit, in Hoffnung umklappender Verzweiflung, Ironie und Ernst, Hybris und Demut changiert, wie der es manchmal fertigkriegt, das alles gleichzeitig auf einen Punkt zu bringen.

Im Moment des Spruches von der Katharsis hatte er so einen Punkt. Zyklon B, das Grauen, die Hoffnung, die Hybris und die Ironie – alles hält sich die Waage. Wie lauter Engel, die auf einer Nadelspitze tanzen. Delikate Sache. Wieviele passen da drauf? Ich sollt’ mich mit ihm mal über Scholastik unterhalten.

—-

(1) Hier, angesichts der umklammerten Sottise, würde er wohl protestieren. Wer kennt schon Gott? Das ist Hybris. Er wird mir, Agnostiker, der ich bin, und Theologe, der er ist, den Satz aber verzeihen. Zumal er selbst von Hybris nicht ganz frei ist. Davon aber, von der Hybris (und der Ironie) handelt diese Glosse. Weiterlesen.

(2) Gibt’s das Verbum? Schisma. Kirchenspaltung.

(3) Als Pestizid entwickelt. Bis heute unter anderen Markennamen (“Cyanosil”) im Gebrauch.

(4) Eintrag “Katharsis” bei wiki hier.

(5) Die evangelischen Theologen hausen im Obergeschoß. Mithin also näher bei Gott. “Sofern man die Erde für eine Scheibe hält”, würde Professor X zurückgeben.

(6) Sollte ich je das Bedürfnis verspüren, mich wieder unter das Dach einer Kirche zu flüchten, würde ich wohl bei der katholischen Kirche anklopfen. Schon um dem Herrgott nicht alleine gegenübertreten zu müssen. Einen Theologen wie den Professor X hätt’ ich da gerne dabei.

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Veröffentlicht von

Gedankenfragmente von Helmut Wicht, Dozent an der Frankfurter Universität, über Neurobiologie, Anatomie, Philosophie, Gott und die Welt. Seine eigentliche Expertise bezieht sich auf die (Human-)anatomie und die vergleichende Anatomie des Nervensystems.

66 Kommentare

  1. Alsoo sprach Spike Milligan

    […] Schon um dem Herrgott nicht alleine gegenübertreten zu müssen. Einen Theologen wie den Professor X hätt’ ich da gerne dabei.

    Da fällt mir eine Geschichte des irisch-britischen Komikers Terence “Spike” Milligan ein. Der beschreibt, wie sein Vater, zeitlebens radikaler Antiklerikaler, auf dem Sterbebett hauchte: “Call a priest. No, wait …. call a bishop!”

  2. @ Khan

    🙂

    Das berühmte Dogma: “nulla salus extra ecclesiam” (kath.) vs. “sola fide, sola gratia, sola scriptura” (Luther).

    Im Angesicht des Herrgottes hätt’ ich aber wirklich gerne einen dabei. Papst _oder_ Luther, egal. Schon um zu hören, was er zu _denen_ zu sagen hat.

    😉

  3. “nulla salus extra ecclesiam”

    Dazu passt das Zitat von Oscar Wilde: “Die katholische Kirche ist nur für Sünder und Heilige. Für normale Leute genügt die anglikanische.”

  4. Agnostiker?

    Herr Wicht, ich musste mich – wie alle, die seine Bücher gelesen haben – von Richard Dawkins belehren lassen, dass es so etwas wie Agnostiker nicht geben kann. Entweder, man glaubt eine Sache, oder man glaubt sie nicht.

    Als Beispiel nennt er die vielleicht sogar berühmte, die Erde umkreisende Teekanne. Das Beispiel geht so: wenn Sie keine Beweise haben, dass in diesem Augenblick eine wunderschöne Teekanne die Erde umkreist, was werden Sie dann tun? Werden Sie annehmen, es existiert so eine Teekanne? Werden Sie sagen, nun, vielleicht existiert sie oder sie existiert nicht – oder werden Sie, und darauf pocht Dawkins, sagen: so eine Teekanne existiert nicht?

    Zu jeder Frage bilden wir uns eine Meinung, die auf Wahrscheinlichkeiten beruht. Man kann sich nämlich keiner Sache sicher sein.

    Sie werden vielleicht einwenden, Sie wüssten ja nicht, dass es Gott nicht gibt.

    Sie wissen aber auch nicht, ob es den furchtbaren Hulk gibt oder nicht gibt, ob es Superman, den wiederauferstandenen Marschall Tito, Darth Vader oder, um auch eine Frau zu nennen, Schneewittchen gibt oder nicht gibt.

    Sie haben aber sicherlich eine Meinung dazu, ob der furchtbare Hulk irgendwo herumläuft, und ich wage zu vermuten, Sie gehen davon aus, dass es ihn nicht gibt.

    In diser Sache kämen Sie nicht auf die Idee sich als Agnostiker zu bezeichnen. Warum also bei den ebenfalls nur legendär existierenden Jehova/Allah/das fliegende Spaghettimonster/Krishna/Manitu/Odin?

    Oder sind Sie gegenüber Odin mutiger und sagen, da bin ich Atheist? Auch bei Krishna und Manitu – aber bei Jahova nicht? Oder sind sie bei all diesen Agnostiker? Oder bei all diesen Atheist, nur bei einer ganz anderen Gottheit dann doch nur Agnostiker?

    .

  5. @ Bösewicht

    Sie werden mir die Freiheit lassen, mich als “Agnostiker” zu bezeichnen, oder?

    Die von Ihnen angeführten Beispiele “supraempirischer Akteure” sind keineswegs die einzigen Gottesbilder, die man im Kopfe mit sich herumtragen kann, das Spektrum reicht vom Pantheismus bis zum Deus absconditus. Und ich habe nicht die geringste Lust, mir von irgendeinem Rationalisten, sei es der Papst (deus est logos) oder Dawkins (ratio excludit deum) vorschreiben zu lassen, welcher rationaler oder irrationaler Methoden ich mich bediene, um mit Gott oder Nichtgott ins Reine zu kommen. Ich hab’ auch nicht vor, das hier auseinanderzudröseln, denn ich habe nichts weiter gesagt, als dass ich nicht weiss, ob ein Gott existiert.

    Und ich besitze die gottverdammte FREIHEIT, selbst wenn ich WÜSSTE, dass er nicht existiert, dennoch zu GLAUBEN, was mir passt. Credo, quia absurdum, auch das geht.

    Was NICHT heisst, das ich TUN könnte, was ich will, das ist eine andere Baustelle.

    Und jetzt geh’n Sie bitte weg und versuchen andere Leute mit Ihrem Spaghetti-Monster zu verhohnepiepeln.

  6. @Helmut Wicht @ Bösewicht

    Prima Antwort, könnte von mir sein, abgesehen davon, daß ich’s bei weitem nicht so schön sagen könnte.
    Nur einen, allerdings, glaub’ ich, gewichtigen Einwand habe ich:

    “Und ich besitze die gottverdammte FREIHEIT, selbst wenn ich WÜSSTE, dass er nicht existiert, dennoch zu GLAUBEN, was mir passt. Credo, quia absurdum, auch das geht.”

    Ich glaube, das ging, aber es geht nicht mehr. Für das Absurde, das man glauben sollte, hatte man nämlich vernünftige Gründe, nämlich vor allem glaubwürdige Zeugen, aber auch Gottesbeweise, und beides hat man (von Ausnahmen wie dem Kollegen Ratzinger abgesehen) nicht mehr.

    Man kann eben nicht glauben, was einem paßt. Man kann nicht beschließen zu glauben, daß man den Autor einer Bibelstelle für einen glaubwürdigen Zeugen hält, wenn man ihn nicht für einen hält, und man kann nicht beschließen, einen Gottesbeweis für richtig zu halten, wenn er einen nicht überzeugt. Wenn man keine guten Glaubensgründe hat, die zu subjektiver Gewißheit (nicht zum Wissen, dann wäre es ja kein Glauben) hinreichen, dann kann man eben nicht glauben, was man glauben möchte: man glaubt es dann nämlich nicht wirklich, man redet es sich nur ein; in lichten Momenten kann man das merken.

  7. @Nick: Gehirnwäsche nicht gefragt

    Wenn Sie jetzt mal jemanden lesen, bei dem “Aufklärung” nicht nur drauf steht, sondern auch drin ist, dann erkennen Sie vielleicht den Unsinn Ihrer Aussagen; aber na ja, wenn man ein schwieriges Problem nicht lösen kann, dann definiert man es eben weg, nicht wahr? Über Ihren Versuch, einen Denker vom Schlage Helmut Wichts dieser Gehirnwäsche zu unterziehen, muss ich aber schmunzeln.

    Wo wir bei Aufklärern sind – T. H. Huxley, “Darwins Bulldogge”, auf den sich Dawkins auch gerne in seinen Vorträgen bezieht, definierte “Agnostizismus” wie folgt; er gilt ferner als derjenige, der als erster diesen Begriff geprägt hat:

    Agnosticism, in fact, is not a creed, but a method […]. Positively the principle may be expressed: In matters of the intellect, follow your reason as far as it will take you, without regard to any other consideration. And negatively: In matters of the intellect do not pretend that conclusions are certain which are not demonstrated or demonstrable. (p. 245f.)

    (Agnostizismus ist tatsächlich kein Glaube, sondern eine Methode […]. Positiv formuliert kann das Prinzip so ausgedrückt werden: Folge in Sachen des Intellekts so weit deiner Vernunft, wie sie dich tragen wird, ohne Rücksicht auf andere Überlegungen. Und negativ: Gebe in Sachen des Intellekts nicht vor, dass Schlussfolgerungen sicher sind, die nicht bewiesen wurden oder nicht beweisbar sind.)

    Huxley, T. H. (1889/1893). Agnosticism. In: Collected Essays, Volume V, London.

  8. @Ludwig Trepl: Glaubensfreiheit

    In der Bundesrepublik Deutschland herrscht die Freiheit des Glaubens, des Gewissens, und des weltanschaulichen Bekenntnisses. Diese Freiheit gilt als unverletztlich; Art. 4 (1) GG.

    Dies ist ein Privileg, für das viele Menschen kämpfen, manche sogar sterben mussten, es ist ein Kennzeichen des freien und modernen Rechtsstaates und es lässt sich auch nicht mit ein paar gedanklichen Winkelzügen, die übrigens auf subjektiven Werturteilen und unbeweisbaren Spekulationen beruhen, einfach so rückgängig machen.

  9. OMG

    Oh mein Gott, was ist das hier für eine Bande humorfreier, alter Säcke?

    Gehirnwäsche, Verhohnepiepelung, etwas Vorschreiben, GROßE BUCHBSTABEN??? Ich weiß ja, dass es schwer ist ein wenig Spass zu machen wenn das Gegenüber nicht sieht, dass man das, was man sagt nicht todernst meint, aber zur Hölle, was kann man mehr tun als den Hulk als Beispiel anzuführen um zu zeigen, dass man es nicht bierernst meint?

    Ich meine, Ihre Antwort darauf ist “supraempirischer Akteur”?? Bei Gott, Allah, Hulk und anderen superempirischen Akteuren, ich habe selten so gelacht in letzte Zeit.

    Wow. Viel Spass noch.

  10. “… ich habe nichts weiter gesagt, als dass ich nicht weiss, ob ein Gott existiert.”

    Mit einer solchen Aussage steht man immer noch gut da, wenn es denn doch einen jüngsten Tag geben sollte. Ich schreibe das, obwohl es hier gerade so streng ist.

    Wenn alle Götter hartnäckig nicht empirisch sind, wenn wir offenbar nichts über ihr Wirken erfahren können, wie existieren sie dann (in der Zwischenzeit)? Wäre ein Gott – hier und jetzt und ohne jeden Umweg – empirisch, gäbe es unter den verschiedenen Religionen wahrscheinlich weniger Zwist, weil sie einfach verschwänden. Andererseits würde dann zurecht das heikle Thema der Theodizee angesprochen, zu dem die katholische Kirche ja aktiv einige heikle Fragestellungen beigetragen hat.

    “Wenn es einen Gott gibt, könnte man genausogut auf ihn verzichten”. Alles weitere ist Engelspalterei.

  11. @Nick: nicht überzeugend

    Sorry, ich finde Ihren Rückzieher nicht überzeugend. Ihr Kommentar war kein Scherzbeitrag. Sie fangen erst mit Dawkins’ Freund-Feind-Redeweise an, entweder man ist auf seiner Seite oder auf der des Gegners:

    …von Richard Dawkins belehren lassen, dass es so etwas wie Agnostiker nicht geben kann. Entweder, man glaubt eine Sache, oder man glaubt sie nicht.

    Ich habe zu zeigen versucht, dass es eben doch einen sinnvollen Sprachgebrauch für “Agnostiker” gibt; wenn Sie einmal darüber nachdenken, ist die von mir zitierte Formulierung etwas zutiefst Rationales und auch Wissenschaftliches. Wenn Ihnen so viel an Wissenschaft liegt, wie Sie hier vorgeben, dann nehmen Sie das Wort “Agnostiker” vielleicht doch wieder in Ihren Sprachwortschatz auf.

    Dann kommen Sie mit einer Argumentation, die sich auch bei einigen Brights und Atheisten findet. Dass Sie sich jetzt die Narrenkappe aufsetzen, nachdem Sie hier auf einigen Gegenwind stoßen, lässt auch die anderen Positionen in einem komischen Licht stehen.

    Ich bin übrigens weder alt, noch Sack.

  12. @ Schleim

    Ja, ich hätte wahrscheinlich ausser dem Hulk, Superman, Genosse Tito und Darth Vader noch einige Jungs aus der World Wrestling Federation erwähnen sollen, damit mein Post in diesem Blog als dann ganz besonders ernst gemeint verstanden worden wäre.

    Ich hätte vielleicht auch irgend einen atheistischen Titel erfinden und mir selbst verleihen sollen, um dann als, sagen wir, Erz-Metropolit einer autokephalen Abteilung des Atheismus in Baden-Württemberg meinem eindeutig missionarisch gemeinten Beitrag noch mehr den Ernst zu verleihen, der ihm hier zugeschrieben wird.

    Und noch etwas: ich habe meinen Beitrag jetzt nochmal gelesen, und ich muss sagen, wenn jemand auch nur entfernt etwas Lockerheit, Aufgeschlossenheit und Lässigkeit besitzt – wie kann man dann SO reagieren, SO antworten? Ausdrücklich selbst dann, wenn man ihn für bare Münze nimmt (trotz dem für Dogmatiker meines Schlages so typischem Duktus…)?

    Ich werde mir das für meine nächsten Beitrag dieser Art merken.

    Sorry für MEIN Missverständnis.

  13. @Stephan Schleim @Ludwig Trepl …..

    Lieber Stephan Schleim,

    mit dem, was Sie mir antworten, hat das, was ich geschrieben habe, nicht das geringste zu tun. Die Frage der Freiheit des Glaubens vor Zwang durch staatliche oder andere Mächte, die das Gesetz in Deutschland garantiert, liegt doch auf einer ganz anderen Ebene als die Frage nach der Freiheit, die der Einzelne vor sich selbst hat, wenn es darum geht, dies oder jenes für wahr oder richtig zu halten. Ein Dezisionismus scheint mir da nicht am Platz, man kann da nicht sagen: ich halte das für wahr oder normativ richtig, weil es mir paßt, und nicht, weil mir Gründe keine andere Wahl lassen oder zumindest eine bestimmte Wahl nahelegen. Die Vernunft zwingt zu bestimmten Schlüssen, sie mögen einem passen oder nicht. Die Vernunft übt durchaus Zwang aus. Die Diskurstheoretiker sprechen vom „zwanglosen Zwang des besseren Arguments“; das liegt auf der gleichen Linie. Der Zwang der Vernunft ist mit Freiheit vereinbar, weil es die eigene Vernunft ist, die da zwingt. Freiheit, so hat man gesagt, besteht darin, dem zu folgen oder folgen zu können, was man als Gebot der Vernunft erkannt hat.

    „Winkelzüge“ scheint mir darum in diesem Zusammenhang nicht der richtige Ausdruck; bzw. wenn, dann hätte der Großteil des Philosophierens in den letzten Jahrhunderten in Winkelzügen bestanden, denn was galt denn – nicht überall, aber doch bei einem Großteil – für selbstverständlicher als das, was ich eben geschrieben habe?

    Interessieren würde mich, wo Sie die subjektiven Werturteile und unbeweisbaren Spekulationen sehen.

    Viele Grüße

    Ludwig Trepl

  14. @Nick: Off Topic

    Ich kann Ihre Gedanken (mein Buch zum Trotz) nicht lesen und Ihre Argumentation ist ganz analog der von anderen, die ganz ernsthaft auf diese Weise gegen die Möglichkeit eines Agnostizismus argumentieren; das Fliegende Spaghettimonster ist nicht als Scherz gemeint. Ich bin hier auch nicht der einzige, der Ihr Argument so verstanden hat.

    Diese ganze Diskussion um die Absicht oder Scherzhaftigkeit Ihres Beitrags steht aber auch dahin. Wenn Sie sich noch dazu äußern möchten – und damit meine ich ganz ernsthaft –, ob Sie “Agnostizismus” nach wie vor für ein Ding der Unmöglichkeit halten oder nicht, dann lese ich mir Ihr (Gegen-)Argument gerne durch.

  15. @Nick @Schleim @Trepl

    @Nick:
    Gehen Sie, lachen Sie. Aber gehen Sie.

    @Schleim
    Danke für die grundgesetzliche und historische (Huxley) Nachlieferung der Begründung der Offenheit. Jetzt politisch und auch dandymässig: man sollte sich von keinem dieser minderreflektierten Claqueres des Plattpositiven das Maul verbieten lassen. Man sollte ihnen vielmehr Ihre Spaghetti-Metaphysik zum Frasse lassen, die sie hernach als Verdauungsprodukt wieder ausscheiden, damit sie sie hinreichend bewundern können.

    @ Trepl

    “Man kann eben nicht glauben, was einem paßt.”

    Warum darf ich das nicht? Warum darf ich nicht glauben, hoffen, meinen — selbst wenn ich _weiss_, dass es nicht stimmt? Darf ich nicht die Dikatur der Ratio abschütteln, so wie ich jede andere Diktatur abschütteln darf? Darf ich nicht frei sein? Nicht GOTT? Und daran scheitern? (-> Nietzsche).

  16. @Ludwig Tripl: Toleranz und Fehlbarkeit

    …mit dem, was Sie mir antworten, hat das, was ich geschrieben habe, nicht das geringste zu tun.

    Da muss ich widersprechen (wen überrascht’s?); es ist zwar korrekt, dass das GG nur zwischen Staat und Mensch wirkt. Einige der im GG formulierten Normen (-> Menschenrechte) sind aber nicht zufällig dort, sondern ein menschen- und völkerrechtlicher Konsens, auf den wir uns in der kulturellen Entwicklung verständigt haben.

    Ich bin schon Menschen begegnet, die logisch bewiesen, dass die Zeit unendlich sei und es daher keinen Schöpfergott geben könne; und nein, das waren keine Geisteskranken, sondern intelligente Menschen, in einem Fall sogar ein Logikprofessor, in einem anderen ein Professor für die Grundlagen der Mathematik. Es hängt eben vieles von den Axiomen ab, die man setzt.

    Ich fand bisher keinen Gottesbeweis überzeugend; Sie auch nicht; das heißt aber doch nicht, dass ein Dritter anderer Meinung sein kann, ohne Geisteskrank (“der Vernunft entgegen an Absurdes glauben”) zu sein.

    Dass wir Art. 4 (1) GG haben, ist die Folge eines Kampfes für Toleranz; und der Einsicht in die Fallibilität menschlichen Wissens. Hinter dieses Ergebnis und die damit einhergehende Freiheit dürfen wir nie wieder zurückfallen.

    Wo kommen wir ohne diese Einsichten hin? Der herrschenden psychiatrischen Meinung zufolge leidet ein Mensch mit Glaubensüberzeugung (der z.B. an einen personalen Schöpfergott glaubt) nicht per se an Wahnvorstellungen, da sich die Frage etwa nach der Existenz eines Gottes (dem Inhalt der Überzeugung) nicht entscheiden lässt.

    Manch superschlauer Psychiater argumentiert aber ganz ähnlich wie Sie und kommt zu dem Ergebnis, Gläubige seien alle Geisteskrank. Das habe ich schon auf einer Konferenz gehört. Also Zwangsbehandlung für alle, die anders denken, als Sie?

    Seien Sie doch froh, wenn Ihr Verstand Ihnen hinreichende Gründe für Ihren Atheismus liefert. Meinen Vernunftüberzeugungen zufolge ist das Problem unentscheidbar und daher sehe ich mich als Agnostiker, nicht als Atheist und auch nicht als Theist.

    Was Sie bei allem Lob auf die Vernunft völlig vergessen, ist die Möglichkeit der persönlichen Erfahrung. Es gibt Menschen, und auch das sind keine per se Geisteskranken, die davon überzeugt sind, eine religiöse Erfahrung gemacht zu haben. Da können Sie noch so viel von Vernunft reden: Das Spektrum der menschlichen Bewusstseinserlebnisse ist mehr als das, was die Vernunft zulässt!

  17. @Helmut

    Ja, danke, ich stimme dir zu. Für mich ist das hier auch mehr eine unterhaltsame Fingerübung.

    Damit hatte ich noch die Gelegenheit, das versehentlich begonnene Kursivchaos zu beenden (Petition: Wir wollen eine Vorschaufunktion!).

  18. @Schleim @Wicht

    @Schleim: natürlich ist Agnostizismus nicht ein Ding der Unmöglichkeit. So, wie auch der Glaube an den Raelianismus oder das Vorhandensein von Hexen zwar vollkommen irrsinnig zu sein scheint, aber doch existiert, ist auch eine vollkommen unlogische Sache – für manche – glaubwürdig. Wie aber ausgerechnet ein Wissenschaftler behaupten kann, “Credo, quia absurdum”, das verstehe ich nicht. Na, so kommen wohl die Scientologen zu ihrem Recht.

    @Wicht
    Herr Wicht, wenn ich lachen will, muss ich wirklich weg hier. Zwar geben Sie sich redlich Mühe ihren Einträgen eine angestrengte Witzigkeit zu geben, aber besonders wenn ich Ihre ziemlich ungefilterte und echte Reaktion auf mein Posting lese bleibt letztendlich doch wahr, was Goethe über Fürze und Fröhlichkeit gesagt hat.

  19. Au weia (hüstel)

    Korrekt heißt es (doppelte Verneinung):

    Ich fand bisher keinen Gottesbeweis überzeugend; Sie auch nicht; das heißt aber doch nicht, dass kein Dritter anderer Meinung sein kann, ohne Geisteskrank (“der Vernunft entgegen an Absurdes glauben”) zu sein.

  20. @Nick: Grundregeln des Denkens

    Wenn Sie den logischen und metaphysischen Unterschied zwischen “Ich glaube A oder ~A” (Theist/Atheist) und “Ich glaube weder A noch ~A” (Agnostiker) nicht verstehen, dann sollten wir die Diskussion hier wirklich abbrechen.

    Und zu Ihrer abfälligen Bemerkung über Wissenschaftler: Sie würden sich wundern, wie viele Wissenschaftler gläubige Menschen sind. Dass manche Kollegen aber Ihrer mittelalterlichen Geisteshaltung anhängen, führt leider dazu, dass manche sich ihre Meinung nicht öffentlich zu sagen trauen. Wie wunderbar!

  21. @Ludwig Trepl

    »Man kann eben nicht glauben, was einem paßt. «

    So isses!

    Mich wundert, dass das nicht sofort so verstanden wurde, wie’s gemeint war.

  22. Freiheit und Toleranz

    Die Freiheit, von der wir alle hier profitieren, ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden;

    und Toleranz kommt von tolerant:

    (in Fragen der religiösen, politischen o.a. Überzeugung, der Lebensführung anderer) bereit, eine andere Anschauung, Einstellung, andere Sitten, Gewohnheiten u.a. gelten zu lassen (duden.de)

  23. Katharsis

    “Sie haben den Witz nicht verstanden?”

    Doch, habe ich. Schöne Schnurre – und lustig.

    Jetzt wird es ernst.

    Da wurde mal ein Theologe gefragt: “Glauben sie an ein Leben nach dem Tod?”
    Er antwortete: “Dienstlich oder Privat?”

    (Der Theologe war nicht Professor X, wie man hier sehen kann: http://hauckundbauer.blogspot.de/2012/03/glauben-sie-ein-leben-nach-dem-tod.html )

    Okay, jetzt wird es aber ernst.

    Kann der Theologe seinen Glauben wechseln, je nach Uhrzeit? – Vielleicht.
    Kann man absurde Dinge glauben? Ja, ich z.B. weiß das von mir, ich kann das!
    Kann man Agnostiker sein, und gleichzeitig Theist oder Atheist? Agnostizismus ist sowohl mit Theismus als auch mit Atheismus vereinbar. (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Agnostiker)

    Es bleiben zwei spannende Fragen.

    1.) Kann der Theologe gegen besseres Wissen etwas glauben?

    Kann er GLAUBEN, dass er auf Englisch geantwortet hat, obwohl er WEIß, das es Deutsch war?
    Ich weiß, dass er das glauben darf. Um Verbote – oder präsidialer: um Freiheit – geht es hier nicht.
    Ich glaube das geht begrifflich nicht, weiß es aber nicht. Vielleicht würde das funktionieren mit einem schwachen Begriff von “Wissen”?

    2.) Hat Dawkins recht mit der Behauptung, “Entweder, man glaubt eine Sache, oder man glaubt sie nicht”?

    Ich überlege gerade, ob die Queen sich bei ihrer Krönung am Kopf gekratzt hat. Mal glaube ich es, mal nicht, aber eigentlich kratzt mich die Sache nicht. Muss ich trotzdem das eine oder das andere glauben, nur weil ich weiß eines von beiden ist richtig? Ich bleib da lieber indifferent, wie auch bei der Beantwortung der 2. Frage.

    Sie haben den Witz vom Bösewicht nicht verstanden?

    Schade. Dann hat er ihn wohl falsch erzählt.

  24. Glaube, Unglaube und Abseitsstehen

    Der hier von mehreren Seiten zitierte Dawkins ist ein Gläubiger, auch wenn er aus Sicht der Religiösen zu den Ungläubigen gehört. Zu den explizit und offiziell Ungläubigen zählen auch die Idealisten und Kommunisten der Stalinzeit obwohl gerade sie sehr viel mit den klassischen Gläubigen gemeinsam haben. Viele hatten ihr Leben der Idee des Kommunismus verschrieben und mussten dann erleben wie ihr Mann oder die Mutter, der Vater ohne Angabe von Gründen von der Staatspolizei abgeholt und später des Verrats und der Kollaboration mit dem Feind bezichtigt wurden. Nicht wenige der Betroffenen (zurückgebliebenen Angehörigen) glaubten genau so wie es ihnen von den Ideologen verkündet wurde an Verräter und Kollaborateure. Sie konnten es jedoch nicht glauben und fassen, dass ihr Vater/Sohn oder der Bekannte von nebenan dazugehören sollte. Es musste ein schrecklicher Irrtum passiert sein. Andererseits Genosse Stalin konnte sich doch nicht irren? Vielleicht war doch etwas hinter den Anschuldigungen? Solche Seelenqualen kennen klassische Gottgläubige genau so. Dort spricht man von Theodizee.

    Das 2o. Jahrhundert war das Jahrhundert der Ideologien und Menschen, die in einer Ideologie beheimatet sind, haben sehr vieles gemeinsam mit den klassisch Gläubigen.

    Glaube ist nur dann bedeutsam, wenn es dem Gläubigen ums Lebendige geht, wenn das, was er glaubt den Kern seines Lebens betrifft.
    Der spirituelle Agnostiker – im Gegensatz zum rationalen Agnostiker der Wikipedia – sagt sich dagegen, dass das was die Gläubigen glauben für ihn nicht zum Kern des Lebens gehört. Selber habe ich immer wieder geschlossen, dass es vielen christlichen Gläubigen letztlich um das Leben nach dem Tod geht. Sie können und wollen nicht akzeptieren, dass mit dem Tod ihr Leben vollkommen abgeschlossen ist. In Bezug auf diesen Glauben und dieses Bedürfnis bin ich ein spiritueller Agnostiker, denn mich interessiert nicht was nach meinem Tod ist und ich habe kein Bedürfnis nach ewigem Weiterleben.

    Glaubensgemeinschaften – seien es religiöse oder ideologische – sind für schwache Menschen, die eine Stütze in einer Gemeinschaft brauchen. Andererseits – wer ist so stark, dass er diese Stütze nicht braucht. Vor allem wenn er Ideale und Werte hat, die nur in einer Gemeinschaft Sinn machen.

  25. @ Joker

    Ich glaube, ich habe den Begriff “glauben” verwendet, ohne gross drüber nachzudenken.

    Wenn ich – mit Ihnen zusammen – darüber nachdenke, muss ich natürlich zugeben, dass ich nicht einfach glauben kann, was mir beliebt, und das Gegenteil gleich mit, auch hier gilt wohl der Satz vom ausgeschlossenen Dritten. Ich kann schlecht Theist und Atheist zugleich sein. Sukzessive, sogar alternierend (siehe den schönen Witz von des Theologen beruflich/privaten Glaubensüberzeugungen) kann ich mir das aber sehr wohl vorstellen.

    Ich bin mit der Definition des Begriffes vom “glauben” als “schwaches Wissen” nicht so ganz glücklich. Ich selbst überlege gerade, ob ich (für mich selbst) nicht versuchen sollte, den Begriff sozusagen in Abgrenzung von Descartes Begriff vom “klaren Gedanken” zu definieren. Also ein Denken, dem eine gewisse Verworrenheit innewohnt, etwas, was sich nicht rationalisieren lässt, oder etwas, was man gar nicht rationalisieren will.

    Ich weiss aber noch nicht, wie weit ich damit komme.

    Allerdings fällt mir gerade was ein (sorry, das ist ein “stream of consciousness-Kommentar”) – wenn ich oben schrieb, dass ich schlecht Theist und Atheist zugleich sein kann: vielleicht stimmt das ja gar nicht. Vielleicht ist der Agnostiker schlicht das Produkt der Subtraktion gleich starker, einander widerstrebender Glaubensinhalte.

    Ich müsste mal in mich gehen.

  26. Glauben

    Moinmoin, spannende Diskussion mal wieder hier, Helmut!

    Glaube bei Kant ist die Modalität mit starker subjektiver, aber schwacher objektiver Gewissheit, im Unterschied zum Wissen (starke objektive und subjektive) und zum Meinen (schwache objektive und subjektive Gewissheit).

    Irritierenderweise hält der christliche Glaube, insbesondere in katholischer Denomination, die Vernunft sehr hoch: der Glaube sei mit der (von Gott geschaffenen) Vernunft vereinbar, heißt es. Ein *christliches* Glauben wider besseres Wissen, wider die Vernunft ist daher theologisch undenkbar.

    Wenn man dies einmal voraussetzt: Kann dann das Glauben (im christlichen Sinne wiederum) überhaupt ein weltanschauliches sein? Wir müssten hier ja eine Gewissheitsquelle angeben können, die sich jedoch notwendig gegen Objektivierung sperrt – dann hätte dieser Glaube aber offensichtlich eher mit individuellen Lebenserfahrungen zu tun, oder?

    Was haltet Ihr von folgendem Glaubensbegriff: Glaube ist die allgemein-menschliche Erkenntnisform von Möglichkeiten auf Handlungen hin.

    Der Fan des 1.FC Köln glaubt an den möglichen Klassenerhalt seines Clubs – was bis zu einem bestimmten Spieltag beliebig unwahrscheinlich aber immer noch möglich ist. Auf diese Möglichkeit setzt er und richtet sein Handeln danach; er trägt mit diesem Handeln dazu bei, dass die erkannte Möglichkeit vielleicht doch Wirklichkeit werden kann (was ohne seine Unterstützung vielleicht nicht möglich wäre). Doch ab einem gewissen Punkt ist es unmöglich, dass Köln in der 1. Bundesliga bleibt – was hieße denn dann “credo quia absurdum”?

    In diesem Sinne gehören Naturwissenschaftler und Ingenieure zu den am meisten vom Glauben bestimmten Individuen auf diesem Planeten!

    Die richtige, angemessene Sprachform für diesen auf Möglichkeit/Handlung ausgerichteten Glauben ist das (auto-)biographische Narrativ, nicht die allgemeine Theorie.

    In diesem Sinne, nicht im weltanschaulichen Sinne, ist die Bibel ein Glaubensbuch, das eine ganz bestimmte Möglichkeit zu erkennen gibt und die Reaktion vieler Menschen auf die Offenbarung dieser Möglichkeit beschreibt. Weltanschauliche Bekenntnisse werden hier eigentlich nirgendwo abgefragt …

    Von welchen Möglichkeiten, die sich Dir erschlossen und die Dich begeistert haben, lässt Du Dein Handeln leiten? Das wäre dann die eigentliche Glaubensfrage.

    Theologie ist dann zweierlei: Das Fragen nach den metaphysischen und metanoetischen Möglichkeitsbedingungen personaler Weltverhältnisse, innerhalb derer Wirklichkeit und Möglichkeit erkannt werden können. Und, zweitens, die Beschreibung der Welt *im Lichte der erkannten, biblisch beschriebenen, sich individuell anbietenden Möglichkeit*, insofern man diese Möglichkeit für die beste aller Möglichkeiten hält und die Weltgeschichte nun von diesem Ende her neu erzählt.

    Die Glaubensgewissheit resultiert dann aus den Bewährungserfahrungen dieses Glaubens im eigenen Handeln und Leben – welche auf einer anderen Ebene liegen als , quasi philosophische Auffassungen.

  27. Ganztägiger Glaube

    @Joker

    Passend zu Deiner Anekdote

    “Da wurde mal ein Theologe gefragt: ‘Glauben sie an ein Leben nach dem Tod?’
    Er antwortete: ‘Dienstlich oder Privat?'”

    und Deiner daran anschließenden Frage

    “Kann der Theologe seinen Glauben wechseln, je nach Uhrzeit?”

    habe ich in einer Diskussion mit Evolutionsbiologen einmal formuliert:

    “Ein Wissenschaftsabergläubiger ist davon überzeugt, dass ein gläubiger Christ so fest an die Bibel oder Gott glaubt, wie er selber an die Wissenschaft (oder die Evolution) glaubt”.

    Also quasi den ganzen Tag und in allen denkbaren Lebensbereichen und -lagen.

  28. @ Hoppe

    Danke für’n Kant.
    Das hätte ich kennen sollen, kannte ich aber nicht. Ist insofern gut, als es klar ist, aber nicht so ganz das, was ich meine, wenn ich “glauben” sage.

    Ich glaube, es hat keinen Sinn, wenn ich jetzt versuche, hier “meinen” Begriff vom “glauben” weiter zu entwickeln. Das müsst ich nämlich erst noch tun, das ist mir alles, wie schon gesagt, nicht so recht klar.

    “Was haltet Ihr von folgendem Glaubensbegriff: Glaube ist die allgemein-menschliche Erkenntnisform von Möglichkeiten auf Handlungen hin.”

    Das wäre mir zu nah am “hoffen” und am “wollen”. Mir schwebt in der Tat etwas “irrationaleres” vor, so nach dem Motto: “Ich weiss, es ist unmöglich, aber…”

    womit wir beide wieder bei unserem “alten Problem” wären: nämlich dem, dass mein Denken immer sehnsüchtig in’s Nichts zielt, Deines aber in’s Sein.

  29. @Helmut Wicht

    Sie zitieren mich: “Man kann eben nicht glauben, was einem paßt.” (Und antworten dann: “Warum darf ich das nicht? Warum darf ich nicht glauben, hoffen, meinen — selbst wenn ich _weiss_, dass es nicht stimmt? Darf ich nicht die Dikatur der Ratio abschütteln, so wie ich jede andere Diktatur abschütteln darf? Darf ich nicht frei sein? Nicht GOTT? Und daran scheitern? (-> Nietzsche).(“

    Sie sind ja nicht nur ein sehr kluger, sondern auch ein in der philosophischen Literatur sehr belesener Mensch. Darum wundere ich mich, daß Sie nicht verstehen, was ich gemeint habe. Ist es vielleicht so, daß es halt sehr verschiedene Lesewelten gibt (und wir beide in verschiedenen leben)? Wer Nietzsche liest und versteht, liest und schätzt Kant nicht und versteht ihn nicht, und umgekehrt?

    KÖNNEN Sie denn glauben, daß Sie Gott sind? Sie können es wollen und versuchen, und dann scheitern Sie daran. Dann haben Sie es aber eben nicht gekonnt. Mit dem DÜRFEN ist es ein bißchen anders als mit dem Können. Beim Dürfen geht es nicht um eine theoretische, sondern um eine moralische Frage: Ist es verboten, was ich da glauben möchte? Natürlich geht es hier nicht um Rechtliches (Stephan Schleim hat mich da völlig mißverstanden), sondern die Frage ist: muß ich selbst mir verbieten, zu (behaupten zu) glauben, was ich nicht glauben kann? Ich meine, man muß das. Hier geht es um Aufrichtigkeit gegen sich selbst. Als Beispiel diesseits der Religion: Wenn ich mir einrede zu glauben, ein bestimmter Mensch meine es gut mit mir, obwohl die Gründe für den gegenteiligen Glauben für mich selbst überwiegen, es aber halt schmerzhaft ist, ihnen zu folgen, dann sagt man: das glaubst du ja selber nicht, da lügst du dir was vor. In diesem Fall hat „man“ recht, und lügen soll man nicht.

    Wenn Sie jetzt fragen: „Darf ich nicht die Diktatur der Ratio abschütteln … darf ich nicht frei sein?“, so möchte ich in der Tradition des Rationalismus antworten: Genau dann ist man frei, wenn man sich der „Diktatur“ der Ratio unterwirft, denn dann unterwirft man sich ja nur sich selbst. Es ist ein falscher (historisch: im wesentlichen ein romantischer) Freiheitsbegriff, der auf der Freiheit von allem, auch von der Vernunft, besteht. Denn dann unterwirft man sich äußeren Zwängen, Trieben etwa, man ist dann ein „Getriebener“. – Man kann das machen, man kann aufhören zu denken und einfach nur „leben“, aber dann ist man halt am Geschäft des Denkens nicht mehr beteiligt. Und kann dann auch nicht mehr darüber reden (nicht einmal für sich darüber nachdenken), ob man glauben kann, was einem paßt. Sowie man so einen Satz denkt, unterwirft man sich bereits „der Diktatur der Ratio“, mit allen Konsequenzen.

  30. @Stephan Schleim

    (Zu Ihrer Antwort auf meine Antwort auf Ihre Kritik)

    Da machen Sie ja viele Fässer auf. Ich würde gerne zu jedem Ihrer Sätze etwas schreiben, aber das liest dann keiner. Darum nur zu ein paar wenigen:

    1. „Seien Sie doch froh, wenn Ihr Verstand Ihnen hinreichende Gründe für Ihren Atheismus liefert.“ Ich bin kein Atheist, sondern Mitglied einer evangelischen Landeskirche und dies nicht nur, wie üblich, aus Gewohnheit, sondern mit Absicht. Agnostiker bin ich wohl auch, so genau weiß ich das aber nicht.

    2. Ich habe den Eindruck, Sie fürchten, aus dem Zwang, den die Vernunft auf einen ausübt – jedenfalls wenn man gegen sich selbst aufrichtig sein will – könnte ein Zwang werden, den die Gesellschaft ausübt, eventuell sogar in Gesetze gegossen: Wer der Vernunft nicht folgt, gilt als Wahnsinniger und wird weggesperrt. Gewiß, da gibt es historische Erfahrungen, und da muß man vorsichtig sein. Mir geht es hier aber überhaupt nicht um die Äußerungen des Glaubens – und die allein können ja äußerem Zwang unterliegen, etwa durch das Recht –, sondern um das Glauben selbst: was kann ich vor mir selbst glauben. Und da ist es in der Tat so, daß man alles Mögliche, auch völlig Unvernünftiges, glauben kann, und dabei gegen sich selbst aufrichtig sein kann, einfach weil man nicht merkt, daß es unvernünftig ist (nur wenn er es merkt, kann er es nicht). Subjektiv gibt es nun einmal Wahrheit nur in Form der Gewißheit, und selbst das, was wir Wissen statt Glauben nennen, unterliegt dem: auch unsere völlige Gewißheit kann trügen. Sie sprechen das ja mit Ihrem Hinweis auf die Fallibilität allen menschlichen Wissens an. Aber das kann doch nur bedeuten, daß man selbst das, was uns so gewiß ist, daß wir nicht von Glauben, sondern von Wissen sprechen, mit einem Vorbehalt aussprechen („soweit ich weiß“), aber nicht, daß das Glauben für einen selbst der Beliebigkeit unterliegt. Das widerspräche ja bereits dem Wortsinn: „Das KANN ich nicht glauben“.

    3. Beim Bisherigen ist es wohl so, daß ich mich Ihnen nur nicht hinreichend verständlich machen konnte und in Wirklichkeit gar kein Dissens besteht. Bei dem folgenden könnte es anders sein: „Es hängt eben vieles von den Axiomen ab, die man setzt.“ Sicher, daß überaus scharfsinnige Leute zu ganz verschiedenen Ergebnissen kommen, liegt selten daran, daß sie falsche Folgerungen ziehen – darin hat selten einer dem anderen viel voraus –, sondern meist an den nicht weiter diskutierten Voraussetzungen. Allerdings – ich bin mir keineswegs sicher, tendiere aber doch sehr dazu – : Wenn man die unhinterfragten Voraussetzungen, die natürlich faktisch jeder macht, der Diskussion entzieht, sie für unhinterfragbar erklärt, dann gerät man in den radikalen Skeptizismus und Relativismus mit seinen bekannten Schwierigkeiten (Stichwort performativer Selbstwiderspruch). Auch wer von einem bestimmten „Axiom“ ausgeht, muß sich fragen lassen, warum er denn gerade von diesem ausgeht und ob es gerechtfertigt ist, gerade von diesem auszugehen (das betrifft nicht transzendentale Voraussetzungen allen Denkens, aber das meinen Sie mit „Axiom“ hier ja nicht). Er muß voraussetzen, daß es auf diese Fragen eine Antwort gibt, auch wenn er zugeben muß, daß er aller Wahrscheinlichkeit nach die richtige Antwort nicht finden wird.

  31. @Schleim: Willkommen im Boulevard

    Ich finde es bemerkenswert, dass Sie zwei Kommentare absetzen, ohne auf die Argumente der Anlassgeber einzugehen.

    In Ihrem Beitrag “@Nick: Gehirnwäsche nicht gefragt” diffamieren Sie Nicks (Dawkins) Argument als Gehirnwäsche und loben Wicht als “Denker”. Vom Denken finde ich bei Wicht wenig, mehr hingegen vom Bekennen, was ich ganz generell für schlechten Stil halte. Dass Wichts Beitrag noch nicht einmal orthografische Mindestanforderungen erfüllt, erwähne ich nur der Vollständigkeit halber.

    In Ihrem zweiten Beitrag, den Sie mit dem Betreff “@Ludwig Trepl: Glaubensfreiheit” überschreiben, bringen Sie ihre (rudimentären) Kenntnisse des Rechts in Stellung und schießen mir Art. 4 Abs. 1 des Grundgesetzes. Die Nachricht, dass nach einhelliger Auffassung der herrschenden juristischen Klasse als Normadressat nicht Ludwig Trepl sondern der Gesetzgeber gilt, scheint Sie nie erreicht zu haben.

  32. @Schleim: Bandwurm

    […] menschen- und völkerrechtlicher Konsens, auf den wir uns in der kulturellen Entwicklung verständigt haben.[…]

    Dass wir Art. 4 (1) GG haben, ist die Folge eines Kampfes für Toleranz; […]

    Hinter dieses Ergebnis und die damit einhergehende Freiheit dürfen wir nie wieder zurückfallen.

    Wo kommen wir ohne diese Einsichten hin?

    “Haben Sie Bandwürmer?” würde wohl Mark Twain fragen.

  33. @Trepl: Danke für die (Er-)Klärung

    Danke, dass Sie hier Ihren eigenen Standpunkt deutlicher gemacht haben. Das hat mir enorm geholfen.

    Zum Begriff des Glaubens haben Hoppe und Wicht hier inzwischen mehr geschrieben. Die Antwort darauf, was man glauben kann, hängt wohl vom Begriff ab.

    Dazu von meiner Warte nur so viel: Ich hege Zweifel, dass man beispielsweise gleichzeitig glauben kann, dass ein persönlicher Schöpfergott Gott existiert und nicht existiert. Mein Punkt ist ja aber gerade, dass man weder das eine, noch das andere glauben muss und daher der Agnostizismus/Skeptizismus eine berechtigte Position ist.

    Nur ad 3 muss ich noch einmal kritisch nachhaken:

    Wenn man die unhinterfragten Voraussetzungen, die natürlich faktisch jeder macht, der Diskussion entzieht, sie für unhinterfragbar erklärt, dann gerät man in den radikalen Skeptizismus und Relativismus…

    Hier geht meines Erachtens etwas schief: Gerade das radikale Zweifeln, auch an den Fundamenten, führt doch in den Skeptizismus (nämlich das Ablehnen von Basisüberzeugungen, siehe erkenntnistheoretischer Fundamentalismus).

    Wie ein Relativismus scheint mir das, wenn man seine eigene Unkenntnis mit Zurückhaltung paart: Wenn ich mir selbst nicht 100% sicher sein kann, dann räume ich den anderen auch die Möglichkeit des Rechthabens ein. Das halte ich aber für eine gute Eigenschaft.

    So oder so bin ich in jedem Fall für das Hinterfragen von Basisüberzeugungen, vor allem für deren explizite Diskussion; aber, na ja, wenn wir nicht den ganzen Tag lang nur an allem zweifeln wollen, so wie Pyrrhon, dann müssen wir manchmal weiter gehen; und dort fangen die Missverständnisse oft an, eben unter anderem wegen unterschiedlicher Fundamente.

    Ohne Missverständnisse wäre das ganze aber auch langweilig, oder? Eine Art philosophisches Schlaraffenland. Vielleicht ist jetzt auch klar, warum ich es in Kalifornien nicht aushalten konnte. 😉

  34. @ Ano Nym

    “Dass Wichts Beitrag noch nicht einmal orthografische Mindestanforderungen erfüllt, erwähne ich nur der Vollständigkeit halber.”

    Endlich mal ein handfester Vorwurf, dessen Ursache ich gerne beheben will, denn das ist mir peinlich.

    Was ist falsch? Ich will’s auch nicht diskutieren, sondern einfach abstellen.

    Danke für die Mühe.

  35. @Ano: Und täglich grüßt das Murmeltier

    Wenn Sie derselbe Ano Nym sind, der bei mir im Blog kürzlich gemeckert hat, dann fallen Sie hier wieder dem Denkfehler zum Opfer, bloß mit einer juristischen Definition zu arbeiten, ohne sich über deren Herkunft und kultureller Bedeutung Gedanken zu machen. Ist das alles, was Sie im Jurastudium gelernt haben? Bitte, ich kann und will Sie zu nichts anderem zwingen.

    Wenn Sie aber denken, ich könnte jemanden ernst nehmen, der die zwischenmenschlich gebotene Toleranz verhohnepipelt, dann irren Sie sich.

    Schade nur, dass es hier keine Klospülung gibt. Für den verschwendeten Serverplatz scheinen mir Ihre Äußerungen nämlich zu schade.

  36. @Helmut

    Nimm den nicht ernst; wem nichts Besseres einfällt, der versteigt sich eben auf Korinthen.

    Ich habe deinen Beitrag eben durch die neueste Version des Duden-Korrektors gejagt und neben den unbekannten Eigennamen und deiner Wortneuschöpfung “schismieren” hat dieser “Trickreichttum” und “Wieviele” (Trennung) moniert. Ach ja, gibt es das Wort “Katholen” wirklich? Vielleicht ist das Frankfurterisch.

    Sorry, wer angesichts deiner Sprachgewalt solche Lappalien moniert, der hat wirklich die Klospülung verdient.

    (Und, nein, damit bin ich nicht wirklich für die Löschung; aber so eine Sonnenbrille, wie sie Zaphod Beeblebrox im Anhalter trägt, die wünsche ich mir schon. In meinem Fall nicht gegen stressige Ereignisse, sondern gegen Beiträge unter einem bestimmten Niveau. Helmut, das Buch solltest du echt mal lesen.)

  37. Spaghettimonster

    In diser Sache kämen Sie nicht auf die Idee sich als Agnostiker zu bezeichnen. Warum also bei den ebenfalls nur legendär existierenden Jehova/Allah/das fliegende Spaghettimonster/Krishna/Manitu/Odin?

    Selbstverständlich gibt es, nein, gab es das Spaghettimonster: Es wurde Benito Mussolini genannt.

  38. @ Trepl

    “Es ist ein falscher (historisch: im wesentlichen ein romantischer) Freiheitsbegriff, der auf der Freiheit von allem, auch von der Vernunft, besteht.”

    Dass ein Gutteil meines Begriffapparates resp. der atmosphärischen Konnotationen, die ihm anhängen, romantisch geprägt ist, haben Sie richtig erkannt. Ich gebe das auch gerne zu, mehr noch, ich mache das mit Absicht so. Ich bin ein Romantiker.

    Natürlich weiss selbst ich um die aktuelle “Freiheitsdebatte”, weiss zwischen Kompatibilisten und Libertarianern zu unterscheiden.

    Ich bin hingegen ganz und gar nicht ihrer Ansicht, dass die “Ratio” (stets?) befreit (und die Irrationalität (stets?) versklavt?).

    Ich verweise auf Horkheimer und Adornos “Dialektik der Aufklärung”, ein Buch, das mich, als ich noch jung war, sehr prägte. Ich habe es lang nicht mehr gelesen, aber wenn ich es recht erinnere, wird da auch gesagt, dass die Aufklärung ihrerseits den Zwangscharakter der Systeme annähme, die sie bekämpfte.

    Mein romantischer Freiheitsbegriff ist schlicht nihilistisch, aber das hab’ ich ja andernorts schon oft genug geschrieben. Freiheit von ALLEM. Mein Gott ist das Nichts. Von daher können Sie mir zu recht vorwerfen, dass ich ja noch nicht mal Agnostiker sei. Aber ich bin mir halt noch nichtmal sicher, ob es das Nichts gibt. Für wünschenswert hielte ich es allemal.

    Achsoja, noch ein Disclaimer:

    Ich nehme mir die Freiheit, in den Blogbeiträgen, in denen es um Naturwissenschaft geht (doch, davon gibt es hier auch ein paar,) mich zum Sklaven der Ratio zu machen. Oder es zumindest zu versuchen.

    In dem Beitrag oben, dessen eines Wort “Agnosis” (und dessen Folgen) wir hier so ausführlich diskutieren, ging es mir eigentlich nur um den Versuch, eine bestimmte Person und eine Situation atmosphärisch zu erfassen. Es ist ein Versuch, etwas “schön” zu beschreiben. Mehr nicht.

  39. @Schleim: Wellnessoase vs. Wissenschaft

    dann fallen Sie hier wieder dem Denkfehler zum Opfer, bloß mit einer juristischen Definition zu arbeiten, ohne sich über deren Herkunft und kultureller Bedeutung Gedanken zu machen.

    Ich habe mit keiner “juristischen Definition” gearbeitet, vielmehr habe ich Sie (jemand anderes wohl auch schon) nur darüber in Kenntnis gesetzt, dass Sie – nach Ansicht der zuständigen Fachleute – über den Normadressaten irren. Wäre es ihnen nicht darum gegangen rechtsförmig zu argumentieren, so hätten Sie Ihr Argument ohne Rückgriff auf Artikel 4 formuliert.

    Sie sind dabei allerdings in guter Gesellschaft. Mit google können Sie ermitteln, wie häufig und gern von “Verstößen” gegen “Die Menschenrechte” oder “die Menschenwürde” geschrieben wird. Freilich sind das in der Regel nur gefühlte Verstöße gegen vorgestellte Menschenrechte.

    “Gedanken über Herkunft und kulturelle Bedeutung” von Artikel 4 finden Sie in jedem besseren Grundgesetzkommentar.

  40. @ Christian Hoppe

    Ich habe leider größte Mühe mit der Theologensprache (und Ihre ist das doch, oder?), allerdings ahne ich, daß etwas dran ist an dem, was Sie schreiben. Vielleicht könnten Sie versuchen, es an etwas anzuschließen, bei dem ich mitkomme:

    Sie haben mit Kant angefangen, und davon ausgehend geschrieben: „Wir müssten hier ja eine Gewissheitsquelle angeben können, die sich jedoch notwendig gegen Objektivierung sperrt“. Dann haben Sie aber nicht mit ihm weitergemacht. Er macht insofern weiter, als er dem Glauben an „Tatsachen“, der empirisch zu erschüttern und zu widerlegen ist, den Glauben an „Glaubenssachen“ gegenüberstellt; dieser ist nicht zu widerlegen, es handelt sich ja nicht um etwas Empirisches. Von der Unmöglichkeit der „Objektivierung“ sollte man aber m. E. nicht sprechen, denn dieser Glaube gründet sich bei Kant in etwas „Objektivem“: in dem, was wir objektiv sollen.

    Vor diesem Hintergrund muß man sagen: Was den Glauben an Gott angeht, so ist damit im üblichen Sprachgebrauch zweierlei gemeint, und zwar Grundverschiedenes, und das eine in nach Kant kein Glauben an „Glaubenssachen“, siehe diese zwei Zitate (aus der KU, die Stelle über die Postulate):

    Zum einen:
    „Würden wir auch auf die Zwecke der Natur, die uns die physische Teleologie in so reichem Maße vorlegt, einen bestimmten Begriff von einer verständigen Weltursache scheinbar gründen können, so wäre das Dasein dieses Wesens doch nicht Glaubenssache. Denn da dieses nicht zum Behuf der Erfüllung meiner Pflicht, sondern nur zur Erklärung der Natur angenommen wird, so würde es bloß die unserer Vernunft angemessenste Meinung und Hypothese sein.“

    Zum anderen:
    „Glaube (als Habitus, nicht als Actus) ist die moralische Denkungsart der Vernunft im Fürwahrhalten desjenigen, was für das theoretische Erkenntnis unzugänglich ist. Er ist also der beharrliche Grundsatz des Gemüts, das, was zur Möglichkeit des höchsten moralischen Endzwecks als Bedingung vorauszusetzen notwendig ist, wegen der Verbindlichkeit zu demselben als wahr anzunehmen; ob zwar die Möglichkeit desselben, aber eben so wohl auch die Unmöglichkeit, von uns nicht eingesehen werden kann. Der Glaube (schlechthin so genannt) ist ein Vertrauen zu der Erreichung einer Absicht, deren Beförderung Pflicht, die Möglichkeit der Ausführung derselben aber für uns nicht einzusehen ist.“

    Ist es das, was Sie mit „Die Glaubensgewissheit resultiert dann aus den Bewährungserfahrungen dieses Glaubens im eigenen Handeln und Leben“ meinen, oder ist es wenigstens damit kompatibel?

  41. @Ano Nym: Unsinn

    Ich habe nie behauptet, dass ich Sie vor dem Bundesverfassungsgericht verklagen kann, wenn Sie hier in der Diskussion intolerant auftreten.

    Wenn Sie umgekehrt denken, dass das Grundgesetz nicht auch für das zivile Zusammenleben der Menschen in Deutschland (sowie darüber hinaus) und vor allem auch für Sie wichtig ist, dann verklagen Sie doch den Deutschen Bundestag, um Sie ausdrücklich aus der Präambel sowie Art. 1 (2) des Grundgesetzes auszuschließen:

    …von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben. …

    Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

    Mein Wir ist eine Diskursgemeinschaft, vielleicht eine ideale, darum aber keine irrelevante; ganz im Gegenteil. Um dieses Ideal zu veranschaulichen, hätte ich mich beispielsweise auch auf den herrschaftsfreien Diskurs nach Habermas beziehen können oder auf das hier an anderer Stelle zitierte Vernunftprinzip Thomas Huxleys; und ich denke, jeder hätte verstanden, was ich meine, mit Ausnahme vielleicht von Ihnen.

    Das steht aber auch dahin. Fakt ist, dass ich mit jemandem, der sich so über Freiheit und Toleranz lächerlich macht wie Sie, schlicht nicht diskutieren möchte.

  42. Katharsis oder Erkenntnistheorie

    Die ganze Zeit über, in der ich diese diversen Scharmützel verfolgte, wollte ich mir überlegen: Worin besteht eigentlich die von meinem knitzen (laut schwäbischem Wörterbuch: knitz=durchtrieben, schlau, pfiffig)Theologie-Kollegen anvisierte Katharsis? Tut sie weh? Oder wird sie wie ein Persilschein wirksam?
    Blume nennt gerade in seinem Blog Zusammenhänge, bei denen man auch so fragen müsste. . Aber zu der Katharsis kommt man ja nicht – vor lauter anderem Pulverdampf.
    Ich möchte eigentlich auch bei Späßen der Gedankenakrobatik mitmachen können. Und Deine Beiträge, Helmut, könnten mich auch dazu pro-vozieren. Aber, sorry, meine Stimmung ist derzeit nicht ganz danach. Nicht nur, weil ich mich hier als „alten Sack“ titulieren lassen könnte (Oh, welche Ahnung haben manche Schnösel vom Leben?) Muss ich also was Ernsthafteres schreiben und bleibe streng fachlich – ähnlich wie Hoppe; aber doch ein bisschen anders.
    Also ernsthaft – zum Begriff Glauben, jetzt protestantisch formuliert:
    Philosophische und umgangssprachliche Bedeutungen des Wortes Glauben sind ja zur Genüge genannt. Aber, Leute: Habt ihr schon was vom Teekesselspiel gehört? (Nicht von der durch „Nick“ borniert falsch zitierten Teekanne). Das Spiel heißt ja schlicht, dass Worte verschiedene Bedeutungsfelder haben können. Und Glauben hat, wie allgemein bekannt, ein Bedeutungsfeld, das sich auf (schwaches oder emotionales oder intentionales oder…) Wissen oder Behaupten von wahr oder falsch bezieht. Glauben hat aber auch ein Bedeutungsfeld in Richtung Vertrauen, Treue, Zuverlässigkeit . Am besten verstehbar, wenn man die Dativ-Konstruktion ansieht: „Ich glaube dir“. Oder auch: „Ich misstraue dir nicht, sondern ich glaube an dich“.
    So, und das hat man mir und anderen 14-Jährigen schon im Konfirmandenunterricht erzählt: Beim Glauben – wenn Jesus etwa sagt: Dein Glaube hat dir geholfen oder Der Glaube versetzt Berge – da müsst ihr wie im Teekesselspiel auf dieses Bedeutungsfeld umschalten, sonst versteht ihr nichts.
    Im „Glauben“ geht es nicht drum, eine Checkliste mit möglichst vielen Inhalten zustimmen und anzukreuzen. Sondern es geht um das Grundvertrauen und dann um die überzeugende Kraft eines entsprechenden Engagements. [Da denke ich wieder an die Katharsis!]
    Für die derzeitige Diskussion: Der Begriff „Glaube“ gehört gelöst aus den Fesseln erkenntnistheoretischer Fragestellungen: Existiert Gott? Ist dieses oder jenes Wunder passiert? Gibt es Himmel und Hölle? Die sind so erst richtig in der Theologie-Geschichte aufgekommen und in der Scholastik zugespitzt worden – mit den Engeln auf der Nadelspitze 😉 Nach ursprünglich christlicher Auffassung ist die erkenntnistheoretische Zustimmung in derartigen Fragen völlig belanglos. Und dementsprechend müssten erkenntnistheoretische Probleme auch belanglos sein. Nicht der Glaube, ob „es“ einen oder mehrere Götter oder was auch immer „gibt“ – entscheidet. Da hat uns Pascal mit seiner Wette einen Blödsinn eingebrockt! Es geht nicht um die Checkliste von sog. Glaubensinhalten. Es geht um entsprechendes Lebensengagement.
    Aber die Diskussion führt heutzutage immer wieder in die gleichen Schützengräben mit den Schießscharten ausgeleierter Erkenntnistheorien. Manchmal aufgemotzt ausgerechnet durch Biologen (englischen aus Oxford und deutschen, die sich gegen Nicht-Logik profilieren wollen), als ob die in Erkenntnistheorie besonders qualifiziert wären. Aber platt wird es auch und gerade dummerweise immer öfters auf theistischer Seite, so dass man direkt Lust bekommen könnte, aus Trotz auf die Gegenseite zu wechseln. Doch weder Lust noch Trotz sind besonders rational. Und in der richtigen Stimmung dazu müsste man sein. Das geht, wie oben angedeutet, auch nicht immer.
    Also manchmal bin ich drauf und dran, den Glauben (=das Vertrauen, den Mut) zu verlieren, dass sich in dieser verfahrenen Situation die verschiedenen Bedeutungsschichten des Wortes „Glauben“ noch darstellen lassen. Vielleicht müssten Christen dafür auf ein anderes Wort wechseln. Ähnlich übrigens mit dem begriff der „Wahrheit“.

    P.S. Beim Hochladen merke ich: Ludwig Trepl schrieb inzwischen dazu. Das habe ich jetzt schlicht nicht mehr berücksichtigt.

  43. @ Helmut Wicht (zu mir)

    „Ich gebe das auch gerne zu, mehr noch, ich mache das mit Absicht so. Ich bin ein Romantiker.“
    Ich auch, siehe den Artikel „Wilde Träume“ in meinem Blog (https://scilogs.spektrum.de/chrono/blog/landschaft-oekologie/allgemein/2012-02-20/wilde-tr-ume-teil-ist),
    aber nicht, wenn es um Religion geht.

    „Ich bin hingegen ganz und gar nicht ihrer Ansicht, dass die “Ratio” (stets?) befreit (und die Irrationalität (stets?) versklavt?). Ich verweise auf Horkheimer und Adornos “Dialektik der Aufklärung”, ein Buch, das mich, als ich noch jung war, sehr prägte. Ich habe es lang nicht mehr gelesen, aber wenn ich es recht erinnere, wird da auch gesagt, dass die Aufklärung ihrerseits den Zwangscharakter der Systeme annähme, die sie bekämpfte.“ Das ging mir ganz genau so, als ich noch jung war. Aber inzwischen bin ich weiter (zurück), bin im 18. Jahrhundert angekommen.

    Nochwas zur romantischen „Freiheit von ALLEM“: das taugt für Romantiker, also Künstler, nicht für die Politik und fürs richtige Leben. Da wird nämlich die Freiheit von allem (ohne die Freiheit wozu, ohne das Verständnis von Freiheit in der Verbindung von Autonomie und Bindung an die selbstgegebenen Gesetze) zur Parole des Liberalismus, und es ist nur diese Variante der Aufklärung, nicht die Aufklärung an sich, die von der Kritik nicht nur der Konservativen, sondern auch von derjenigen Adornos und Horkheimers getroffen wird.

  44. @ Aichele

    Hermann,

    wir machen hier abgrundlose Fässer auf. Fässer, in deren Abgründe ich gerne fallen möchte. In Gott hinein. Ich find’ nur den Absprungspunkt und die Zielscheibe nicht.

    Aber ich weiss nicht, ob wir diese Fälle öffentlich in einem Blog inszenieren sollten. Jeder Übelmeinende wird uns der “fallacy” zeihen, jeder Wohlmeinendende wird “Akrobat schöööön!” sagen, ohne dass sie wissen, wie es ist, zu fallen.

    Öffentlich werde ich nur so viel sagen (Zitat von Dir):

    “Der Begriff „Glaube“ gehört gelöst aus den Fesseln erkenntnistheoretischer Fragestellungen.”

    Ja. Du hast recht.

  45. @ Hermann Aichele

    „Nicht der Glaube, ob „es“ einen oder mehrere Götter oder was auch immer „gibt“ – entscheidet (…) Es geht um entsprechendes Lebensengagement.“

    Lugt darin Bonhoeffers kryptischer Satz „Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht“ hervor (ein Satz, der für mich tausend und auch keine Bedeutung hat)?

    Deutet sich hier das derzeitige protestantische Rückzugsgefecht an, Gott als wesenhaften Grund der Welt stillschweigend fallenzulassen, zu eliminieren, durch Interpretationskunst überflüssig werden zu lassen, um einen Glauben zurückzubehalten, der sich selbst genügt?

  46. Nun, @fegalo:

    Den „kryptischen Satz“, „Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht“ haben auch Paul Tillich gesagt; und der katholische (!) Karl Rahner. Habe ich auch schon im Internet gesehen. Ich will jetzt aber nicht die Links, die Belegstellen suchen. Es geht darum, dass der Begriff „Existenz“ bei Gott irgendwie nicht passt: Er erweckt die Vorstellung, zur Liste aller existierenden Wesen (?) würde auch Gott gehören, in traditioneller Sprache: der Grund des Seins neben anderem Seienden .
    Dabei wird öfters auf einen Begründungszusammenhang verwiesen, der etwas ganz anderes ist als bloß ein neuzeitliches Rückzugsgefecht: In der Bibel wird merkwürdig wenig zum Thema Gottes Existenz geschrieben. Der bekannte Satz „Die Toren sprechen in ihrem Herzen, es ist kein Gott“ ist keine erkenntnistheoretische Aussage sondern eine sozialpolitische – ähnlich wie wenn einer sagt: es gibt keine Gerechtigkeit. Ähnlich der gelegentliche Vorwurf, jemand würde „Gott verlassen“.
    Irgendwo ganz unbekümmert um monotheistische Erkenntnistheorie: Es gebe „viele Götter und Herren“ (1. Kor. 8,5). Interessant, was da mit dem „und“ zusammengeklammert ist!
    Am ehesten für unseren Zusammenhang relevant ist ein sehr später Satz, Jakobus 2,19:
    „Du glaubst: Es gibt nur den einen Gott. Damit hast du Recht; das glauben auch die Dämonen und sie zittern.“ . Also, dieser Glaube wird als in sich wertlos bezeichnet. Ist eben nicht der Glaube, auf den es ankäme. Und das wird übrigens auch wieder formuliert in einem sozialen Zusammenhang – auf den es eben mehr ankommt als auf korrekte Erkenntnistheorie. Das ist gut biblisch.
    Nun ich – ich halte den Begriff „Existenz“ bei Gott für denkbar ungeeignet, finde aber auch andere Zusammenhänge, in denen dieser Begriff (aus unterschiedlichen Gründen) ungeeignet ist:
    Existiert die Vergangenheit, die Zukunft? Existiert die Zeit? Existieren Gerechtigkeit und etwa Schönheit? Existiert das Wetter? Existiert das Gute? Dass das Böse existiert – da hat ja schon Schmidt-Salomon was dagegen. Ja, und es gibt begründete Einwände dagegen, dass das Ich existiert.
    Vermutlich ließe sich die Reihe noch lange fortsetzen. Alle diese Begriffe haben dennoch ihre jeweils sinnvolle Bedeutung – *machen* Sinn. So ähnlich würde ich es auch bei Gott sagen. Aber ich warte immer noch darauf, dass die schlaueren Leute, die das alles viel besser sagen könnten als ich, sich auch in solche Internet-Diskussionen einmischen.

  47. @ Hermann Aichele

    Danke für Ihre ausführliche Antwort. Dennoch bin ich meinen Verdacht nicht ganz los geworden 🙂

    Ich stimme voll und ganz zu, dass der Begriff „Existenz“ nicht im selben Sinne gemeint sein kann für Gott und die Dinge der Welt. Aber diese Unterscheidung ist bekanntlich uralt. Meines Wissens wurde sie das erste Mal im Neuplatonismus systematisch durchdacht. Gottes Sein ist hier vom Seienden geschieden, indem ihm ein „Übersein“ zukommt, also eine noch wirklichere Wirklichkeit, während unsereiner im geschöpflichen Sein gefangen bleibt.

    Auszüge aus dem 5. Kapitel der mystischen Theologie des Dionysius (Pseudo)Areopagita (Anfang 6. Jhd)

    Er ist weder Seele noch Geist
    (…)
    Weder hat er Kraft noch ist er Kraft.
    Nicht Licht.
    Weder ist er lebendig, noch ist er Leben.
    Er ist nicht Wesen, noch Ewigkeit, noch Zeit.
    Es gibt von ihm kein geistiges Erfassen.
    Er ist nicht Erkenntnis und nicht Wahrheit,
    Weder Herrschaft noch Weisheit.
    Er ist nicht Eins und nicht Einheit,
    Nicht Gottheit
    Nicht Gutheit.
    Er ist nicht Geist, wie wir es kennen,
    nicht Sohnschaft,
    nicht Vaterschaft.
    Er ist nicht irgend etwas von dem, was uns bekannt ist oder irgend einem anderen Seienden bekannt ist.
    Er gehört weder zu dem Nichtseienden noch zu dem Seienden
    Das Seiende kennt ihn nicht, wie er ist.
    Er kennt das Seiende nicht wie es ist
    (…)
    Denn es ist sowohl so, dass die allesumfassende und einige Ursache von allem sich über jede Affirmation hinaus befindet,
    Als auch, dass die alles überragende Ursache, die von allem absolut gelöst ist und die jenseits von allen Ganzheiten liegt, sich über alle Negationen hinaus befindet.

    Dagegen scheint mir der moderne Protestantismus die Unterschiedlichkeit der Existenzen eher darin zu sehen, dass die „Existenz“ Gottes gut sprachkritisch in die Nähe einer Begriffskonstruktion gerückt wird (wie denn auch Ihre Beispiele zu illustrieren scheinen), und ansonsten die Frage am liebsten gar nicht thematisiert wird….

  48. @ Helmut Wicht: Nochmal zur Katharsis

    “In dem Beitrag […] ging es mir eigentlich nur um den Versuch, eine bestimmte Person und eine Situation atmosphärisch zu erfassen. Es ist ein Versuch, etwas “schön” zu beschreiben. Mehr nicht.”

    Daran könnte man noch mal versuchen anzuknüpfen. In dem Beitrag wird ja auch auf den Poelzig-Bau eingegangen, ein entsprechendes Foto ist eingearbeitet. Der Bau ist nicht nur von außen hübsch anzusehen, er hat auch im Inneren seine Reize. (Entsprechende Fotos hab ich hier gefunden: http://web.uni-frankfurt.de/zsb/sfb/ig-farben-gebaeude.html )

    Neben den Bildern von der Bibliothek, haben es mir besonders die Bilder angetan unter der Überschrift,
    “Paternoster-Anlagen befinden sich vor den Toiletten”.

    Wie praktisch! Wenn eine Toilette besetzt ist, kommt man bequem und auf kürzestem Wege zur nächsten, dann hoffentlich freien.

    Für all jene, die den Zusammenhang nicht verstehen, weil sie nicht wissen was ein Paternoster ist:

    Paternoster, das sind senkrechte Rolltreppen mit sehr großen Stufen (auf denen man sich auch unbesorgt links hinstellen darf, es wird niemand versuchen zu überholen)

    Meine Recherche hat ergeben, die Dinger sind tatsächlich in Betrieb. Es gibt allerdings ein Überfahrverbot. Das klingt schon ein bisschen nach StVO, laut der man ja auch keinen Fußgänger, keinen Radfahrer und keine rote Ampel überfahren darf. Bei den Paternostern kommt sogar noch ein Unterfahrverbot hinzu. Da es noch mehr Gebote und Verbote gibt, die man alle kennen muss, scheint es auch einen entsprechenden Führerschein zu geben, ohne den man die Paternoster nicht benutzen darf (was wiederum den Weg zur nächsten Toilette möglicherweise entscheidend verlängern könnte).

    Ich vermute beides, Über- und Unterfahrverbot, haben die theologischen Fakultäten erlassen, um gewisse Geheimnisse bewahren zu können. Habe ich recht? Wie viele Punkte bekäme man für eine Himmelfahrt? Ist ein Student jemals nach einer Unterfahrt, nach dem “Durchleben von Jammer/Rührung und Schrecken/Schauder” (Wikipedia), also nach der Katharsis, gereinigt wieder aufgetaucht?

    Wissen sie Näheres, was weiß Professor X?

  49. @ Joker

    ..oh, die Paternoster im Poelzig-Bau bin ich schon gefahren, ringsherum, mit dem Himmelssalto unterm Dach und dem Höllenpurzelbaum im Keller. Ist ganz undramatisch.

    Im Anbau, in dem die Theologen sitzen, gibt es aber keinen Paternoster, was jedoch keinen davon abhalten sollte, im Paternoster eines zu beten.

    Ja, neuerdings braucht man einen “Führerschein”. Es gab wohl ein paar Unfälle — das ist nix für Rollatoren, Hackenporsches, Aktenwagen, und das “timimg” muss stimmen. Ob ich da mit klapprigen 80 Jahren am Stock noch mitfahren möchte: das weiss ich nicht.

    Soweit ich weiss, sind das die letzten Paternoster in (West-)Europa.

  50. @ Hermann Aichele 21.03.2012, 22:56

    „Nicht der Glaube, ob „es“ einen oder mehrere Götter oder was auch immer „gibt“ – entscheidet (…) Es geht um entsprechendes Lebensengagement.“

    Wenn es bei der Frage nach Gott also gar nicht um Ihn selbst als Agens, sondern “lediglich” um seine denkbaren Implikationen geht, sind Wir also selbst Gott, insofern wir unser Engagement durch die Hoffnung speisen, die (unsere) Zukunft sei durch unser eigenes Wirken – zu unseren Gunsten – beeinflußbar.

    Das klingt ein wenig danach als sei jeder seines Glückes Schmied. Die Menschen werden aber leider nicht als Gleiche geboren. Von Freiheit und Brüderlichkeit ist schon mal gar nicht die Rede. Man siehe auf die Welt. Nicht wenigen könnte Gott nur in seiner (unverzichtbaren) Eigenschaft “ex machina” Hoffnung vermitteln. Was ER aber nicht tut. Und es ist daher beruhigender anzunehmen, er spiele gar nicht mit.

  51. @fegalo @jörg schütze

    Könnte ja spannend werden. Aber ich habe das Gefühl, da sollte ich mich nicht in diesem Blog von Helmut Wicht breit machen. Ich habe bei mir drüben – besonders in Gott auf der Spur – Denktraditionen … und in Gott – und er bewegt uns doch…“ mich ziemlich intensiv dazu ausgelassen. Aber will dies eigentlich auch dort nicht breiter treten. Sondern, warte, wie ich in der letzten Nacht (22.3. ,0:46) hier betonte, „immer noch darauf, dass die schlaueren Leute, die das alles viel besser sagen könnten als ich, sich auch in solche Internet-Diskussionen einmischen.“ Damit möchte ich auch betonen, dass ich meine Äußerungen mit einigem für kompatibel halte, was man gedruckt vielerorts finden könnte, aber leider nicht in Internet-Diskussionen, die „immer wieder in die gleichen Schützengräben“ führen – „mit den Schießscharten ausgeleierter Erkenntnistheorien“ (gestern 21.3., 19:33).
    Nun, hier möchte ich Erkenntnistheorien nicht ausbauen. Im Gegenteil: betonen, dass man sie nicht so betonen müsste. Biblisch gesehen lässt es sich nicht auf einen Nenner bringen. Gerade auch nicht die Gottesvorstellungen.
    So, und es mag entscheidend sein – ob die Rede von der Existenz Gottes berechtigt ist oder nicht. Erkenntnistheoretisch mag es entscheidend sein. Aber (und dass da ein Unterschied ist, hätte ich klarer definieren sollen): Das ist noch nicht glaubensentscheidend. Glaube als Treue, Vertrauen ff ist etwas anderes (Teekesselwort!).
    Ein wie auch immer definiertes Heilsziel (am eingängigsten wird’s ja benannt als „ewiges Leben“, auch wenn man da manches relativieren könnte) darf nicht davon abhängig sein, ob einer die richtige Erkenntnistheorie hat, sondern ob er das richtige Vertrauen hat. Ewige Verdammnis, weil man (mit Bertrand Russell gesprochen) „more evidence“ gebraucht hätte bezüglich der Existenz Gottes – das ist eine fatal perverse Folge der Gedanken, die etwa in der Pascalschen Wette ausgedrückt sind. Was auch immer Gott „ist“ – jedenfalls ist er nicht das Ziel einer erkenntnistheoretisch spannenden (und verwirrenden) Schnitzeljagd! Da habe ich seelsorgerlich was dagegen; und politisch.
    Aber ich komme in Rage und will mich kurz fassen.
    Ja, @fegalo, ich will Ihnen schnell noch ein bisschen was zugeben. Die theologia negativa, die Sie so schön mit Mystikern und Neuplatonikern belegten – gelernt davon und dran rumgedacht haben wir vor über 40 Jahren auch dran. Ich weiß davon – so richtig gegenwärtig ist’s mir dennoch nicht. Ein bisschen berufe ich mich dennoch drauf, will aber selber dran weiter denken als es dort sichtbar ist. Und das geht in Richtung „Begriffskonstruktion“. Gottesbegriffe sind natürlich von Menschen gemacht; sie sind nicht selbst Wirklichkeit, sie repräsentieren aber Wirklichkeit.
    Und dass die Existenz Gottes oft am liebsten gar nicht thematisiert wird? Nun, ich komme zwar auf meine Weise zwar immer wieder drauf. Aber eher in solchen theoretischen Erörterungen. Praktische Gemeindearbeit – da wollte ich es öfters nicht zum Thema machen. Denn da kommt’s wirklich nicht sehr drauf an, welche Vorstellungen sich der oder jener macht; und es wäre vergebliche Mühe gewesen, die diversen Vorstellungen auf eine Linie zu bügeln. Nur habe ich immer drauf zu achten gesucht, dass sie mit der richtigen Lebenseinstellung verbunden werden. Einer der Grund-Sätze meines wichtigsten theologischen Lehrers war: es kommt nicht auf die Vorstellung an, sondern auf die Einstellung. Dabei weiß ich nicht einmal mehr, ob er’s für die Gottesvorstellung unterschrieben hätte. Aber so jedenfalls benütze ich es. Oder flapsiger, wie es mir aus Diskussionen mit Kommilitonen noch nachklingt: Es kommt bei den Vorstellungen, die nicht so unbedingt (erkenntnistheoretisch) „richtig“ sein müssen, auf ihren „richtigen“ Verwertungs(!)-Zusammenhang an.
    Habe ich mit dem Verwertungszusammenhang die Kurve zur Katharsis bekommen? Oder nur zu Zyklon B? Oder ist’s ein hoffnungsloser Fall in ein abgrundtiefes – abgrundloses ? – Fass ?

  52. @Ano Nym: P.S. Rechtsfrage

    Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hat es zum Ziel

    Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen” (§ 1)

    und bezieht sich laut § 2 auch auf Bildung (7.) und den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen (8.).

    Können Sie mir erklären, warum das auf ein öffentliches Kommunikations- und Diskussionsforum, das von einem kommerziellen Verlag betrieben wird, allen Nutzern das Recht zum Lesen und Kommentieren einräumt und bei dem obendrein Bildung im Vordergrund steht, nicht anwendbar ist?

    Danke für die Rechtsberatung.

  53. @Hermann Aichele

    Zu den „schlaueren Leuten, die das alles viel besser sagen könnten als ich“ gehöre ich natürlich nicht, aber ich kann welche zitieren. Für Sie sicher nicht überraschend mal wieder Kant:

    „»Es ist nicht wesentlich, und also nicht jedermann notwendig zu wissen, was Gott zu seiner Seligkeit tue, oder getan habe«; aber wohl, was er selbst zu tun habe, um dieses Beistandes würdig zu werden.“ Das paßt zu dem, was Sie sagen. Es ist unwesentlich, zu wissen, was Gott tut, auch ob er überhaupt etwas tut, weil man ja gar nicht wissen kann, ob es ihn „gibt“: Das würde aber auch nichts daran ändern, daß eines außer jedem Zweifel steht (auch wenn Helmut Wicht sicher wieder gern zweifeln möchte): Wir müssen so handeln, daß wir dieses Beistandes würdig werden. Vielleicht sollte man noch ein „würden“ anfügen: würdig werden würden, wenn es diesen Beistand gäbe.

    Und doch, ganz von erkenntnistheoretischen Fragen kann man sich damit nicht verabschieden. Kant schrieb, ein Ungläubiger steht vor der Wahl, „Narr oder Schurke“ zu sein: Folgt dem Gebot seiner Vernunft und lebt tugendhaft, dann ist er ein Narr, denn was er tut, ist letztlich vergeblich. Wenn sowieso alles vergeblich ist, kann er aber gleich als Schurke handeln, dann geht es ihm gewiß besser. Der Gläubige aber glaubt, daß Welt und Leben einen Sinn haben, daß nicht letztlich alles vergeblich ist. Er weiß es nicht, aber er glaubt es. Wie der tugendhafte Ungläubige folgt auch er seiner eigenen Vernunft und tut das, was sie ihm gebietet, nämlich das Gute, aber er kann es im Unterschied zu ihm guten Mutes tun. Er glaubt an den Sinn der Welt in Ihrem Sinn: er ist diesem Gedanken „treu“, er “vertraut”, er lebt danach. Und doch: es ist zumindest eine Art erkenntnistheoretischer Frage, ob die Welt einen Sinn hat, ob es nicht von vornherein, weil erkannt, sinnlos ist, darauf zu bauen. Ist die Konsequenz Ihrer Gedanken vielleicht: Egal wie, dann lebe ich eben als Narr?

  54. @Trepl Narr oder Schurke

    Das erinnert stark an die Pascalsche Wette .. dabei wird aber ein klitzelkleines Detail geren vergessen!

    Die Frage ist nicht “Gibt es Gott oder nicht?”, sondern “Gibt es einen der vielen Tausend Götter oder nicht?”

    Damit ist dann auch der “Narr” ggf. ein Schurke, den wenn es einen (oder viele) Götter geben sollte, so wissen wir nicht welcher es ist … und JEDE Handlung kann dann gegen “seinen” Willen sein.

    Beispiel?
    Der christliche Gott erlaubt das Essen von Schweingefleisch .. der jüdische nicht, der islamische auch nicht …

    Ergo man ist nicht Narr oder Schurke … man ist quasi immer beides.

  55. @einer

    Der Begriff “Gott” hat in diesem Zusammenhang mir einem, der verbietet, Schweinefleisch zu essen, oder gebietet, am Sonntag in die Kirche zu gehen, gar nichts zu tun.

  56. Glauben oder nicht glauben …

    Hallo Helmut, sehr geehrte Leser,

    es beschämt mich hier lesen zu müssen, wie die akademische Elite, zu solch´ einer differenzierten und doch stupiden Denkweise fähig ist.

    Sie alle zitieren Theologen, Wissenschaftler, das Grundgesetz und Philosophen. Ihre Quantität lässt jedoch die Qualität vermissen.

    Der Grundgedanke jeden Glaubens ist die Kraft die aus ihm erwächst !!!

    Ein Theologe muss nicht vorbehaltlos an “Gott” glauben. Wohl aber kann er anderen Menschen mit Hilfe seiner vermeintlichen, nach Außen hin publizierten Überzeugung, Kraft und Hoffnung schenken.

    In Ihren Beiträgen konnte ich diese (Er)kenntnis leider nicht feststellen. Jedoch bin ich der Ansicht, dass die hier aufgeführten Argumente am eigentlichen Thema vorbeigehen.

    Kann man/muss man/sollte man an Gott glauben können/müssen/sollen?

    Ja und Nein.

    Ich versuche mich so kurz wie möglich zu halten.

    Jemand der an Gott glaubt bezieht seine Kraft aus dem Glauben selbst. Er bewertet positive oder negative Ereignisse indem er diese dem besagten Gott zuschreibt. In der Psychologie sprechen wir von externaler Kontrollüberzeugung.

    “Danke lieber Gott für die Unterstützung”
    “Oh Gott, bitte hilf mir”
    “Gott, wieso musstest du mir das antun”
    etc.

    Aber auch ein Atheist ist zur externalen Kontrollüberzeugung fähig. Ich möchte hier auch nicht behaupten, dass ein Atheist seltener Ambivalenzkonflikten unterliegt. Er hat eine für sich “rationalere” Erklärung der Geschehnisse.

    Wenn ich meine Argumentationen jetzt nur auf Glaube oder nicht glauben beschränken müsste, dann würde es schwer für mich einleuchtende Beispiele anzuführen.

    Selbst eine internale Kontrollüberzeugung basiert auf einer Annahme.

    “Ich habe gut gelernt. Ich habe schlecht gelernt.”

    Wahrlich ein simples Beispiel für diese Form der Überzeugung.

    Beide Formen haben ihre Vor- und Nachteile.

    Wenn ich etwas “gut” mache, dann bestärkt mich der Glaube an Gott in keinster Weise in meiner Vorgehensweise. Jedoch stärkt es meinen Glauben an Gott und somit kann ich daraus Kraft schöpfen.
    Wenn ich etwas “schlecht/falsch” mache, dann habe ich im Glauben einen guten Trost. Schließlich hat Gott es so gewollt.
    Es verleiht mir somit eine gewisse Immunität gegenüber Versagungsängsten. Ich konnte ja nichts dafür.

    Als Atheist gäbe es sicherlich auch externale Kontrollüberzeugungsbeispiele, jedoch möchte ich diese hier unberücksichtigt lassen und dem Atheisten hier die Rolle des “Internalen” zuweisen.
    Wenn ich also etwas *gut* mache, dann habe ich das in erster Linie mir zu verdanken. Ich schöpfe Kraft aus meinem Willen. Ich glaube an mich. Ich glaube zu glauben, dass ich an mich glaube. 😉
    Wenn ich folglich etwas *schlecht/falsch* mache, dann glaube ich ebenfalls, dass ich selbst die Schuld daran trage. Ich kann mich demnach motivieren oder demotivieren. Gleich wie es der Gläubige external vollzieht.

    Wie oben bereits erwähnt haben BEIDE Varianten ihre Vor- und Nachteile. An dieser Stelle nun von *richtig* oder *falsch* auszugehen wäre sicherlich nicht hilfreich.

    Der Glaube an Gott kann mich stärken.
    Der Glaube an mich kann mich stärken.

    Der Glaube an Gott kann mich schwächen.
    Der Glaube an mich kann mich schwächen.

    Ich glaube an Gott.
    Ich glaube an mich.

    Ich glaube nicht an Gott.
    Ich glaube nicht an mich.

    Ich glaube an Gott zu glauben.
    Ich glaube an mich zu glauben.

    Ich glaube zu glauben.
    Ich glaube nicht zu glauben.

    (Noch einmal das Wort *Glaube* und ich beende meine Gedankengänge)

    Ich bin der Ansicht, dass es Einerlei ist, ob ich wirklich gläubig bin oder es eben nicht bin, ob ich nur ab und zu glaube oder immer dann glaube, wenn ich etwas external bewerten möchte. Immer dann nicht glaube, wenn ich etwas *prima* gemacht habe. Nur dann in den Himmel schaue, wenn ich an meine verstorbenen Liebsten denke. Nicht glaube zu glauben, obwohl jeder Mensch an etwas glaubt und sei es eben nur an sich selbst -der anthropologischste und egoistischste aller Glaubensrichtungen- oder eben nicht immer glaube, aber weiß, dass ich mit dem Glauben Anderen helfen kann, wenn schon nicht mir selbst.

    Abschließend möchte ich eine Rationaltität festhalten. In meinem früheren Beruf (Krankenpflege/Rettungsdienst) wurde ich allzu oft mit der Glaubensfrage konfrontiert.

    Für mich selbst hatte ich damals einen Entschluss gefasst. Sterbenden und Angehörigen auf die Frage nach Gott und ein Leben nach dem Tot hin zu antworten, dass KEINE ENERGIE JEMALS VERLOREN GEHE.

    Mehr vermag ich dazu nicht zu sagen. Ich selbst bezeichne mich als Atheist und dennoch wünschte ich manchmal mehr glauben zu können.

    Wenn ich eine Amsel sehe, dann denke ich an meine verstorbene Großmutter. Warum? Nicht, weil ich an Gott und an Reinkarnation glaube, jedoch glauben möchte, dass meine Mutter recht hat, wenn sie glaubt, dass meine Großmutter als Amsel wiedergeboren wurde. Jedenfalls erfüllt mich dieser vermeintliche Agnostizismus mit Freude, denn ich denke an die, die bereits gegangen sind.

    Mit diesen Worten möchte ich abschließen und hoffe, dass die Diskussion hier nicht in einen “Kreuzzug” ausartet. Die Akademiker sollten mit gutem Beispiel voran gehen.

    Mit besten Grüßen

    Florian Abram

  57. @Trepl

    “(Der Glaube) ist also der beharrliche Grundsatz des Gemüts, das, was zur Möglichkeit des höchsten moralischen Endzwecks als Bedingung vorauszusetzen notwendig ist, wegen der Verbindlichkeit zu demselben als wahr anzunehmen; ob zwar die Möglichkeit desselben, aber eben so wohl auch die Unmöglichkeit, von uns nicht eingesehen werden kann. (Kant)”

    Das ist eine sehr hilfreiche Vertiefung meiner Andeutungen zu Kant, die nochmal deutlich macht, dass es beim Glauben nicht um beliebige subjektive Meinungen geht. Mit Blick auf die Ethik, ist dieser Glaube – ich vermute der Glaube an Freiheit, Unsterblichkeit, Seele (also die Postulate der praktischen Vernunft), vermute ich richtig? – (denk-)notwendig gefordert.

    Ich wollte den von mir vorgeschlagenen Glaubensbegriff noch gar nicht theologisch füllen, sondern nur zeigen, dass unser Erkennen sich im Hinblick auf das Handeln auf Möglichkeiten bezieht, die es erkennt und von denen es sich ergreifen lassen kann oder nicht, was entscheidend dafür sein kann, ob das als möglich Erkannte tatsächlich wirklich werden kann (vgl. Fußballfan). Das Mögliche hat ja einen eigenartig unbestimmten ontologischen Status, irgendwie zwischen wirklich und unwirklich, und der zukünftige Status scheint (auch) von unserem Erkennen und Entscheiden abzuhängen.

    (Helmuts Unmögliches, an das er viel eher zu glauben bereit wäre als an etwas banal Mögliches, wäre eben nur ein unmöglich Erscheinendes aber tatsächlich doch Mögliches, wenn es schlussendlich doch wirklich sein könnte. Der Glaube hat für mein Sprachempfinden eine stärker aktive Komponenten als das Hoffen, das die Zukunft auf sich zukommen lässt; aber Glaube ohne Hoffnung [auf Verwirklichung] wäre sinnlos. Glaube meint sicher auch Glaube gegen den allgemeinen Anschein der Unmöglichkeit.)

    Interessant, dass Herr Aichele die Vertrauenskomponente des Glaubens, die er ohne Zweifel hat, stark macht. Protestantischerseits wäre ja die entscheidende Erkenntnis, dass alles Entscheidende bereits längst geschehen ist (im Christusgeschehen), worauf ich dann “nur” vertrauen muss und wozu ich nichts mehr beitragen kann oder muss (sola gratia, sola fide). Ich meine allerdings, dass das Vertrauen hier noch weiter erläutert werden müsste: ist das ein Gefühl (kein Angst, mutig sein), oder drückt sich das in Handlungen aus (und nähert sich meinem Begriff dann doch an), wie nährt sich Vertrauen, wie kommt man ursprünglich dahin, usw. “Vertrauen an und für sich” gibt es glaube ich nicht oder es wäre kein sinnvoller Begriff.

  58. Nicht so absolut(istisch)

    Also, ich habe keine Lust, hier mich zu dem Thema weiter auszutoben. Zum Kreuzzug erst recht nicht. Und dabei das Gefühl zu haben: Jeder Kommentar wird länger als ein Blogbeitrag, den ich auch lääääääängst wieder geschrieben haben wollte – möglichst einen, der dieses Thema von einer andern Seite her aufgreift.
    Ich seh jetzt wieder deutlicher, warum ich an den Gedankenlinien Kants nicht weiter machen will: Er will die „Tugend“, den Sinn, die Seligkeit… als absolute Werte – in möglichst prägnante Definitionen (Weltformel) gepresst. Und die bunten und dunklen Schattierungen des Lebens kennt er nicht (oder nur als Gedankenakrobatik über Situationen, die man sich am Schreibtisch auch noch ausdenken kann). Nur am Schreibtisch (heute also vor dem Flach-Bildschirm) kommt man dann auch auf die Idee, die Götter wie Territorialfürsten durchzuzählen – das taten nicht einmal die Polytheisten.
    Nun, ich will nicht das Kleinkarierte und nicht das Absolute. Ich will nicht *das* Licht, sondern dass es da oder dort etwas heller wird, etwas einfühlsamer, etwas wahrhaftiger… Und zwar nicht wegen eines späteren Ziels (gar nach dem Tod), über das man (mit Pascal) Wetten abschließen kann; oder um (mit Kant) möglichst auszuschließen, dass man hinterher merkt, vorher ein Narr gewesen zu sein.
    Sondern ich will da oder dort etwas von der Seligkeit spüren, wenn Traurige doch wieder zu lachen beginnen und ich womöglich dazu helfen kann. Manchmal ist man dabei ein Narr. Und manchmal kann man doch lachen. Da können die Biologen was von Glückshormonen (des Altruismus) sagen; und Soziologen, Psychologen ff können dazu auch was sagen. Den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen über solche Zusammenhänge will ich dabei nicht widersprechen. Aber ich greife auf etwas zurück, wodurch die in solchen Erkenntnissen thematisierten Erfahrungen auch schon vorher, und zwar schon lange , unter die Leute gebracht und wachgehalten wurden: Ich komme mit den alten Geschichten von Gottes Gebot und Verheißung, von der Einladung Jesu und von der Freude der Engel. Und weiß dabei, dass diese Geschichten, doch erst da wahr werden, wo sie sich als Impulse in menschlicher Verhaltensweise bewähren.
    Also ja: es ist schon „jedermann notwendig zu wissen, was … er selbst zu tun habe“ – oder offener: Es geht um unser Leben in der Spannung zwischen unseren Widerfahrnissen und unserem Handeln. Und dass wir da die nötige Kraft finden bzw. nicht vergessen, dass wir sie längst schon haben; und dass sie wachsen kann. Insofern auch ausdrücklichen Respekt gegenüber @Florian Abrams Einwurf: Die Kraft, die aus dem Glauben erwächst. Das war richtig erfrischend!

  59. Um noch einmal Helmut zu zitieren:

    “…welcher rationaler oder irrationaler Methoden ich mich bediene, um mit Gott oder Nichtgott ins Reine zu kommen.”

    Ich denke, darum geht es. Darum ging es immer, egal, ob man Jesus, Kant, Schopenhauer oder Nietzsche heißt. Es ist der Weg des Einzelnen, den er nur für sich gehen kann. Jeder Versuch “Gott” aufzuzeigen, muß im Quarke enden -oder es wird politisch, was auch nicht besser ist.

  60. @ Aichele: nicht so absolutistisch

    Lese ich da eine gewisse Intellektuellenfeindschaft heraus? Ich kenne das von anderswoher: Sowie in politischen Organisationen einer einen Gedanken äußert, der über den Tag hinausgeht, ruft es von allen Seiten: wir müssen endlich mal wieder etwas tun, nicht nur labern. Sowie in der Wissenschaft ein Theoretiker unter hundert Empirikern und „Anwendungsorientierten“ auftaucht, ruft es von allen Seiten: „Wir müssen uns endlich mal wieder um die Praxis kümmern“. Was Sie zu den Leuten am Schreibtisch sagen, hört sich verdächtig ähnlich an.

    Sicher, es muß nicht jeder beim Philosophieren mitmachen. Und ich bin durchaus der Meinung, daß ich Grund habe, zu den Menschen aufzusehen, die sich darum überhaupt nicht kümmern und statt dessen z. B. ihre Nächte in einer Wärmestube für Obdachlose verbringen und denen Tee eingießen. Aber wenn man einmal anfängt, sich Gedanken zu machen, dann sollte man dieses Geschäft auch ernstnehmen. Sie schreiben: „Sondern“ – das geht gegen Versuche, einen Grund für das „Glauben“ zu finden – „ich will da oder dort etwas von der Seligkeit spüren, wenn Traurige doch wieder zu lachen beginnen“, dann ist dagegen ja nichts zu sagen, jeder will gute Gefühle haben und man soll es ihm gönnen. Damit ist aber die Frage nicht beantwortet, ob das nicht ein sinnloses Tun ist und sich das Spüren von Seeligkeit nicht auf ganz andere Art viel besser bewirken ließe; da ist ja so einiges im Angebot. Das wird einem ja auch immerzu gesagt: warum machst du das, genieße lieber das Leben. Manchen reicht da die Antwort „ich genieße es halt auf diese Weise“ nicht.

    Sie schneiden kurz noch ein ganz anderes Thema an: „Aber ich greife auf etwas zurück, wodurch die in solchen Erkenntnissen thematisierten Erfahrungen auch schon vorher, und zwar schon lange , unter die Leute gebracht und wachgehalten wurden: Ich komme mit den alten Geschichten von Gottes Gebot und Verheißung, von der Einladung Jesu und von der Freude der Engel.“
    Ich habe nie begriffen, warum es gerade diese alten Geschichten sein müssen, die in der Bibel. In tausend anderen Geschichten, in Romanen und Gedichten steht zu diesen Erfahrungen auch etwas, nach meinem Geschmack viel besseres. Könnten Sie dazu nicht einmal in Ihrem Blog etwas schreiben? Oder haben Sie das schon?

  61. @ alle @ Hilsebein

    Ich kann keine längeren Antworten geben, denn ich bin noch bis Montag auf der Tagung der Anatomischen Gesellschaft in Frankfurt – auf’m Campus Westend, gleich hinter’m Poelzig-Bau.

    @ Hilsebein (rational/irrational)
    Ja. Es ist eine delikate Privatangelegenheit. Aber eben nicht nur, denn, um’s mit den 68ern zu sagen: das Private ist das Öffentliche. Selbst wenn ich versuche, meine Arbeit als Nat.wissenschafter von all dem “rein” zu halten, so wird doch mein “Gestus”, ja, selbst die Wahl meiner Themen von meinen “metaphys.” Überzeugungen beeinflusst. Ich liebe z.B. abseitige, abgelegene, irrelevante Themen. Je obskurer, desto besser. Je näher an der Nichtigkeit, desto besser..

    So – jetzt muss ich in den nächsten Vortrag.

  62. @Ludwig Trepl

    Jetzt haben Sie mich doch provoziert, herausgefordert: elegant hingekriegt, dass ich gar nicht so einfach aufhören kann – mich doch weiter „austoben“ muss.
    Aber nicht heute Nacht, die Nacht ist ja so kurz… 😉
    Bloß das jetzt: Ich hoffe nicht, dass ich auf der „Intellektuellenfeindlichkeit“ sitzen bleiben muss. Nur: alles Ding zu seiner Zeit und in seinem Bereich. Da habe ich anscheinend ein paar Themen ineinander geschoben, gezwirbelt…, die ich besser auseinander sortieren müsste. Und Sie haben mir ja auch eine ganz anregende Hausaufgabe vorgeschlagen: die Frage nach der Notwendigkeit der alten Geschichten. Mal sehen. Aber: morgen, morgen, nur nicht heute… Und hoffentlich bald in ChronoLogs, Hinter-Gründe – hinter-gründig natürlich…

  63. Na, endlich

    Die angesagte Fortführung habe ich in mein Blog verlegt – mit einem neuen Artikel: “Ich glaub’, ich glaube anders“. (Dienstag ab 7 Uhr freigeschaltet). Der feine Witz soll doch nicht durch zu viel an bierernster Theologie erdrückt werden.
    Mich würde aber immer noch ein bisschen interessieren, inwiefern der Herr Kollege es mit der Katharsis kritisch und selbstkritisch meint. Letzteres halten wir ja gerne so hoch, dass uns dabei niemand belangen kann…

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