Es geht (ganz offiziell) los!

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Exzellente Wissenschaftlerinnen im Blick
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Am Sonntag sollte die ESOF endlich beginnen. Draußen füllten bereits Familien das “Science in the City”-Festival, die Stände waren aufgebaut.

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Es fehlte noch der offzielle Startschuss für das, was in den Konferenzräumen passiert. Bis um etwa 15:30 Uhr. Dann erhob sich zu Beginn der Eröffnungszeremonie jeder in der gefüllten Plenarhalle für die erste und fraglos ungewöhnlichste Rednerin des Abends: Die Königin von Dänemark. Sie erklärte den Stolz ihres Landes, die ESOF beherbergen zu dürfen.

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Sie hätte auch Fußballspiele kommentieren oder Kochrezepte vortragen können: Allein dass sie den Raum nicht nur für eine kurze Ansprache, sondern in den Reihen des Publikums mit diesem über die ganzen zwei Stunden der Veranstaltung teilte, schenkte allem einen Zauber. Er trug vielleicht dazu bei, die gesamte Eröffnung zu einem der eindeutig unterhaltsameren Akte dieser Art zu machen.

Es folgte José Manuel Barroso, Präsident der Europäischen Kommission und einer der fähigsten Multitasker der Welt. Ganz lässig twitterte er, noch während er die europäische Forschungsförderung lobte, bereits über seinen eigenen Auftritt:

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Aus der Rede, die im Volltext hier zu lesen ist und die viel Erwartbares enthielt, blieben mir zwei Aufgaben in Erinnerung, die Barroso den Europäern auftrug: Unsere Forschungskultur und die Ausbildungssysteme einerseits Wissenschaftlerinnen weiter zu öffnen (“whilst women hold 45% of all PhDs in Europe, they only represent 30% of career researchers”), und zweitens eine wissenschaftliche Karriere für die junge Generation allgemein wieder erstrebenswert zu machen. Punkte, die an diesem Abend immer wieder hochkochten. Jenseits des Tagesgeschäfts scheinen sie zu denen zu gehören, die alle Verantwortlichen umtreiben.

Die dänische Wissenschaftsministerin Sofie Carsten Nielsen erntete im Lauf einer lässigen Rede viele Lacher, den größten davon mit einem sorgsam vorbereiteten Wortspiel. Aus dem Motto der Veranstaltung (“Science Building Bridges”) und dem dänischen Wort für Brücke (“broen”) bastelte sie die Aussage: “Science is our bro”. Ha!

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Sie bot aber auch Inhalte, plädierte etwa für Open Science – und zwar mit dem Beispiel des Gründers der Carlsberg-Brauerei, auf deren Gelände und unter deren ständiger Betankung die ESOF stattfindet. Eine in seinem Laboratorium entwickelte Methode der Hefeaufbereitung, welche die Brauereiindustrie revolutionieren sollte, ließ er sich nicht etwa patentieren. Stattdessen veröffentlichte er alle Details des Prozesses und verschickte Proben der Hefekulturen an die Konkurrenz. Bier, wie wir es heute kennen, verdanken wir Open Access.

Musikfreunde sind zwischendurch auch auf ihre Kosten gekommen, doch für mich als Physiker war das Highlight eine abschließende Diskussionsrunde mit den äußerst eloquenten und witzigen Teilchenphysikern Fabiola Gianotti und Rolf-Dieter Heuer.

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Was als Unterhaltung über das Higgs-Teilchen begann, wurde bald zu einem Grundsatzvortrag über die Zukunft der physikalischen Forschung (“Wir haben 50 Jahre gebraucht, um das zu verstehen, von dem wir heute wissen, dass es nur fünf Prozent des Universums ausmacht. Wir haben mit den übrigen 95 Prozent also noch genug zu tun!”), Nachwuchsförderung, die Qualitäten eines guten Forschers (Gianotti: “Neugier, Geduld und Bescheidenheit”) und Öffentlichkeitsarbeit aus dem Mund zweier Redner, die sich so fabelhaft ergänzten, dass ich zwischendurch nicht mehr genau wusste, welcher Gedanke von wem zuerst geäußert wurde.

Darunter eine sehr einprägsame Anekdote von Heuer, die er als Unterstützung seiner Aussage vorbrachte, dass die Gesellschaft unterschätzt würde und begierig wäre, Wissenschaft zu verstehen: Auf einer Taxifahrt kam er ins Gespräch über seine Arbeitsstelle – er ist CERN-Direktor. Der Taxifahrer wusste sofort Bescheid. “Ich weiß, was Sie machen, ich habe Illuminati gesehen!” Ächzen im Publikum, das Heuer mit triumphierenden Handzeichen verstummen ließ. “Danach wollte ich mehr wissen, und seitdem besuche ich jeden Tag Ihre Website.”

Das sind sie. Das sind die Brücken, über die wir hier reden.

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Mike Beckers fand es im Physikstudium zwar spaßig, mit Röntgenstrahlen auf Dinge zu schießen und damit sogar wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen - merkte aber bald, dass er sich lieber als Beobachter durch die große Welt der Forschung bewegte als nur einen kleinen Teil von ihr selbst zu gestalten. So kam er 2011 zu Spektrum der Wissenschaft, verfiel dort dem Wissenschaftsjournalismus und der Überzeugung, dass man jeden für Forschung begeistern kann - und sollte. Wissenschaft ist zu schön und zu wichtig, um sie einigen wenigen zu überlassen.

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