Galgenberg Harzgerode – Forschungsgrabung auf dem Richtplatz

BLOG: Abenteuer Geschichte – Archäologie unterm Galgen

Geköpft und mit Steinen beschwert – archäologische Spuren von Hinrichtungen und Abwehrzauber in Mittelalter und Neuzeit
Abenteuer Geschichte – Archäologie unterm Galgen

Galgenberg Harzgerode

Nach einem coronabedingten Jahr Forschungs- und Grabungspause auf den Richtstätten des Mittelalters und der Neuzeit werden wir in diesem Jahr endlich wieder aktiv sein können.

Der Galgenberg, der im Zentrum der Ausgrabung steht, befindet sich südlich von Harzgerode. Die Stadt Harzgerode besaß vom Mittelalter bis zum 17. Jh. die Hohe Gerichtsbarkeit. Einige Urteile des 16. Jh. lassen die Ahndung von Kapitalverbrechen herauslesen.

Doch auch die Territorialherren der nördlich gelegenen Burg Anhalt dürften den Galgenplatz als Vollzugsort ihrer juristischen Urteile genutzt haben. Nicht geringere als die Grafen von Ballenstedt könnten als Erbauer der Burg gelten. Albrecht der Bär ließ sie wohl Mitte des 12. Jh. nach Zerstörungen wieder vollständig errichten und zu einer der mächtigsten Befestigungsanlagen im Harzgebiet ausbauen. Dies ist jedoch den archäologischen Quellen vor Ort nicht zweifelsfrei zu entnehmen.

Die Blutgerichtsbarkeit oblag ab dem 13. Jh. den askanischen Grafen der Burg Anhalt, die hier eine ihrer drei Stammburgen besaßen. Da die Burg nach dem Aussterben in Verfall geriet und nur noch von Burgmannen bewohnt wurde, verlagerte sich das Zentrum der Teritorialherren, vom 14.-16. Jh. die Grafen von Stolberg, ab dem 14. Jh. in das Schloss zu Harzgerode.Ab dem 16. Jh. übernahmen die Fürsten von Anhalt wieder eigenständig ihre Besitzungen in Harzgerode.

So liegen für den Ort Harzgerode gleich zwei Träger königlicher Regalien – dem Recht auf die Ausübung der Blutgerichtsbarkeit – vor. Die historischen Quellen dazu müssen allerdings noch weiter ausgewertet werden. Für den Beginn der Neuzeit wurde bereits vom Heimatchronisten Hinweise zu Urteilen und Vollstreckungen herausgearbeitet, die Quellenlage ist jedoch weitaus breiter gefächert.

In der Stadt selbst gab es zwei Scharfrichterfamilien, die über mehrere Generationen im Scharfrichterhaus lebten, bevor aus dem ortsansässigen Henker ein Abdecker wurde.

Dank der großzügigen Unterstützung durch das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – mein besonderer Dank gilt hierbei Herrn Meller – können wir in diesem Jahr drei Wochen den weithin sichtbaren noch ungestörten Galgenberg vor den Toren der Stadt untersuchen. Auf der Karte des Schmettauischen Kartenwerks aus dem 18. Jh. ist der Galgen als dreischläfriger Bau abgebildet. Seine Lage ist aufgrund der westlich gelegenen Niederung und der noch heute südwärts verlaufenden alten Handelsstraße gut zu verorten.

Am 01.08.2022 startet die Lehr- und Forschungsgrabung, die an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit angebunden ist und in Kooperation mit dem Landesamt für Archäologie Sachsen-Anhalt durchgeführt wird.

Wie gewohnt werden die Studenten an dieser Stelle in den nächsten drei Wochen ein Tagebuch führen und wieder einen Einblick in den Grabungsalltag der Richtstättenarchäologie ermöglichen.

Wir sind gespannt auf die Situation unter der Erde und welches Fenster in die Vergangenheit sich uns eröffnen wird.

Marita Genesis

„Neu Layenspiegel“ von Ulrich Tengler (1509)

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Zu meiner Person: Dr. phil., Historikerin/Archäologin M.A. Schwerpunkt: Rechtsarchäologie, archäologische und historische Richtstättenerfassung

13 Kommentare

  1. Hallo,
    sehr interessant.
    Doch sei angemerkt, dass es sich um Stolberg handelt und nicht um Stollberg. Folglich deren Grafen auch nur mit einem F geschrieben wurden.

    Mit frdl. Grüßen,
    Volker Zottmann

  2. Hi Marita,

    kaum heimgekehrt aus dem schönsten Ende der Welt… und gleich wieder in die Abgründe der menschlichen Existenz buddeln…

    Viel Erfolg, Spaß und spannende Befunde wünschen wir Euch!

    Die Thüringer Mühlenbande

    • Ach ja, das schönste Ende der Welt hat es schon in sich…frisch erholt auf zu neuen Ufern!

      Danke und Liebe Grüße aus dem ge(sch)richtsträchtigen Harz
      Marita +Dreamteam1 und Dreamteam 2

  3. Ich hatte als Teenager (etwa 1965) vor, genau dort mit Hacke und Schaufel zu buddeln. Da ich aber mit dem Werkzeug nicht 2 km weit durch den Ort laufen wollte (für ein Moped war ich noch zu jung), blieb es bei dem Vorhaben. Nun seid ihr Fachleute tum Glück die ersten, die ggf. hier den Mantel der Geschichte etwas lupfen können. Viel Erfolg.

    • Nein nicht bekannt, aber irgendwie logisch für einen stets neugierigen 12-Jährigen, dass unterm ehemaligen Galgen sich vlt. noch entdeckenswerte Reste befinden könnten…

  4. Hach, Sie haben Stil, Frau Dr. Marita Genesis (cooler Name btw), hier, bei ‘Albrecht der Bär’ und bei ‘In der Stadt selbst gab es zwei Scharfrichterfamilien, die über mehrere Generationen im Scharfrichterhaus lebten, bevor aus dem ortsansässigen Henker ein Abdecker wurde.’ schmunzelte der Schreiber dieser Zeilen, der großzügigen Ausgrabungserfolg wünscht,
    mit freundlichen Grüßen und weiterhin viel Erfolg
    Dr. Webbaer

      • Sehr geehrte Frau Genesis,
        vielen Dank für den Einblick in Ihre interessante Arbeit. Sowohl meine Bezüge zu dieser Region, als auch der tägliche Bericht, welcher an Hand des Wetters mitfühlen ließ, machten die Lektüre so plastisch. Ein gelungenes Stück Wissenschaftskommunikation. Ich wünsche Ihnen und Ihren Studenten weiterhin viel Erfolg und Freude bei Ihrer Tätigkeit.
        Mit freundlichen Grüßen,
        Bolle

        • Vielen Dank! Im Winter gibt es hier eine kleine Zusammenfassung der gesamten Arbeit, vorher müssen die Studenten nochmal im Depot fleissig sein.
          Schön, dass Sie “virtuell” dabei waren!
          Marita Genesis

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