Forschungsgrabung 2014 – Richtstätte Belzig

BLOG: Abenteuer Geschichte – Archäologie unterm Galgen

Geköpft und mit Steinen beschwert – archäologische Spuren von Hinrichtungen und Abwehrzauber in Mittelalter und Neuzeit
Abenteuer Geschichte – Archäologie unterm Galgen

Nun ist es wieder soweit – eine neue Forschungsgrabung, diesmal in Zusammenarbeit mit der Humboldt-Universität Berlin und der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder, steht im Herbst 2014 an. Untersuchungsgebiet wird der Galgenhügel in Belzig sein. Die schriftlichen Quellen lassen erkennen, dass die Richtstätte vom 16. Jh. bis zum Beginn des 19. Jhs. genutzt wurde. Ein Blick auf das Alter der Stadt sowie der Besonderheit der mittelalterlichen Burganlage lässt hier jedoch annehmen, dass der Vollzug von Todesstrafen schon weitaus früher vor Ort durchgeführt wurde. Die lokale Situation des Hochgerichts entspricht durchaus den üblichen Erfordernissen: sie befindet sich außerhalb der Stadt, an einer gut frequentierten Handelsstraße und ist aufgrund ihrer Errichtung auf einem (anthropogenen?) Hügel weit in der Landschaft zu sehen. Der Galgenhügel in Belzig wird damit die erste archäologisch erfasste Richtstätte im Land Brandenburg darstellen. Ihr sollen weitere folgen, wobei die Erfassung im Boden lediglich auf den archäologischen Nachweis und nicht auf die vollständige Bergung des Hochgerichts zielt. In Planung ist ein sogenannter Richtstättenkatalog, in dem historische und archäologisch relevante Daten die Situation der Hinrichtungsplätze in Brandenburg wiedergeben.

Der Forschungsbereich der Richtstättenarchäologie neigt durch einige (wenige) nur oberflächlich und dann recht recht martialisch ausgelegte Artikel dazu, nur randständig wahrgenommen zu werden. Mittel der Dokumentation zur Rechtsarchäologie soll nicht die plakative Ausgestaltung historischer Strafrechtspraxis sein, sondern deren objektive Aufnahme im Befund. Nur dadurch lassen sich fundierte Aussagen und damit solide Forschungsergebnisse erarbeiten. Unabdingbar ist bei diesen archäologischen Befunden die Zusammenarbeit zwischen Archäologen und Anthropologen – jede Einzelaussage wird sonst immer anfechtbar bleiben. Ich hoffe, das vor mir liegende Vorhaben verhilft der Richtstättenarchäologie zu der fachlichen Anerkennung, die ihr im Rahmen der Geschichtswissenschaften zusteht.

Selbstverständlich wird auch in diesem Jahr das LogBuch der Studenten Tag für Tag hier im Netz zur Verfügung stehen und mit aktuellen Texten und Bildern unser Vorankommen im Feld der Geschichte dokumentieren.

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Zu meiner Person: Dr. phil., Historikerin/Archäologin M.A. Schwerpunkt: Rechtsarchäologie, archäologische und historische Richtstättenerfassung

10 Kommentare

  1. Es gibt bereits viele schriftliche Quellen über die Hingerichteten in der Richtstätte Belzig (schliesslich fanden die meisten Hinrichtungen bereits nach Beginn der europäischen Moderne statt). Grabungen werden das Bild wohl vervollständigen und vielleicht schliesslich ein Gesamtbild im Sinne von Frederic Kaplan’s TED-Vortrag How to build an information time machine ergeben. Frederic Kaplan digitalisiert alle Werke der Bibliothek von Venedig und will damit eine Venice Time Machine aufbauen wozu auch eine Art Facebook der Vergangenheit gehört.
    Google StreetView für die Richtstätte Belzig und Facebook-Analoga mit einem Eintrag für jeden Hingerichteten, Richter und Notar zur damaligen Zeit würden so ein Projekt sehr “sichtbar” machen.

    • Vielen Dank für den Link. In der Tat ein spannendes Projekt. Dieses Archiv – oder besser diese historische Google-Landschaft – mit allen zugänglichen Informationen zu schaffen, ist wohl der Traum jedes Historikers. Aber arbeiten wir nicht schon seit Jahren daran? Wozu sonst das Forschen, das Transkribieren, Ausgraben, Analysieren – und schließlich, auch dass erst wirklich erfolgreich erst in den letzten Jahren, interdisziplinäre Auswerten? Das Zusammentragen vieler aus unterschiedlichen Fachrichtungen stammenden Daten ergibt letztendlich erst ein Bild, von dem wir sagen können: dies nähert sich der realen Vergangenheit. Nur fehlt uns hierzu noch die geeignet Basis, um möglichst schnell an wirklich alle aussagekräftigen Fakten heranzukommen. Aber das Projekt Venice Time Machine zeigt: einfach anfangen. Sehen wir diese Grabung auch als Anfang!

  2. Bis zum Herbst ist es ja noch etwas Zeit. Da kommt noch der – hoffentlich – schöne Frühling und Sommer dazwischen. Aber freue ich mich wieder auf die kommenden Berichte.

  3. Lieber Martin, du weißt, für dich ist immer ein Spaten und ein Pinsel reserviert – falls du also im Herbst in der Gegend bist, du bist herzlich willkommen!

  4. Hi Marita,
    na Klasse, daß Du jetzt in Deiner Heimat weitermachen kannst und nicht mehr ins schöne Thüringen reisen mußt (darfst)… 😉 Wobei, die Bratwürste werden sicher fehlen!
    Wir wünschen Dir das Beste auf dem Hügel (u.a. auch, daß ihr ihn gleich findet… 😉 )

    Gruß
    von den Dhüringern aus der Mühle….

  5. Das Thema Richtstätten finde ich sehr interessant und ich bin gespannt auf die Berichte der Ausgrabung in Belzig.
    Meine Frage wäre, ob bereits während der Freilegung die Todesursachen bestimmt werden können und Hinweise die soziale Schicht ( soziale Stellung) geben.

    • In der Tat kann man bestimmte Todesursachen schon während des in situ-Befundes erkennen. So weist z. B. der im Kniebereich liegende Schädel auf eine Enthauptung hin, die Seitenlage des Individuums mit angezogenen Beinen und unter dem Oberschenkel fixierten Händen lässt ein Ertränken vermuten. Diese und ähnliche Befundsituationen auf Plätzen historischer Strafjustiz werde ich im nächsten Beitrag näher erläutern.
      Die Frage nach dem gesellschaftlichen Status lässt sich nicht immer so einfach beantworten. Zum einen können degenerative Prozesse an den Knochen aufzeigen, ob es sich vorliegend um einen schwer arbeitenden Menschen handelt. Zum anderen weisen die Beifunde, wie kunstvoll gearbeitete Trachtbestandteile (Gürtelschnallen, Gewandspangen) oder Schmuck auf eine höher gestellte Persönlichkeit hin. Letztendlich kann dies aber nicht immer mit Bestimmtheit die Zugehörigkeit zu einer besonderen Gesellschaftsschicht erklären, kommen doch zu viele uns heute unbekannte Indizien ins Spiel. Leichter fällt dies z.B. auf Friedhöfen und in Kirchen selbst, wo durch den exponierten Bestattungsplatz ad sanctum – in der Nähe des Altars – schon per se ersichtlich ist, dass hier nur herausragende Mitglieder der Gesellschaft (Patronatsherren, kirchliche Würdenträger) ihre letzte Ruhe fanden.

  6. Nun, eine Frage, zu deren Beantwortung man mehrere Fachbereiche mit einbeziehen muss…und eigentlich viele Seiten eines Buches füllen kann. An dieser Stelle nur kurz und übersichtlich beantwortet. Zum einen kann man das Alter eines aufgefundenen Skeletts aus der Stratigraphie herleiten. Das heißt nichts anderes, als das man die Knochen nach der Schicht bestimmt, in der sie vorgefunden wurden. Ist also die Grabverfüllung sowie die Grabsohle mit gut datierbaren Funden – z.B. mittelalterlicher Keramik – durchsetzt, so bestimmt man diesen Keramiktyp, kann ihn aufgrund besonderer Muster manchmal auf wenige Jahre eingrenzen und hat somit das relative Alter des Individuums. Ebenso zählt der Fundzusammenhang, ist man also auf einem mittelalterlichen Friedhof und weicht die Grablege nicht durch Besonderheiten, wie z.B. extreme Tiefe oder atypische Lage von den üblichen Bestattungen ab, kann man hier auch durch den Ort und den Gesamtkontext des Untersuchungsgebietes das Jahrhundert bzw. Jahrtausend bestimmen, in dem der Mensch gestorben ist.

    Eine naturwissenschaftliche Methode, die bei unklaren Bodenverhältnissen bzw. Fundsituationen angewandt wird, ist die Radiokarbonmethode. Kurz: durch die Halbwertzeit und die im Knochen angetroffene Ansammlung von Kohlenstoffisotopen – hier insbesondere des 14C – kann durch Zerfallszählung ebenfalls das Gesamtalter von Knochen aber auch von allen anderen organischen Materialien bestimmt werden. Ausführlich dazu unter: http://www.landesarchaeologen.de/verband/kommissionen/grabungstechnik/grabungstechnikerhandbuch/

    Will man nun das Sterbealter des Individuums ermitteln, kommt der Fachbereich der Anthropologie ins Spiel. Anthropologen bestimmen nach ausgewählten Kriterien das biologische Alter eines Menschen. Ihre Analysen basieren auf der Einschätzung des Zahnbefundes, der Größenentwicklung einzelner Skelettelemente und dem Verwachsungsgrad der Epi- und Apophysenfugen. Auch hierzu kann man tiefer gehende Informationen unter dem o.g. Link nachlesen.
    Ich hoffe, als kurzer Einstieg war das ausreichend?

  7. Ich finde den Sachverhalt spannend. Da wird das Museum in der Burg Eisenhardt spannende Erfahrungen sammeln.
    Herzliche Grüße
    Thomas Schmöhl

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