Gehirn & Bewusstsein – gibt es Pflöcke, die man einschlagen kann?

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Gehirn · Geist · Gott
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Im folgenden sehr umfangreichen Blogpost möchte ich einige Thesen zum Verhältnis von Gehirn und Bewusstsein formulieren, die ich für gut begründet halte und die möglicherweise eine gewisse Einengung des Suchraums für die Lösung des Problems des Bewusstseins erlauben. Natürlich handelt es sich dabei nicht um unumstößliche Wahrheiten; aber eine Bestreitung dieser Thesen würde (mir) zunächst doch ziemlich unplausibel erscheinen. Philosophisch mögen viele weitere Modelle denkbar – also logisch konsistent formulierbar und auf rein konzeptuellem Wege nicht so einfach widerlegbar – erscheinen, aber wir suchen hier nach empirischen Tatsachen und einem Verständnis des Phänomens ausgehend von unseren Beobachtungen und unserem methodologischen Nachdenken über dieses Beobachten und die gemachten Beobachtungen.

Hier kommen die Thesen:

  1. Die Physik geht von der kausalen Geschlossenheit bzw. der Gültigkeit der Erhaltungssätze aus. Theorien des Bewusstseins sollten dies anerkennen – oder (empirisch) demonstrieren, warum das Phänomen Bewusstsein uns zwingt, diese fundamentale Grundannahme der Physik aufzugeben.

  2. Wir verfügen mit der Quantenfeldtheorie (QFT) über eine äußerst bewährte physikalische Theorie; ihre Grenzen sind bekannt (z.B. ausstehende Integration mit Relativitätstheorie). Mit den vier sogenannten Wechselwirkungen (elektromagnetische Wechselwirkung, starke und schwache Kernkraft und Gravitation [eigentlich keine Wechselwirkung!]) haben wir heute für alle beobachtbaren Bewegungen und Veränderungen im Prinzip eine vollständige Erklärung gefunden – und Verhalten ist hier keine Ausnahme. Diese Erklärung hat weder Lücken noch erlaubt sie die Hinzufügung weiterer, z.B. “psychischer” Kräfte (Vorstellungskraft, Willenskraft, Gedankenkraft usw.). Dies bedeutet: Psychische Phänomene haben als solche – d.h. im Hinblick auf ihre subjektive Erlebensqualität – keine kausale Kraft (“causal power”); allenfalls könnten ihnen spezifisch zugrundeliegende physiologische Prozesse eine spezifische Wirkung in der Welt entfalten. Dies zu bestreiten, würde eine empirische Widerlegung der QFT voraussetzen. Nichts spricht dagegen, über die Teilchenphysik hinaus eine eigenständige Chemie, Biologie und auch Psychologie zu formulieren, die der jeweiligen Komplexität des Phänomenbereichs gerecht(er) werden – aber es ist klar, dass es in keinem Fall einen Widerspruch zur grundlegenden Physik geben kann. (Ein Exkurs über Bewusstsein und Kohärenz/Dekohärenz überschreitet den Rahmen dieses Essays, wäre hier aber eigentlich erforderlich.)

  3. Damit haben wir auch eine einfache Erklärung dafür gefunden, warum “Bewusstsein” im strengen Sinne nicht objektiv beobachtbar oder messbar ist: Mangels kausaler Kraft kann es mit materiellen Systemen wie einem menschlichen Beobachter nicht wechselwirken, dessen Sinne nicht affizieren. Bewusstsein ist strikt und ausschließlich subjektiv bzw. privat (woraus sich das Problem des Fremdpsychischen und das Problem des Solipsismus ergeben).

  4. Wir können also grundsätzlich nur Indikatoren des Bewusstseins beobachten, nie das Bewusstsein selbst – sodass aus empirischer Perspektive grundsätzlich auch fraglich bleibt, was genau eigentlich diese Indikatoren indizieren. Vermutlich geht der Deal so, dass jeder sein eigenes Bewusstsein vermeintlich kennt, während es bei anderen grundsätzlich nicht beobachtbar ist. Ich kann demnach an mir beobachten, wie ich Bewusstsein anderen gegenüber berichte oder welche meiner Verhaltensweisen mir nur in Verbindung mit bewusstem Erleben möglich erscheinen. Da ich als Beobachter aber nur da bin, wenn Bewusstsein bereits vorhanden ist, ist insbesondere die Entstehung (oder Emergenz) von Bewusstsein aus wie auch immer gearteten unbewussten Prozessen grundsätzlich nicht beobachtbar, durch niemanden.

  5. Intakte Wahrnehmung kann zwar, muss aber kein Indikator für bewusstes Erleben sein. Es gibt Wahrnehmung ohne Bewusstsein: Autobahn-Trance, automatische Handlungen im fokalen nicht bewusst erlebten epileptischen Anfall, Blindsight (Verarbeitung optischer Informationen ohne bewusstes visuelles Erleben), funktionelle (dissoziative, psychogene) Ausfälle von Visus und Gehör (die Betroffenen können nachweislich sehen bzw. hören, sind aber überzeugt, blind bzw. taub zu sein). Und umgekehrt gibt es Bewusstsein ohne Wahrnehmung: Beim Anton-Syndrom berichten die Betroffenen zu sehen, während sie nachweislich blind sind. Auch Maschinen verarbeiten Bildinformation und berichten korrekt, was sie “gesehen” haben – obwohl sie nicht sehen im Sinne eines subjektiven visuellen Erlebens. Entsprechend sind Berichte über verifizierbare Wahrnehmungen – auch zeitverzögert aus der Erinnerung – zwar sehr wahrscheinliche, aber nicht 100% sichere Indikatoren von Bewusstsein.

  6. Ebenso kann komplexes Verhalten in guter Passung zur physischen und/oder sozialen Umgebung ein Indikator für Bewusstsein sein – aber auch das muss nicht in jedem Fall so sein. Wiederum ist die Autobahn-Trance ein gutes Beispiel – wobei hier vermutlich “nur” Routine-Situationen “unterbewusst” bewältigt werden; unerwartete Ereignisse würden den Fahrer wecken, sodass er eine komplexe Reaktion ausführen kann (die kurze Verzögerung für das Wecken kann bereits fatal sein). Auch im Zusammenhang mit fokalen nicht bewusst erlebten Anfällen werden anekdotisch außergewöhnliche Handlungen von Patienten berichtet (z.B. das gekonnte Auseinandernehmen eines kompletten Konzertflügels). Sehr viele Aspekte außergewöhnlicher Leistungen – z.B. beim Klavierspiel – laufen unterbewusst ab, sie sind hochgeübt, überlernt und dann quasi voll automatisiert; wir wissen nicht, wo genau ein Pianist gerade mit seinen Gedanken ist, selbst wenn er relativ schwere Stücke spielt. Während einer Hypnose vollbringen Hypnotisierte ungewöhnliche Handlungen, von denen sie später nichts mehr wissen; und auch während der Hypnose scheinen sie irgendwie nicht “richtig da zu sein”. Bei Tieren – z.B. bei Insekten – erscheint manchen Wissenschaftlern komplexes Verhalten in Reaktion auf aversive oder sogar lebensbedrohliche Stimuli nicht als hinreichender “Beweis” für das Vorhandensein von Schmerz als einem subjektiven, psychischen, bewusst erlebten Phänomen. Im Alltag deuten wir bestimmte Folgebewegungen unseres Gegenübers, z.B. das Halten des Blickkontaktes, als Indikator für dessen Bewusstsein; aber jeder Roboter beherrscht dies heute.

  7. Im Alltag verbinden wir mit Bewusstsein Komplexität. Komplexität meint hier die Integration und Koordination sehr verschiedenartiger Informationen auf verschiedenen Sinneskanälen (Input) und eine hoch koordinierte Reaktion (Verhalten, Handeln) wiederum auf verschiedenen “Ausgabe”-Kanälen (Körper, Hände, Gesicht, Sprechen usw.; Output). Wenn wir bei Bewusstsein sind, sind wir zu sehr differenzierten, flexiblen, vielschichtigen und auf eine komplex wahrgenommene physische/soziale Umwelt gut abgestimmte Reaktionen in der Lage. Automatisiertes Verhalten erscheint im Unterschied dazu reduziert und weniger flexibel: Auf einen kleinen vorgefilterten Ausschnitt des sensorischen Inputs wird musterhaft oft nur mit einem einzelnen motorischen System reagiert; auch heutige Roboter zeigen diese Einengung, sie “verstehen” letztlich die Situation noch nicht und ihre Reaktionsmöglichkeiten sind entsprechend begrenzt.

  8. Das Locked-in-Syndrom in all seinen klinischen Varianten (z.B. minimal conscious states beim allmählichen Erwachen aus einem Koma) ist das wichtigste Gegenbeispiel: Bewusstsein kann vollständig vorhanden sein, obwohl eine Person aus rein peripher-motorischen Gründen zeitweise außerstande ist, irgendein Verhalten, geschweige denn eine koordinierte Reaktion auf ihre Umwelt zu zeigen. (Dass sie in dieser Zeit bei Bewusstsein war, erfahren wir später, wenn sie die motorische Reaktionsmöglichkeit ggf. auch mit technischen Hilfsmitteln wiedererlangt hat.) In der Locked-in-Zeit finden aber komplexe Wahrnehmungen (im Koma auch bewusst erlebte Halluzinationen) und komplexe “kognitive Handlungen” statt: die Person denkt über etwas nach, erinnert sich an etwas, versucht das Problem zu lösen, in welchem sie feststeckt, usw. Dies alles verstehen wir unter “Bewusstsein”.

  9. Wenn wir eines Tages die neuronalen Korrelate (oder Substrate) dieser inneren neurokognitiven Prozesse identifiziert haben werden – d.h. die Korrelate bewusst erlebter Gefühle und Empfindungen sowie Gedanken und Vorstellungen (einschließlich Erinnerung, Pläne/Handlungsabsichten, Fantasien, Träume, Halluzinationen, usw.) – könnte deren Vorhandensein auch bei einem Totalausfall der Motorik wie beim Locked-in-Syndrom mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden (vgl. die berühmte fMRI-Studie von Adrian Owens an Patienten im Koma: Owen et al. (2006) Detecting awareness in the vegetative state. Science 313: 1402). Elon Musks Neuralink und die zugrundeliegende alte Idee des Brain-Computer-Interface, aber auch das Konzept des Mind reading (Gedankenlesen) beruhen ja auf dieser Idee. Das Gehirn wird mittels moderner Messverfahren quasi selbst zu einem Effektororgan: Ein bestimmtes psychisches Erleben (z.B. eine Handlungsintention) setzt sich mittels externer (ggf. implantierter) technischer statt körpereigener motorischer Systeme zu Bewegungen und Veränderungen in der physischen Welt um. Es erscheint uns plausibel, dass eine Person sehr wahrscheinlich bei Bewusstsein ist und die entsprechenden psychischen Phänomene tatsächlich gerade erlebt, wenn wir die entsprechenden neuronalen Korrelate antreffen. – In den letzten Monaten sahen wir unglaubliche K.I.-basierte Fortschritte bei der Entwicklung des Mind reading. Es ist heute keine Frage mehr, dass eine für derartige technische Anwendungen hinreichende neuro-psycho-logische, also “Gehirn-Bewusstseins”-Korrelation besteht. (Aber nochmals: Das psychische Erleben als solches bekommt der Versuchsleiter niemals direkt zu sehen.) Auch unser Verständnis der Struktur der neuronalen Grundlagen z.B. ganz bestimmter neu erlernter Verhaltensweisen (neural cell assemblies), hat sich in den letzten fünf Jahren durch Anwendung von Optogenetik in der Verhaltensforschung sehr vertieft; die neuronalen Substrate dieses neuen Verhaltens stehen dann unter vollständiger experimenteller Kontrolle. Im Grund ist der Weg zwischen neurophysiologischem Korrelat/Substrat und psychischen Phänomenen kürzer und direkter als der über die motorischen Effektororgane, die aus für das Bewusstsein unspezifischen Gründen ausfallen können.

  10. Es gibt Phasen vorübergehender echter Bewusstlosigkeit (Prämisse 1 für den folgenden Syllogismus). Dies ist ein sehr folgenreicher Satz, wie wir sehen werden, der meines Erachtens höchste Plausibilität besitzt, aber dennoch bestritten werden könnte. Ich stelle klar, dass es Menschen geben könnte, die niemals Zustände der Bewusstlosigkeit durchleben, die also ihr ganzes Leben lang bei Bewusstsein sind – aber der Satz behauptet, dass es (mindestens einen) Menschen gibt, der bzw. die zeitweise ohne Bewusstsein leben. Ich denke hierbei an bewusstlose Phasen im Schlaf, an Koma u.ä., an die Narkose (“Vollnarkose”), an nicht bewusst erlebte epileptische Anfälle, an das K.O. beim Boxen oder die Bewusstlosigkeit bei einer Gehirnerschütterung. Wir fügen eine meines Erachtens wiederum hochplausible, aber ebenso bestreitbare Prämisse 2 hinzu: Ein substanzielles (d.h. eigenständiges, hirnunabhängiges, immaterielles) Bewusstsein muss mindestens eine Eigenschaft besitzen: es muss bei Bewusstsein sein, es muss bewusst erleben (Prämisse 2). (Ich wüsste nicht, woran man das substanzielle Bewusstsein sonst überhaupt als Bewusstsein erkennen könnte. Bewusstsein sollte seinen Namen seiner Natur verdanken: bei Bewusstsein zu sein.) Wir können nun schlussfolgern, dass das Bewusstsein von Menschen, die zeitweise Zustände der Bewusstlosigkeit durchleben, kein substanzielles Bewusstsein sein kann, weil dieses Bewusstsein ansonsten zeitweise bewusstlos, mithin ein bewusstloses Bewusstsein wäre; dies ist aber nach Prämisse 2 eine contradictio in se adiecto, also ein Ding der Unmöglichkeit. Das substanzielle Bewusstsein wird zur Erklärung des empirischen Bewusstseins herangezogen, wodurch dann aber Bewusstlosigkeit unerklärlich wird; mit Prämisse 2 müssten wir immer bei Bewusstsein bleiben, während einer Narkose wäre das Out-of-body-Erlebnis der Normalfall – das ist aber nicht der Fall. Wir sollten nach einem Faktor suchen, der mit variierenden Bewusstseinszuständen ko-variiert; wir vermuten diesen Faktor im Gehirn.

  11. Menschen, die nie bewusstlos sind, könnten – in Einklang mit These (10) – doch ein “absolutes Bewusstsein” besitzen. Zudem könnte unabhängig von einzelnen Lebewesen ein “immaterielles, absolutes Bewusstsein” jenseits der physischen Realität existieren. Wir können des Weiteren behaupten, dass dieses übernatürliche Bewusstsein sich nur dann in der uns bekannten Weise zeigt, wenn es sich durch Interaktion mit einem hinreichend intakten Gehirn individuiert. Es ist möglicherweise auch sonst “bei Bewusstsein” – aber “bei Bewusstsein sein” könnte für ein absolutes Bewusstsein etwas für uns Menschen völlig Unvorstellbares bedeuten. Ein individuelles Bewusstsein kann auch unter dieser Annahme weiterhin zeitweise verschwinden; denn das hier behauptete substanzielle Bewusstsein ist nicht dieses individuelle Bewusstsein. Das individuelle Bewusstsein geht aus einer Interaktion zwischen absolutem Bewusstsein und materiellem Gehirn hervor; weder das eine noch das andere ist hinreichend, es bedarf ihrer Interaktion, beide zusammen sind notwendig. Während wir mit These (10) also einen “individuellen Gehirn-Bewusstseins-Dualismus” ablehnen bzw. logisch widerlegen, bleibt mit These (11) die Option eines “absoluten bzw. überindividuellen Dualismus” denkbar. Die passende Metapher für dieses Modell ist das in den “Äther” gesendete Fernsehprogramm, das sich auf individuellen TV-Geräten individuiert, vorausgesetzt diese sind technisch hinreichend intakt (Transmissionsmodell); geht ein Fernseher kaputt oder wird er phasenweise abgeschaltet, verschwindet diese eine Konkretion des ausgestrahlten TV-Programms in diesem einen Wohnzimmer – aber das Programm selbst wird dadurch überhaupt nicht berührt. – Ich glaube nicht eine Sekunde an dieses supra-physikalische Modell; aber ich vermute, dass es konsistent denkbar ist und sich logisch nicht widerlegen lässt. Empirische Belege dürfen wir hier nicht erwarten, weil wir über Immaterielles spekulieren.

  12. Wir halten fest: Beginnen wir mit allem idealistisch beim “Geist”, gelangen wir vermutlich auch zu einer konsistenten Weltbeschreibung mit darin integrierter Physik und identischen Neurowissenschaften – selbstredend haben wir für “Geist” keine empirischen Belege/Beweise. Wir alle sind Interaktionseffekte mit diesem großen Geist. Wir suchen daher im Gehirn nicht mehr nach hinreichenden Bedingungen für Bewusstsein, sondern nach für die Interaktion mit dem “Großen Geist” notwendigen Hirnprozessen. – Beginnen wir hingegen materialistisch und empiristisch bei unserer sinnlich fundierten Wahrnehmung der materiellen Welt, landen wir bei einem naturalistischen Weltbild, dem heutigen Mainstream. Wir vermuten im Gehirn die hinreichende Bedingung für die Emergenz bewussten Erlebens (die aber in strenger Ausschließlichkeit nur von dem emergierenden Subjekt bewusst erlebt werden kann). In Verbindung mit dem zufällig entstandenen, sterblichen, individuellen, materiellen Gehirn erscheint das individuierte Bewusstsein im Idealismus in gewisser Weise als Epiphänomen des überindividuellen Bewusstseins, während es im Physikalismus ein kausal unwirksames Epiphänomen physiologischer Hirnprozesse ist. Angesichts des zu erwartenden Todes (Hirntodes) bietet das überindividuelle idealistische Modell für das individuelle Bewusstsein und sein Überleben genauso wenig Hoffnung wie der Materialismus. Unabhängig von den mit ihm verbundenen Leistungen muss uns das individuelle Bewusstsein (hier streng in seinem subjektiven Erlebenscharakter verstanden) eigentlich gar nicht interessieren, weil es den Lauf der materiellen Welt nicht beeinflusst und den Tod nicht überleben wird. Bewusstsein ist auch keine Voraussetzung für Physik; Wahrnehmung und Denken sind hierfür hinreichend. – Ausgehend von der Transmissions-Metapher dürfte man den Dualismus allerdings kritisch fragen, ob und wie sich die vermutete, letztlich zugrundeliegende Einheit des Bewusstseins in der Verschiedenheit der vielen individuellen “Bewusstseine” manifestiert – die große Ähnlichkeit individuierter TV-Bilder auf einzelnen Fernsehern beweist ja die Einheit des ihnen zugrundeliegenden Programms; dazu wird man sich aber bestimmt irgendwas ausdenken können.

  13. Die heute breit rezipierte philosophische Definition des Bewusstseins über das Konzept der Qualia führt buchstäblich ins Nirvana, macht aber im Grunde überhaupt keinen Sinn. Qualia sind definiert als “there is something that it is like to < see, hear, feel, etc. >“. Es ist ziemlich offensichtlich, dass diese Formel kaum die Kriterien einer Definition erfüllt – aber gut. Besonders bemerkenswert ist das Fehlen eines erkennenden Subjekts: Warum nicht “there is someone for whom it is somehow to < see, hear, feel, etc. >“? (Bei Nagel wird der Organismus wenigstens erwähnt und im Grunde spricht er über Selbstbewusstsein.) – Allgemein wird unter dem hard problem of consciousness die Frage nach dem phänomenalen Bewusstsein (awareness) zugespitzt in der klassischen Qualia-Formel (“what it’s like” locution) verstanden, in welcher ein Subjekt fehlt. Aber gibt es das Erleben von Rot ohne jemanden, der Rot sieht? Gibt es einen Schmerz, den niemand empfindet? Sind das nicht leere (buddhistische?) Spekulationen? Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, aber mir scheint ein solches Konzept unsinnig zu sein. Vor allem im Hinblick auf alle ethischen Fragen im Zusammenhang mit dem Bewusstsein, halte ich es für entscheidend, dass wir über erlebnisfähige Subjekte und nicht über subjektlose phänomenale Zustände sprechen. Ein Schmerz, den niemand hat – wäre völlig irrelevant! Uns bewegt und interessiert ausschließlich, wenn jemand – egal wer oder was – Schmerz erleidet und wir dies vielleicht verhindern oder lindern können. Ein solches psychisches Phänomen weist die epistemische Grundstruktur auf: Ein erkennendes Subjekt erkennt ein erkennbares Objekt, z.B. X empfindet Schmerz. Wir befinden uns damit bereits im Bereich des conscious access und nicht mehr im Bereich des hard problem of consciousness. Die Emergenz der epistemischen Grundstruktur – zugleich (!) emergieren das erkennende Subjekt, sein Erkennen und das Objekt als Erkanntes – liegt bereits im Bereich der soft problems of consciousness bzw. der möglicherweise eines Tages modellierbaren und technisch imitierbaren Informationsverarbeitungsprozesse. Zugleich beziehen wir Bewusstsein in diesem Konzept als Eigenschaft (Adjektiv) auf psychische Prozesse wie bewusstes vs. unterbewusstes Empfinden, Wahrnehmen, Erinnern, Planen, Denken usw., welche spezifische beobachtbare Resultate im Verhalten haben können.

“But fundamentally an organism has conscious mental states if and only
if there is something that it is like to be that organism – something it is like for the organism”
(T. Nagel (1974) What Is It Like to Be a Bat? The Philosophical Review 83:435-450; p. 436)

  1. Mein Vorschlag: Hören wir auf, nach Bewusstsein an und für sich zu fragen; fragen wir besser nach der besonderen Qualität einiger Informationsverarbeitungsprozesse, die teilweise unterbewusst und dann mit unterschiedlichen Graden an Bewusstsein (Aufmerksamkeit) ablaufen können. Fragen wir nach den physiologischen Bedingungen der Emergenz der epistemischen Grundstruktur (erkennendes Subjekt und seine phänomenale Welt). Ich vermute, dass mit dieser Fragestellung alles abgedeckt ist, was uns ethisch, medizinisch, technisch usw. am Thema Bewusstsein überhaupt interessieren könnte. Fragen nach einem “pure consciousness” sollten wir hingegen Esoterikern überlassen – und die empirische Kognitions- und Bewusstseinsforschung mit ihren wichtigen Anwendungsperspektiven nicht länger davon bremsen oder desavouieren lassen (“Sie beherrschen Narkose und Analgesie, sie lesen im Gehirn die Gedanken Totalgelähmter, sie kontrollieren das Verhalten einer Maus mit Laserlicht im Gehirn, aber für das eigentliche hard problem haben sie ja keine Lösung; deswegen werden wir jetzt Idealisten/Dualisten/Panpsychisten …”). Bei vielen religionsaffinen Themen gilt für die Vernünftigen unter uns: Die Leute reden lassen, nicht darauf eingehen, keine Zeit damit vergeuden, seine eigene Agenda mit gut definierten Fragestellungen konsequent weiter verfolgen, greifbare Ergebnisse erzielen.

  2. Man könnte meinen Blogpost also im Hinblick auf “Bewusstsein an und für sich” tatsächlich mit dem guten alten “Ignoramus et ignorabimus” – wir wissen’s nicht und werden es niemals wissen – von Émil du Bois-Reymond zusammenfassen.


 „Gegenüber den Rätseln der Körperwelt ist der Naturforscher längst gewöhnt, mit männlicher Entsagung sein ‚Ignoramus‘ auszusprechen. Im Rückblick auf die durchlaufene siegreiche Bahn trägt ihn dabei das stille Bewußtsein, daß, wo er jetzt nicht weiß, er wenigstens unter Umständen wissen könnte, und dereinst vielleicht wissen wird. Gegenüber dem Rätsel aber, was Materie und Kraft seien, und wie sie zu denken ermögen, muß er ein für allemal zu dem viel schwerer abzugebenden Wahrspruch sich entschließen: Ignorabimus‘.“ (Über die Grenzen des Naturerkennens, 1872, Seite 464)

In der Tat bekommen wir das “Phänomen” des Bewusstseins infolge seiner strengen Subjektivität niemals direkt zu Gesicht, wir haben im beobachtbaren Verhalten lediglich gewisse Indikatoren mit begrenzter Spezifität und Sensitivität für Bewusstsein. Auch das erlebende Subjekt selbst schaut der Emergenz seines Erlebens bei sich selbst niemals zu, sondern findet sich immer schon im bewussten Zustand vor. Wir können also vieles verstehen, was mit bewusster Informationsverarbeitung im Zusammenhang steht und von praktischem Interesse ist (“conscious access“, soft problems of consciousness), aber nicht: Bewusstsein an und für sich, Bewusstsein in letzter Zuspitzung auf seinen radikal subjektiven Erlebensaspekt (Qualia, pure awareness). Hier gilt: “Ignoramus et ignorabimus”. Idealismus und Dualismus, so will mir scheinen, sind in dieser Hinsicht bestenfalls ziemlich eigenartige, rhetorisch ins Positive gewandte Ausdrucksformen dieses letzten Nichtwissens und dieser tiefsitzenden Skepsis.

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Christian Hoppe ist habilitierter klinischer Neuropsychologe an der Klinik und Poliklinik für Epileptologie des Universitätsklinikums Bonn. Nach seinem Studium der katholischen Theologie (1987-1993) und der Psychologie (1991-1997) sowie einem Jahr an der Tagesklinik für Kognitive Neurologie der Universität Leipzig sowie dem Max-Planck-Institut für neuropsychologische Forschung (jetzt Max Planck Institute of Cognitive Neuroscience) ist er bereits seit 1998 in Bonn tätig. Promotion 2004 an der Universität Bielefeld (Prof. Dr. W. Hartje). Seine Schwerpunkte sind klinisch die interventionelle Neuropsychologie (u.a. Patientengespräche), wissenschaftlich die psychiatrie/psychotherapie-nahen Themen der Neuropsychologie (Depression bei Epilepsie, psychogene nichtepileptische Anfälle/dissoziative Störungen), aber auch das Gedächtnis, und in Lehre und Wissenschaftskommunikation Fragen rund um Geist und Gehirn (z.B. auch Nahtoderfahrungen) und ein wenig Statistik. Seine große Leidenschaft ist das Billard. (Profilbild by Lennart Walger) Wichtiger Hinweis - eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Kommentare und Antworten auf Kommentare bitte max. 500 Wörter und strikt "on topic"! Danke!

28 Kommentare

  1. PS. Regeln für die Kommentarfunktion:

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    Danke!

  2. Thesen 2/3: Dass Thesen zum Bewusstsein den Gesetzen der Physik nicht widersprechen sollten, finde ich plausibel, sonst müsste man fragen, welche materiellen Gegenstandsbereiche die Physik nicht einschließt und warum. Daraus aber abzuleiten, dass das Bewusstsein nicht mit der materiellen Welt interagiert, scheint mir ein Widerspruch eben zum ersten Teil zu sein, weil damit das Bewusstsein zu einem Epiphänomen mit völlig unbekannter Ontologie wird. Es gibt aber keinen Geist in der Maschine.

    Einleuchtender ist für mich Thomas Nagels These, dass uns vermutlich noch die Begriffe fehlen, um in einer angemessenen Weise beschreiben zu können (und zu verstehen), was das Bewusstsein in seiner materiellen Seite ausmacht.

    These 14: Dass es nicht viel bringt, nach dem Bewusstsein an sich zu fragen, mag so sein und vielleicht helfen Fragen nach der Funktion bewusster Informationsverarbeitungsprozesse wirklich weiter. Dazu ein paar Überlegungen, an die Ursachen-Gründe-Unterscheidung anknüpfend: https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2018/06/24/was-ist-bewusstsein/?all=1

  3. Als BEWUSSTES ERLEBEN bezeichnen wir die Fähigkeit, uns und unsere Umgebung gedanklich und sinnlich so wahrzunehmen, dass wir unsere Sinneswahrnehmungen und Gedanken auch beschreiben können.

    Um eine bewusste Wahrnehmung zu haben braucht man
    A) ein biologisch aktives Gehirn
    B) unser Gehirn muss in der Lage sein, vernetzte Gehirnaktivitäten auszuführen
    C) eine bestimmte neuronale Aktivitätsschwelle muss dabei überschritten werden (z.B. EEG Alpha-Wellen > 8 Hz)

    Wenn eine dieser drei Voraussetzungen nicht erfüllt wird, dann gibt es kein bewusstes Erleben. Z.B. im Schlaf ist die Aktivität des Gehirns zu gering (EEG Alpha Wellen << 8 Hz). Z.B. stören Narkosemittel die Ausführung vernetzter Gehirnaktivitäten oder senken die neuronale Aktivitätsschwelle.

    Für unser Überleben reicht es vollkommen aus, dass wir die Fähigkeit zu bewusster/m Wahrnehmung/Erleben haben. Ein zusätzliches Extra-´Bewusstsein´ brauchen wir nicht.
    Man kann sagen: Wir sind das Erleben!

    Allerdings ist es üblich, sprachlich vereinfachend zu sagen, dass wir ein ´Bewusstein´ haben. Der Begriff ´Bewusstsein´ ist genau so wie der Begriff ´Obst´ *) nur ein Über-Begriff; mit dem wir die Erfahrungen unseres bewussten Erlebens bezeichen.

    ( *) = Das Wort ´Obst´ ist ein schwammiger Über-Begriff, der verwendet wird, wenn man allgemein, ungenau von Früchten spricht – wie z.B. Äpfel, Birnen, Pflaumen, Kirschen, Orangen, …
    Es gibt aber kein reales Stück ´Obst´, denn dieser Begriff ist nur bildlich gemeint. )

  4. 500 Wörter sind etwa 1/3 dessen, was ich gebraucht habe, um einen sinnvollen Kommentar zu schreiben, also lasse ich’s lieber ganz. Nur so viel: Ich bin seit etlichen Jahrzehnten Teilchen in diesem Universum, und die Unterstellung, meine Handlungen würden meine Emotionen und mein Bewusstsein verursachen und nicht umgekehrt, widerspricht allem, was ich in dieser Zeit erlebt oder erfahren habe. Es gibt keine Daten, die diese Theorie stützen, und die Erfahrung eines jeden Teilchens, das Sie fragen können, spricht klar dagegen. Check your premises.

  5. Ich stimme Paul S zu. Meine aber, dass das mit der Beeinflussung der Handlungen durch das Bewusstsein auch umgekehrt ist. Eine gegenseitige Bedingung (Begriff Komplementarität/Reziprozität). Das Bewusstsein/Denken wird auch durch mein Handeln/Verhalten beeinflusst. Zu schweigen vom Handeln Anderer bzw. äußeren Einflüssen (zusammenfassender Begriff kulturelles Umfeld). Ein “komplexes” Thema bzw. das menschliche Gehirn ist ein komplexes Organ …

  6. @Paul S

    Die mathematisch-physikalischen Berechnungen/Erkenntnisse des holographischen Universums (bei mir eine AKE) zeigen deutlich, daß unser Bewusstsein stets verbunden ist.

  7. @Kinseher

    Gott ist der Überbegriff für Vernunft und Verantwortungsbewusstsein, Geist ist der Überbegriff für Zentralbewusstsein, Schöpfung ist der Überbegriff für Gott, Geist und Zentralbewusstsein, was in der Kraft/Energie ein geistig-heilendes Selbst- und Massenbewusstsein möglich macht, wenn Mensch die Konfusion und den geistigen Stillstand seit Mensch erstem und bisher einzigen GEISTIGEN Evolutionssprung (“göttliche Sicherung” vor dem Freien Willen und “Vertreibung aus dem Paradies”) überwindet und somit das ganzheitlich-ebenbildliche Wesen Mensch gestaltet.

  8. Eine wichtige Funktion des Bewusstseins ist es, die automatischen
    Verhaltensweisen zu entwickeln, zu überwachen, und zu korrigieren.
    Mit etwas Mühe könnte man so ein programmierendes Programm
    für einen Computer schreiben.
    Diese Funktion wüsste sozusagen, was sie selbst tut, zumindest
    wüsste sie, was die automatischen Verhaltensweisen machen.
    Natürlich sagt das alleine noch nichts über das subjektive
    Erleben aus, aber ich habe es zumindest versucht.
    —–
    Das Entstehen von Leid beruht auf dem Vergleich von Ist-Wert
    und Soll-Wert in einem Regelsystem.
    Für das Überleben von Lebewesen ist es wichtig, sich selbst
    mit dem eigenen Regelsystem zu identifizieren.
    Vermutlich führt das zum subjektiven Erleben.

  9. 4. “Mein Vorschlag: Hören wir auf, nach Bewusstsein an und für sich zu fragen; fragen wir besser nach der besonderen Qualität einiger Informationsverarbeitungsprozesse, die teilweise unterbewusst und dann mit unterschiedlichen Graden an Bewusstsein (Aufmerksamkeit) ablaufen können.”

    Oh ja, da würden sich besonders die “teilweise unterbewusst und dann mit unterschiedlichen Graden an Bewusstsein” interpretierten Texte der biblischen Philosophie anbieten!?

  10. Eine Diskussion zum Thema ´Bewusstsein´ macht keinen Sinn – wenn grundsätzlich nur von der Überlegung ausgegangen wird, dass es ein ´Bewusstsein´ tatsächlich gibt.

    Wir müssen uns zuerst mit Sprache und ihrer Verwendung beschäftigen:
    Wenn ich schreibe ´In meiner Küche steht ein Teller mit Obst.´- dann ist diese Aussage völlig nichtssagend obwohl sich jede/r etwas darunter vorstellen kann.
    ´Obst´ ist ein unpräziser Über-Begriff, den wir verwenden, wenn es nicht wirklich darauf ankommt, etwas konkret genau zu bezeichnen. Es gibt aber in der Realität kein Stück ´Obst´, sondern nur verschiedene Früchte.

    Ähnlich ist es mit dem Begriff ´Bewusstsein´. Dieser Begriff wird auch für alles mögliche verwendet. Das Rätsel um das Problem ´Bewusstsein´ wird nur lösbar, wenn man diese Idee ernsthaft hinterfragt und sich auch gründlich mit der Funktionsweise des Gehirns beschäftigt.

  11. Die Fernsehtechnik und die Gattertechnik (Boolsche Schaltalgebra) sind eine gute Basis um das Geschehen in neuronalen Systemen mit Bewusstsein nachvollziehen zu können.

    Eine wichtige Komponente für Bewusstsein ist das „Sehen“ mit dem Auge und der Abbildung der visuellen Information auf der Netzhaut. Wobei die Stäbchen und Zapfen (Sensorikelemente) offensichtlich zu Farbempfindungen beitragen und nicht nur die „punktweise Information“ (die in ihrer Gesamtheit ein Bild ergeben) als Messwerte zur Auswertung wichtig sind, wie in der Technik.

    Industrielle Steuerungen auf „Gatterbasis“ waren die „letzte Vorstufe“ bevor die „Prozessortechnik“ den Siegeszug in der Technik angetreten hat.

    Diese Gatter Technik „stimmt“ aber mehr mit der neuronalen Gattertechnik überein, als die Prozessortechnik wie im Computer. Grundlegend ist auch das Prinzip „Hardware – Software“.

    Aber heutzutage, wo „Jeder“ sich garantiert von jeglichem „Stäubchen Materie freie Apps“ aus dem Internet aufs Handy laden kann, ist das allgemein verständlich.

    Logische Gatter sind laut W. McCulloch Basis der neuronalen Informationsverarbeitung.

    Mit dem „Fernseher Konzept“ (Schaltwarte) und dem „Gatter Konzept“ kann man auch die Mechanismen die „hinter dem Bewusstsein“ stehen ganz gut nachvollziehen. (Ausgenommen vorerst ohne die physikalische Erklärung des Empfindungsphänomen“).

    Meine Erkenntnisse stimmen stark mit W. Singers Assembly Konzept aus technischer Sicht überein.

    Frage an den MS Copiloten.

    Was gibt es im Zusammenhang von Wolf Singer und seinem Assembly Konzept interessantes?

    Antwort von Copilot:

    Wolf Singer, ein renommierter Hirnforscher, hat sich intensiv mit der neuronalen Verarbeitung im Gehirn beschäftigt. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Hypothese, dass die Verarbeitungsprozesse im Gehirn in einem hochdimensionalen dynamischen System ablaufen. Dieses System entsteht durch ein Netzwerk von oszillierenden Schaltkreisen, die über rekurrente Verbindungen zeitverzögert miteinander interagieren1. Hier sind einige interessante Aspekte:

    Dynamische Netzwerke: Singer geht davon aus, dass die Informationsverarbeitung im Gehirn durch komplexe neuronale Netzwerke erfolgt. Diese Netzwerke bestehen aus rückgekoppelten Schaltkreisen, die miteinander kommunizieren und Informationen verarbeiten.
    Top-Down-Einflüsse: Singer betont die Bedeutung von top-down Einflüssen. Diese entstehen durch synaptische Projektionen von höheren Verarbeitungszentren und beeinflussen die Aktivität räumlich verteilter Neuronenpopulationen. Solche Einflüsse spielen eine Rolle bei der Steuerung von Aufmerksamkeit und Erwartungen.
    Neuronale Synchronität: Singer untersucht auch neuronale Oszillationen und ihre Rolle bei der Informationsverarbeitung. Er fragt, ob diese Oszillationen unvermeidlich sind und ob sie für die Funktion des Gehirns nützlich sind1.
    Insgesamt liefert Singers Arbeit wichtige Erkenntnisse über die Funktionsweise des Gehirns und die neuronalen Grundlagen höherer kognitiver Funktionen. Wenn du noch mehr wissen möchtest, kann ich gerne weitere Informationen dazu bereitstellen!“

    „Willkürliche“ neuronale Oszillationen bewirken bestimmte Gen abhängige individuelle „Schwerpunkte“ des Denkens, weil sie die Netzbildung in den jeweiligen Bereichen wegen der ausgelösten Ladungsverschiebungen fördern.

  12. Herr Hoppe, Ihr Beitrag übersteigt meine Aufnahmefähigkeit.

    Und damit sind wir mitten im Thema. Beim Bewusstsein geht es auch um die Aufnahme von Reizen und Informationen und deren Verarbeitung.

    Was braucht man dazu ? Das Gehirn. Bei Menschen mit Down Syndrom z. B. ist die Aufnahme und Verarbeitung durch einen Gen – Defekt gestört.

    Da muss man ansetzen. Welche Gene braucht man zum Denken.
    Das ist mein Beitrag dazu .

  13. Zum Folgenden:

    a)
    Wenn ich schreibe ´In meiner Küche steht ein Teller mit Obst.´- dann ist diese Aussage völlig nichtssagend obwohl sich jede/r etwas darunter vorstellen kann. (Zitatende)

    Wenn sich bei einer (sprachlichen) Aussage “…jede/r etwas darunter vorstellen kann….” dann ist diese Aussage keinesfalls nichtssagend, sondern sie sagt offenbar genau das aus , was sie soll – nämlch genau das, was sich jeder darunter vorstellt. Ob das dann die Präzisionsanforderung von jemand Anderem erfüllt, ist ein wieder anderes Problem.

    b)
    ´Obst´ ist ein unpräziser Über-Begriff, den wir verwenden, wenn es nicht wirklich darauf ankommt, etwas konkret genau zu bezeichnen. Es gibt aber in der Realität kein Stück ´Obst´, sondern nur verschiedene Früchte. (Zitatende)

    Ja, aber halt nur, wenn es wirklich auf “Konkretisierung” ankommt. Die Mathematiker z. B. haben ja gerade das gegenteilige Ziel. Und die “wissenschaftlichen Modellkonstrukteure ” doch auch. Zumindest sagen sie es so.

    Eine Antwort auf die (metaphysische ?) Frage, ob es ” in der Realität” sprachliche bzw. denkerische Abstraktionen (Poppers “Welt 3” )gibt, ist in der Tat eine (zu?) “harte Nuss”.
    Ob die Zusammenfassung von Einzelelementen zu “Kategorien” sinnvoll ist, ist eine ganz andere Frage: Es ist doch wohl sprachökonomisch (oder gar denkökonomisch?) sinnvoller , zu erzählen dass man einen Wald besitzt, statt zu sagen: Ich besitze einen Baum und daneben noch einen baum und daneben noch einen Baum und daneben noch einen Baum und daneben noch einen Baum und daneben noch einen Baum………….

    Wieder eine andere Frage ist es, ob Abstraktionen als rein hypothetische Gedankenkonstruktionen Sinn machen. Etwa (auch) nach der Art: Bisher war es immer so, also wird es auch so weitergehen ” oder “Im Subsystem (Mikrokosmos) ist es so, also wird es auch im übergeordneten System (Makrokosmos) so sein” usw. usw.

    Eventuell wollte der Autor der obigen Zitate nur auf Letzteres Bezug nehmen.

  14. @little louis
    Lesen Sie sich den einführenden Blogbeitrag genau durch.
    Darin wird davon ausgegangen, dass es ´Bewusstsein´ gibt – und im weiteren Text werden aber nur Gründe dafür gesucht, warum man nicht erklären kann, was das ist.

    Das ist ein Widerspruch in sich: Wer behauptet, dass es ´Bewusstsein´ gibt, muss eine Erklärung dafür vorlegen. Wenn man aber nicht erklären kann, was ´Bewusstsein´ ist, dann ist die Annahme fragwürdig, dass es ein ´Bewusstsein gibt.

    Das Ganze wird dann zusammengefasst mit ´ignoramus et ignorabimus´ (wir wissen´s nicht und werden es niemals wissen).

    Sich neuen Ideen zu verweigern – ist zulässig. Aber:
    Mit dieser Einstellung wird man niemals zu vernünftigen Erkenntnissen kommen.

  15. Hallo Herr KinsehrRichard

    Ich will Ihnen da momentan gar nicht grundsätzlich widerrsprechen und formuliere mal so:

    Erst der, der in der Lage ist/war eine Hardware – Software- Kombination (wiederholt und nachvollziehbar) zu “konstruieren” , die in der Lage ist, (entweder ähnlich wie ein Kleinkind allmählich oder auch irgendwie spontaner) “Bewusstsein” von sich und der Welt zu entwickeln, ………
    kann von sich behaupten, er wisse, was der Begriff “Bewusstsein ” oder “menschliches Denken” bedeutet.

  16. Halluzinationen – sind Erlebnisse, bei denen keine einheitlichen Inhalte erkennbar sind.
    Nahtod-Erfahrungen (NTEs) – zeichnen sich dadurch aus, dass sehr deutlich vergleichbare Inhalte und Strukturen erkennbar sind. Erkennbare einheitliche Muster (Inhalte+Strukturen) sind üblicherweise eine Grundlage für das Erstellen von wissenschaftlichen Analysen und Theorien.

    Ich habe @Hoppe schon mehrmals darauf aufmerksam gemacht, dass NTEs komplett als Ergebnis eines einfachen Erinnerungsvorgangs erklärt werden können – bei dem man bewusst erleben kann, wie das Gehirn einen einzelnen Reiz/Gedanken systematisch und strukturiert verarbeitet.
    Das ist der DIREKTESTE – da bewusst erlebbare – Zugang zum arbeitenden Gehirn, den es gibt. (Messmethoden wie EEG, fMRT erlauben nur INDIREKT Zugang zu neuronalen Aktivitäten).

    D.h. dass man bewusst erleben kann, wie das Gehirn einen einzelnen Reiz/Gedanken verarbeitet – ist eine wesentliche Eigenschaft unseres Gehirns; die man nicht ignorieren darf, wenn man seine Arbeitsweise und daraus entstehende Phänomene (z.B. Bewusstsein) verstehen will.

    Wenn bei Erörterungen zum Thema ´Bewusstsein´ aber ausgerechnet gezielt ausgeklammert wird, dass die Arbeitsweise des Gehirns bei NTEs DIREKT der bewussten Wahrnehmung zugänglich ist – dann ist diese Vorgehensweise unseriös.
    Wer ernsthaft daran interessiert ist, das Problems des Bewusstseins zu diskutieren – müsste zuerst auch prüfen, ob NTEs geeignet sind, Lösungen zu diesem Thema beizutragen. Erst nach einer gründlichen Prüfung kann dann darüber entschieden werden, wie die dabei erhaltenen Hinweise zu bewerten sind.

  17. Zusatzinformation:
    In meinem Buch/e-Buch
    Kinseher Richard
    Auflösung großer Fragen: Was ist Bewusstsein? Was ist Zeit?

    wird mit dem Beispiel NTE beschrieben, wie DENKEN funktioniert, WIE und WARUM ein ´ICH-Bewusstsein´ entsteht bzw. was ´Bewusstsein´ ist.
    Da es in diesem Zusammenhang wichtig ist, sich mit der DAUER von Gedanken zu beschäftigen, gibt es auch noch ein Kapitel zum Thema ´Zeit´.

    D.h. mit meinem Buch habe ich zu wesentlichen Fragen des aktuellen Blogthemas sehr interessante Antworten/Anregungen vorgestellt.
    Wer sich also intensiv mit diesem Thema beschäftigen will, findet mit meinem Buch eine gute Lektüre (im Internet, z.B. bei Amazon, gibt es eine kostenfreie Leseprobe) – mit über 50 wissenschaftlichen Arbeiten als Beleg-Quelle

  18. Die Sprache selbst sagt uns , was ein Bewusstsein ist. Nennen wir es Selbstbewusstsein. Es drückt das aus, was es ist, “Ich bin mir meiner bewusst”.

    Und dazu kommt, dass ich das nicht denken muss, das weiß ich.
    Und das ist auch der Unterschied von Denken und Bewusstsein. Das Bewusstsein ist das Archiv von dem, was wir schon gedacht auch erlebt haben.

    Und wie ist das Gedachte abgespeichert? Auch ganz einfach.
    Wenn ein Sportler trainiert ,arbeiten zuerst seine Muskeln, dann beginnen sie zu wachsen.
    Wenn ein Mensch denkt, arbeitet sein Gehirn, das merkt man auch am Zuckerbedarf des Gehirnes, dann verändern sich die Gehirnzellen, ob man das wachsen nennen darf, weiß ich nicht.

    Und jetzt mal weiter phantasiert. Beim Denken entstehen Gehirnwellen. und wenn man richtig gedacht hat, dann freut man sich ? Warum ?
    Genauso wie beim Sport, wenn man weit genug gesprungen ist, dann freut man sich.
    Jetzt zum Erinnerungsvermögen.
    Man kann schon Würmer so dressieren, dass sie sich an ein Ereignis erinnern.
    so eine Art Reiz-Reaktion. Man leuchtet den Wurm mit einer Taschenlampe an und gibt ihm einen Stromschlag. Der Wurm zuckt zusammen.
    Nach ein paar Stromschlägen zuckt der Wurm schon zusammen, wenn man ihn nur anleuchtet.
    also , ihr Doktorranden, nehmt ein paar Würmer und ab unter das Elektronenmikroskop, vielleicht seht ihr was.

  19. @ Kinseher

    Meine Güte, sind Sie penetrant.
    Erklären Sie sich hier wie Christian Hoppe, Joseph Kuhn oder little Louis.
    Auch Sie erklären nicht das ‘wie’.
    Natürlich ist das Obst das Bewusstsein des ‘was’: Selbsterkennen.

  20. @Hauptartikel

    „Ich glaube nicht eine Sekunde an dieses supra-physikalische Modell; aber ich vermute, dass es konsistent denkbar ist und sich logisch nicht widerlegen lässt. Empirische Belege dürfen wir hier nicht erwarten, weil wir über Immaterielles spekulieren.“

    Mir gefällt dieses Modell dennoch. Belege könnte es allerdings geben, wenn man es schafft, künstliches Bewusstsein zu bauen. Dann könnte man es so genau untersuchen, das man hier eben Geisteswirkungen im Betrieb beobachten kann. Wenn diese sich nur über ein vorhandenes Quantenrauschen manifestieren können, dann kann das künstliche Bewusstsein nur aufwachen, wenn man hier wirklich Quantenrauschen und nicht Pseudozufallszahlen im Betrieb verwendet.

    Ob das wirklich funktioniert kann ich jetzt auch nicht sagen. Wenn ich KI programmieren würde, dann würde ich hier allerdings entsprechende Experimente machen.

    Wie die Physik jetzt wieder damit klar kommen würde, das ist mir eigentlich egal. Dann muss man eben notfalls den Quantenzufall neu interpretieren.

    „Fragen wir nach den physiologischen Bedingungen der Emergenz der epistemischen Grundstruktur (erkennendes Subjekt und seine phänomenale Welt)“

    Die KI kann diese Fragen immer gebrauchen, also nur zu und eben die physiologischen Bedingungen immer weiter untersuchen.

    „Wir können also vieles verstehen, was mit bewusster Informationsverarbeitung im Zusammenhang steht und von praktischem Interesse ist ..“

    Je mehr wir hier verstehen, desto mehr kann auch immer mächtigere KI draus werden. Und das Interessante an KI ist ja gerade, dass sie immer weiter skalierbar ist. Was wir Menschen nun mal gar nicht sind. Hier sind Welten hinzuzufügen, wenn wir die Prozesse in Gehirn verstanden haben, und in der IT nachgebaut werden. Weil hier dann Teile davon beliebig skaliert werden können.

    So wie es die aktuellen LLMs machen. Man hat hier nur ganz wenig vom Gehirn abgeguckt, kann aber mittels Skalierung dann doch was Mächtiges draus machen.

  21. These 15: Ein eindeutiges Jein. Wenn “wir” bedeutet, diejenigen, die ausserhalb des zu untersuchenden Bewusstseins stehen, dann eher ja. Wenn “wir” aber auch jedes Bewusstsein, auch das eigene, einschliesst, dann eher nein. Und vollständig das eigene Bewusstsein kennen, eher nein. “Ich denke also bin ich” klingt eher falsch. “Ich bin” wäre aus meiner Sicht schon eher ein erster Ansatz. Ich bin und nehme wahr, wäre die erkennende Erweiterung.

    Einfaches Beispiel, ich stosse mich irgendwo und ärgere mich darüber. D.h. ich habe eine Erkenntnis, eine Erwartung, ein Bewusstsein, wie die korrekte körperliche Reaktion hätte aussehen sollen und stelle fest, dass dem nicht so war. Ich habe absichtlich dieses Beispiel gewählt, denn in diesem Falle sind die (unter)bewussten Prozesse nicht abhängig davon, ob man darüber nachdenkt. Aber sie sind oder werden (als Schmerz) bewusst.

    Bewusstsein ist aus meiner Sicht nicht deckungsgleich mit unserer Reflektionseinheit, allgemein Gehirn und Denken genannt. Bewusstsein ist die ständige, sofortige und überlebenswichtige Reaktion auf die sich ständig ändernden Bedingungen einer nur teilweise bekannten oder erkannten Umwelt. Bewusstsein, also notwendige Aktionen, passiert sofort, denken passiert in der Regel nachher in Ruhephasen. Ohne Stress ggf. manchmal sogar im Vorfeld.

    • Little Louis,
      “Eine Antwort auf die (metaphysische ?) Frage, ob es ” in der Realität” sprachliche bzw. denkerische Abstraktionen (Poppers “Welt 3” )gibt, ist in der Tat eine (zu?) “harte Nuss”.”

      Ich denke, diese harte Nuss ist die Grenzlinie zwischen Tier und Mensch.

      Karl Bednarik
      “Das Entstehen von Leid beruht auf dem Vergleich von Ist-Wert
      und Soll-Wert in einem Regelsystem.”
      Und damit hast du die Ethik in einem Satz beschrieben.

      Lindenau
      “Einfaches Beispiel, ich stosse mich irgendwo und ärgere mich darüber. D.h. ich habe eine Erkenntnis, eine Erwartung, ein Bewusstsein, wie die korrekte körperliche Reaktion hätte aussehen sollen und stelle fest, dass dem nicht so war. Ich habe absichtlich dieses Beispiel gewählt, denn in diesem Falle sind die (unter)bewussten Prozesse nicht abhängig davon, ob man darüber nachdenkt. Aber sie sind oder werden (als Schmerz) bewusst.”

      Nachtrag: Wozu ein Schmerz doch gut sein kann.
      Aus meiner Sicht sind wir befangen. Wir können nicht voruteilslos über uns selbst urteilen. Manche können das vielleicht (und gehen ins Kloster)
      Im Mittelalter haben sich manche sogar einmauern lassen um sich vor ihre Trieben zu schützen.
      Anmerkung: Überhaupt werden hier die Triebe nicht genug gewürdigt.

  22. Addendum bzgl. Aktionen und Koma.

    In diesem Fall laufen Aktionen ins Leere, da eine motorische Blockierung besteht. Allerdings ist es eine Frage des Bewusstseins, wenn es sich bewusst wird, das es am Leben erhalten wird, wie es damit umgeht. Manche gehen im Koma, manche sind zäh und bleiben. Wahrscheinlich die subjektive Bewusstseinshaltung gegenüber der festgestellten, wahrgenommenen, bewusst gewordenen Situation und die individuelle Bewusstseinsreaktion auf die Situation. Das weiss man, vielleicht, erst, wenn man in der Situation ist. Aber dann weiss es zumindest einer, wenn auch nicht die Anderen um einen herum.

    Prinzipiell finde ich den gesamten Ansatz gut den Fokus auf das zu richten, was man erkennen kann und es nicht mit Bewusstsein zu verwechseln. Bei der Beweisführung hatte ich manchmal das Gefühl, riecht nach Zirkelschluss, ohne es im Moment schlüssig beweisen zu können. Danke für den Artikel.

  23. Die Abstraktion führt von den vielen Bäumen zum Wald.
    Die Konkretisierung führt vom Wald zu den vielen Bäumen.
    Bei großen Datenmengen sind für diese beiden Aufgaben
    die neuronalen Netzwerke geeignet.
    Sobald man relativ wenige abstrakte Begriffe hat,
    kann man mit den regelbasierten Systemen den Vergleich
    zwischen dem Ist-Wert und dem Soll-Wert durchführen,
    und dann nach den günstigsten Stell-Werten suchen.
    Diese abstrakten Stell-Werte muss man danach wieder
    zu den einzelnen Aktionen konkretisieren.
    Dieses Bild sagt mehr als viele Worte, hoffe ich:
    http://s880616556.online.de/abstrak3.png

  24. @little louis
    zum Thema ´Hardware-Software-Kombination´ gibt es bereits interessante Überlegungen:

    Der Buddhismus geht grundsätzlich davon aus, dass es eine beständige Existenz bzw. ein ICH-Bewusstsein nicht gibt: Nur dadurch dass neue Erlebnisse und reaktivierte Erinnerungen sehr rasch aufeinander folgend wahr genommen werden – entsteht dann die Illusion einer zusammengehörenden Existenz.
    Genaugenommen – so der Buddhismus – existieren wir nur für die Dauer eines Gedankens: der aber dann bereits vergangen ist, wenn wir ihn wahrnehmen.

    Bischof Augustinus beschäftigt sich (in Bekenntnisse, Buch 11, Kap. 13-29) sehr intensiv mit dem Thema ´Zeit´: Er geht davon aus und begründet dies auch, dass es Zukunft und Vergangenheit in der Realität nicht geben kann und dass die Gegenwart (an der alle Veränderungen erfolgen ) ebenfalls keine Dauer haben kann. Das ist dann für ihn ein Riesenproblem – weil wir doch einen anderen Eindruck haben. Er löst dieses Problem durch die Erkenntnis, dass wir Dauer dadurch erleben, weil wir ein Gedächtnis haben und uns erinnern können (= Ausdehnung des Geistes). Indem wir Gedächnisinhalte mit aktuellen Beobachtungen vergleichen entsteht als Ergebnis das Erleben von Zeitdauer.
    (Bischof Augustinus unterschied also deutlich zwischen physikalischer und menschlicher Zeit bzw. Zeitwahrnehmung.)

    Sowohl die buddhistische Philosophie wie auch Bischof Augustinus beschreiben in ihren Überlegungen, dass Denken und Wahrnehmung nur auf Grundlage von Vergleichsaktivitäten bestehen – was wir heute als Mustervergleichsaktivität bezeichnen würden.

  25. Wenn bei Erörterungen zum Thema ´Bewusstsein´ aber ausgerechnet gezielt ausgeklammert wird, dass die Arbeitsweise des Gehirns bei NTEs DIREKT der bewussten Wahrnehmung zugänglich ist – dann ist diese Vorgehensweise unseriös.
    Wer ernsthaft daran interessiert ist, das Problems des Bewusstseins zu diskutieren – müsste zuerst auch prüfen, ob NTEs geeignet sind, Lösungen zu diesem Thema beizutragen. Erst nach einer gründlichen Prüfung kann dann darüber entschieden werden, wie die dabei erhaltenen Hinweise zu bewerten sind.

    (Zitatende)

    Das ist (zumindest teilweise ) auch das (alte) Problem der epistemiologischen/wissenschaftstheortischen/ forschungspraktischen Methode
    des (empiristischen) Reduktionismus. Da wird davon ausgegangen, dass entweder aus grundsätzlichen (oder auch aktuell forschungspraktischen) Gründen nur kleine , ausschnittartige Teilaspekte der Realität empirisch zugänglich sind. Weswegen meistens im Voraus entschieden werden muss, welchen Aspekt man dann auswählt.
    Wird diese Auswahl beeinflusst durch bewusste oder unbewusste Orientierung an einem schon bestehenden theoretischen Modell (=Theorie) oder gar einer “Ideologie” , können halt (von vorn herein) bestimmte Aspekte der Realität (bewusst oder unbewusst) ausgeblendet bleiben..

  26. @KinseherRichard 11.08. 05:20

    „Bischof Augustinus unterschied also deutlich zwischen physikalischer und menschlicher Zeit bzw. Zeitwahrnehmung.“

    Unsere Zeitwahrnehmung ist sicherlich ein Prozess, der sein eigenes Bewusstsein erzeugt, und als eine gewisse Konstante durch die selbsterlebten Zeiten reist.

    Unsere Vorstellungen von Physik sehen das nicht so. Eine Gegenwart, die durch die Zeiten reist, ist da nicht unbedingt definiert. Es sei denn es gibt kosmische Geisteswelten, die dürften dann zwar physikalisch im Sinne von nichtbiologisch sein, würden aber auch als organisierte Gegenwart durch die Zeiten reisen. Praktischerweise mit uns gemeinsam.

    Wenn jeder seine eigene Gegenwart hätte, würde die Welt ja nicht konsequent ablaufen können. Entsprechend sind alle bewussten Existenzen unbedingt gleichzeitig unterwegs. Ob es jetzt Menschen, Tiere, Maschinen oder kosmische Geisteswelten sind. Alles muss sich in der selben Gegenwart drängeln.

  27. @ KinseherRichard und :

    “….Er löst dieses Problem durch die Erkenntnis, dass wir Dauer dadurch erleben, weil wir ein Gedächtnis haben und uns erinnern können (= Ausdehnung des Geistes)…..” (Zitatende)

    Vielleicht sollten wir, neben den eher metaphysischen Spekulationen (gegen die ich generell nichts habe) aber nicht vergessen, das genaue Entstehen (im Kindesalter) und vor allem das allmähliche Verschwinden von “Ich- Bewusstsein ” und all der Teilaspekte des Denkens bei allmählich fortschreitender Demenz genau bzw. genauer zu untersuchen. Hier ist – im Gegensatz zu mikro-und makrophysikalischen bzw. kosmologischen Forschungen – ein empirischer Zugang noch relativ einfach und kostengünstig möglich.
    Vielleicht gilt das auch für algorithmische Simulationsmodelle zur Untersuchung der erwähnten (neurologischen) Aufbau- und Abbau- Mechanismen bzw. Vorgänge.