Ekstatische Aura

BLOG: WIRKLICHKEIT

Hirnforschung & Theologie
WIRKLICHKEIT

Heute möchte ich von den ungewöhnlichen Auren eines Epilepsiepatienten in unserer Klinik berichten. Auren sind Vorgefühle vor epileptischen Anfällen, die jedoch auch ohne nachfolgenden Anfall isoliert auftreten können. Aus epileptologischer Sicht gehören Auren bereits zum beginnenden Anfall bzw. isolierte Auren stellen ihrerseits ein epileptisches Ereignis dar. Im Rahmen des Langzeit-EEG oder Video-EEG-Monitorings lassen sich bereits während der vom Patienten angezeigten Aura spezifische EEG-Veränderungen im Sinne hypersynchroner elektrischer Entladungen großer Nervenzellverbände und entsprechend schnelle und hochamplitudige elektrische Feldpotentialschwankungen an der Kopfoberfläche ("spikes") messen.

Der Patient, X.N., ist heute 33 Jahre alt. Er leidet seit dem 10. Lebensjahr an Schläfenlappenanfällen mit Starren, Bewusstseinsverlust, starker Körpertorsion nach rechts und schließlich Sturz. Die Anfallshäufigkeit steigerte sich 2009 auf bis zu 1-2 Anfällen pro Tag, mit zahlreichen Verletzungen infolge des iktalen Sturzes. Ein epilepsiechirurgischer Eingriff im Übergangsbereich von Schläfenlappen, Scheitellappen und Hinterhauptslappen auf der linken Seite (Histologie: Rindenmarkdifferenzierungsstörung und heterotope Neurone) erbrachte eine deutliche Verbesserung (50-70% Reduktion der Anfallshäufigkeit), aber nicht die erhoffte Anfallsfreiheit. Zurzeit erleidet X.N. ca. 5-10 Anfälle (häufig mit Sturz) im Monat, täglich Auren und darunter – etwa alle 1-2 Tage – die besonderen Auren, von denen hier berichtet werden soll.

Ärzten gegenüber gibt X.N. lediglich an, dass es sich bei diesen Auren um ein "komisches Gefühl" handle; meistens geben sich die Ärzte mit dieser Auskunft zufrieden und fragen nicht weiter nach. In einer Gruppe mit Patienten berichtete X.N. jedoch, dass er bei diesen Auren ein totales Glücksgefühl empfinde – was mich neugierig machte. Auf Nachfrage berichtete der Patient dann folgendes:

Das Gefühl sei komisch und sehr schwierig zu beschreiben. Es sei ein sehr angenehmes Gefühl, ein Glücksgefühl. Es bestehe zwar die Möglichkeit, dass das Gefühl in einen Anfall übergeht, wenn er sich zu sehr darauf einlässt. Aber wenn er gerade allein sei und nichts passieren könne, dann lasse er sich auf diese "Dimension" ein. Er sei dann ganz für sich. Er müsse nicht die Augen schließen, aber wenn zum Beispiel der Fernseher laufe, dann interessiere ihn das überhaupt nicht mehr. Sex würde er unterbrechen, wenn dies Gefühl auftrete, weil dieses Gefühl wesentlich intensiver sei. Er habe schon einmal mit 60.000 Leuten in einem Stadion gefeiert – als das Gefühl aufgetreten sei, habe ihn diese feiernde Masse überhaupt nicht mehr interessiert. Er sei dann in seiner "Dimension", die viel besser sei als das. Wenn das Gefühl schon zu stark sei, dann könne er es auch nicht mehr kontrollieren – was problematisch sei wegen des hohen Anfallsrisikos. Zum Beispiel im Straßenverkehr würde es ihn ab einem bestimmten Punkt überhaupt nicht mehr interessieren, dass er sich aufgrund des starken Gefühls falsch verhalten, etwa bei Rot über die Straße gehen könnte. Das Gefühl sei am ehesten so, wie "unter Drogen" zu sein. Das Gefühl könne er, wenn es auftritt, zumindest zu Beginn in seiner Intensität kontrollieren, es also stärker werden lassen oder eben nicht – aber bewusst auslösen lasse es sich nicht. Dabei würde er dieses Gefühl gerne öfter erleben, zum Beispiel vor dem Einschlafen. Auf Nachfrage verneint X.N., dass das Gefühl eine sexuelle Komponente habe. Es sei auch nicht irgendwie religiös. Außer dem Gefühl erlebe er keine anderen sinnlichen Eindrücke.

In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Epilepsy & Behavior" analysieren Rayport und Kollegen die Berichte Dostojevskis im Abgleich mit modernen Patientenberichten (Rayport et al. 2011, Dostoevsky’s epilepsy: a new approach to retrospective diagnosis. Epilepsy & Behavior 22, 557-570): In seiner Einführung zum Roman "Der Idiot" zitiert der Übersetzer David Magarshack einige Briefe des Schrifstellers Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821-1881) an dessen engste Freunde, in denen er über seine Epilepsieerkrankung berichtet. An Nicolai Strakhov schrieb Dostojewski: "Für einige Momente vor dem Anfall erlebe ich ein Glücksgefühl in einer Weise, die im normalen Zustand unvorstellbar ist und von denen andere Leute keine Ahnung haben. Ich fühle mich vollständig in Harmonie mit mir selbst und der ganzen Welt und dieses Gefühl ist so stark und beglückend, dass man für diese Glückseligkeit zehn Jahre seines Lebens wenn nicht gar sein ganzes Leben gäbe." (Übersetzung C.H.)

In ganz ähnlicher Weise beschreibt Dostojewski die ekstatischen Auren des Prinzen Myshkin in seinem Roman "Der Idiot" und verweist dort interessanterweise auch auf den Propheten Mohammed: "’In einem solchen Moment’, erzählte er [Prinz Myshkin, C.H.] einmal Ragozhin bei einem Treffen in Moskau, ‘in einem solchen Moment wird der merkwürdige Spruch, dass einmal keine Zeit mehr sein wird, für mich irgendwie verständlich. Ich vermute’, fügte er lächelnd hinzu,’dies ist genau die Sekunde, in welcher nicht genug Zeit für einen Tropfen Wasser blieb, um aus dem Krug des Epileptikers Mohammed herauszutropfen, während er in genau dieser Sekunde genügend Zeit hatte, um all die Offenbarungen Allahs zu empfangen.’" (Übersetzung C.H.) Dostojewski erlebte allerdings auch mystische Auren, die mit einer tief-depressiven Stimmung sowie starken Schuldgefühlen einher gingen. Nach Anfällen brauchte er mehrere Tage, um seine Gedanken wieder zu sortieren und er hatte das Gefühl, sein Gedächtnis werde schlechter.

Eine Epilepsie mit ekstatischen oder mystischen Auren wird heute manchmal Dostojewski-Epilepsie genannt. 1980 gelang Cirignotta und Kollegen erstmals die Aufzeichnung einer ekstatischen Aura bei gleichzeitiger EEG-Aufzeichnung, welche belegte, dass es sich bei diesem Anfallstyp am ehesten um eine Schläfenlappenepilepsie handelte – wie bei unserem Patienten X.N.

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Geboren 1967 in Emsdetten/Westfalen. Diplom kath. Theologie 1993, Psychologie 1997, beides an der Universität in Bonn. Nach einem Jahr am Leipziger Max-Planck-Institut für neuropsychologische Forschung (1997-98) bin ich seit Oktober 1998 klinischer Neuropsychologe an der Universitätsklinik für Epileptologie in Bonn. Ich wurde an der Universität Bielefeld promoviert (2004) und habe mich 2015 an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn habilitiert (Venia legendi für das Fach Neuropsychologie). Klinisch bin ich seit vielen Jahren für den kinderneuropsychologischen Bereich unserer Klinik zuständig; mit erwachsenen Patientinnen und Patienten, die von einer schwerbehandelbaren Epilepsie oder von psychogenen nichtepileptischen Anfällen betroffen sind, führe ich häufig Gespräche zur Krankheitsbewältigung. Meine Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen in den Bereichen klinische Neuropsychologie (z.B. postoperativer kognitiver Outcome nach Epilepsiechirurgie im Kindesalter) und Verhaltensmedizin (z.B. Depression bei Epilepsie, Anfallsdokumentation). Ich habe mich immer wieder intensiv mit den philosophischen und theologischen Implikationen der modernen Hirnforschung beschäftigt (vgl. mein früheres Blog WIRKLICHKEIT Theologie & Hirnforschung), eine Thematik, die auch heute noch stark in meine Lehrveranstaltungen sowie meine öffentliche Vortragstätigkeit einfließt.

18 Kommentare

  1. Dostojewski und Epilepsie

    Vielen Dank für diesen sehr interessanten Artikel. Mein Interesse richtet sich vorrangig auf den Part um Dostojewskij. Da ich in Dostojewskijs Leben etwas bewandert bin, weiß ich auch um seine epileptische Entwicklung und eben auch um die Entwicklung ihrer Einordung. Dort hat sich in gewisser Weise auch ein Deutungs-Prozess vollzogen.

    Ihr Posting weist nun für mich eine recht nachvollziehbare Eingrenzung auf. Ich habe inzwischen einiges zu Dostojewskis Epilepsie gelesen. Sicherlich war ich damit auch nicht selten überfordert, da ich nicht vom Fach bin. Ihre Beschreibung und die daraus gezogenen Parallelen, empfinde ich äußerst nachvollziehbar und verständlich. Für mich entsteht zunächst kein Widerspruch.

    Ich habe zwar keine Ahnung, aber wenn man mir sie pro forma zusprechen würde, wollte ich schlicht antworten: Das passt. 😉

    Sicherlich trage ich nun Eulen nach Athen, aber ich möchte insbesondere auf den Artikel von Dieter Janz: „Zum Konflikt von Kreativität und Krankheit: Dostojewskis Epilepsie“ aufmerksam machen. Für mein Empfinden und bei meinem Nichtfachwissen einfach ein Juwel von Text.

    http://dostojewski.npage.de/d-epilepsie-dostojewski-dostojewskij-dostojevskij_71496220.html

    Diesen Text finden Sie auf meiner privaten Seite als Download, wie auch noch weitere Texte zum Thema Dostojewski und Epilepsie. Auch die Seite selbst befasst mit Dostojewskis Epilepsie. Diese Rubrik ist nur eine von vielzähligen, da sich die Seite umfänglich mit dem Leben Dostojewskis beschäftigt und die derzeit umfangreichste Dostojewski-Page im deutschsprachigen Raum darstellt.

    http://dostojewski.npage.de/

    Und abschließend, wollte ich Sie noch fragen, ob es In Ordnung ist, wenn ich Sie auf dieser Seite zitieren wollte. Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Klaus Trost

  2. Ich-Verschmelzung mit der Welt

    Zunächst möchte ich mich dem Vorkommentator anschließen und mich beim Blogautor für den außergewöhnlich interessanten Artikel bedanken, wobei ‘außergewöhnlich’ in soweit nicht zutreffend ist, als dies ja nicht sein erster brillanter Blogpost ist.

    “Harmonie mit mir selbst und der ganzen Welt”, ein “glückseliges Gefühl”, für das Dostojevski zehn Jahre und mehr seines Lebens geben würde und das dem Epilepsiepatienten Sex nebensächlich erscheinen lässt, hört sich für mich nach einer Art von Ich-Verschmelzung mit der Welt an, ein superlatives Gefühl, das ‘normale’ Menschen wohl nur im Mutterleib, womöglich noch an der Mutterbrust erlebt haben und daher nur vorbewusst ‘kennen’ oder wie auch immer man dieses Mysterium formulieren soll, um es halbwegs bewusst oder begreiflich zu machen.

  3. Hirnläsionen & Spiritiualität

    Lieber Christian,

    danke für den spannenden Bericht. Ich habe letztes Jahr für die ZEIT mal eine Studie italienischer Kollegen zusammen gefasst, die nach operativen Eingriffen in bestimmten Hirnregionen eine generell erhöhte Spiritualität attestierten. Vielleicht ist sie ja gerade in o.g. Zusammenhängen interessant für Dich? Hier als pdf:
    http://www.rifters.com/real/articles/Urgesi_et_al_Neuron-SelectiveCorticalLesionsModulateHumanSelf-Transcendence.pdf

    Herzliche Grüße

    Michael

  4. Nachtrag – Definition Spiritualität

    Und bevor jemand fragt und wieder Begriffsverwirrungen auftreten: Die Kollegen definierten Spiritualität über (positive) Transzendenz- und also Entgrenzungserfahrungen, was ich auch aus der Perspektive meines Faches so gelten lassen würde.

  5. @Geoman

    Mit dem Erinnern nachgeburtlicher Erlebnisse liegen Sie völlig richtig.
    Aber der Gedanke der Ich-Verschmelzung muß anders formuliert werden: denn zu diesem Zeitpunkt hat noch keine Entgrenzung stattgefunden, da diese erst mit der Entwicklung einer eigenen Identität erfolgt. (z.B. nach ca. 1,5 Jahren erkennt ein Kleinkind sich als eigenständiges Wesen vor dem Spiegel)

  6. Entgrenzung-IchBewusstsein-SpiritualItät

    @KRichard

    Ihr Einwand, dass es in so frühen Stadien des Menschseins kein Ich-Bewusstsein gibt und daher keine Ich-Verschmelzung mit der Welt geben kann, erscheint mir logisch und notwendig. Trotzdem möchte ich Herrn Blume vorhalten, dass das, was er, wie auch immer definiert, als Spiritualität umdeuten will, wohl besser mit dem Begriff ‘primärer Narzismus’ umschrieben ist, also dieses ozeanische Gefühl…

  7. @Geoman

    Die Art und Weise wie wir persönliche Erfahrungen erinnern ist zustandsabhängig: D.h. sie ist sowohl vom emotionalen, physischen und mentalen Zustand abhängig, mit dem wir etwas erlebt und im Gedächtnis abgespeichert haben – aber zusätzlich auch noch von dem Zustand, in dem wir uns befinden, wenn wir ein solches Erlebnis wieder erinnern. Dadurch werden eigene Erfahrungen beim Erinnern umgedeutet und ´verfälscht´. (Aber nur auf diese Weise können wir ´alte´ Erfahrungen nutzen, wenn sich unser Zustand ändert.)
    Um bei Dostojewski zu bleiben: ein neugeborenes Baby fühlt sich noch nicht entgrenzt von der Umwelt, da es den eigenen Zustand noch gar nicht kennt; es kann zwar Licht erkennen, ist aber anfangs fast blind; es kann hören, versteht aber keine Worte; es kann fühlen, riechen und schmecken.
    D.h. alle Sinnesreize werden als eine zusammengehörige Einheit erlebt und so abgespeichert. Wenn ein erwachsener Mensch sich aber an solche Erfahrungen erinnert, hat er zum Zeitpunkt des Erinnerns bereits eine Ich-Identität, als Grundlage seines Denkens; außerdem kann er Sinnesreize trennen.

    Werden dann frühkindliche Erlebnisse erinnert – und dabei neu gedeutet, dann entsteht das Gefühl sich in einer kosmischen Einheit mit dem ganzen Universum verbunden zu fühlen.

  8. Spiritualität

    Beim Erleben eines Sinneseindruckes werden bestimmte Gehirnareale aktiviert. Beim Erinnern eines bestimmten Erlebnisses werden dann wieder die gleichen Gehirnarale aktiv. So arbeitet unser Gehirn.
    D.h. z.B. spirituelle Erfahrungen könnten u.a. auch auf das Wiedererleben im Gedächtnis abgespeicherten Wissens zurückzuführen sein.

    Ob dies eine normale oder krankhafte Reaktion ist, muss offen bleiben, da man mit solchen Begriffen vorsichtig sein sollte – wenn die Ursachen nicht geklärt sind.

  9. Ich-Identität / (Wieder-)Verschmelzung

    @ KRichard schrieb:

    “…ein neugeborenes Baby fühlt sich noch nicht entgrenzt von der Umwelt, da es den eigenen Zustand noch gar nicht kennt (…) D.h. alle Sinnesreize werden als eine zusammengehörige Einheit erlebt und so abgespeichert. Wenn ein erwachsener Mensch sich aber an solche Erfahrungen erinnert, hat er zum Zeitpunkt des Erinnerns bereits eine Ich-Identität, als Grundlage seines Denkens;”

    Um so heftiger oder intensiver muss man sich wohl das ekstatische Gefühl vorstellen, weil trotz existierender Ich-Identität (mit all ihren postiven und bitteren Erfahrungen…) eine (Wieder-)Verschmelzung mit dem Universum erlebt wird.

  10. @KRichard & Geoman

    Bitte beachten Sie, dass mein Patient keine veränderte Wahrnehmung hat, sondern seine normale Wahrnehmung “lediglich” von einem Gefühl absoluter und reiner Lust überlagert wird (sodass Details des um ihn herum Geschehenen uninteressant werden). Es liegt also keine Vision oder dergleichen vor.

    Neuropsychologisch würde man das Geschehen einfacher als dissoziierte Aktivierung genau derjenigen Areale oder modularen Hirnfunktionen deuten, die eben auch bei sonstigem Glückserleben aktiviert werden – wobei die exakt richtige Reizkonstellation für eine derart heftige Aktivierung der “Glückszentren” bei uns Normalsterblichen nur extrem selten erfahren wird. Ich sehe nicht, inwiefern man hier auf frühkindliche Erinnerungen rekurrieren müsste…

    Noch ein Hinweis: Dass Babies nach der Geburt praktisch blind sind, gehört ins Reich der psychologischen Legenden. Seit mindestens 20 Jahren staunt die Entwicklungspsychologie des Säuglingsalters über die frühen visuellen Fähigkeiten von Neugeborenen! Das war eine der größten Revolutionen der modernen Psychologie!

  11. Luzide Wahrnehmung

    @ C. Hoppe

    Mir scheint extrem unwahrscheinlich, dass die Wahrnehmung Ihres Patienten bei solch extremen Glücks- / Verschmelzungsgefühlen unverändert/normal ist und nicht ins visionäre oder luzide abdriftet.

    Ihre Auffassung, dass diese extremen Gefühle allein darauf zurückzuführen sind, dass eine exakt richtige Reizkonstellation die üblichen “Glückszentren” überaktiviert, scheint mir ebenfalls zu kurz gegriffen. Wahrscheinlicher ist, dass nicht nur ‘Hirnareale mit Glücksmodulen…’ überaktiviert werden, sondern auch Areale,in denen intensive frühkindliche Gefühle gespeichert sind (die ‘Normalsterblichen’ nur selten oder gar nicht zu gänglich sind, mit im Spiel sind.

    Ihren Hinweis auf die außerordentlichen oder unterschätzten (visuellen) Fähigkeiten Neugeborener stimme ich dagegen uneingeschränkt zu.

  12. Brunnenmetapher

    Meine Auffassung der Aktivierung des extremen Gefühlsgeschehens, möchte ich ergänzend an folgendem Bild verdeutlichen:

    Wenn man einen Stein in einen Brunnen wirft, hängt die Intensität der ausgelösten konzentrischen Wellenbewegungen nicht nur von der Größe des Steines (Ausmaß der Reizkonstellation) sondern, auch der Tiefe des Brunnens (Erinnern frühkindlicher oder verdrängter Gefühle).

    Ob diese Metapher klinisch ausweisbar oder verifizierbar ist, sei dahin gestellt.

  13. @Geoman

    Ich finde Ihre Theorie der frühkindlichen Erinnerung ja nicht unbedingt falsch, möchte aber erneut darauf hinweisen, dass sich aus dem Bericht des Patienten keine Hinweise darauf ergeben: 1. erlebt er diesen Zustand in keiner Weise als eine Erinnerung, und 2. verliert er sich keinesfalls in einer Erinnerungstrance, sondern weiß und nimmt fortlaufend wahr, wo er sich gerade befindet. Dies spricht m.E. für eine modulares oder dissoziiertes oder isoliertes Auftreten der Glücksgefühls an und für sich. Da durch Drogen ähnlich euphorische Zustände ausgelöst werden können – nur zum Drogenrausch erkennt der Patient auch eine Ähnlichkeit an – spricht m.E. nichts gegen die Idee einer Aktivierung der zugehörigen Hirnfunktionen. Auch beim Drogenrausch fände ich es etwas überinterpretiert von einer frühkindlichen Erinnerung zu sprechen.

  14. Sedimentierter Bodensatz an Gefühlen

    Am Ende meines Kommentars bin ich ja schon etwas von der Linie Aktivierung “frühkindliche Gefühle” abgewichen, in dem ich “verdrängte Gefühle” ergänzt habe. Ich wehre mich im Prinzip gegen eine allzu mechanistische Sichtweise des ekstatischen Gefühlsgeschehens und glaube, dass eine stark individuelle Komponente hinzukommt. Damit meine ich den höchst spezfischen Bodensatz an ‘Gefühlen’, der (irgendwo) im Gehirn aus unverarbeiteten emotionalen Erlebnissen etc. abgelagert oder sedimetiert ist.

    Ferner glaube ich, dass es Trancezustände gibt, in denen man durchaus bewusstseinsklar ist, also z. B. weiß, wo man sich befindet.

  15. Dostojewski

    Das von Dostojewski beschriebene Harmoniegefühl mit der ganzen Welt regte mich an, eventuell frühkindliche Erinnerungen als Grundlage für das Glückserlebnis zu vermuten.

    Wenn der Patient gleichzeitig seine Umgebung wahrnehmen kann, so ist dies kein Widerspruch, sondern ein Normalzustand. Wir können die Umwelt beobachten und uns gleichzeitig erinnern – ohne deswegen in Trance zu fallen.
    Wenn immer wieder ähnliche Glückszustände erlebt werden, dann dürften sie Teil der gespeicherten Erinnerungen werden – und beim Erinnern wieder aktiviert werden. (denn das Gedächtnis funktioniert offenbar, weil auch die Umgebung erinnert wird).

  16. Auren

    Im Zusammenhang mit Epilepsie ist mir der Begriff “Aura” hier das erste Mal begegnet. Ich kannte den bisher nur – visuell – von der Migräne. Ich selbst habe keine Migräne, habe aber des öfteren über die Migräne-Auren gelesen, weil ich ähnliche Wahrnehmungen auch schon mal (ganz selten) hatte. Ohne Kopfschmerzen.

    Besteht da ein bekannter Zusammenhang zwischen Epilepsie und Migräne?

  17. Migräne & Epilepsie

    Mir ist kein überzufälliger positiver Zusammenhang bekannt. Ich habe ganz subjektiv sogar das Gefühl, dass die Epilepsiepatienten eher selten von Kopfschmerzen berichten, aber da kann ich mich täuschen. Die zugrunde liegenden Pathomechanismen sind auch sehr verschieden, wobei natürlich z.B. bei einer visuellen Aura ähnliche Hirnareale beteiligt sein werden.

  18. Hallo, ich muss sagen, dass dies allea sehr interessant ist. Ich hatte eine Hienblutung u dazu einen Schlaganfall u nun aufgrund einer grosaen Hirnnarbe silch ekstatischen Auras. Nicht sehr oft aber wenn dann sehr intensiv. Ich beschrieb diese immer als Kopforgasmus. Und ich kann diese gefühle, die beschrieben wurden unterstützen. Glück, zufriedenheit… Im reinen sein.