Ein Stein rollt …

BLOG: WIRKLICHKEIT

Hirnforschung & Theologie
WIRKLICHKEIT

Mich beschäftigt derzeit folgende Frage:

Man stelle sich vor, wie ein Stein einen Berg hinunter rollt. Der Stein sieht nichts, weiß nichts von seinem Ort, noch weniger von seinem früheren Ort, bevor er ins Rollen geriet, und er hat deswegen auch keine Empfindung einer Bewegung (oder überhaupt nur einer Veränderung); er wüsste auch nicht, wenn er sich nicht bewegt hätte.

Ich aber beobachte das Rollen des Steins – obwohl ich, streng materialistisch gedacht, prinzipiell nicht etwas völlig anderes als ein Stein bin: eine Wolke aus Atomen. Ich beobachte überhaupt ständig Veränderungen und Bewegungen – und diese Wahrnehmungen setzen voraus, dass ich, während ich den aktuellen Zustand und Ort eines Objektes sehe, mir seiner früheren Zustände und Orte bewusst bleibe. Ich könnte also sagen, dass mein Bewusstsein Gedächtnisfunktionen umfasst, dass daher frühere Eindrücke nachklingen, sodass ich einen Vergleich ziehen und zum Beispiel Veränderungen oder Bewegungen feststellen kann.

Was aber ist nun die physische Wirklichkeit? Ist sie nicht die je jetzige Konstellation aller Elementarteilchen und der Wechselwirkung ihrer Kräfte genau jetzt? Die Welt von gestern existiert in einem strengen Sinne nicht mehr, die Welt von morgen noch nicht. Dieses Jetzt aber ist der unendlich kurze Moment eines Umschlagens von Zukunft in Vergangenheit, vom Noch-nicht in das Nicht-mehr. In einer gewissen Weise existiert die Welt, die die Physik beschreibt also gar nicht bzw. niemals; sie ist immer schon vergangen bzw. noch gar nicht existent.

Wie ist nun in einer Welt, die ich mir als je jetzige Konstellation von Teilchen oder Energien vorstelle, Zeiterleben, Veränderungs- und Bewegungswahrnehmung, Physik möglich? Nehmen wir an, das Jetzt dieser materiellen Realität sei ein "bloßes Jetzt" – dann wäre die Vergangenheit einfach weg, sobald sie vergangen ist. Es scheint jedoch, dass der je jetzige Zustand frühere Zustände *als vergangene Zustände* gegenwärtig erhalten kann, dass er sie bewahrt. Mindestens im Gehirn – zugegeben einem kleinen Fleckchen Materie in den Weiten des Kosmos – müsste eine derzeitige Bewahrung früherer Hirn- bzw. Weltzustände *als vergangenen Zuständen* im je gegenwärtigen Gehirn angenommen werden.

Ich kann mir zwar überhaupt nicht vorstellen, wie das gehen soll und wie Zeit in eine reine materielle Jetzigkeit kommen kann – und wäre für Ideen sehr dankbar -, aber nehmen wir einmal an, es ginge: Wäre die Materie dann noch "bloße Materie"? Käme ihr nicht vielmehr eine geistige Funktion zu: nämlich sich etwas zu merken, die Vergangenheit als Vergangenheit in der Gegenwart zu bewahren?

In diesem Fall wäre das Jetzt der Physik ein "bewahrendes Jetzt" (nunc stans) – genau wie das Jetzt des bewussten Erlebens. Mit Blick auf die Gegenwart könnte man Materie "geistiger" und den Geist "materieller" (verkörpert, neuronal realisiert) verstehen.

In Richtung eines kruden Materialismus: Macht es Sinn, sich Vorstellungen von einer Welt und ihrer kosmischen und evolutionären Geschichte zu machen, in der Vorstellungen (und Physik) gar nicht vorkommen könnten?

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Veröffentlicht von

Geboren 1967 in Emsdetten/Westfalen. Diplom kath. Theologie 1993, Psychologie 1997, beides an der Universität in Bonn. Nach einem Jahr am Leipziger Max-Planck-Institut für neuropsychologische Forschung (1997-98) bin ich seit Oktober 1998 klinischer Neuropsychologe an der Universitätsklinik für Epileptologie in Bonn. Ich wurde an der Universität Bielefeld promoviert (2004) und habe mich 2015 an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn habilitiert (Venia legendi für das Fach Neuropsychologie). Klinisch bin ich seit vielen Jahren für den kinderneuropsychologischen Bereich unserer Klinik zuständig; mit erwachsenen Patientinnen und Patienten, die von einer schwerbehandelbaren Epilepsie oder von psychogenen nichtepileptischen Anfällen betroffen sind, führe ich häufig Gespräche zur Krankheitsbewältigung. Meine Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen in den Bereichen klinische Neuropsychologie (z.B. postoperativer kognitiver Outcome nach Epilepsiechirurgie im Kindesalter) und Verhaltensmedizin (z.B. Depression bei Epilepsie, Anfallsdokumentation). Ich habe mich immer wieder intensiv mit den philosophischen und theologischen Implikationen der modernen Hirnforschung beschäftigt (vgl. mein früheres Blog WIRKLICHKEIT Theologie & Hirnforschung), eine Thematik, die auch heute noch stark in meine Lehrveranstaltungen sowie meine öffentliche Vortragstätigkeit einfließt.

79 Kommentare

  1. Nun ja, es gibt immerhin “shape memory alloys”, also metallische Legierungen, die sich – wenn man sie verformt – ihrer ehemaligen Form “erinnern” und temperaturabhängig wieder in sie zurückkehren können. Und manche würden wohl auch die Atavismen als solch eine “Erinnerung der Gene” bezeichnen.

    Ich werd’ später versuchen, noch was zur metaphysischen Seite des Problems zu schreiben.

  2. Lieber Christian Hoppe,

    schnell, bevor Helmut metaphysisch wird:

    von einem Stein unterscheiden Sie sich unter Anderem durch die Fragen, mit denen Sie die Zukunft mitgestaltend (in Form von Antworten) hervorrufen.
    Ihre Frage: „Wie ist nun in einer Welt, die ich mir als je jetzige Konstellation von Teilchen oder Energien vorstelle, Zeiterleben, Veränderungs- und Bewegungswahrnehmung, Physik möglich?“

    Meine Antwort: „Diese Möglichkeit besteht, weil sehr viele Vorgänge in der Welt und in unserem Körper, auch im Gehirn, rhythmisch vor sich gehen. Rhythmen bilden die Grundlage zum Zählen und Messen von Zeit, aber nur für einen geeigneten „Beobachter mit Gedächtnis“

    Ich stimme Ihnen zu, wenn Sie an unserem bewußten Gedächtnis die besondere Fähigkeit hervorheben, daß zeitliche Sequenzen darin gepeichert werden können und das Bewußtsein durch das Gedächtnis in einer chronologischen Ordnung vorliegt. Kein Wort reden, kein Lied singen könnten wir ohne dieses „episodische“ Gedächtnis. Was ein Pianist oder Dirigent aus dem Kopf auf die Reihe bringen kann ist schon beachtlich.

    Sie schrieben: „Dieses Jetzt aber ist der unendlich kurze Moment eines Umschlagens von Zukunft in Vergangenheit, vom Noch-nicht in das Nicht-mehr“

    Meine Meinung: Dieser Moment ist nur in mathematischer Abstraktion unendlich kurz. Es gibt viele Untersuchungen zur „Gegenwartsdauer“, die beim Menschen nicht unendlich kurz sondern circa 0,05-0,1 Sekunde lang ist.

    Diese Zeitdauer korrespondiert mit der Zeit, die eine Alpha bzw. Betawellenphase benötigt, sodaß ein Zusammenhang unserer Zeitempfindung mit dem corticalen Arbeitsrhythmus denkbar ist.

    Bekanntlich ist unser Zeitempfinden nicht konstant, sondern kann je nach Situation
    langsam oder schnell sein. Diese Veränderlichkeit korrespondiert mit der Variabilität des corticalen Arbeitstaktes, der „Unruhe“ der inneren Uhr, die wir im EEG beobachten.

    Sie wollen wissen: „wie Zeit in eine reine materielle Jetzigkeit kommen kann – und wäre für Ideen sehr dankbar“

    Na dann:
    Z.B. die Jahresringe eines Baumes sind für mich „geronnene“ Zeit in materieller Form, aber auch ein bespieltes Videoband oder Tonband, die gute alte Schallplatte ebenso wie die CD oder DVD, und sogar die Speicherkarten können als rein physikalische Speicher zeitliche Vorgänge fixieren und wiedergeben.

    So weit für heute

    S.R.

  3. @karl

    weil v=at und s=t^2a/2 nur beschreibungen der realität sind, der rollende stein hingegen IST realität – was auch immer realität sein mag…

    eine spannende frage ist auch: wie kann eine rein materielle realität so etwas wie bewusstsein (oder gar freien willen) erzeugen?

  4. @ steffino

    “Der geworfene Stein, hätte er ein Bewusstsein, würde sagen, dass er habe fliegen wollen.” (Spinoza, nach Schopenhauer)

    Ja, wer sagt denn, dass er KEINES habe? Bewusstsein misst man anderen aufgrund von Kriterien zu. Ob der/die/das andere wirklich eines HAT, ist eine andere Frage (Turing Maschine, Searls Chinese Room etc…).

  5. Gegenwartsdauer und bewusste Steine

    Eine kurze Anmerkung zur menschlichen Gegenwartsdauer: Was genau ist damit gemeint? In psychologischen Experimenten, etwa zum Hören oder Sehen, kann ich sehr gut zwischen Reizen unterscheiden, die 5, 10, 20, 40 Millisekunden dauern. Wären das dann Reize, die ich in einem einzigen Moment der Gegenwart wahrnehme, da sie unterhalb der zitierten Werte zur Gegenwartsdauer liegen? Auf deren Beginn ich also an ihrem Ende noch nicht (in die Vergangenheit) zurückblicken kann, weil sich ihr Anfang und Ende gleichzeitig in der Gegenwart befinden?

    Besitzen wir überhaupt ein überzeugendes Konzept von Zeit, Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, um so etwas wie Gegenwartsdauer zu definieren, erst recht wissenschaftlich zu messen. Was genau meinen wir denn mit Zeit, in der Physik, wie im Alltag?
    Dem sei auch hinzu gefügt, dass die Konzepte von Materie und Energie, wie wir sie alltäglich verwenden, vielleicht noch zu Newtons Zeiten galten, aber in der modernen Physik längst ad acta gelegt sind. Anders als im Alltagsverständnis existieren gar keine handfesten Elementarteilchen oder Atome, sondern im besten Falle nur Felder, Wellenfunktionen,…

    Zu den bewussten Steinen habe ich – inzwischen vor einigen Jahren, aber das passt hier so gut – in einem “Das Bewusstsein der Steine” betitelten Studien-Essay geschrieben:

    “Soviel wir jetzt wissen, ist Bewusstsein eine Eigenschaft die wir einem Objekt zubilligen können, weil es gute Gründe dafür gibt, oder nicht. Es gibt keine naturwissenschaftlich korrekte Antwort auf die Frage ”Ist sich ein Mensch/eine Maus/ein Bakterium/ein Stein dessen bewusst, was er/sie/es tut?”. Naturwissenschaft kann, mit ihrem Anspruch eines objektiven Blicks, nicht entscheiden, ob wir unseren Beobachtungen die Bedeutung zumessen, dass dahinter ein Bewusstsein wirkt. […] Anders als in der Philosophie existiert in den Naturwissenschaft Semantik nicht. Das Bewusstsein mag mehr sein als Syntaktik, den Naturwissenschaftlern aber ist allein dieser Teil zugänglich.”

  6. @ Rehm

    Nee,
    ich werd’ nicht gleich metaphysisch.

    Alles soweit wahr, wenn ich auch das subjektive “Jetzt” des Bewusstseins mit ca. 3-4 Sekunden in Erinerung habe (Pöppel).

    Wir müssen nur verschiedene Arten von Zeit unterscheiden: sog. A-, B-, und C-Reihen (MacTaggert). Die A-Reihe ist “Zeit mit einem Jetzt”, die B-Reihe “Zeit mit Richtung ohne ausgezeichnetes Jetzt”, die C-Reihe eine Ordnung von Dingen nach graduierter Ähnlichkeit ohne (Zeit-)richtungsangabe.

    A scheint mir ein bewusstes Wesen vorauszusetzen, B und C sind maschinell konstruierbar. Zu B oder C: man gebe einen Bildverarbeitungsprogramm eine Reihe von Momentaufnahmen des Kosmos und lade einen Algorithmus, der die Bilder nach Ähnlichkeit reiht. Es wird eine Reihe entstehen…

    Die Physiker sind, nach allem was ich weiss, an A-Zeiten nicht interessiert. Ihre Zeitrelationen sind: “früher als”/”später als”/”zugleich”, das “Jetzt” hat nicht den Sonderstatus, den es in der Perspektive der ersten Person sehr wohl hat.

    Sowie das “Jetzt” dazukommt, das wir unzweifelhaft erleben, wird’s in der Tat problematisch. Ich kann auf eine beliebige Ordungsreihe der Physiker gucken, sogar das “später als” und das “früher als” konzidieren, aber eine Bestimmung des “Jetzt” folgt aus diesen Reihen nicht. Vielmehr brauche ich eine Bestimmung, die mir sagt, dass dieser oder jener Zustand “nicht mehr” oder aber “noch nicht” ist. Ich brauche, mit anderen Worten, Erinnerungsvermögen und Antizipation UND das Vermögen der Negation (“NICHT mehr/noch NICHT”).

    Ich sehe keine Möglichkeit, die A-Zeit aus den B/C-Zeiten herauszuwickeln. Ja, natürlich: wir kennen die rhythmische Taktung unseres Cortex, unserer circadianen Uhr im Hypothalamus (da forsch’ ich selber dran). Aber zu sagen, dass man nun das “Jetzt” oder gar das Wesen der Zeit verstanden habe, weil man diese Mechanismen kennt, wäre, als ob man sagte, man habe die Zeit und das “Jetzt” verstanden, weil man auf ein Uhrwerk geschaut habe und dessen Mechanismus verstanden…

    Es besteht übrigens durchaus die Möglichkeit, dass Uhren die Zeit nicht “messen”, sondern “machen”. B- und C- Zeiten, notabene. Manche Thermodynamiker sagen, der Kosmos sei eine Uhr…

    Die zitierten “Spuren” der Vergangenheit im Jetzt sin nicht sehr hilfreich, weil sie ihrerseits eine Definition dessen, was “Jetzt” ist, voraussetzen. Deja und jamais vue sind da nur die bekanntesten Komplikationen.

    Der Jahresring des Baumes ist nichts “damaliges”. Er ist ganz und gar jetzt. Er ist vor allem nicht – jetzt im Sinne der Physiker gesprochen – die konservierte Ursache für die Wirkung, die ihn bildete, also keine “damalige” Wirklichkeit.

    Bah, ich mach mal Schluss.

    Man müsste über Newton reden, “tempus verum et absolutum” und so … und über den ontologischen Status der Zeit, der mir nachrangig zu sein scheint.

  7. Mir entzieht sich das Problem. Die Gegenwart ist das Ergebnis eines Entwicklungsprozesses und über physikalische Gesetze mit der Vergangenheit verbunden und deshalb ist auch die Vergangenheit existent und das auch ohne Gehirne. Es wird wegen der stetige Zunahme der Entropie wahrscheinlich an jedem zeitlichen Punkt der Vergangenheit nur einen möglichen Zustand der Welt geben, der exakt zu dieser Gegenwart führen kann, von diesem Gegenwartspunkt aus ist jedoch die genaue Entwicklung der Zukunft offen.

  8. @Alle

    Sie sind ja alle keine Materialisten, jedenfalls keine strengen!

  9. @ Hoppe

    “Sie sind ja alle keine Materialisten, jedenfalls keine strengen!”

    (gespielte Entrüstung):
    Was ham’ Sie von mir erwartet?

  10. Jetzt

    Jetzt

    Der russische Physiologe v. Baer verwies als Erster auf jene Gegebenheit, die später von Jakob v. Uexküll im „physiologischen Augenblick“ beim Menschen mit einer Dauer von etwa 0,18 sec. konzipiert wurde. Dieser „physiologische Augenblick“ ist das biologische Zeitquantum, das die Gegenwart, das „hic et nunc“ ausmacht.
    Zum Beispiel beim Betrachten eines Bildes oder beim Lesen eines Textes gehen die Augen in spunghaften Bewegungen (Sakkaden) voran mit ca. 3-5 Schritten pro Sekunde.

    Ernst Pöppel hat zusätzlich noch eine Zeitdauer untersucht und beschrieben,
    die ungefähr drei Sekunden lang ist und jener Dauer entspricht, deren Ereignisse wir zusammenhängend auffassen können.

    Zum Beispiel bei dem Verstehen von gesprochener Sprache muß am Satzende noch die Verbindung zu den ersten Wörtern bestehen, um den Satz als Ganzes zu überschauen. Deshalb sind Unterteilungen der Sprache oft in dieser 3-Sekunden-Länge, besonders auffällig in Gedichten.

    Pöppel konnte nachweisen, daß die Fähigkeit zum Wiederholen von Rhythmen
    nur bis zu Intervallen von ca. 3 Sek. exakt ist, darüber wird das Nachklopfen zunehmend ungenau.
    Diese biologische Grenze bezeichnet also ungefähr diejenige Menge an „physiologischen Augenblicken“, die mit Hilfe des Kurzzeitgedächtnisses
    als Ganzheit zusammengefasst werden können, ungefähr 3×5=15 einzelne Momente.

    Deshalb kann ich z.B. eine siebenstellige Telefonnummer lesen und sofort danach aus dem Kopf in eine Tastatur eingeben, ohne noch einmal nachzusehen.
    Mit zwanzig Zahlen wäre mir das unmöglich.

    Es sind diese Grenzen, aus denen sich leicht weitere Erkenntnisse ergeben können.

    S.R.

  11. Denkfehler im Ansatz

    Lieber Herr Hoppe,

    Sie schreiben gleich zu Beginn:
    …Der Stein sieht nichts, weiß nichts von seinem Ort, noch weniger von seinem früheren Ort, bevor er ins Rollen geriet, und er hat deswegen auch keine Empfindung einer Bewegung;…

    Ich denke, dass in diesem Ansatz schon physikalisch betrachtet ein Fehler steckt. Der Stein hat vielleicht kein Bewusstsein im gängigen Sinne, aber die Materie des Steins hat eine Art “Erinnerung” an das Vorher. Er rollt den Berg hinunter, weil ihm jemand oder etwas einen Schubs gegeben hat. An den Schubs “erinnert” sich der Stein und nun bestimmen physikalische Gesetze die Zeitentwicklung. Physikalische Gleichungen sind nichts anderes als Zeitentwicklungsgleichungen. In der Physik ist das “Jetzt” ein Zeitpunkt, zu dem ich die Gleichungen auswerte. Das präparierte System (in Ihrem Beispiel der Stein, der einen Stoß bekommt) stecke ich in Form von Anfangsbedingungen (das ist der Terminus der Physik) in die Gleichungen hinein. Als Physiker kann ich zu beliebigen Zeiten den Zustand des Steins mit der Gleichung ausrechnen und etwas über seine Vergangenheit erfahren oder Prognosen für seine Zukunft erstellen

    Viele physikalische Gleichungen sind “zeitsymmetrisch”, d.h. sie unterscheiden nicht, ob die Zeit vorwärts oder rückwärts abläuft. Das gilt zum Beispiel für Einsteins Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie oder für die Maxwell-Gleichungen in der Elektrodynamik. Physiker nennen diese Eigenschaft zeittranslationsinvariant. ABER: Der Ablauf der Zeit ist offenbar nicht beliebig, wie unsere Erfahrung lehrt. Die Thermodynamik gibt den so genannten “thermodynamischen Zeitpfeil” vor, weil eine physikalische Größe namens Entropie nur konstant bleiben oder zunehmen kann. Wäre das nicht so, würden Scherben spontan vom Boden auf den Tisch springen und sich zu einer Tasse zusammenfügen. Oder ein zweikomponentiges Gas würde sich spontan entmischen, wobei sich eine Komponente in der einen Ecke und die andere Komponente in der anderen Ecke des Behälters ansammelt. Solche Absurditäten heißen Perpetuum mobile 2. Art. All das passiert nicht in der Welt, die wir beobachten. Ich bin in meiner Argumentation da ganz bei dem Kommentar von adenosine.

    In der mikroskopischen Welt deutet sich an, dass die Zeit quantisiert ist in endliche “Zeithäppchen” wie das Ticken einer Uhr. Vielleicht gibt es auf einem bestimmten Level die Zeit gar nicht, und sie ist nur in unserer mesoskopischen Welt erfahrbar. Vielleicht finden Sie weitere Denkanstöße in meinem Web-Essay: Was ist Zeit?

    Beste Grüße,
    Andreas Müller
    (Astrophysiker und KOSMOlogger)

  12. @ Rehm

    Vielleicht ist mein eigentliches Problem noch nicht deutlich geworden. Ich bestreite natürlich nicht, dass unser Gegenwartsbewusstsein eine durée, eine “Dauer” aufweist – wobei ich die zeitliche Messung dieser “Dauer” ein wenig naiv finde, da diese Gegenwart dem Erlebenkönnen von Zeit notwendig voraus liegt, aber sei’s drum.

    Nein, das Problem entsteht, wenn Sie konsequent materialistisch bzw. naturalistisch argumentieren wollten, z.B. in dem Sinne, dass auch mentale Phänomene (Wahrnehmungen usw.) ausnahmslos neurophysiologisch in Hirnprozessen realisiert sind und Eigenschaften oder Funktionen von Hirnzuständen darstellen.

    Streng genommen, stößt man hier auf die reine Jetzigkeit der je tatsächlich existenten materiellen Wirklichkeit. Wie kann es aber zu Zeiterleben, zeitgebundenen Vorstellungen, Zeiterleben im Bewusstsein kommen, wenn es nichts anderes als das Jetzt kruder Materie gibt?

    Betrachten Sie es einmal von außen: Wie kann ein beliebiges rein materielles System vergangene Zustände als vergangene Zustände markieren und so gegenwärtig halten? Ein rollender Stein kann es vermutlicht nicht. Bei einem Computer übernehmen bewusstseinsfähige menschliche Konstrukteure, Programmierer und User diese Entscheidung; ein Computer hat für sich genommen keine Vergangenheit, er erlebt nichts, schon gar nicht Zeit; nur wir können bestimmte Vorgänge in einem Rechner als “Speichern” klassifizieren.

    Kann also das reale, je jetzige Gehirn, das ebenfalls ein rein materielles System ist, seine vergangenen Zustände aus sich selbst heraus als vergangen markieren und in einer Weise gegenwärtig halten, die Zeiterleben und Veränderungsbewusstsein erlaubt – und wenn ja, wie?

  13. @ Müller

    Vielen Dank, Herr Müller, für Ihre Antwort und den Hinweis auf den äußerst ergiebigen und empfehlenswerten, wenngleich sehr schwierigen Text “Was ist Zeit”?

    Wenn ich Sie recht verstehe, versuchen Sie zu beschreiben, wie Vergangenes in der Materie gegenwärtig bleiben – “erinnert” – werden kann; genau darauf zielte meine Frage. Wobei ich mich weniger für Zeit an sich interessiere, sondern für die Möglichkeit von Veränderung (bzw. Bewegung) überhaupt, die meines Erachtens einen wie auch immer gearteten Mechanismus der Bewahrung des Vergangen im Gegenwärtigen verlangt, also “Erinnerung”.

    Sie schreiben: “Der Stein hat vielleicht kein Bewusstsein im gängigen Sinne, aber die Materie des Steins hat eine Art “Erinnerung” an das Vorher.”

    Hat der Stein diese Erinnerung, oder Sie? Ist die Kategorie des Vorher, physisch real oder eine Kategorie der Beschreibung von Wirklichkeit, die Sie einführen und verwenden?

    Sie kommen dann auf Gleichungen zu sprechen, die den Zeitparameter enthalten und daher für beliebige Zeitpunkte gelöst werden können; hier sind wir aber definitiv auf der Ebene von Beschreibungen, die ein bereits zeitfähiger Beobachter nach seinen (mathematischen) Möglichkeiten vornimmt. Diese Beschreibungen ignorieren die Hervorgehobenheit des Jetzt für den Beobachter – was sie praktikabler macht, auch wenn sie so das Wesen des Zeiterlebens nicht ganz abbilden.

    Es wundert mich nicht, dass fern des direkten Erlebens, in Welten, die sich nur indirekt durch Messinstrumente usw. überhaupt erschließen, die übliche Beschreibungskategorie Zeit nicht greift; dass man eventuell sogar ganz auf sie verzichten kann. Aber Veränderungen gibt es doch, Bewegung! Und wieder stellt sich dieselbe Frage: Wie kann Materie – z.B. Hirnmaterie – von seinen früheren Zuständen *als früheren Zuständen* wissen?

    So bin ich mit Ihrer Antwort also doch nicht wirklich zufrieden. Die Physik ignoriert mir immer zu sehr das Gehirn und die Idee, dass all unsere Wahrnehmungen, Beobachtungen usw. auf Hirnphysiologie und sonst nichts beruhen! Dass das Bewusstsein Veränderungen erfassen und beschreiben kann, dass es sich erinnern kann – geschenkt! Aber kann das ein Gehirn, und wenn ja, wie?

  14. @Hoppe

    Sie fragen, ob ein Gehirn vergangene Zustände als vergangen markieren kann.

    Das ist doch gar nicht notwendig, um Vergangenheit zu empfinden. Vielmehr reicht es völlig aus, Erlebnisse im Gehirn als eine Abfolge zu kennzeichnen um ein Zeitempfinden zu erzeugen. => wir erinnern uns nicht an Vergangenes sondern an Zustände einer Abfolge.

    “… nach dem ganzen Krachen(H) und dem Durchgang durch diesen Tunnel(S) fand ich am Ende alle meine Kindheitsgedanken vor mir ausgebreitet, und mein ganzes Leben blitzte noch einmal vor meinem Auge auf …” (Zitat aus ´Leben nach dem Tod´ Dr. med. Raymond Moody, Rohwolt, 35.Auflage,Seite 81; Anmerkungen (H),(S) sind von mir eingefügt): In diesem Zitat aus einem sogenannten ´Nahtod-Erlebnis´ ist deutlich die ´zeitliche´ Abfolge menschlicher Erlebnisse erkennbar: Krachen = (H)örsinn arbeitet zuerst, dann: Durchgang durch Tunnel = (S)ehsinn entwickelt sich – dann kommen Kindheitserlebnisse und der Rest des bisherigen Lebens.
    Es gibt noch viele solcher Berichte, und alle deuten sie auf eine Abfolge von gespeicherten Erinnerungen hin; etwa ab der 24. Schwangerschaftswoche.

  15. @Hoppe

    Sie fragen: Kann also das reale, je jetzige Gehirn, das ebenfalls ein rein materielles System ist, seine vergangenen Zustände aus sich selbst heraus als vergangen markieren und in einer Weise gegenwärtig halten, die Zeiterleben und Veränderungsbewusstsein erlaubt – und wenn ja, wie?

    Ich weiß nicht, was ein „rein materielles System“ sein soll, aber dass unser Verstandsapparat zum Zeiterleben in der Lage ist, ist subjektiv evident, und KRichard hat mit der Annahme von fixierten Reihenfolgen wohl schon den richtigen Riecher.
    In diesem Sinn denke ich auch, wenn ich das Gedächtnis in einer chronologischen Organisation begreife, daß die Reihenfolgen der „Augenblicke“ dabei erhalten bleiben müssen.

    Dieser Gedanke hat noch eine wichtige Konsequenz:
    Aus einem kontinuierlichen „Bewußtseinsstrom“ lassen sich keine Reihenfolgen abgrenzen und speichern, wohl aber aus einer diskreten Folge von „Zeitfenstern“ bzw. „Augenblicken“. Mit anderen Worten: Es erscheint sinnvoll, von einem diskret, taktweise arbeitenden Bewußtsein auszugehen, wenn man dessen chronologische Gedächtnisorganisation verstehen will.

    S.R.

  16. Spät melde ich mich zu Wort, dafür aber vielleicht (zu?) abstrus…

    Wenn ich die Diskussion verfolge, meine ich zwei Stränge zu sehen:

    a) Was ist überhaupt Zeit?
    b) Wie merkt sich das Gehirn zeitliche Abfolgen?

    Zu a) bin ich nicht einmal davon überzeugt, dass man sicher davon ausgehen kann, dass Zeit als solche überhaupt existiert. In dem selben Masse nicht, wie man meiner Meinung nach nicht sicher davon ausgehen kann, dass die wahrgenommene Realität überhaupt existiert. Ich bin gerne bereit eine immens hohe Wahrscheinlichkeit für die Existenz der Zeit und der Realität zu akzeptieren – aber einen Restzweifel kann und will ich nicht ausschliessen (auch wenn er wahrscheinlich keinen praktischen Nutzen hat).

    Aber stellen wir auf Descartes Spuren einmal alles in Frage: dann kann ich meiner Meinung nach nur für einen Moment feststellen, dass ich existiere, das aber auch nur für genau diesen einen Moment. Alles das, was ich über Vergangenheit weiss, könnte mir doch “in diesem Moment, instantan, gegeben sein” (ich will damit nicht den Kreationnisten zureden). All’ das, was ich von Zukunft erwarte ebenso. Wenn mein Gehirn, meine Wahrnehmung, nun quasi in diesem Moment so geschaffen wurde, mit dem Wissen um alles, was zuvor scheinbar war (aber nicht wirklich gewesen sein muss), dann kann ich wohl überhaupt nicht erkennen, ob es so etwas wie Zeit wirklich gibt.

    Wirklich gesichert lässt sich meiner unmassgeblichen Meinung nach damit doch eigentlich nur aussagen, dass genau dieser eine Moment, den ich als Gegenwart wahrnehme, wirklich existiert.

    Daraus wiederum könnte ich folgern, dass es so etwas wie Kausalität gar nicht zwingend geben muss, da dies doch einen Zeitablauf voraussetzt. Den Moment der Gegenwart würde ich dann folgerichtig als einen Moment definieren, in dem keine Prozesse ablaufen (oder zumindest nicht wahrgenommen werden können). Er ist somit dem mathematischen Punktbegriff tatsächlich sehr nahe.

    Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich weder Kausalität noch die allgemeine Auffassung vom Fortschreiten der Zeit, noch Realität schlechthin abstreite. Andererseits, denke ich, kann man das Vorhandensein von Zeit aber auch nicht immer als gegeben voraus setzen.

    Zu b) [Chronologische Speicherung] sage ich jetzt erst mal nichts mehr und warte erst einmal die Reaktionen ab 😉

    Viele Grüße,
    Rainer Gerhards

  17. ungeistige Materie

    Führt man die sogenannten ´Nahtod-Erlebnisse´ auf ihre reine Ablaufstruktur (Kernelemente) zurück, so ergibt sich die Schlussfolgerung; dass man dabei sein eigenes Gehirn live bei der Arbeit beobachten kann: Es durchsucht die Informationen seines episodisches Gedächtnisses in zeitlich auf- bzw. absteigender Reihenfolge; manchmal auch nur in Stichpunkten. Die gefundenen Informationen werden mit dem aktuellen Bewusstsein neu bewertet.

    Damit ist zumindest eine @Hoppe-Frage beantwortet: Materie ist ungeistig, da sie kein Gedächtnis hat. Für sie gibt es daher weder Vergangenheit, noch Gegenwart oder Zukunft.
    Für Menschen und Tiere mit Gedächtnis dagegen gibt es diese Zeiten als Empfindung, da sie aus den gespeicherten Informationen und ihrer Abfolge erinnert werden.
    Wie real diese Zeit-Empfindung aber ist, ist unklar; denn: vergleicht man die Informationen des episodischen Gedächtnisses mit einem ´Lebensbuch´ dann ergibt sich die gleiche Wirkung wie bei jedem anderen Buch auch => ungelesen hat es keine Wirkung. Seine Wirkung entsteht erst, wenn der Lesestoff durch das eigene Bewusstsein in eine virtuelle Realität umgewandelt wird.

  18. @KRichard: Als nächstes kommt dann sicher die Idee, dass es für tote Materie auch keinen Raum gibt, da ihr die Sinne fehlen, diesen wahrzunehmen. Womöglich gilt das dann auch für Menschen, da das Raumempfinden nur eine Informationsverarbeitung von Sinneseindrücken ist.

  19. @adenosine: gute Idee?

    Ich hatte beim Teetrinken gerade noch eine Idee – ob sie gut ist, mögen Sie und die Leser hier beurteilen.

    Nach der Urknall-theorie entstand unser Universum (Licht, Materie) aus Energie. Ein Licht, welches damals entstand, bewegt sich seitdem ununterbrochen vom Zentrum des Urknalls weg (dies wird zur Altersbestimmung unseres Universums benutzt).
    Geht man nun davon aus, dass genau der gleiche Effekt, welcher diese kontinierliche Bewegung des Lichts bewirkt auch in fester Materie wirksam ist (da Materie nur eine andere Energieform ist) dann müsste doch dieser Effekt das sein, was wir als Zeit betrachten?
    – oder hätte ich besser noch eine Tasse Tee trinken sollen?

  20. @KRichard: Es ist richtig, dass zur Beschreibung von Bewegungen, Reaktionen und Veränderungen der Zeitparameter unabdingbar ist. Eine Besonderheit ist jedoch noch, dass die Zeit eine Richtung hat, weil das Universum in einem extrem geordneten Zustand gestartet ist (niedrige Entropie), die sich seitdem kontinuierlich erhöht. Wenn sie in ferner Zukunft ihr Maximum erreicht hat, sind Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht mehr unterscheidbar, alle Zustände sind dann gleichwertig.

  21. @adenosine

    Die Frage von @Hoppe war nach der physischen Wirklichkeit und nach der Bedeutung der Zeit darin.

    Wenn ´Zeit´ so etwas wie eine Grund-/Naturkraft ist, dann gäbe es keine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – sondern nur eine kontinuierliche und gerichtete Wirkung dieser Kraft.
    Es könnte z.B. sein, dass diese Kraft ´Zeit´ auf Licht und Materie deshalb unterschiedlich wirkt, da sich deren Masse unterscheidet. Aber die Richtung dieser Kraft ist immer gleich.

    Im Gegensatz zu reiner Materie (Stein) haben wir Menschen allerdings ein Gedächtnis und ein Bewusstsein. Daher empfinden wir die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als real.

  22. Die Raumzeit

    Die vierdimensionale Raumzeit ist nicht euklidisch, weil das Quadrat der Zeit mit negativem Vorzeichen in die Metrik eingeht.

    Die Zeit entspricht einer imaginären Raumdimension, was aus der Lorentzinvarianz hervor geht.

    ds^2 = dx^2 + dy^2 + dz^2 – dt^2 * c^2
    ( i * c * t )^2 = – c^2 * t^2

    i = Imaginäre Zahl
    i^2 = – 1
    c = Lichtgeschwindigkeit
    t = Zeit
    d = delta = Abstand
    ^ = hoch

    Diesen vierdimensionalen Raum nennt man Minkowski-Raum.

    Licht nimmt in den drei Raumdimensionen immer den kürzesten Weg, und in der Zeitdimension immer den längsten Weg.

    ( 1 / 300 000 000 Sekunde ) zum Quadrat ist minus 1 Quadratmeter.
    1 / 300 000 000 Sekunde ist daher 1 imaginärer Meter.

    Nach Richard P. Feynman sind daher die drei Raumdimensionen nur mit der als imaginär eingesetzten Zeit direkt vergleichbar, was Feynman bei seiner Pfadintegralmethode verwendet.

    Jedes Teilchen verhält sich genauso, als würde es jeden möglichen Weg in der vierdimensionalen Raumzeit vom Start zum Ziel nehmen, und dann am Ziel mit sich selbst interferieren.

    Photonen haben in den Feynman-Diagrammen keine zeitliche Vorzugsrichtung, Elektronen laufen in die Zukunft, und Positronen laufen in die Vergangenheit.

    Bild:

    http://members.chello.at/karl.bednarik/FEMADI-3.jpg

    Reine Science-Fiction:

    http://www.e-stories.de/view-kurzgeschichten.phtml?23786

  23. Mit der Vorstellung von Zeit als Kraft kann ich nichts anfangen, ähnlich wie ich mir den Raum nicht als Kraft vorstelle. Kräfte wirken zwischen Teilchen oder Feldern führen zu Änderung der Position in der Raumzeit oder zum Wechsel von inneren Zuständen. Licht ist nur eine spezielle Art der Materie sein Verhalten in Zeit und Raum unterliegt den gleichen Gesetzen wie andere Materie. Die Ruhemasse Null ist tatsächlich die Eigenschaft, die die Bewegung mit Lichtgeschwindigkeit erlaubt.

  24. Mit der Vorstellung von Zeit als Kraft kann ich nichts anfangen, ähnlich wie ich mir den Raum nicht als Kraft vorstelle. Kräfte wirken zwischen Teilchen oder Feldern führen zu Änderung der Position in der Raumzeit oder zum Wechsel von inneren Zuständen. Licht ist nur eine Art der Materie sein Verhalten in Zeit und Raum unterliegt den gleichen Gesetzen wie andere Materie. Die Ruhemasse Null ist tatsächlich die Eigenschaft, die die Bewegung mit Lichtgeschwindigkeit erlaubt.

  25. Aporie des Hu Shi

    Vom chinesischen Sophisten Hu Shi (ca. 380-300 v.Chr) stammt die folgende Aporie:
    ´Der schnellste Pfeil hat in seinem Fluge eine Zeit(**), da er weder fliegt noch ruht.´

    Dies bedeutet: selbst wenn man den kontinuierlichen Pfeilflug in ultrakurze Momente unterteilt, kann man nie einen bestimmten Zeitpunkt (** = Gegenwart) erfassen; denn selbst in ultrakurzen Momenten gibt es eine ultrakleine Bewegung – als ´Teil´ eines Kontinuums . => D.h. wenn wir nur den Pfeilflug betrachten, kommen wir nie zu einer Lösung dieser Aporie.

    Völlig andere Antworten erhält man daher, wenn man andere Fragen stellt: Gibt der Anfangsimpuls beim Abschuss des Pfeiles die Energie für den gesamten Pfeilflug? Wieviel Energie wurde beim Abschuss an den Pfeil abgegeben? Wer/Was schoss den Pfeil ab?

  26. Zeit = Wandlung

    Wenn man die Aporie des Hu Shi auf die Zeit anwendet, dann folgert daraus, => dass Zeit nichts anderes ist als ein Prozess der kontinuierlich andauernden Veränderung. D.h. es gibt weder Vergangenheit, noch Gegenwart oder Zukunft – das einzige was es gibt, ist der Prozess der ununterbrochenen Wandlung.

    Der Materie käme damit keinerlei geistige Funktion zu, da sie nicht in der Lage ist, sich etwas zu merken.

    Um so rätselhafter ist dann allerdings die Funktion vom Gehirn, mit seinem Gedächtnis.

  27. Zeit= 🙂

    Eine Wurst, die Du heute kaufst, ist morgen von gestern 🙂

    S.R.

  28. Der schnellste Pfeil

    “Der schnellste Pfeil hat in seinem Fluge eine Zeit.”

    Der schnellste Pfeil ist das Photon.

    Nach der speziellen Relativitätstheorie von Albert Einstein vergeht für ein Photon auch bei langen Flugstrecken zwischen Start und Ziel keine Zeit.

    Nach der Lorentz-Transformation legt ein Photon auch bei langen Flugstrecken zwischen Start und Ziel keine Entfernung zurück.

    Für Menschen benötigt ein Photon für tausend Lichtjahre Entfernung tausend Jahre Zeit.

    Für ein Photon ist seine Lebensdauer immer null, seine Flugstrecke auch immer null, und das restliche Universum eine zweidimensionale Fläche quer (senkrecht) zu seiner Flugrichung.

    Ein Photon existiert für sich selbst nicht.

    Der Weltraum hat ein Gedächtnis für seine Geschichte, in Form aller Photonen, die noch unterwegs sind.

    Reine Science Fiction:

    http://www.e-stories.de/view-kurzgeschichten.phtml?23757

  29. schwarzes Loch

    Wenn Photonen keine Masse haben, warum kann dann Licht von der Gravitation Schwarzer Löcher festgehalten werden?

  30. passen die Metaphern?

    Lebt und stirbt ein Photon? oder wie kommt man auf “Lebensdauer?”
    Denkt das Weltall? oder wie kommt ein “Gedächtnis” darin vor?

    S.R.

  31. Photonen

    Photonen haben keine Ruhemasse.

    Photonen haben bei Lichtgeschwindigkeit
    die Energie E von planckschem Wirkungsquantum h mal ihrer Frequenz v,
    E = h * v,
    und die Masse m von ihrer Energie geteilt durch das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit c,
    m = E / c^2 = h * v / c^2.

    Wenn Photonen in einem Gravitationsfeld nach oben fliegen, dann verlieren sie Energie, und ihre Frequenz sinkt (gravitative Rotverschiebung), sie werden dabei aber nicht langsamer.

    Große Massen krümmen die Raumzeit.

    Beim Schwarzschildradius eines schwarzen Loches zeigen die Weltlinien der Photonen deshalb nicht nach außen, sondern in die Zukunft.

    Schon beim eineinhalbfachen Schwarzschildradius gibt es stabile Kreisbahnen für Licht, aber keine für Materie, weil dort die Fliehkraft null beträgt.

    Photonen werden zum Beispiel dann erzeugt oder verbraucht, wenn Elektronen ihren Abstand vom Atomkern verändern.

    Nach der speziellen Relativitätstheorie vergeht für ein lichtschnelles Objekt zwischen Start und Ziel keine Zeit.

    Das Weltall fungiert als optischer Laufzeitspeicher.

    Wenn man wissen will, wie der Sirius vor 8,6 Jahren ausgesehen hat, dann braucht man nur zum Himmel zu schauen.

    Die Hintergrundstrahlung des Universums mit rund 2,7 Kelvin ist sogar schon 13,7 Milliarden Jahre alt (minus 380000 Jahre).

  32. @Bednarik: Rotverschiebung

    Wenn Photonen bei der ´Rotverschiebung´ Energie abgeben: geschieht dies kontinuierlich oder in Quanten?

  33. Rotverschiebung

    Wenn Photonen bei der Rotverschiebung Energie abgeben, dann geschieht dies kontinuierlich.

    Photonen haben die Energie von planckschem Wirkungsquantum mal ihrer Frequenz,
    E = h * v,
    und die Frequenz kann jeden beliebigen Wert annehmen.

    Die Rotverschiebung oder Blauverschiebung hängt vom Höhenunterschied oder von der radialen Relativgeschwindigkeit ab, und die Höhe oder die Geschwindigkeit kann man kontinuierlich verändern.

    ******

    Relativistischer Dopplereffekt:

    Bild:
    http://members.chello.at/karl.bednarik/SPEREL-2.jpg

    Erläuterungen:

    x-Achse:
    c – v stellt hier die auf die Lichtgeschwindigkeit fehlende Geschwindigkeit dar, in Einheiten der Lichtgeschwindigkeit, also c = 1,

    y-Achse:
    Faktor der Veränderung der Frequenz,

    Masse (schwarze Kurve):
    die relativistische Massezunahme,

    f quer (grüne Kurve):
    die Lichtquelle wird von der Seite gesehen,

    f rot (rote Kurve):
    die Lichtquelle wird von hinten gesehen,

    f blau (blaue Kurve):
    die Lichtquelle wird von vorne gesehen,

    Relativistischer Dopplereffekt bei 0,6 c (60 % der Lichtgeschwindigkeit) in Abhängigkeit von der Blickrichtung:

    Bild:
    http://members.chello.at/karl.bednarik/SPEREL-5.jpg

    f ist der Faktor der Veränderung der Frequenz und wird als Abstand vom Mittelpunkt dargestellt.

    Reine Science Fiction:

    Blick in die Flugrichtung an Bord eines interstellaren Raumschiffes:

    Die Farben der zumeist weißen Sterne wurden durch den Dopplereffekt zu einem Regenbogen verschoben.

    Bild:
    http://members.chello.at/karl.bednarik/DOPPLER8.PNG

  34. Nachtrag:

    Wenn Photonen bei der gravitativen Rotverschiebung Energie abgeben (oder besser ausgedrückt: verlieren), dann senden sie dabei keinerlei Teilchen aus.

    Beim Weg nach oben sinkt ihre Frequenz, und ihre potentielle Energie steigt im selben Maße an.

    Bei einem hochgeworfenen Stein sinkt im Gegensatz dazu seine kinetische Energie, und seine potentielle Energie steigt im selben Maße an.

    Auch der Stein sendet dabei keine Teilchen aus.

    Die verlorene Energie der Photonen oder der Steine steckt in der potentiellen Energie der Objekte im Gravitationsfeld.

  35. @Bednarik, @Hoppe: Definition für ZEIT

    Danke => Karl Bednarik.

    Dann kann man ja die Frage von @Hoppe beantworten, was ´Zeit´ ist:

    1) Wenn Photonen Energie abgeben, dann sind sie Maschinen. Diese abgegebene Energie wird nach dem Energieerhaltungsgesetz in andere Energieformen umgewandelt.
    2)Wurden diese Maschinen gestartet (z.B. beim Urknall), dann geben sie seitdem Energie ab; da es kein Perpetuum Mobile gibt.
    3) Wenn diese Energie kontinuierlich abgegeben wird, dann gibt es im physikalischen Sinn keine Zeit, sondern nur eine kontinuierliche Änderung.

    Daher ist die ´Zeit´ wie folgt zu definieren:
    Zeit ist eine andauernde asymmetrische Änderung im Universum; erzeugt durch kontinuierliches Abfließen von Energie aus Maschinen (z.B. Licht,Materie).

    Ein Hinweis für die Richtigkeit dieser Definition ist neben der Rotverschiebung die zunehmend beschleunigte Ausdehnung des Universums.
    Von den Maschinen kontinuierlich abgegebene Energie wirkt als Antriebsenergie mit dem das Universum beschleunigt wird = die ´Dunkle Energie´.

    D.h. man kann, über die Energiemenge, die Zeit berechnen und somit auch die Phänomene ´Raumzeit´ und ´Gravimetrie´.

    Wenn sich das Universum ´nur´ asymetrisch ändert, dann gehört das ´Viele-Welten-Modell´ in den Papierkorb und auch die ´Stringtheorie´ ist neu zu überdenken.

  36. @Richard, @Bednarik

    Hallo,
    ich finde die Diskussion äußerst spannend, obwohl ich sicher nicht alles ganz verstehe. Aber ich bezweifle, dass die Frage nach der Zeit mit meiner Frage identisch ist.

    Ich hatte nach der Möglichkeit einer Entdeckung von Veränderung/Bewegung unter der Annahme gefragt, dass Geist vollständig materiell im Gehirn realisiert ist. Stellen wir uns die Welt (einschl. meines Gehirns) doch einmal ganz einfach vor: ein Würfel mit 3x3x3 Atomen. Das sei alles, was es gibt. Eines der Atome bewege sich nun und befinde sich jetzt etwas seitlich versetzt. Nun wäre also dies alles was es gibt.

    Wie könnte man **innerhalb** dieser Konstellation wissen, dass sich das eine Atom bewegt hat, wenn in dieser Konstellation der frühere Zustand doch nicht mehr real repräsentiert ist? Und wie wäre die Repräsentation früherer Zustände *als früheren Zuständen* in einer je gegenwärtigen Elementarteilchen-Konstellation überhaupt denkbar? Oder: Wie kann ein Gehirn Wahrnehmungs- und Gedächtnisfunktionen entwickeln, sprich: Veränderung bemerken?

    Stimmen Sie zu, dass dies nicht die Frage nach der Zeit ist?
    Finden Sie diese Frage sinnvoll?

  37. Aufzeichnungen aus der Vergangenheit

    Die Aufzeichnungen aus der Vergangenheit sind in der Gegenwart noch vorhanden.

    Eine Filmkamera erstellt ein Protokoll über verschiedene Ereignisse der Vergangenheit.

    Auf dem fertigen Film sind Bilder aus verschiedenen Zeiten zur gleichen Zeit sichtbar.

    Der Datenbus im Computer besteht aus vielen parallelen räumlichen Leitungen.

    Die sehr zahlreichen Floating Gates in den Flash-Speichern stellen viele parallele zeitliche Leitungen dar, die Informationen in die Zukunft leiten.

    Bild, Bewußtsein in der Zeit:

    http://members.chello.at/karl.bednarik/RAUMZEIT.jpg

  38. @Bednarik

    Aber das wissen doch nur SIE als bewusstseinsfähiger Beobachter, dass die verschiedenen Bilder auf einem Film Spuren einer zeitlich sich erstreckenden Vergangenheit sind, dass sie überhaupt für etwas anderes stehen als sich selbst, nämlich für eine vergangene Wirklichkeit! Aber wie können Sie das wissen, wenn Ihr Gehirn letztlich nichts anderes ist als ein “Film” oder eine Elementarteilchen-Wolke?

  39. @Hoppe

    Es ist ganz klar, dass sich die Diskussion momentan (scheinbar) weit entfernt von dem, was sie – und ich auch – gerne wissen möchten. Da haben Sie vollkommen recht.

    Allerdings dürfte Ihnen auch bewusst sein, dass es bisher noch nicht einmal eine Definition für ´Zeit´ gab!!!
    Meine Definition ist darum Neuland – und sollte daher ausgedruckt und gerahmt werden. (wie ich in tiefer Bescheidenheit anmerke, 😉 )
    Wenn man sich aber noch nicht einmal klar darüber ist, was Zeit überhaupt ist, dann sind alle Schlussfolgerungen fragwürdig, welche sich auf Ereignisse von Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft berufen.

  40. @Hoppe 2.

    Und jetzt zu Ihrer eigentlichen Frage: Wie kann ein Gehirn Wahrnehmungs- und Gedächtnisfunktionen entwickeln – sprich Veränderungen bemerken?

    Hierzu ist eventuell der Beitrag von @Helmut Wicht, vom 4.2.09 – sehr hilfreich: Sein Gedanke eines Bildverarbeitungsprogrammes mit einem Algorithmus, der die Bilder nach Ähnlichkeit reiht, so dass eine Reihe ensteht – ist sehr interessant.
    Denn: Wenn man Bilder nach Ähnlichkeit reihen kann – dann kann man sie auch vergleichen; denn das ist die Voraussetzung, um sie reihen zu können.

    Ich habe schon einmal auf die sogenannten Nahtod-Erlebnisse hingewiesen, bei denen man live beobachten kann, wie das Gehirn sein episodisches Gedächtnis durchsucht. Dabei läuft genau dieser Such-/Vergleichs-algorithmus ab. Einen neuen Sinneseindruck vergleicht das Gehirn mit gespeichertem Wissen: ´hatte ich das schon einmal – und was habe ich damals gemacht?´.

    Damit ist aber die Frage immer noch nicht beantwortet, wie das Gehirn derartige Funktionen entwickeln konnte – leider.

  41. Ein Modell der Welt

    Ein Modell der Welt bringt einen großen evolutionären Vorteil mit sich.

    Zuerst ist es einmal nützlich, wenn man andere Lebensformen frißt, aber schädlich, wenn man eigene Körperteile frißt (geistiges Modell des Körpers).

    Dann ist es nützlich, wenn man weiß, wo die besten Futterplätze sind, und wo die gefährlichsten Tiere lauern (geistiges Modell der Außenwelt).

    Dann ist es nützlich, wenn man weiß, wann welche eßbaren Lebensformen vorbei gekommen sind (geistiges Modell der Vergangenheit).

    Zuletzt ist es nützlich, wenn man weiß, was man sich alles früher einmal gedacht hat, und ob die daraus folgenden Handlungen erfolgreich waren, so daß man seine Denkweise verbessern kann (geistiges Modell des Geistes).

    Ein erfolgreiches Modell der Welt ist zwar anders aufgebaut, kleiner und einfacher als die Außenwelt, aber es muß alle wichtigen Objekte, Vorgänge und Wechselwirkungsregeln enthalten, so daß man das Verhalten der Außenwelt halbwegs zuverlässig vorhersagen kann (geistiges Modell der möglichen Zukunft).

    Auch ein flüchtendes Kaninchen weicht einem Baum aus, bevor es ihn berührt hat, weil es aus Erfahrungen der Vergangenheit weiß, daß ein Aufprall schmerzaft ist, und weil auch ein Kaninchen die Zukunft vorhersagen kann.

  42. Ergänzung, Modell der Welt

    Karl Bednarik hat bereits perfekt erklärt, warum ein ´Modell der Welt´ für unser Überleben notwendig und von Vorteil ist.

    Deshalb nur eine Ergänzung:
    Wir können mit unseren Sinnesorganen ca. 40 Sinneseindrücke (=Informationen) pro Sekunde bewusst wahr nehmen – das Gehirn kann aber in dieser Zeit ca. 11 Millionen Infos/Sek. verarbeiten => d.h. es ist 275000fach schneller.

    Aktuelle Sinneseindrücke werden mit gespeichertem Wissen verglichen, um eine Idee der Gegenwart und einen Handlungsvorschlag für die nahe Zukunft zu erstellen – das ist das, was wir als aktuelle Wahrnehmung erleben.
    Diese aktuelle Wahrnehmung wird allerdings in einem Rückkopplungsprozess wiederum mit aktuellen Sinneseindrücken und gespeichertem Wissen verglichen und zu einer neuen aktuellen Wahrnehmung umgeformt usw. usw. usw.

    Bisher war nur die Rede von reiner Informationsvearbeitung. Leider weiß man bisher noch nicht, wie daraus Gefühle, ein Bewusstsein, ein ICH entstehen

  43. Vergleich mit Stein

    @Hoppe:
    Sie haben Sich am Anfang theoretisch mit einem Stein verglichen: beides eine Wolke aus Atomen.
    Allerdings mit deutlichen Unterschieden:
    Ein Stein ist in der Regel aus anorganischen Ionen und Molekülen aufgebaut – wogegen bei Lebewesen ein Aufbau aus einer Vielfalt von organischen Molekülen üblich ist. Ist hier ein Lösungsansatz für Ihre Frage?

  44. @KRichard

    Bewusstsein tritt (bisher)(wahrscheinlich) nur in lebenden, nicht in technischen oder anorganischen Systemen auf. Möglicherweise ist Leben selbst bereits eine erste Lösung des Problems “Gedächtnis in Materie”, die durch Nervensysteme und schließlich Gehirne sukzessive verbessert wurde. Dies bietet möglicherweise eine interessante Perspektive auf das Problem …

  45. Biologen gesucht

    Schade, jetzt wo es interessant wird, muss ich passen.
    Jetzt werden Biologen gesucht – um zunächst einmal die Frage zu beantworten: wo ist die Grenze zwischen einem organischen Molekül bzw. einer Gruppe verschiedener Moleküle und den ersten und einfachsten Stufen von Leben

  46. Reproduktion

    Nur wenn sich ein organisches Molekül, oder eine Gruppe verschiedener Moleküle halbwegs zuverlässig aus anderen Substanzen selbst nachbauen kann, dann ist es/sie eine einfache Form von Leben.

    Die bloße Existenz, chemische Reaktionen, und katalytische Wirkungen sind alleine noch kein Leben.

  47. Datenverarbeitung

    Nervenzellen reagieren nach rund 0,05 Sekunden auf Reize, und es sind rund 100 Milliarden Gehirnzellen vorhanden.

    Wenn mich jemand fragt: “Was ist der beste Film aller Zeiten”, dann antworte ich nach rund einer Sekunde: “Terminator eins.”

    Das bedeutet, daß an diesem kulturellen Entscheidungsprozeß nur rund zwanzig Gehirnzellen zeitlich hintereinander beteiligt waren.

    Die anderen rund 100 Milliarden Gehirnzellen waren dazu notwendig, in hochgradig räumlich paralleler Datenverarbeitung alles wegzufiltern, was von Milliarden an anderen Verhaltensweisen weniger zutreffend gewesen wäre.

    Der (trockene, gerade) Spaghetticomputer:

    Sie haben tausend lange, dünne, gerade Stäbchen von unterschiedlichen Längen.

    Sie bündeln die Stäbchen parallel, und schlagen sie senkrecht auf eine ebene Tischplatte.

    Das längste Stäbchen wird oben heraus ragen.

  48. Information

    Information ist die räumliche oder zeitliche Anordnung von Materie oder Energie.

    Die Information benötigt deshalb einen Träger, aber die Art des Trägers spielt keine Rolle.

    Schrift hält in Stein gemeißelt, und auf Papier gedruckt, aber nicht im Vakuum.

    Kein Geist kann ohne Materie funktionieren, denn man kann den Geist durch Alkohol oder durch eine Gehirnerschütterung ausschalten.

    Katalytische Enzyme können nur linear in der Zeit Informationen auf andere Moleküle übertragen.

    Katalytische Enzyme alleine gehen irgendwann kaputt.

    Selbstreproduzierende Molekülgemeinschaften können exponentiell in der Zeit Informationen auf andere Moleküle übertragen.

    Selbstreproduzierende Molekülgemeinschaften gehen auch irgendwann kaputt.

    Für ein exponentielles Wachstum genügt es völlig, wenn 100 selbstreproduzierende Molekülgemeinschaften vor ihrem Kaputtgehen 101 neue selbstreproduzierende Molekülgemeinschaften hergestellt haben.

    Fehlerhafte selbstreproduzierende Molekülgemeinschaften gehen ganz von selbst kaputt, ausgenommen dann, wenn sie sich besser als ihre Vorgänger selbst kopieren können.

  49. Definition: Leben

    “Leben, das auf Zellen mit einem Zellkern beruht, fußt auf dem Verschmelzen zweier einfacher strukturierter, bakterienartiger Organismen (einer sogenannten Symbiogenese).” Zitat
    gefunden in: Missverständnisse um Darwin, Christoph Marty, Spektrum der Wissenschaft, Nr. 02/09, Seite 52-53

  50. Eukaryoten und Prokaryoten:

    Hallo KRichard,

    das Leben, das auf Zellen mit einem Zellkern beruht, sind die Eukaryoten.

    Die entwicklungsgeschichtlich viel älteren Bakterien gehören zu den Prokaryoten, die keinen Zellkern besitzen.

    Die nur bei den Eukaryoten vorkommenden Zellorganellen, wie die Mitochondrien und die Chloroplasten, stammen vermutlich von den Prokaryoten ab.

    Die Prokaryoten und die Zellorganellen der Eukaryoten haben das gleiche Proteinsynthesesystem, aber die Eukaryoten haben selbst ein anderes System mit anderen Ribosomen.

  51. Bewegung und Zeit

    Ich habe zwei Kommentare zu dem Artikel.

    Zuerst frage ich mich, was genau Bewegung ausmacht. So wie sie rollende Steine beobachten, schau ich mir immer die Schwingtüren der Universität an, die nicht nur zu jedem Zeitpunkt zu wissen scheinen, in welche Richtung sie sich zu bewegen haben, sondern auch noch mit welcher Kraft/Geschwindigkeit sie sich bewegen werden. Wenn man ein Foto mit sehr kurzer Belichtungszeit macht, würde man nur eine halboffene Tür sehen, und niemand könnte vorhersagen was als nächstes passiert. Selbst wenn man sämtlich Daten dieses Moments exakt festhalten könnte, bleibt doch immer dieses physikalische Gespenst einer Impulsenergie, oder potentiellen Energie vorhanden. Aber wo diese Energie zu finden ist, und in welcher Form, konnte mir noch niemand beantworten.

    Damit kommen wir zum zweiten Punkt, der Zeit. Ich denke man muß den Zeitbegriff erstmal zweiteilen, in die Zeit als konstanten Fluss auf der sich die Materielle Welt konstant vorwärts bewegt, und der Zeit als reine Dimension. Als Dimension betrachtet, gibt es dieses “bloße Jetzt” gar nicht, da sämtliche Informationen von räumlich entfernten Punkten auch immer eine zeitliche Distanz implizieren. Was die Teleskope unserer Zeit an Signalen aus dem Weltraum auffangen, ist alles Vergangenheit, und nicht Jetzt. Die “Flußzeit” hingegen, die ist durch die Struktur des menschlichen Gehirns bedingt. Wenn man den Urgedanken des Atom-Konzeptes aufgreift, und sich vorstellt es gäbe ein einziges kleinstes aber universales Teilchen, dann könnte man dessen verschiedene Erscheinungsformen in der Welt durchaus als ein Universalgeschichte der Teilcheneigenenen Erlebnisgeschichte interpretieren.

    Für mich ist das der einzige Ansatzpunkt, wo ich zur Monadologie von Leibniz einen Eingangspunkt sehe. Die Prästabilierung der kleinsten Teilchen wäre dadurch gegeben, dass sie ursprünglich alle in jeder Hinsicht identisch waren. Bleibt nur die große Frage, wodurch die absolute Symmetrie aufgehoben worden ist, und aus Einem Viele geworden sind.

  52. @ Andreas

    Interessante Hinweise!

    … Selbst wenn man sämtlich Daten dieses Moments exakt festhalten könnte, bleibt doch immer dieses physikalische Gespenst einer Impulsenergie, oder potentiellen Energie vorhanden. Aber wo diese Energie zu finden ist, und in welcher Form, konnte mir noch niemand beantworten.

    Auf jeden Fall sind die Vektoren in der (klassischen) Physik – Kraft, Impuls etc. – auch “Zeitpfeile”. Sie zeigen explizit das Wohin, implizit das Woher – und damit Zukunft und Vergangenheit in einer räumlich-gegenwärtigen Darstellung. Ein bewusster Beobachter, der die Zeit “überblickt”, die räumliche Darstellung zeitlich dekodieren kann, scheint hierfür unabdingbar. Aber könnte dies “bloße Materie”, z.B. ein Gehirn?

    … Als Dimension betrachtet, gibt es dieses “bloße Jetzt” gar nicht, da sämtliche Informationen von räumlich entfernten Punkten auch immer eine zeitliche Distanz implizieren. Was die Teleskope unserer Zeit an Signalen aus dem Weltraum auffangen, ist alles Vergangenheit, und nicht Jetzt.

    Das Jetzt bezieht sich auf alles, was tatsächlich/materiell genau jetzt existiert und geschieht, aber in der Tat nicht mehr die Supernova selbst, die längst vergangen ist, deren Licht jetzt allerdings gerade hier in Erdnähe ist. Die Ereignisse der kosmischen Vergangenheit, deren Licht bereits vor Erfindung des Teleskops bei uns vorbeikam, werden wir nicht mehr entdecken können.

    Leibniz

    puh, vielleicht ein andermal …

  53. @Andreas

    Für die Erklärung der physikalische Zeit sollte man den Gedanken an das Perpetuum Mobile im Hinterkopf haben. Ein solches gibt es nicht sondern aktive Energiesysteme (Maschinen)leisten immer Arbeit und geben dabei Energie ab bzw. wandeln sie um. Daher geht der ´Zeitpfeil´ seit dem Urknall immer nur in eine Richtung – die auch als ´Zunahme der Entropie´ bezeichnet wird.

  54. Es gibt keine unendlich kurze Gegenwart.

    Die kürzeste unterscheidbare Zeit ist die Planck-Zeit mit 5.3*10^-44 s.

    Die kürzeste unterscheidbare Länge ist die Planck-Länge mit 1.6*10^-35 m.

    Deshalb gibt es keine unendlich kurze Gegenwart.

    Deshalb gibt es keinen unendlich kleinen Punkt.

    Deshalb ist das Produkt aus Ort und Impuls (Impuls ist Masse mal Geschwindigkeit) immer zu einem bestimmten Betrag unbestimmt (nicht: unbestimmbar).

    Deshalb sind alle Teichen ein wenig in der vierdimensionalen Raumzeit verschmiert.

    Die Koordinaten der vierdimensionalen Raumzeit hängen vom relativen Bewegungszustand ab, und können in einander umgewandelt werden.

    Deshalb zeigt die Zeitkoordinate von bewegten Teilchen in eine andere Richtung, als jene von ruhenden Teilchen.

    Deshalb kann ein Teilchen in der vierdimensionalen Raumzeit seine Geschwindigkeit darstellen.

    Sechs Kenngrößen:
    Ort x, y, und z, sowie
    Geschwindigkeit x, y, und z.

    Jedes Teilchen verhält sich so, als würde es absolut alle möglichen Wege in der vierdimensionalen Raumzeit zurücklegen, und dann am Zielort mit sich selbst interferieren.

    *****

    Die Teilchen unterscheiden sich nur bei niedrigen Energien von einander.

    Oberhalb von etwa 1000 GeV vereinigt sich die elektromagnetische Kraft (Wechselwirkungsteilchen: die Photonen) mit der schwachen Kraft (Wechselwirkungsteilchen: die Weakonen W+, W-, und Zo) zur elektroschwachen Kraft.

    Oberhalb von etwa 10^16 GeV vereinigt sich die elektroschwache Kraft mit der starken Kraft (Wechselwirkungsteilchen: die Gluonen) zur schwach-starken Kraft.

    Oberhalb von etwa 10^20 GeV vereinigt sich die schwach-starke Kraft mit der Gravitation (Wechselwirkungsteilchen: die Gravitonen) zur vereinheitlichten Kraft.

    Dieser Symmetriebruch bei der Abkühlung entspricht einem Kristallisationsvorgang.

    Die Richtung dieses Symmetriebruches ist willkürlich, ähnlich der Richtung einer kleinen Kugel, die vom Gipfel eines völlig runden Hügels herabrollt.

  55. Nachtrag:

    Ein nachträglicher Nachtrag:

    Unser Universum ist mindestens vierdimensional.

    Alle Teilchen sind mindestens vierdimensional.

    Natürlich sind auch die kleinsten Teile der Raumzeit mindestens vierdimensional.

    “Mindestens vierdimensional” bedeutet, daß vier ausgedehnte Dimensionen nachweislich vorhanden sind.

    Zahlreiche (mindestens sieben) weitere (sehr klein aufgerollte) Dimensionen sind möglich, und könnten für weitere Eigenschaften der Teilchen verantwortlich sein.

    Die kleinsten Teile der Raumzeit sind zwar so etwas wie zweidimensionale Pixel, dreidimensionale Voxel, oder vierdimensionale Raumzeitquanten, aber ihre Ausrichtungen und ihre naturgemäß unbestimmten Abgrenzungen hängen vom Bewegungszustand des Beobachters ab.

    ******

    Nicht nur der Raum ist gekrümmt, es ist immer die gesamte Raumzeit gekrümmt.

    Was bedeutet eine Krümmung in der Zeit?

    Ein kräftefreier Körper gelangt in der Zukunft an die dadurch angezeigten Orte.

    Auf gut deutsch: Ein Objekt fällt in einem Gravitationsfeld hinunter.

    Das zeigt sich besonder schön am Gravitationsfeld eines schwarzen Loches.

    Innerhalb des Schwarzschildradius zeigen dort alle zukünftigen Weltlinien nach innen.

    ******

    Zur weiteren Erheiterung:

    Wie dick ist unser Universum:

    http://www.e-stories.de/view-kurzgeschichten.phtml?23868

  56. @ Bednarik

    Ich glaube, dass die Physik im Hinblick auf meine eigentliche Frage nichts zur Sache tut.

    Denn selbstverständlich ist das “bloße Jetzt” für mich die ausdehnungslose Grenze zwischen Zukunft und Vergangenheit. Und selbstverständlich kann ich mir einen *jetzigen* Weltzustand vorstellen – bzw. diesen Zustand jetzt als einzige echte materielle Realität diesseits jeglicher Vorstellung von ihr annehmen. (Wobei die Wahrnehmung dieser Welt bereits ein über gewisse Zeit akkumulierter Prozess wäre.)

    Ihre Ausführungen zeigen, dass die Physik ein Versuch ist, sich eine Vorstellung von der Welt zu machen und dass dies unmöglich ist ohne so etwas wie zeitliche Ausdehnung, zeitlich gedehnte Gegenwart o.ä. anzunehmen. Der Physiker – als Teil der materiellen Wirklichkeit – muss über ein bloßes Jetzt hinaus sein – ist also selbst nicht mehr nur “bloße Materialität”.

    Kommt der Materie, wie auch immer (z.B. in Gehirnen; ich kann mir allerdings noch immer nicht vorstellen, wie das gehen soll) jedoch die Eigenschaft/Fähigkeit zu, Zeit zu vergegenwärtigen, das Jetzt zu dehnen, dann wäre sie eben nicht mehr nur “bloße Materie” (wie ein rollender Stein). Sie wäre vielmehr über das bloße Jetzt hinaus, d.h. gedächtnis- und bewusstseinsfähig und damit fundamental und durch jeglichen Materialismus/Naturalismus unhintergehbar “geistig”.

    Also liebe Naturalisten, die Ihr bis zum Fall des Eisernen Vorhangs vor 20 Jahren, noch dialektische Materialisten hießet: Erklärt mir Zeit und Bewegung materialistisch!

  57. Denkende Materie mit Gedächtnis:

    Denkende Materie mit Gedächtnis an viele vergangene Ereignisse:

    Video:

    http://www.youtube.com/watch?v=wIKah9aVlm4

    Auch Physiker sind Teilchenschwärme, die andere räumlich oder zeitlich entfernte Teilchenschwärme stark vereinfacht abbilden können.

    Die vereinfachte Selbstabbildung eines Teilchenschwarmes in dem selben Teilchenschwarm nennt man Bewußtsein.

  58. @Bednarik

    Nein, nein – “Abbildung” von A auf B, das entscheiden SIE – während es tatsächlich nur die Große Wolke gibt, jetzt und jetzt und jetzt. Oder immer nur dieses eine Jetzt? Woher weiß ich vom vergangenen Jetzt, wie ist das vergangene Jetzt jetzt materiell präsent? Wieso können Sie, wenn Sie letztlich doch auch nichts als ein Teil der Jetzt-Wolke sind, wie der Materialismus meint, überhaupt von einer Vergangenheit wissen, die doch eben ganz und gar vergangen ist, und wie von Abbildungen eines Vergangenen in ein Jeztiges (z.B. einer Gedächtnisspur, Videodokumentation usw.)?

  59. Speicher

    Man kann Wissen über Ereignisse für die Zukunft bewahren, indem man es aufschreibt und so speichert. Solche Speicher können ein Buch, ein Computerchip oder das Gehirn sein.

    Die letzten beiden Speicher arbeiten sogar nach dem gleichen Prinzip.
    Sensoren (Tastatur, Sinnesorgane) nehmen Messwerte/Informationen auf, diese werden in speicherfähige Form gebracht und dann im Speicher gespeichert. Das ganze ist ein physikalisch- bzw. (bio-)-chemischer Prozess.
    Das Auslesen erfolgt ebenfalls auf diese Weise.

    Z.B. interessiert es nicht, was die Farbe ´Grün´ ist. Sowohl in den Fotosensoren einer Kamera, wie auch im menschlichen Auge werden nur die Anregungs-/Stromimpulse bestimmter Photozellen verarbeitet, in speicherfähige Impulse umgewandelt und dann abgespeichert. Beim Herauslesen dieser gespeicherten Informationen kommt dann wieder ´Grün´ heraus.

    Sogar Gefühle von Menschen sind im Prinzip nichts anderes als ganz bestimmte ´Datensätze´ im Gehirn.

  60. Die Abgrenzung des Ich

    Die Abgrenzung des Ich von allem anderen.

    Es ist günstig, andere Lebewesen zu fressen.

    Daraus folgt die Erfindung des Hungers.

    Es ist ungünstig, eigene Körperteile zu fressen.

    Daraus folgt die Erfindung des Ichs und des Schmerzes.

    Es ist ungünstig, von anderen Lebewesen gefressen zu werden.

    Daraus folgt die Erfindung des Schmerzes und der Angst.

    Das alles betrifft nur eigenbewegliche tierische Mehrzeller mit Nervensystem.

    Keine Eigenbewegung, kein Nervensystem.

    Siehe die Seescheiden, Bild:

    http://members.chello.at/karl.bednarik/SEESCH-1.JPG

    ******

    Raumzeitquanten sind raumzeitlich vierdimensional.

    Ein Raumzeitquant ist Plancklänge x mal Plancklänge y mal Plancklänge z mal Planckzeit t.

    Je nach der Mathematik:

    xyzt, oder
    xyzct, ct ist Lichtgeschwindigkeit c mal Zeit t,
    xyzict, weil die Zeit eine imaginäre i Raumdimension ist.

    Teilchen sind raumzeitlich vierdimensional.

    Materie ist raumzeitlich vierdimensional.

    Gehirne sind raumzeitlich vierdimensional.

    Das Universum ist raumzeitlich vierdimensional.

    Deshalb gibt es hier überall Zeit und Bewegung.

    Auch dieses kleine Gehirn hier lebt von seinen Erinnerungen, die ihm noch immer gegenwärtig sind.

    Video:

    http://www.youtube.com/watch?v=wIKah9aVlm4

  61. @Hoppe: ´geistiger´ Stein

    Was ist ´geistiger´ – Der rollende Stein, ein arbeitendender Computers oder ein menschliches Gehirn?
    Im Prinzip gibt es keinen Unterschied – alle verarbeiten die ihnen zur Verfügung stehenden Informationen und kommen so zu einem Ergebnis.

    Gibt man einem Stein einen Schubs, damit er einen Hang hinunterrollt, so sind es Informationen wie Anfangsimpuls, Masse, Form und Elastizität von Stein und Hang, die Neigung des Hanges und die Gravitation – welche das Rollen beeinflussen und entscheiden, wo er zum Schluss liegen wird.

    Beim Computer ist es ähnlich. Hier entscheiden die verwendeten Programme und die die Tastatur-/Sensor-eingaben – was zum Schluss als Ergebnis herauskommt.

    Das Gehirn arbeitet im Prinzip genauso wie ein Computer. Es entscheiden auch das vorhandende Programm/Wissen und die aktuellen Sensor-/Sinneseindrücke – was als Ergebnis herauskommt.

    Der wesentliche Unterschied zwischen Mensch und Computer ist die Präzision der Abläufe: Der Computer arbeitet genau nach einem im Programm vorgegebenen Ablauf und kann auf ungenaue Informationen nicht reagieren.
    Das menschliche Gehirn dagegen arbeitet sehr fehlerhaft mit Näherungsfunktionen. D.h. Es macht auch aus einer sinnlosen Information einen Sinn. Daher ist es jedem Computer überlegen, weil es in einem andauernden Rückkopplungsprozess extrem flexibel auf aktuelle Einflüsse reagieren kann.
    Ehrlich gesagt, hätte ich mich gerne etwas deutlicher von einem Stein unterschieden. 😉

  62. Donnerwetter, der Stein rollt ja immer noch, eine lange Zeit schon,
    aber weit und breit keiner, der als reiner Materialist argumentiert.
    Dafür lese ich hier Systemtheoretiker, Konstruktivisten, Luhmänner,
    die an Grenzen und Sinn denken, den Beobachter des Beobachters einbeziehen.

    „Was sagte Luhmann dazu“ ist heute immer eine beliebte Frage.
    Was sagte der Meister zur Zeit?
    Zeit wird von ihm verstanden als Leistung der Systeme, sie ist nicht von vornherein gegeben!
    Luhmann fragt nach der Funktion der Zeit: Zeit ist Problemlösung für Systeme, sie schreibt sich in die Dimensionen Aktualität u. Potentialität (Sinndimensionen) ein.

    In komplexen Systemen entsteht durch Zeit ein Selektionszwang. Die Beobachtung der Welt mit Hilfe der Differenz ‘Irreversibel – Reversibel’ erzeugt Handlungsbedarf „wenn nicht jetzt, dann nie mehr!“
    Diese Differenz spielt eine Rolle als wichtige Leitdifferenz für das System: Die Differenz „Reversibilität – Irreversibilität“ ermöglicht dem System Ausnutzung der Gegenwart in Bezug auf eine Vergangenheit und eine Zukunft
    Jede Systemoperation nimmt selbst Zeit in Anspruch
    Allgemein gilt: Ein System baut sich intern Zeit auf = Autonomiegewinn gegenüber der Umwelt (Bsp. Behörde, die Behörde muss nicht auf alle Veränderungen in ihrer Umwelt sofort mit einer Entscheidung reagieren).

    Auch Luhmanns zentrale Frage bleibt: Wie gewinnen Systeme Zeit gegenüber der
    Umwelt? Wie bilden sie eine eigene Zeit aus?

    Für diese Frage haben wir gottseidank einen Chronobiologen (H.W.), der sicher noch viel dazu schreiben kann, wenn er mal wieder im Institut übernachtet.

    S.R.

  63. Lernen für die Zukunft

    Im Lebenslauf von Menschen gibt es bekanntlich einige begrenzende ´Zeitfenster´, innerhalb derer man bestimmte Fähigkeiten unbedingt lernen muss => sonst lernt man sie nie mehr (z.B. Vertrauen/Liebe, Sehen, Sprechen, Hören). Dieses Lernwissen/-können ist die Basis aller zukünftigen Erlebnisse/Erfahrungen.
    D.h. so wie der ´Datensatz´ für ´grün´ eine bestimmte Farbe beschreibt, gibt es auch Datensätze für alle Körperfunktionen und Gefühle.
    Im Gehirn werden diese Datensätze mit Hilfe von biochemischen Reaktionen und schwachen Strömen verarbeitet. Das Gehirn arbeitet dabei wie eine gute Suchmaschine und ordnet jedem aktuellen Sinneseindruck einigermaßen passende Datensätze aus seinem Gedächtnis zu. Es wird so ein internes (virtuelles) Abbild der Realität geschaffen; welches mit aktuellen Sinneseindrücken und Gedächtnisinhalten in einem permanenten Rückkopplungsprozess immer wieder aktualisiert wird. Es dient dazu, die Körperreaktionen so zu steuern, dass sie zum aktuellen ´Erleben´ passend abgestimmt sind – als Handlungsvorschlag für die Zukunft.
    Dieses virtuelle Abbild kann man auch als ICH/Selbst/Selbstbild oder Bewusstsein bezeichnen. Erfahrungen werden immer auf/mit Grundlage des aktuellen ICH/Selbst im Gedächtnis abgespeichert. Beim Auslesen werden sie wiederum mit dem dann aktuellen ICH/Selbst neu bewertet.

  64. Das Profil der Zeit

    Ein paar interessante Gedanken die Du da anreisst. Ist nicht das, was wir als (unsere) Kultur bezeichnen zum Teil der Niederschlag einer ehemals Materiellen Gegenwart (also Vergangenheit). Der Moment in dem ein Gedanke die Welt erblickte und sich von da an über eine bestimmten Zeitraum in einem Bauwerk, einem Kleidungsstück oder auch einem Buch manifestierte, findet sich noch heute als Echo in unserer Lebensweise wieder. Das müsste doch eigendlich pysikalisch beschreibbar sein?
    Und was bedeutet das eigendlich für unseren Einfluss auf die Zukunft?

  65. @Legreiss

    Auf jeden Fall beruht Kultur auf dem Glauben an die Realität der Vergangenheit; deren Vergangensein bedeutet kein Irreal(geworden)sein, sondern als Vergangenheit real sein, obwohl sie physisch unmittelbar nicht mehr existiert (das heißt ja gerade, dass es vergangen ist).

    Gegenwärtig und physisch real sind (auch in unserem Gehirn) nur Konstellationen, die wir als Spuren einer vergangenen Wirklichkeit deuten. Dass bewusste Beobachter dies können, ist unstrittig – aber wie könnte reine Materie dies leisten, wenn man die Physik i.S.d. Physikalismus ontologisiert und davon ausgeht, dass nur das “Materielle” überhaupt existiert und wirklich ist?

  66. Haben oder Sein

    Derjenige Teil unseres Körpers, welcher dafür sorgt, dass der Organismus ´Mensch´ am Leben erhalten wird, nutzt auch das Gehirn, um mit Hilfe von aktuellen Sinneseindrücken und gespeichertem Wissen dauernd bestmögliche Zukunftsstrategien zu erstellen, welche das Überleben sichern sollen.
    Ob wir daher ein Bewusstsein haben, oder ob wir das Bewusstsein sind,ist nicht klar erkennbar – denn wir brauchen Ich-/Selbst-codierte Erinnerungen eigentlich nur als Unterscheidungsmerkmal gegenüber anderen Lebewesen.
    Das Ich-Bewusstsein ist nur der personalisierte Teil (**) eines virtuellen Steuer-/Funktionsmodells, welches je nach aktuellem erleben laufend geändert wird – das Gehirn holt nur das jeweils passende Wissen (= Unterprogramm) aus dem Gedächtnis. Durch diese ständige Aktualisierung ist man als Mensch möglichst gut an die jeweilige Situation angepasst und kann sehr schnell reagieren. Dabei wird der Denkprozess (=> Körperreaktion) nicht durch unnötiges Wissen erschwert.

    ( **) = man kann normalerweise nur persönliche Erlebnisse ´sehen´(aus dem episodischen Gedächtnis). Warum das so ist, weiß ich nicht – und das interessiert auch niemanden)

  67. Entstehen in Abhängigkeit

    Ich möchte auf die Lehre Buddhas verweisen: Leerheit und Entstehen
    in gegenseitiger Abhängigkeit.

    Ich bin der Auffassung, dass wir Fragen wie dieser nicht mit dem westlichen Dualismus beikommen können, indem wir uns und unser Bewusstsein von allem trennen. Denn in dieser Trennung von allem liegt das selbstauferlegte Unvermögen die Dinge in ihrem ganzheitlichen Wesen zu begreifen. Solange wir uns immer von allem getrennt wahrnehmen, anstatt den Aspekt der gegenseitigen Durchdringung und Bedingtheit zu erfassen, werden wir keine Antwort geben können, die alle Aspekte einbezieht und zu einer befriedigenden, absoluten Erkenntnis führt.

    Dazu eine Zen-Geschichte:

    Meister Tschuang-Tse wandert mit seinem Freund Hui-Tse über eine Brücke, die über den Fluss Hao führt. Tschuang-Tse blickt ins Wasser und sagt zu seinem Freund: “Sieh, wie die schlanken Fische umherschnellen, so leicht und frei. Das ist die Freude der Fische.” “Du bist kein Fisch”, sagt daraufhin Hui-Tse, “wie kannst du wissen, dass sich die Fische freuen?” “Du bist nicht ich”, antwortet daraufhin Tschuang-Tse, “wie kannst du wissen, dass ich nicht weiß, dass sich die Fische freuen?”

  68. Was ist Bewusstsein?

    Wenn man sich Gedanken darüber macht ´ob bzw. wie die Materie geistig ist´ bzw. ´ob es ein Bewusstsein gibt´, bzw. ´was Bewusstein ist´, sollte man zumindest die Grundlagen gründlich untersuchen und richtig verstanden haben, sonst kommt man zu keinem sinnvollen Ergebnis.

    Menschen können – im Rahmen von ´Nahtod-Erlebnissen´- das eigene Gehirn dabei beobachten, wie es das episodische Gedächnis durchsucht und gefundene Inhalte neu bewertet.
    Bei dem Engländer Daniel Tammet sind Zahlen und Rechenvorgänge (=semantisches Gedächtnis) mit Farben und Emotionen(!) verknüpft (Synästhesie) – dadurch wandeln sie zum episodischen Gedächtnis und können dort von ihm live beobachtet und beschrieben werden.

    => Daher drängt sich der Gedanke auf, dass bei dem, was wir als Bewusstsein bezeichnen, ebenfalls nur derjenige Anteil erkennbar wird, welcher dem episodischen Gedächtnisbereich zuzuordnen ist. ´Bewusstsein´ könnte aber auch in anderen, nicht selbstbeobachtbaren Gedächtnisbereichen vorhanden sein. D.h. man müsste ´Bewusstsein´ völlig neu definieren – möglicherweise können die Gehirnfunktionen sogar rein mechanistisch (ohne Bewusstsein) erklärt werden.

  69. Die Leiter zum Bewusstsein: Speicher

    Zunächst erstmal sehr interessante Diskussionen, die es hier in der Blogosphäre gibt 🙂

    Schließe mich KRichard in den wesentlichen Punkten an.

    Wir können vom Prinzip her genauso selbst wahrnehmen, wie ein Stein es tut. Der entscheidende Unterschied vom Mensch zum Stein ist einfach, dass der Mensch wesentlich komplexer ist und einen größeren Speicher hat als ein Stein. Außerdem ist der Menschliche “Speicher” wesentlich flexibler als der von einem Stein, man kann schnell Daten lesen, verändern und löschen. Aber ein Stein speichert auch Informationen über seine Vergangenheit. Durch das Rollen am Berg hat er sicher einige Splitter verloren. Und wenn man überlegt, wie Geologen Informationen über die Erdgeschichte rekonstruieren, kann ein Stein noch weitaus mehr Informationen speichern. Aber für ein Bewusstsein kann man den Speicher einfach nur nicht schnell genug verändern.

    Das komplexere Beispiel mit den Metallen, die ihren Zustand merken können, kam ja schon. Einfacher ist z.B. ein Blatt Papier. Man kann es einmal knicken und wieder auffalten. Aber es ist immer noch sichtbar, dass jemand mal das Blatt geknickt hat. Aber auch das Blatt kann sich nicht selbst wahrnehmen.

    Gehen wir nun eine Stufe weiter in Richtung Komplexer Mensch: Ein Bakterium ist immerhin schon ein Lebewesen. Ich vermute mal, dass es sich selbst nicht wahrnehmen kann. Aber Bakterien haben auch Informationen über die Vergangenheit – sie liegt dann hauptsächlich in der DNA. Die DNA ist ein komplexerer Datenträger mit viel Speicher. Daher “weiß” das Bakterium, wie es sich vermehrt und den Stoff wechselt.
    Aber die DNA ist nicht flexibel, man kann sie nicht in Echtzeit verändern (vllt doch – Epigenetik?).

    Die Nächste Stufe wären dann Tiere. Zusätzlich zur DNA besitzen sie einen flexiblen Speicher – das Gehirn. Hier bildet sich die Grenze, denn es gibt Tiere, die können sich wie der Mensch im Spiegel selbst wahrnehmen, und andere, die können es nicht. Das hängt von der Leistungsfähigkeit des Gehirns ab.

    Dennoch nimmt sich der Mensch nicht direkt selbst wahr. Sondern sein Gehirn erzeugt ein Objekt, dass verschiedene Eigenschaften. Z.B. gibt es Körperteile, die allgegenwärtig sind und das Gehirn kann ihnen Befehle erteilen. Es gibt auch Körperteile, auf die das Gehirn keinen Einfluss hat (die von den anderen Menschen). Dann gibt es in diesem Körper Organe, die das Gehirn mit Energie versorgen, von denen das Gehirn also offensichtlich abhängig ist und es dafür sorgen muss, dass diese Organe zuverlässig Arbeiten.
    Aber das Gehirn muss auch wissen, wann ein Befehl erfolgreich ausgeführt ist (Für die Coder: analog zum return-Befehl in einer Methode). Dafür gibt es dann die Sensoren und somatische Nervenzellen. Als Feedback gibt es dann Schmerz und Hunger (Die Fehlermeldungen des Menschen). Damit Fehlermeldungen zum einen Beheben des Fehlers führt, müssen sie mit etwas Negaivem assoziiert werden. Deshalb ist Schmerz ein unangenehmes Gefühl.
    Dieses Objekt entspricht dann dem Selbstbild.

    Aber genau wie bei dem Stein, gibt es auch Sachen, die der Mensch nicht über sich selbst wahrnehmen kann. Z.B. gibt es kein Feedback bei einer inneren Blutung oder bei Krebs oder AIDS. Das tut nicht weh, weil Schmerz da keinen Sinn macht, weil der Körper oder das Gehirn den Fehler nicht beheben kann. Auch UV-, oder Röntgenstrahlen sind teil unserer Realität, aber wir nehmen sie nicht wahr.
    Trotzdem wissen wir, dass es sie gibt, weil es Phänomene gibt, die wir ohne sie nicht erklären können (Sonnenbrand). Wir nehmen also nicht das Objekt selbst, sondern nur seine Auswirkungen wahr. Wir nehmen auch nicht den Tisch direkt wahr, sondern nur seine Auswirkungen auf das Licht (einige Wellenlängen werden absorbiert).

    Der Unterschied zwischen Stein und Mensch liegt nach meiner These also lediglich in der Größe und Schreib-/Lesegeschwindigkeit des Speichers, die nötig ist um die Illusion von Realität und dem “Ich” entstehen zu lassen. Wenn das so ist, bedeutet das auch, dass Computer irgendwann ein Bewusstsein entwickeln könnten. Ein Gedanke, mit dem ich mich nicht so recht anfreunden kann, aber hat jemand ein Argument dagegen???

  70. Stein

    Nimms pragmatisch: Ohne Vergangenheit gäbs die Gegenwart nicht. Die Vergangenheit steckt in der Gegenwart drin – nichts geht verloren oder bleibt übrig oder fällt weg. Und mit der Zukunft ist es dann wieder dasselbe, wenn es soweit gekommen ist. Wer hätte je gesehen, dass jemals etwas einfach weg ist? Außer Lebensenergie. Die ist dann einfach weg.

  71. diese Fragen

    Hallo, das sind wundervolle Gedanken. Ich empfehle, falls es nicht schon einer getan hat, habe die andern K nicht gelesen, “Strukturphänomenologie” von Herbert Witzenmann. Da werden Sie diese Problematik auf sehr hohem Niveau behandelt finden. Er ist sehr schwer, aber sehr lohnenswert. Gruß, Wilfried

  72. Auch ich glaube an den Dualismus:

    “Ist der Mensch eine Maschiene.”
    Fertige 22 Seitige PDF Datei.
    Mit ähnlichen Ideen.
    http:\\marc-stimm.npage.de

  73. Ein Gedankenexperiment

    Hallo Herr Hoppe,

    ich weiß nicht, ob Sie derzeit noch die Frage beschäftigt, die Sie mit diesem Beitrag seinerzeit “ins Rollen” gebracht haben…

    Auch weiß ich nicht, ob Ihnen und Ihren Mitdiskutanten bewusst ist, dass eine von m. E. zwei möglichen Antworten einen Leib-Seele-Dualismus erzwingt, die andere einen absoluten Materie-Determinismus. Ich möchte zunächst die letztere Möglichkeit kurz skizzieren:

    Alle Erinnerungen, die wir machen können, erinnern wir im Jetzt. Alle Erinnerungen, die wir machen können, finden zudem in unserer “Qualia” statt, also im subjektiv-geistigen Bereich (den Begriff Qualia möchte ich hier als von den rein physikalischen Gehirnvorgängen unterschiedenen Bereich verwenden). Inwiefern diese Erinnerungen zeitgleich auch noch isomorph im jetzigen Gehirn stattfinden, also von korrelierenden 1:1-Gehirnzuständen “erzeugt” werden, ist eine spannende Frage. Nehmen wir daher einmal an, all unsere geistigen Aktivitäten im Jetzt sind tatsächlich von den in dieser Aktivitäts-Zeitspanne vorhandenen Gehirnaktivitäten und von sonst nichts erzeugt. Das würde bedeuten, dass all unsere Erinnerungen (wie auch all unsere sonstigen Geistesaktivitäten, Gedanken, Vorstellungen, Imaginationen etc.) einem strengen Determinismus auf der physikalischen/biomolekularen Ebene (=Gehirn) folgen.

    In der Außenansicht, also wenn ich mir z.B. einen Schädel mit teilweise sichtbarem Gehirn vorstelle, wobei letzteres gerade von einem Zustand x in einen Folgezustand y wechselt, könnte man durchaus meinen, dass der absolute Determinismus plausibel ist. Wenn es sich aber beim Zustand y um einen Erinnerungseindruck handelt, wird es m. E. sehr schwierig, diesen Eindruck als nur vom Zustand x veranlasst aufzufassen. Denn wie wäre dann zu erklären, dass meine Erinnerungen, beispielsweise im Gespräch mit anderen, die an meiner Vergangenheit teilhatten, konsistent sind mit deren Erinnerungen? Wie wäre es zu erklären, dass in solch einem Gespräch überhaupt zum richtigen Zeitpunkt Zustand x in den konsistenten Erinnerungszustand y übergeht?

    Die zweite Möglichkeit, Ihre Frage zu beantworten, hat wieder mit dem alten Problem zu tun, warum ein Organismus überhaupt Qualia benötigt, wenn doch diese Qualia in weiten Teilen nicht situationsbedingt auf die Außenwelt reagieren kann, – da sie ja samt und sonders determiniert ist. Freilich, diese Qualia wird zwar von der Außenwelt teilweise tatsächlich situationsbedingt determiniert (geformt), durch Sinneseindrücke, Erziehung und wichtige Informationen, die wir, bewusst oder unbewusst verarbeiten. Jedoch, – den verschollenen Bruder beispielsweise, der mir bis dato unbekannt war, mir aber bei meinem
    Urlaub in Amerika zufällig begegnet und Zeugnis von unserem Geschwistersein ablegen kann, – diese Konsistenzen kann mir auch der radikale Determinismus nicht erklären.

    Wenn alle existierenden Gehirne und die dabei auftreten könnenden Erinnerungen lediglich vom *physikalischen* Vorgängerzustand x determiniert sind, ist es schon bei zwei Gehirnen, die sich in oben geschilderter Weise treffen, sehr merkwürdig, dass beide Gehirne konsistente Erinnerungen hervorbringen sollten (von den anderen konsistenten Beweisen für eine gemeinsame Vergangenheit ganz zu schweigen). Mit dieser Skizzierung ist hoffentlich das Hauptproblem eines absoluten physikalischen Determinismus klar geworden.

    Um es gleich zu sagen, ich glaube nicht an diesen Determinismus, und wenn es ihn nichtsdestotrotz geben sollte, so würde ich mich freuen, wenn ich für die nahe Zukunft dazu determiniert sein würde, wissen zu dürfen, wie der Determinismus die Konsistenz des alltäglichen, menschlichen, aber auch technischen Informationsaustausches bewerkstelligt – und warum ich fähig sein sollte, einigermaßen hier auf das Thema einzugehen…

    Die für mich plausibelste Erklärung ist, dass nicht nur das physikalische Gehirn auf die Qualia-Inhalte Einfluss hat, sondern die Qualia-Inhalte ebenso auf die Zustände des physikalischen Gehirns. Hierbei hilft es dem überzeugten Deterministen m. E. auch nicht, wenn er einwendet, dass man das möglicherweise so auffassen könnte, dass *nicht* “Qualia-Inhalte” die Zustände des physikalischen Gehirns beeinflussen, sondern *physikalische Zustände innerhalb des Gehirns* andere Gehirnbereiche beeinflussen, so dass an letzteren situationsbezogene “Erinnerungs-Qualia” entstehen kann. Damit würde man aber wieder in der gleichen Falle des Determinismus landen, der offenbar fähig sein soll, wie angegossen die richtigen Qualia-Inhalte zum richtigen Zeitpunkt zu erzeugen. Woher soll ein physikalischer Gehirnteil nun wissen, welche Qualia-Erfahrungen der andere Gehirnteil gerade – nämlich aus logischen und Konsistenzgründen – dringend benötigt? Und müsste nicht der Gehirnteil, der einen anderen modifizieren können sollte, nicht erst einmal selbst – aufgrund seiner Determinierung – modifiziert werden (um die „richtigen“ und konsistenten Impulse für den wiederum anderen Gehirnteil setzen zu können)? Ein Unterteilungsversuch des Gehirns, wie gerade unternommen, würde in einen unendlichen logischen Regress führen. Zur Erinnerung: Absoluter Determinismus heißt, ein beliebiger Anfangszustand in der Vergangenheit (des Gehirns) bestimmt alle Folgezustände (dieses Gehirns). Daher erscheint es mir sinnvoller, Qualia-Inhalte und physikalische Gehirnvorgänge nicht gänzlich als ein und dasselbe aufzufassen. Was meinen Sie?

  74. Can you repeat the question?

    Christian Hoppe schrieb (4. Februar 2009):
    > […] folgende Frage:
    > Man stelle sich vor, wie ein Stein einen Berg hinunter rollt. Der Stein sieht nichts, weiß nichts von seinem Ort, noch weniger von seinem früheren Ort, bevor er ins Rollen geriet, und er hat deswegen auch keine Empfindung einer Bewegung (oder überhaupt nur einer Veränderung); er wüsste auch nicht, wenn er sich nicht bewegt hätte.
    > Ich aber beobachte das Rollen des Steins […]

    Grund genug, zumindest auch eine Versuchsanordnung in Betracht zu ziehen, in der auch “der Stein Empfindungen sammelte”; insbesondere,

    – dass nicht all seine unterscheidbaren Bestandteile niemals in Kontakt mit “Bestandteilen der Oberfläche des Berges” gewesen wären, und

    – dass nicht all seine unterscheidbaren Bestandteile stets und ununterbrochen in Kontakt mit “Bestandteilen der Oberfläche des Berges” gewesen wären, und

    – dass seine Bestandteile, die in Kontakt mit “Bestandteilen der Oberfläche des Berges” kamen, nicht “alle auf einmal damit in Kontakt wesen wären”.

    > obwohl ich, streng materialistisch gedacht, prinzipiell nicht etwas völlig anderes als ein Stein bin

    Erst recht ein Grund, dem Stein (bzw. sogar jedem seiner identifizierbaren Bestandteile) im Prinzip nicht weniger zuzugestehen, als einem selbst.
    Und ebenso natürlich den identifizierbaren Bestandteilen des genannten Berges.

    > Was aber ist nun die physische Wirklichkeit?

    Das, worauf sich die unmittelbar Beteiligten einigen könnten; so, dass es alle anderen Beteiligten nachvollziehen könnten (falls sie die erforderlichen beobachterischen Fähigkeiten gehabt hätten).

    > Ist sie nicht die je jetzige Konstellation aller Elementarteilchen und der Wechselwirkung ihrer Kräfte genau jetzt?

    Sicherlich kann man jeweils einem einzelnen Beteiligten zumindest im Prinzip zugestehen, unterscheiden zu können, welche “Empfindungen” er/sie/es in Koinzidenz sammelte, und welche “hintereinander” (oder auch, welche “erst allmählich”).

    Aber “Empfindungen“, die bei nur genau einem Koinzidenzereignis gesammelt worden waren, erlauben keine Schlussfolgerungen darüber hinaus, dass dieses eine Koinzidenzereignis stattgefunden hatte (z.B., dass eine bestimmter Bestandteil der Steinoberfläche und ein bestimmter Bestandteil der Bergoberfläche sich getroffen hatten).

    Es ließen sich allein daraus noch gar keine Feststellungen hinsichtlich Kinematik treffen (z.B., dass sich die genannten Bestandteile überhaupt wieder voneinander getrennt hätten; ganz zu schweigen vom “Rollen des Steins“); und erst recht nicht hinsichtlich Dynamik (also dass der Stein “hinunter” anstatt “hinauf” oder “auf konstanter Höhe” gerollt wäre; ganz zu schweigen von “Kräften“).

    > […] müsste eine derzeitige Bewahrung früherer Hirn- bzw. Weltzustände *als vergangenen Zuständen* im je gegenwärtigen Gehirn angenommen werden.

    Sicher — das nennt man “Gedächtnis”.
    Es erlaubt jedem (entsprechend befähigten) Beteiligten (“A”) z.B. sich einzelner seiner Zustände bzw. (Signal-)Anzeigen zu erinnern und in diese in entsprechenden Ping-Echos anderer Beteiligter (u.a. “B”) wiederzuerkennen.
    Und genau diese Fähigkeit ist natürlich die Grundlage zu Feststellung von geometrischen Beziehungen zwischen Beteiligten gemäß RT; vgl. http://wikilivres.ca/wiki/Zur_Elektrodynamik_bewegter_K%C3%B6rper#§1