Quanteneffekte in biologischen Systemen – keine Überraschung

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Gedanken eines Experimentalphysikers
Quantenwelt

In einem lesenswerten Hintergrundartikel bei Spektrumdirekt zum Thema Quantenbiologie beschreibt Maike Pollmann einige neuere Forschungsergebnisse zu nichttrivialen Quanteneffekten in der Biologie. Diese Forschung, als Beispiele werden die Lichtverwertung in der Fotosynthese und die Orientierung von Vögeln im Magnetfeld der Erde genannt, ist zweifellos sehr interessant und förderungswürdig. Aber ist die Existenz von Quantenprozessen hier überraschend? Die Antwort ist nein!

Moderne Zellbiologie versucht die biologischen Vorgänge immer bis auf das molekulare Niveau hinunter zu verstehen. Es ist völlig undenkbar, zellbiologische Vorgänge ohne Bezugnahme auf einzelne aktive Moleküle zu verstehen. Die Funktionsweise von Molekülen ist aber immer quantenmechanisch. Ohne Quantenmechanik lässt sich nicht einmal verstehen, wie ein Atom stabil sein kann und warum die Elektronenzahl in einem Atom seine Bindungseigenschaften bestimmt. Es gibt kein klassisches Modell für die Atombindungen im Molekül. Molekülphysik ist Quantenmechanik.

Lichtsammelkomplexe in Zellen sind erstaunlich effizient. Ein Makromolekül absorbiert Licht in seinem Farbzentrum und leitet den elektrischen Impuls, die dabei gewonnene Energie zuverlässig an das Reaktionszentrum weiter. Dort wird die Energie für die Zelle nutzbar gemacht. Der Artikel beschreibt ein paar Forschungsergebnisse zu diesem Vorgang. Interessant ist hierbei, dass die Verschränkung des angeregten Zustands offenbar langlebiger ist als viele Forscher bisher angenommen haben. Nicht überraschend ist dagegen, dass hier die Wellennatur des Elektrons wichtig ist und dass das Elektron nicht lokalisiert ist. Das ist in Molekülen immer so.

Spannend ist auch die Forschung zu den Magnetfeld-Rezeptoren in den Schnäbeln einiger Zugvögel. Auch hier vermuten die Forscher Rezeptormoleküle, die mit Hife von Spin-abhängigen Anregungen einzelner Moleküle schwache Magnetfelder spürbar machen. Auch hier ist es nicht erstaunlich, dass nichttriviale Quantenprozesse im Spiel sind. Was soll es denn sonst sein? Klassisch gibt es gar keinen Spin.

Interessant ist diese Forschung nicht, weil die bloße Existenz von Quantenphänomenen in Biomolekülen neu wäre. Es wäre viel mehr eine Sensation, wenn hier keine Quantenmechanik ins Spiel käme.

Die Forschung ist wissenschaftlich interessant, weil man wissen möchte, welche Prozesse für den Energietransport in der Molekülen entscheidend sind und wie man den Vorgang berechnen kann. Weil man die Details der Magnetfeld-Sensoren der Vögel verstehen möchte und wissen möchte, wie ein Molekül, wie eine Zelle gebaut sein muss, um als Magnetsensor funktionieren zu können.

Wirtschaftlich ist die Forschung interessant, weil die effiziente Konvertierung von Sonnenenergie in chemische Energie helfen kann, die Energieversorgung in Zukunft zu sichern. Weil quantenmechanische Magnetfeldsensoren in Navigationsgeräten und Datenspeicherung von großer Bedeutung sind. Dass diese Prozesse “mit allen Quantenmitteln” erfolgen ist trivial. Wie denn sonst?

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Joachim Schulz ist Gruppenleiter für Probenumgebung an der European XFEL GmbH in Schenefeld bei Hamburg. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann in der Quantenoptik, in der er die Wechselwirkung einzelner Atome mit Laserfeldern untersucht hat. Sie führte ihn unter anderem zur Atomphysik mit Synchrotronstrahlung und Clusterphysik mit Freie-Elektronen Lasern. Vier Jahre hat er am Centre for Free-Electron Laser Science (CFEL) in Hamburg Experimente zur kohärenten Röntgenbeugung an Biomolekülen geplant, aufgebaut und durchgeführt. In seiner Freizeit schreibt er zum Beispiel hier im Blog oder an seiner Homepage "Joachims Quantenwelt".

5 Kommentare

  1. Wissenschaft ist immer spannend

    Es ist gut solche “Schlagzeilen” zu entlarven. Denn Wissenschaft ist eigentlich immer spannend und bedarf der Fokussierung auf gehypte Themen nicht.

    Allerdings muss ich zugeben, dass solche Verdichtungen ganz schnell passieren, mir sicher auch.

    Wissenschaftler, einerseits, unterliegen schlicht der Gefahr betriebsblind zu sein, gerade auf dem Marketing-Auge. Anderseits, “Journalisten sind ökonomisch abhängig und müssen noch andere Aspekte bedienen als nur die Erfordernisse des Themas” (Zitat Lars, Kommentar in seinem Tipps Blog).

    Die angesprochenen Forschungsfelder sind schlicht wirklich spannend.

  2. Quantenmagie+Biologie, nicht Chemie

    Quanteneffekte auf molekularer Ebene werden als Quanteneffekte in biologischen Systemen verkauft. Warum wohl? Es gibt einige Gründe dafür:

    -Der Quantentheorie haftet ein gewisser Zauber an und diese Magie in lebenden Systemen am Werk zu sehen gibt auch der Biologie etwas von dieser Magie und hebt sie – meinen viele – über den reinen Determinismus hinaus. Sogar ein Mathematiker/Phyisiker wie Roger Penrose postuliert in seinem Buch The Emperor’s New Mind, Quanteneffekte müssten in unserem Gehirn am Werk sein, denn nur so sei zu erklären, dass wir zu nicht algorithmischen Denken fähig sind. Zitat aus Rezension: In diesem Buch versucht Penrose, auf Grund der Quantentheorie, der Gödelschen Logik und der künstlichen Intelligenz eine Physik des Bewusstseins herzuleiten. Eine zentrale Rolle spielt dabei das eigentümliche Konzept einer Quantenkohärenz in den Mikrotubuli des Zytoskeletts

    -Der Artikel in Spektrum direkt wendet sich an wissenschaftsinteressierte Laien. Nicht alle Wissenschaften lassen sich aber an Laien gleich gut “verkaufen”. Gut weg kommt die Physik. Zur Allgemeinbildung gehören Namen wie Netwon, Einstein, Bor, Heisenberg, Feynman, Dirac und jeder Wissenachaftsinteressierte wird wohl mindestens ein Buch einer der Autoren Lisa Randell, Brian Greene oder Stephen Hawking kennen. Wer aber kennt mehrere prominente Chemiker. Mir fällt nur gerade Arrhenius und Dalton ein, Marie Curie und Paul J. Crutzen, die beide den Nobelpreis für Chemie erhalten habe, ordne ich eher bei den Physikern ein. Chemie stinkt und knallt – so wird vom Chemielehrer geworben – aber ihr werden keine grundlegenden Erkenntnisse zugetraut.

    -Obwohl auch die Biologie wenig grundlegendes bietet, stossen gewisse biologische Themen wie DNA, Genetik, synthetische Biologie oder Neurobiologie auf breiteres Interesse, weil der Bezug zum Menschen und zu unserer Zukunft besteht.

    Fazit:
    -Eine Kombination von exotischer Physik (Quanteneffekte) und Biologie, das ist ein Hingucker. Doch mindestens was der physikalische Teil betrifft verbirgt sich dahinter auch ein bewusst und gut gepfleger Irrtum: Die Quantentheorie mag zwar exotische Effekte zu verantworten haben, aber sie adelt unsere Existenz in keiner Weise. Tao und Physik ist Mumpitz! (siehe http://de.wikipedia.org/…apra#Das_Tao_der_Physik)
    -Chemie hat’s schwer. Wir denken bei Chemie an Pharmazie und allenfalls an Unfälle (http://www.gutefrage.net/…ie-so-negativ-behaftet)

  3. “Quantum Mechanics in Biology”

    Hier eine info über einen Vortrag dazu am Perimeter Institute. Unabh. vom Thema sieht die dort verlinkte Seite sehr interessant aus.

  4. Pingback:Quantenphysik und das Leben | Quantenhomöopathie nach Hahnemann

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