Planck – Blick aufs junge Universum

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Die Obsession der Menschheit für Kinderbilder überspannt alle Bereiche des menschlichen Schaffens. An einem Ende der Skala findet man die Agonie der Sonntagnachmittage mit Fotoalben einer kompletten Sippschaft (schlimmstenfalls sogar der eigenen), auf der anderen Seite reiten zwei Tonnen High-Tech an  der Spitze des modernsten Feuerwerkskörpers der Welt Richtung Erdumlaufbahn, um die Geburt des Universums zu fotografieren. Gestern hat eine Ariane 5 ECA den Satelliten Planck auf den Weg zum Lagrange-Punkt L2 gebracht, den erfolgreichen Start habe ich mir auf Einladung von Andreas Schepers bei ESOC in Darmstadt angeguckt.

 

Abbildung: ESA

Das Universum entstand vor über 13 Milliarden Jahren unter bislang ungeklärten Umständen.  Etwas zu sehen gab es allerdings erst als das Weltall kühl genug war, dass sich Strahlung und Materie entkoppelten: Elektronen und Protonen zogen gemeinsam weiter, während die Photonen ihren eigenen Weg gingen. Mit sich tragen sie jedoch das Abbild ihrer gemeinsamen Vergangenheit mit der Materie, aus einer Zeit, in der die einzigen Unregelmäßigkeiten auf die Entstehung der Welt selbst zurückgingen. Eingeprägt in den Mikrowellenhintergrund sind die ersten Schallwellen, die das frühe Universum durchliefen.

Dieser Nachhall des Urknalls veränderte die Dichte einzelner Regionen nur um Millionstel, aber dennoch genug, um gigantische Raumbereiche fast leer zurückzulassen und die Materie in Klumpen, Netzen und Filamenten zu sammeln. Und in einem dieser Klumpen, dem Virgo-Superhaufen, versuchen einige seltsame Kreaturen herauszufinden, warum das so ist. Antworten verspricht der Schnappschuss des frühen Universums, den die allerersten freien Photonen bis heute mit sich herumschleppen.

Keep it cool!
Bemerkenswert an Planck ist vor allem die Kühltechnik. Der Hochfrequenzempfänger von Planck enthält keine Mikrowellenantennen, sondern einen Array aus 52 Bolometern, die die eintreffende Strahlung in Wärme umwandeln. Damit man auf diese Weise eine Temperatur von 2,7 Kelvin messen kann, müssen die Sensoren noch mal ein ganzes Stück kälter sein – ein Zehntelgrad über dem absoluten Nullpunkt. Laut ESA ist der Planck-Detektor damit möglicherweise der kälteste Ort im Weltall.

Da vermuten die Leute zwar falsch (Tieftemperaturphysiker arbeiten mit Temperaturen im Bereich von Tausendstel Kelvin), trotzdem muss man einen erheblichen Aufwand treiben, um diese tiefen Temperaturen dauerhaft zu erreichen. Zwischen dem auf die Sonne gerichteten Servicemodul und dem eigentlichen Teleskop liegen drei Hitzeschilde, die Wärmestrahlung aus der Elektronik von den anderen drei Kühlstufen abhalten. Die nächsten beiden Kühlstufen basieren auf der Expansion von Wasserstoff und Helium. Diese beiden Kreisläufe reduzieren die Temperatur auf unter 5 K – das natürlich ohne störende Vibrationen.

Die letzte Kühlstufe ist ein Verdünnungskühler, der auf dem bizarren Verhalten ultrakalter Materie basiert. Die Bolometer der Planck-Hochfrequenzsensoren baden in Helium-4. Wenn man das mit Helium-3 verdünnt, verhält es sich wie ein Gas, das in ein Vakuum hineinexpandiert – und kühlt sich ab.

Das System muss nicht nur ultrakalt sein, die Temperatur darf zusätzlich nur sehr wenig schwanken. Deswegen bestehen die Leitungen aus einem Material mit geringer Wärmeleitfähigkeit, zusätzlich puffert ein passiver Filter mit sehr hoher Wärmekapazität weitere Schwankungen ab. Das ganze ist ein bemerkenswertes Stück High-Tech, umso mehr, wenn man bedenkt, welche Belastungen der Sensor beim Start zu überstehen hat.

Die Bedeutung des Multipolspektrum
Der High-Tech-Satellit Planck tritt die Nachfolge des Satelliten WMAP an, der seit 2001 die Hintergrundstrahlung vermisst und seither bereits einige wesentliche kosmologische Eckdaten festgeklopft hat: Das Alter des Universums, seine Geometrie und seine ungefähre Zusammensetzung konnten Forscher aus dem Multipolspektrum der Hintergrundstrahlung erschließen.

Trägt man den Unterschied zwischen zwei beliebigen Punkten gegen den Winkelabstand auf, erhält man ein Spektrum der Fluktuationen der Hintergrundstrahlung. Die Entfernungen zwischen den Regionen mit großen Dichteunterschieden hängen von den Wellenlängen der Schallwellen im frühen Universum ab. Der erste Peak kennzeichnet die längste Schwingung, die zu jener Zeit im Universum gerade noch möglich war – der Grundton. Dann kommen die Obertöne.

Dieses Spektrum der Hintergrundstrahlung lässt sich dementsprechend durch die Überlagerung von Schwingungsmoden beschreiben, die man Multipole nennt. Sind der höchste und der tiefste Punkt der Schwingung am Himmel 180 Grad voneinander entfernt, spricht man von einem Dipol (weil es genau zwei Extremstellen gibt), beim Quadrupol liegen sie 90 Grad auseinander, beim Octopol… und so weiter. WMAP konnte das Spektrum bis etwa zum 800. Multipol zufriedenstellend auflösen.

Mit dem Universum ist es jedoch wie mit jedem anderen Musikinstrument: Der Grundton selbst verrät nicht so wahnsinnig viel. Um herauszuhören, um was für ein Instrument es sich handelt, wie der Ton erzeugt wird und aus welchem Material der Klangkörper ist, braucht man das komplette Obertonspektrum.

Das WMAP-Spektrum zeigt  bereits den Grundton und die ersten beiden Obertöne, bei kleineren Winkelentfernungen jedoch war die Darstellung noch zu unscharf. Planck dagegen hat das dreifache Auflösungsvermögen von WMAP und ist dank seines fast doppelt so großen Hauptspiegels eine Größenordnung lichtstärker als sein Vorgänger. Mit dieser Ausstattung wird Planck nach ESA-Angaben das Spektrum bis zum 2500. Multipol präzise ausloten.

Auf dieser Datenbasis lassen sich dann hoffentlich weitere Aussagen über Urknall, das inflationäre Universum und die dunkle Energie machen. Kosmologen hoffen, dass sich die verschiedenen Modelle für den Ablauf der Inflation auf diese Weise voneinander unterscheiden lassen. Möglicherweise findet man im Obertonspektrum auch Hinweise auf Phasenübergänge im frühen Universum oder gar die Existenz von Superstrings, magnetischen Monopolen und anderen exotischen Phänomenen.

 

4 Kommentare

  1. Ein solider Beitrag

    Planck genießt sehr viel Aufmerksamkeit. Wäre es nicht lohnend, über andere Experimente zur kosmischen Hintergrundstrahlung zu berichten, z.B.:

    “The Atacama B-mode Search (ABS) is a new experiment designed to characterize the polarization of the cosmic microwave background (CMB) to unprecedented levels at degree angular scales, where the signature of primordial gravitational waves from an inflationary epoch in the early universe is expected to peak. … ABS is currently scheduled to begin observation in the Atacama Desert of Chile in late 2009.”

  2. Naja…

    So wahnsinnig prominent ist Planck nun auch wieder nicht, das hängt vor allem an der PR im Zusammenhang mit dem Starttermin. Da wird es sehr schnell wieder still drum werden. Ich persönlich finde ABS auch deutlich weniger spannend, aber das ist natürlich reine Geschmackssache.

    Wenn ABS leistet was es verspricht, wird es auch jede Menge Aufmerksamkeit bekommen.

  3. “Klangkörper”

    Ein sehr einprägsames, insofern gelungenes Bild, das mir einen Teil meines fehlenden Verständnisses bewußt gemacht hat.
    Dumm gefragt:
    Wie sollen Isotrophie und Homogenität in Eins gehen? Wenn jeder Raumzeitpunkt eine individuelle “Historiographie” hat – so versteh’ ich Isotrophie – dann ist nicht zu erwarten, daß ein Zusammenhang der Naturgeschichte (Homogenität) dieser (beweglichen) Punkte durch einfache räumliche Transformationen abgebildet werden können. Folglich könnte es dann kein einheitliches “Alter” eines “Universums” geben – außer für Photonen, evtl. Neutrinos – und die Klumpen, Netze und Filamente der (scheinbaren) Materieverteilung sowie die von irgendeinem Punkt räumlich ungleich erscheinende Hintergrundstrahlung keine Maßgabe für eine universelle Struktur und Geschichte. Umgekehrt wären Transformationen der Beobachtungen von irgendzwei raumzeitlichen Punkten aus Maße für naturgeschichtliche Zusammenhänge zwischen diesen Punkten, nicht aber für solche zwischen den jeweiligen Punkten und einem “Universum”.
    Oder spinn ich jetzt total?

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