Auf, auf: Spurensuche im Galekrater

Schon fast hört man ihn mit den Hufen scharren. Curiosity steht wohlbehalten im Staub des Mars, nach einem 8-monatigen Flug durchs All und einem 7-minütigen Ritt durch die Atmosphäre heute früh. Das Fahrzeug wird in den nächsten Tagen in Betrieb genommen. Seine Mission soll mindestens zwei Erdjahre dauern – die Energie könnte auch fünfmal länger reichen. Das Mars Science Laboratory ist streng genommen ein Mars Geoscience Laboratory – und steht an den Füßen des wohl herausragensten Stücken Erde auf dem Mars.

Auf einem Planeten weit von uns allen entfernt, in einem staubig-roten Krater, am Rand eines gewaltigen Bergs steht: ein ferngesteuertes Auto. Heute früh wurde es dort abgesetzt, mit einer wahnwitzigen raketengetrieben Krankonstruktion. Und nun wartet es auf die erste Befehle. (Bild: maraker/flickr, CC-BY-NC-ND 2.0)
Auf einem Planeten weit von uns allen entfernt, in einem staubig-roten Krater, am Rand eines gewaltigen Bergs steht: ein ferngesteuertes Auto. Heute früh wurde es dort abgesetzt, mit einer wahnwitzigen raketengetrieben Krankonstruktion. Und nun wartet es auf die erste Befehle. (Bild: maraker/flickr, CC-BY-NC-ND 2.0)

Nicht nur auf dem Mars haben Geologen ein Problem. Auch irdische Gesteine sind nicht überall gleich mitteilsam. Oft sind interessante Ereignisse im Sedimentbericht verschüttet – etwa das Massensterben vieler Arten, das sich nur in dünnen, kaum millimeter dicken Tonschichten mitteilt. – Oder massive Klimaveränderungen. Solche Schichten enorm wichtig für unser heutiges Bild unserer Planetengeschichte – und Geologen suchten Jahrhunderte nach ihnen. Sie sind heute umzäunt, markiert – und werden von geologischen Institutionen als Golden Spikes für die Nachwelt erhalten.

Auch der Galekrater könnte so ein Golden Spike sein. Vielleicht der beste, den wir auf dem Mars bisher kennen.

Galekrater im Dämmerlicht (ESA/DLR/FU Berlin/G. Neukum)
Galekrater im Dämmerlicht (ESA/DLR/FU Berlin/G. Neukum)

In seiner Entstehungszeit war auf dem Mars geologisch eine Menge los. Im Noachian (4,1 bis 3,7 Milliarden Jahre) entstanden vermutlich die meisten Netzwerke großer Flusstäler, vielleicht sogar Seen und kleine Meere. Das folgende Hesperian (3,7 bis 3,0 Milliarden Jahre) war zwar trockener. Aber dank des Vulkanismus gab es immer wieder den Ausbruch größerer Wassermengen.

Der Rest der Marszeit (3.0 Milliarden Jahre bis heute) war langweilig – und der Planet sah immer fast gleich aus. Wenn wir also in die feuchte Vergangenheit blicken wollen, brauchen wir Zugang zu feuchten, längst vergangenen Zeiten. Und zum Galekrater.

Das kann kein Einschlag allein

Aschewolke im Sonnenuntergangslicht (Martin Rietze)
Ein massiver Zentralkegel entsteht – dank Sedimentation und folgender Erosion. (CC-BY-SA Jimmarsmars/Wikimedia Commons)

Schon nach seiner ersten Ablichtung war klar: mit diesem Krater kann etwas nicht stimmen. Er ist rund 3,7 Milliarden Jahre alt und entstand somit in der Übergangszeit zwischen den Zeitaltern Noachian und Hesperian durch einen großen Einschlag. Der war so massiv, dass er ein 150 Kilometer großes Becken formte. In seinem Innern entstand wohl ein kleiner Zentralkegel – was üblich ist bei so großen Impakten. Aber Gales Zentralberg ist ein fünf Kilometer hohes Gebirge, das sogar seinen Kraterwall überragt. Und das ist ungewöhnlich.

Zusätzlich entdeckten Marssonden gewaltige Schichtlagerungen. Sie scheinen fast perfekt horizontal zu liegen und damit deutlich jünger zu sein als der Einschlag. Diese Sedimente müssen also vor langer Zeit im Galekrater abgelagert worden sein. Vermutlich puderten sie nicht nur den Berg ein, sondern bedeckten den gesamten Krater, bis er völlig darunter verschwand.

Und Jahrmillionen vergingen.

Zuletzt legte die Erosion den Krater wieder frei und hinterließ in seinem Innern einen Berg, wo das Sediment am dicksten und damit am härtesten war. In seinem Norden scheint die Erosion stärker gewirkt zu haben und dabei (gut für uns) einen Golden Spike geformt haben, wo ein Großteil der Marsgeschichte auf wenigen Kilometern zugänglich ist.

NASA-Sonden konnten auf dem Berg – der den Namen Aeolis Mons trägt – sieben Terrassen ausmachen, die durch Erosion freigelegten Schichten aus 3,7 Milliarden Jahren Marsgeschichte. Vermutlich sind sie noch unterteilt in feinere Lagen, die zwischen einem und 18 Metern dick sind [1]. Wie sie entstanden ist unklar, Theorien gibt es einige: durch schwankende Pegel eines Sees [2], verschieden stark verwehten Staub, Vergletscherungen oder Vulkanausbrüche.

Spektroskopische Messungen zeigen allerdings, dass gerade im Norden ein Teil der Schichten im Zusammenhang mit Wasser entstanden. Da gibt es Sulfate, die eher steilere Klippen bilden und die (anderswo auf dem Mars) auch schon der Rover Opportunity fand. Sulfate entstehen meist aus Wasser. Und da gibt es Tone, die bisher nur aus dem Orbit vermutet wurden. Kein Rover hat sie je direkt gesehen. Tone sind ein noch deutlicheres Indiz für stehende Gewässer.

Viele Fragen

Es ist nicht klar, ob Tone und Sulfate im Galekrater selbst entstanden. Es ist auch denkbar, dass Transportprozesse (fließendes Wasser, Hangrutschungen oder der Wind) sie in die Gegend brachten. Doch dass Wasser hier eine Rolle spielte, ist unverkennbar – und macht Gale zuletzt auch zum Ziel der Suche nach Lebensspuren. Curiosity hat mehrere Instrumente an Bord, die Gesteine darauf abklopfen können.

Finden sich darin Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Schwefel und Phosphor? – Irdisches Leben braucht alle sechs, um zu funktionieren.

Finden sich darin einfache Biomoleküle wie Aminosäuren? Sie kommen auch im Sonnensystem vor, etwa auf Kometen. Entstehendes Leben hätte einige von ihnen gebraucht.

Zuletzt: Stimmt unsere aktuelle Vorstellung, dass Mars in seiner Frühzeit eine dichte Atmosphäre, stehende Gewässer und rege sprudelnde Flüsse hatte? Einige Forscher sind skeptisch und bezweifeln sogar die Existenz der Tonminerale.

Zumindest diese Frage könnte Curiosity schon bald beantworten.

[1] Miliken, Grotzinger, Thomson: Paleoclimate of Mars as captured by the stratigraphic record in Gale Crater, Geophysical Research Letters 37 (2010)

[2] Cabrol et al: Hydrogeologic Evolution of Gale Crater and Its Relevance to the Extrabiological Exploration of Mars, Icarus 139 (1999)

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https://www.astrogeo.de

Karl Urban wäre gern zu den Sternen geflogen. Stattdessen gründete er 2001 das Weltraumportal Raumfahrer.net und fühlt sich im Netz seitdem sehr wohl. Er studierte Geowissenschaften und schreibt für Online-, Hörfunk- und Print-Publikationen. Nebenbei podcastet und bloggt er.

4 Kommentare

  1. Einschlag-Krater?

    Ich frage mich, ob es sich wirklich um einen Einschlagkrater handelt oder nicht um eine große Caldera, deren Randbereiche und Zentralschlot (wenn auch stark verwittert) erhalten sind. Alleine ein Zentralberg aus stark verfestigten Sedimenten erfordert eine kilometerhohe Überdeckung durch marine Ablagerungen, insbesondere da die Auflast auf dem Mars geringer ist als bei einem vergleichbaren Vorgang auf der Erde. Und die rotatiossymmetrische Auswaschung des Kraters kann eigentlich erst passiert sein, als der Wasserstand relativ niedrig war. Wie soll dabei das Material aus einer Tiefe von mehreren Kilometern abtransportiert worden sein, zumal ein derart tiefes Loch eher die Tendenz zur Verfüllung hat?

    Grübel, grübel,
    Robert

  2. Gale ein Vulkan?

    Ein vulkanische Ursprung ist denkbar, aber gilt in der Literatur als ziemlich unwahrscheinlich. In den metergenauen Orbitbildern von MEX und MRO gibt es nämlich keine Hinweise auf vulkanische Landformen: Lavaströme, Entgasungsdome oder Kegelstrukturen.

    Die Schichten des Sedimentgesteins können natürlich vulkanischen Ursprungs sein, aber die vulkanische Quelle lag wohl weit weg. Immerhin liegen die Schichten ziemlich horizontal.

    Zum im Beitrag diskutierten Modell eines zusedimentierten und dann ausgewaschenen Kraters: Die kilometerdicke Auflast hätte es ja gegeben. Der Kraterrand ist fast so hoch wie der Zentralberg, in seinem Zentrum wäre die Auflast somit am größten und damit auch die Verfestigung des Sediments (mindestens fünf Kilometer tief – das sollte auch auf dem Mars für Gesteinsbildung ausreichen).

    Klingt für mich schlüssig. Curi weiß wohl bald mehr. 🙂

  3. Der Zentralberg…

    ist eben mein Problem. Das Material ist ja bis obenhin ein verfestigtes Sediment. D.h. es haben dort noch ein paar km Material drauf gelegen, so dass der Zentralberg ähnlich resistent gegen Verwitterung ist wie der (“felsige”?) Kraterrand. Das würde aber eine großflächige Sedimentbedeckung bedeuten, außer man nimmt Hebungsprozesse an, die den Gale-Krater um einige km gegenüber seiner Umgebung angehoben haben.

    Naja, in ein paar Jahren wissen wir definitiv mehr.

  4. Würde

    eine Caldera von dieser Größe überhaupt noch kreisrund sein? Auf der Erde entspräche sie mit ihren 150 km Durchmesser einem Supervulkan und dessen Calderen haben üblicherweise unregelmäßige Form, weil die darunter liegenden Magmakammern eben keinem perfekten Kugelsegment entsprechen.

    Die nächste Frage wäre, ob es auf dem Mars überhaupt solch explosive Vulkane gibt oder gegeben hat, dass sie einen solchen Krater aus der Kruste hätten heraussprengen können. Die jetzigen Marsvulkane sind meines Wissens alles Schildvulkane und somit keine des explosiven Typs.

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