Rosenkohl essen um die Eisbären zu retten

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Wissenschaft einfach erklärt
Von Menschen und Mäusen

Wer mich kennt, weiß dass ich total verrückt nach Tieren bin. Vornehmlich nach den kleinen niedlichen, am besten mit ganz viel weichem Fell. Oder welche die bockig sind, Ziegen oder Esel zum Beispiel. Und natürlich alles was ein schickes Muster hat. Der Rest ist auch irgendwie okay.

Beweis: Ich füttere Erdmännchen!
Beweis: Ich füttere Erdmännchen!

Da verwundert es natürlich auch nicht, dass ich jeden Monat an den WWF spende. Auch jeder noch so kleine Betrag kann zum Erhalt unserer Tierwelt beitragen. Spätestens seit dem Film “Unsere Erde” sind Eisbären zum Wappentier der globalen Erwärmung geworden. Das verwundert kaum, denn seit 1979 ist das arktische Eis jede Dekade um etwa 9 % zurückgegangen. Eisbären benötigen Eisschollen zum Jagen von Robben. Dabei legen sie viele Kilometer zurück, üblicherweise auf Packeis und großen mobilen Schollen. Da derzeitige Klimamodelle schon bald fast eisfreie arktische Sommer vorhersagen, werden bis Mitte des Jahrhunderts etwa zwei Drittel der gesamten Nordpol-Population ausgelöscht sein.

Um zu untersuchen wie die Spezies Eisbär auf ihr sich veränderndes Habitat reagieren, hat eine große Gruppe Wissenschaftler aus allen Ländern in den Eisbären beheimatet sind, eine umfassende Populationsgenetik der Polareisbären erstellt. Dabei konnte DNA von über 2500 Tieren gesammelt werden. Um die genetische Diversität einer Population zu untersuchen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. In dieser Studie wurden u.a. mitochondriale DNA (mtDNA) und Microsatelliten DNA zur näheren Bestimmung herangezogen.

Mitochondrien werden von Lehrenden und Wissenschaftsjournalisten gerne als „Kraftwerke“ der Zellen bezeichnet, weil sie das universale Energiemolekül aller Zellen – ATP (Adenosintriphosphat) – bilden. Das interessante an Mitochondrien ist, dass sie von einer Doppelmembran umgeben sind und außerdem ihre eigene Erbsubstanz besitzen, diese wird mtDNA (mitochondriale DNA) im Gegensatz zu gDNA (genomische DNA aus dem Zellkern). Aus diesem Umstand wird die Endosymbiontentheorie abgeleitet. Diese besagt, dass höhere Zellen (eukaryotische Zellen) durch Symbiose mehrere Vorläuferorganismen (prokaryotische Zellen, z.B. Bakterien) entstanden sind. D.h. ein Einzeller mit einer einfachen Membran wird von einem weiteren Einzeller aufgenommen und bekommt dabei seine zweite Membran. Ich hab das Prinzip unten bildlich dargestellt. Die gleiche Vermutung trifft übrigens auch für die pflanzlichen Chloroplasten zu.

Durch Endozytose sind vermutlich die Doppelmembranen von Mitochondrien und Plastiden entstanden.
Durch Endozytose sind vermutlich die Doppelmembranen von Mitochondrien und Plastiden entstanden.

Ein typisches Merkmal mitochondrialer DNA ist, dass sie ausschließlich maternal, also von der Mutter, vererbt wird. Außerdem mutiert mtDNA auf Grund fehlender Reparatursysteme vergleichsweise schnell. Diese beiden Eigenschaften machen mtDNA zu einem gut geeigneten Marker um Verwandtschaften innerhalb von Populationen einer Spezies herauszuarbeiten. Durch den Vergleich identischer und mutierter gDNA verschiedener Individuen untereinander, lassen sich Verwandtschaftsnetzwerke aufbauen. Die können dann z.B. so aussehen, wie im Paper gezeigt.

Durch Vergleich von mitochondrialer DNA wurden diese Evolutionsbäume und Verwandschaftsbeziehungen der untersuchten Eisbärenpopulationen erstellt. Quelle: DOI:10.1371/journal.pone.0112021
Credit: Plos One: 2015 Peacock et al. DOI:10.1371/journal.pone.0112021 CC BY 4.0 Durch Vergleich von mitochondrialer DNA wurden diese Evolutionsbäume und Verwandschaftsbeziehungen der untersuchten Eisbärenpopulationen erstellt.

Microsatelliten wiederum sind kurze sich wiederholende Sequenzen innerhalb der genomischen DNA. Also z.B. sowas hier.

Innerhalb dieser genomischen Sequenz wiederholt sich die Folge CT 18-mal. So etwas wird als Microsatellit bezeichnet.
Innerhalb dieser genomischen Sequenz wiederholt sich die Folge CT 18-mal. So etwas wird als Microsatellit bezeichnet.

Diese Sequenzen können mehrmals im Genom mit unterschiedlicher Länge vorkommen. Wir besitzen jeweils zwei Chromosomen auf denen prinzipiell die gleichen Informationen in Form von Genen etc. hinterlegt sind. Allerdings können verschiedene Varianten ein und desselben Gens hinterlegt sein, diese werden als Allele bezeichnet. Die verschiedenen Allele können unterschiedliche Auswirkungen auf die Zelle bzw. den gesamten Organismus haben. Für unseren Fall ist das jetzt aber erst einmal nicht weiter von Bedeutung.

Die verschiedenen Allele eines Microsatelliten können per PCR analysiert werden. Dazu werden die beiden erhaltenen PCR-Banden über eine Gelelektrophorese aufgetrennt und dann mit denen anderer Proben verglichen. Die erhaltenen Ergebnisse werden gerne quantifiziert und wie auf dem Bild rechts dargestellt. Bei vielen Daten kann die Auswertung so automatisiert von entsprechender Analyse-Software vorgenommen werden. Im Bild unten könnt ihr sehen, dass Vater und Mutter jeweils ein gleiches Allel tragen und das zweite Allel bei beiden verschieden ist. Kind 1 hat jeweils ein Allel der Mutter bzw. des Vaters erhalten und Kind 2 hat von beiden Elternteilen das gleiche Allel vererbt bekommen. In der Analyse ist deshalb nur eine Bande sichtbar.

Durch Vergleich der Größen bestimmter Microsatelliten können Verwandtschaftsbeziehungen hergestellt werden.
Durch Vergleich der Größen bestimmter Microsatelliten können Verwandtschaftsbeziehungen hergestellt werden.

Zurück zu den Eisbären! Hier wurden nur indirekt Verwandtschaftsbeziehungen untersucht. Es ging eher darum herauszufinden wie es um die genetische Diversität innerhalb der verschiedenen Populationen aussieht. Die wurde insgesamt als positiv betrachtet. Außerdem konnte man feststellen, dass es einen Genfluss z.B. aus dem Östlichen Polaren Becken in Richtung des Kanadischen Archipels und zum Westlichen Polaren Becken gibt. Diese Bewegungen entsprechen dem derzeitigen Verlust von Packeis. Es wird davon ausgegangen, dass das Kanadische Archipel und die angrenzenden Bereiche die letzten Gebiete sein werden, in denen es im Sommer und Herbst noch Packeis geben wird.

Das sind aber leider noch nicht alle traurigen Erkenntnisse. Die Wissenschaftler konnten außerdem zeigen, dass die Bären in der kanadischen östlichen Arktis in einem schlechteren körperlichen Zustand waren als ihre Artgenossen und bei einer geringeren Überlebensrate weniger verbreitet waren. Diese Beobachtungen konnten darauf zurückgeführt werden, dass die Eisbären durch das fehlende Eis dazu gezwungen waren mehrere Monate an Land zu fasten bevor sie endlich wieder auf Eisschollen nach Robben jagen konnten.

Ich weiß ja nicht wie es euch dabei geht, aber ich finde das schon sehr bedrückend. Aber natürlich können wir gemeinsam versuchen diese Prozesse aufzuhalten. Habt ihr euch schon mal überlegt wie groß euer individueller ökologischer Fußabdruck ist? Hier findet ihr ein gutes Tool um euch darüber zu informieren. Und in der Zwischenzeit könnt ihr ja mal wieder das Rad nehmen, mit der Bahn anstatt dem Auto fahren, den Eisschrank abtauen und regionales und vor allem saisonales Obst und Gemüse kaufen. Wie wäre es zum Beispiel mal mit Rosenkohl?

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Claudia Davenport hat in Potsdam und Hannover Biochemie studiert und promoviert mittlerweile über Insulin-produziernende Surrogatzellen aus embryonalen Stammzellen zur Behandlung des Diabetes Typ 1. Wenn sie gerade mal nicht im Labor am Durchbruch arbeitet, der die Welt verändern wird, ist sie gerne im Grünen, radelt durch die Gegend oder geht Kaffee trinken.

3 Kommentare

  1. Pingback:Ing Wer? » Von Menschen und Mäusen » SciLogs - Wissenschaftsblogs

  2. Sehr sehr erhellender Artikel, vielen Dank !
    Traurigerweise paßt dazu die Nachricht, die ich kürzlich las (leider vergessen, wo), in der berichtet wurde, daß es für Eisbären fast schon normal sei. 100 km pausenlos zu schwimmen, um Nahrung zu bekommen, der Rekord war 400 km.
    Da stockt der Atem.

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