Blaues Licht ins Dunkel bringen

BLOG: Von Menschen und Mäusen

Wissenschaft einfach erklärt
Von Menschen und Mäusen

Für mich persönlich markiert ein Fernseher im Schlafzimmer ja den Anfang vom Ende. Den Untergang der zivilisierten Welt. Schluss mit der ruhigen Behaglichkeit, Dauerbeschallung zu jeder Tages- und Nachtzeit. In meinem Schlafzimmer haben technische Geräte nichts zu suchen. Eine Ausnahme macht da seit einiger Zeit mein Ebook-Reader den ich tatsächlich sehr ins Herz geschlossen habe. So viele Bücher in einem handlichen Gerät, das sogar noch in die kleinste Handtasche passt.

Seit Neuestem ist das mediale Interesse am negativen Einfluss von blauem Licht auf das Müdigkeitsempfinden erwacht, wobei hier i.d.R. eigentlich der sogenannte circadiane Rhythmus gemeint ist. Mittlerweile gibt es sogar schon eine App die die Zusammensetzung des Bildschirmlichts von Tablets und Handys verändert um das böse blaue Licht loszuwerden.

Unter dem Begriff des circadianen Rhythmus‘ sind die inneren Rhythmen zusammengefasst und speziell meist vom Schlaf-Wach-Rhythmus die Rede. Das ganze Wissensgebiet nennt sich übrigens Chronobiologie. Dabei geht es nicht einfach nur darum ob man gerade schläft oder nicht, es werden vielmehr ganz wesentliche Körperfunktionen gesteuert, z.B. Blutdruck, Herzfrequenz und Körpertemperatur. Wenn ich sehr müde bin, wird mir z.B. immer kalt. Damit bin ich sicherlich nicht alleine. Der Schlaf-Wach-Rhythmus wird maßgeblich von der Verfügbarkeit von Licht beeinflusst. In einem Experiment, in denen Menschen für einige Zeit in einem Bunker lebten, ohne äußere Zeitgeber wie Uhren oder Licht, betrug der Schlaf-Wach-Rhythmus 26 Stunden. Unsere eigentliche innere Uhr weicht also vom dem 24 h Rhythmus, der uns von der Sonne vorgegeben wird, interessanterweise ab. Ich frage mich welchen Sinn das evolutionär machen soll. Aber gut, auch Mutter Natur ist nicht perfekt. Was man daraus ableiten kann, ist, dass unser Körper die Sonne nicht benötigt um den Schlaf-Wach-Rhythmus zu generieren, allerdings wird unsere innere Uhr über externe Stimuli wie Licht oder Wärme quasi auf einen 24 h-Rhythmus eingestellt. Dass das funktioniert, wird wohl jeder bestätigen können, der schon einmal unter Jet Lag gelitten hat, bevor er sich an eine neue Zeitzone gewöhnt hat. Übrigens erklärt sich so auch das Wort circadian aus dem lateinischen circa (ungefähr) und dies (Tag).

Wie funktioniert das Ganze? Unsere primäre Uhr ist in einem Bereich unseres Gehirns lokalisiert, dass als Nucleus suprachiasmaticus (SCN) bezeichnet wird und im Hypothalamus sitzt. Etwa hier (ich hoffe euch gefällt mein Gehirn):

Nucleus suprachiasmaticus

Innerhalb der Neurone dieses Areals findet eine Rückkopplung auf genetischer Ebene ab. Dabei beeinflussen sich mehrere Proteine gegenseitig, wir nennen sowas einen Feedback-Loop. Da das ganze etwas komplizierter ist, versuche ich es anhand einer Abbildung unten zu erklären. Der Einfachheit halber lasse ich einige in der Wissenschaft bekannte Schritte weg.

circadian clock

Das wichtigste Protein ist Clock (grün), seine Konzentration im Zellkern ist immer gleich. Zu Beginn eines zirkadianen Tages wird das Protein Bmal1 gebildet (1) und tritt danach in den Zellkern ein (2). Durch die erhöhte Bmal1-Konzentration bildet sich ein Dimer aus Clock und Bmal1 (3). Dieses Dimer aktiviert nun die Bildung der Proteine Cry, Rev-Erbα, und Per (4). Rev-Erbα hemmt dann die Bildung von Bmal1 (5), so wird verhindert, dass in der Zelle ständig „Tag“ ist. Um diesen Effekt zu unterstützen bilden Per und Cry ein weiteres Dimer (6), dass in den Zellkern wandert (7) und dort für den Abbau des Clock/Bmal1-Komplexes sorgt (8). Wenn der Clock-Bmal1-Komplex durch die gemeinsamen Aktionen aller drei Proteine zunächst nicht weiter gebildet werden kann, werden diese wiederum nicht erzeugt (Schritt 4 läuft nicht ab). Dadurch kann die Bmal1-Konzentration wieder steigen und der ganze Zyklus kann erneut beginnen.

So ein Zyklus dauert ungefähr 24 h. Die Nervenzellen des SCN sind in der Lage diesen zirkadianen Rhythmus zu erhalten ohne dabei vom Licht abhängig zu sein. Die beschriebenen Zellen finden sich allerdings nicht nur im SCN. Vielmehr sind weitere „Uhrengene“ in den meisten Geweben aktiviert, sie werden periphere Oszillatoren genannt und regulieren einen großen Teil unserer Körperfunktionen.

Das ist ja alles ganz interessant, aber was hat das jetzt genau mit blauem Licht bzw. meinem Ebook-Reader zu tun? Wir alle haben wohl schon von den zwei Fotorezeptoren in unserer Netzhaut gehört – Zapfen und Stäbchen. Es gibt aber noch einen weiteren Typ: die sog. fotosensitiven Ganglienzellen. Sie reagieren langsamer auf Licht und dienen der ständigen Wahrnehmung der Umgebungshelligkeit durch das nur hier enthaltene Melanopsin. Diese spezialisierten Nervenzellen übermitteln ihre Signale u.a. zum SCN und können so Einfluss nehmen auf den circadianen Zyklus. So kann dann auch unsere innere Uhr nach einem Jet Lag neu eingestellt werden.

Melanopsin reagiert auf Licht unterschiedlicher Wellenlängen. Die höchste Aktivität dieser Neuronen wird bei einer Wellenlänge von 488 nm erreicht, und das ist blaues Licht. Wenn wir uns also zu später Stunde noch eine Dosis blauen Lichts über LED-betriebene Bildschirme gönnen, hat das Einfluss auf die circadianen Rhythmen. Uns wird suggeriert, dass wir noch länger wach bleiben müssen. Es wird übrigens diskutiert, dass die Nähe zum jeweiligen Gerät auch eine Rolle spielen könnte, da die Intensität auf die fotosensitiven Rezeptorzellen nicht immer ausreicht um sie auch zu aktivieren. Wie steht es jetzt um meine abendlichen Lesestunden? Ebook-Reader verwenden gar keine herkömmlichen Displays sondern die sog. electronic paper technology. Diese verwenden reflektiertes Licht und sind somit passiv und haben keinen Einfluss auf meinen Schlafrhythmus. Dann kann

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Claudia Davenport hat in Potsdam und Hannover Biochemie studiert und promoviert mittlerweile über Insulin-produziernende Surrogatzellen aus embryonalen Stammzellen zur Behandlung des Diabetes Typ 1. Wenn sie gerade mal nicht im Labor am Durchbruch arbeitet, der die Welt verändern wird, ist sie gerne im Grünen, radelt durch die Gegend oder geht Kaffee trinken.

2 Kommentare

  1. Hi, ich finde deinen Bericht sehr interessant und arbeite gerade ebenfalls an der Rhythmik von Mastzellen und schreibe gerade meine Bachelorarbeit. Kannst du mir deine Quelle nennen bei der Stelle wo du schreibst, dass die CLOCK-Konzentration konstant ist?

  2. Hallo Julia,
    in meinen Unterlagen dazu konnte ich auf die Schnelle nichts finden. Ich schicke dir per Mail alle Quellen, die ich verwendet habe. Vielleicht ist da noch was Interessantes bei.
    Ansonsten lies mal hier dazu “Among the major components of the circadian system, CLOCK has been unusual in showing no obvious changes in its expression throughout the circadian cycle at transcriptional or translational levels (Lee et al. 2001).”
    http://genesdev.cshlp.org/content/17/15/1921.long
    Viel Erfolg bei deiner Bachelorarbeit!

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