GM-Futter lässt Schweine erkranken

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Schweine leiden unter Magengeschwüren und Entzündungen – der Grund: GM-Getreide und eben solches Soja. Die Studie dazu schlug zuletzt hohe Wellen. Einige sehr ausführliche Analysen dazu findet Ihr am Ende. Für mich waren die Ergebnisse der Studie nicht neu, eher seltsam vertraut. Magengeschwüre und Lungenprobleme bis hin zu Entzündungen sind in der Schweinemast ein bekanntes Problem – auch ohne Gentechnik.

Der Versuchsaufbau bzgl. des Futters liest sich in der öffentlich zugänglichen Studie auf den ersten Blick sehr gut. Man habe sich bei der Rezeptur an der gängigen Praxis der Schweinefütterung in den USA orientiert. Es wurde sogar bei den zum Soja und Getreide zugesetzten Nährstoffen bedacht, dass die Tiere mit zunehmendem Alter andere Bedürfnisse haben. Für den Versuch wurden zwei Gruppen gebildet, die erfreulicherweise gleich groß waren. Eine Gruppe erhielt das konventionelle Futter, die andere jenes mit den GM-Produkten. Werfen wir jetzt einen Blick in die Tabelle, welche alle aufgenommenen Bestandteile auflistet, finden wir einen Teil nicht: Rohfaser, was allerdings ein grundsätzliches Problem konventioneller Schweinefütterung ist und somit keinen Vorwurf an die Wissenschaftler darstellt (1). Letztes Jahr schrieb ich zu diesem Thema einen Artikel. Ein Auszug:

Grundsätzlich ist der Magen durch eine Mucusschicht bedeckt, die die Magenwand vor Angriffen der Magensäure schützt. Ein Teil kommt allerdings nicht in den Genuss dieses Schutzes. Die sogenannte Pars proventricularis umschließt die Kardiaöffnung, entspricht der Größe eines Handtellers und verfügt eben nicht über jene schützende Schicht. Dass es trotzdem nicht zwangsläufig zu Problemen kommen muss, liegt beispielsweise beim Schwein an der Tatsache, dass der proximale Teil des Magens bei Strohhaltung immer mit Strohresten gefüllt ist, deren Fermentation durch Mikroorganismen für eine gewisse Pufferung sorgen und somit die nicht vorhandene Mucusschicht ausgleichen. Und genau da hakt es bei der Fütterung: durch die fehlende Struktur des Futters wird der Magen relativ schnell entleert, während der im Magen zurückbleibende Inhalt sauer ist, teilweise finden sich auch noch Gallensäuren. Durch die fehlende Basis größerer Partikel oder eben Strohresten kommt es dann zu Läsionen, die sich bei wiederholten Angriffen zu Geschwüren entwickeln.

Jetzt geht es in der Studie aber nicht nur um Geschwüre, sondern auch um Entzündungen des Magens. Die Ergebnisse in Tabelle 3 dazu sind wirklich interessant. Dort ist zu erkennen, dass deutlich mehr Tiere aus der konventionell gefütterten Gruppe Probleme mit Magenentzündungen haben, verglichen mit jenen, die GM-Futter bekamen. Erst mit zunehmender Intensität der Entzündungen ändert sich das. Interessant, oder? Tatsächlich hatte also der komplette Bestand – sprich: beide Versuchgruppen – mit Entzündungen zu kämpfen.

Kommen wir zur leidigen Lungen-Problematik. Auf Sciencebased Medicine lesen wir:

There’s another aspect of this paper that’s very troubling, and it is that these animals were all very sick. Indeed, I have to wonder how they were being cared for. Over half the animals are reported in Table 3 to have pneumonia, defined as “consolidating bronchopneumonia of the cranial ventral lung lobe(s) and/or caudal lobes.” That is just not normal, and it doesn’t sound like a minor pneumonia.

Anastasia Bodnar weiß dazu noch zu ergänzen:

Mortalities were incredibly high (13% for non-GM and 14% for GM), which is not within expected rates for US commercial piggeries (which are more like 5% or less EDIT: See comments for discussion of mortality rates), regardless of what the authors claim (without providing a reference).

Dafür gibt es fern-diagnostisch mindestens zwei Möglichkeiten: die Stalltechnik bzw. das Management und Bakterien.

  • Stalltechnik/Management: Eigentlich ist das – ohne zu sehr ins Detail zu gehen – kein Hexenwerk. Alte Luft raus, neue rein, Temperaturen kontrollieren, ein paar Grundlagen der Hygiene einhalten (Schutzanzüge, Schutz für die Schuhe usw) und schon ist man auf der sicheren Seite. (2)

  • Bakterien: Es ist durchaus möglich, dass aus der Umwelt aufgenommene Bakterien in den Magen gelangen und dort über offene Läsionen in den Blutkreislauf gelangen. Dieser transportiert sie natürlich auch in die Lungen, wo sie sich in den feinen Kapillaren festsetzen und vermehren können -> Lungenentzündung!

Übrigens: Nicht völlig grundlos gehört zum Tierwohl-Siegel bei Westfleisch auch eine vermehrte Gabe von Rohfaser und ich wäre wirklich gespannt über das Ergebnis einer neuen Studie mit eben jener Rohfaser-Zufütterung.

Äh, und ein funktionierender Stall ist auch nicht zu verachten, Stichwort Antibiotika-Reduktion und Tierschutz.

Anmerkungen

  1. Das Problem bzw. der Grund ist schlicht ökonomischer Natur. Eine gute Verdaulichkeit des Futters sichert eine schnelle Aufnahme der Nährstoffe, was wiederum in schnell und effektiv zunehmenden Schweinen resultiert.

  2. Im Paper steht, die Tiere seien nach Industriestandard betreut worden. Tatsächlich ist die Lüftung in Schweineställen oft ein weniger rühmliches Thema – was natürlich nicht heißt, dass die Wissenschaftler es hier nicht hätten besser machen können oder gar müssen. Es ist vermeidbar.

  3. Man verzeihe mir die Überschrift 😉


Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

14 Kommentare

  1. Vielleicht übersehe ich da gerade einen Teil, aber hätte man die p-Werte nicht auch noch korrigieren müssen (z.B. seq. bonferroni) ? Immerhin werden ja aus einer Gruppe (z.B. male,GM) 4 Hypothesen (die Schad-Kategorien) getestet.

    Das man 4 Kategorien nahm, ist mir auch nicht klar. 3 Kategorien wären plausibler. (oder bedeutet nil=kein Geschwür?) Betrachtet man jedoch die Zahlen, bekomme ich ein sehr ungutes Gefühl weshalb 4 “gewünschter” sind als 3…

    Auch nicht schön, die Ergebnisse von Séralini et al. 2012 werden völlig kritiklos im vorletzen Absatz der Einleitung übernommen und als Zeugen für die Schädlichkeit von GM-Food aufgezählt.

  2. Hallo Para,

    das mit den Einteilungen leuchtet mir ebenso wenig ein wie Dir und den anderen, die ich am Ende verlinkte. Habe jetzt auf die Schnelle kein gängiges Scoring gefunden, aber das im Paper ist eher ein eigenes.

    “nil” könnte auch für Läsionen (Schädigungen) stehen, aus denen sich dann durchaus Geschwüre entwickeln können.

  3. Schweine

    werden im Alter von 6-10 Monaten geschlachtet, es ist nicht klar, wie die genannten Krankheiten so schnell auftreten können, bei einer Lebenserwartung von 15 Jahren. Es ist schwierig hier bei den Nachrichten junger und engagierter Wissenschaftler keinen Ökologismus zu wittern.

  4. @Webbaer

    Doch, das ist klar, die genannten Probleme treten ja auch auf. Lungenprobleme sind – wie ich schrieb – oft eine Folge problematischer Lüftungsverhältnisse und Magengeschwüre entwickeln sich unter anderem durch das Futter (Stress spielt dabei auch immer noch eine Rolle). Hier mit Ökologismus zu kommen, ist völliger Quatsch.

  5. Spricht halt

    nicht jeden intellektuell an so etwas: ‘Mortalities were incredibly high (13% for non-GM and 14% for GM)’ – wenn wir mit der Mortalität des guten Schweinestücks in der Natur vergleichen.

    ‘Incredibly’ geht es dem Schwein dort nicht besser, btw: Wie stellt man sich in praxi die Nutztierhaltung ökologistischerseits eigentlich so vor?

    MFG
    Dr. W

  6. Natur vs. Stall

    Vegleichen wir aber nicht. Warum auch, wäre totaler Unsinn. Hier geht es um den Vergleich zu gängigen Raten in der Industrie.

    Wie eine ökologistische Haltung aussieht, weiß ich nicht, da musst Du bei den Experten vorbeischauen, die solcherlei Vokabular gerne verwenden.

    Die normale ökologische Haltung sieht Freiland vor, zumindest zu einem Teil. Gerne auch Stroh-Haltung, was nicht ganz unproblematisch ist. Und dann gibt es natürlich Beschränkungen und Auflagen bei Futter, Medikamenten usw.

  7. Dann könnte es beinahe eine schön sein, da sie zeigt das bei der konventionellen Schweinemast mit konventionellem (nicht tiergerechten) Futter, über 75% der Tiere an Magengeschwüren erkranken und man sehr hohe Verluste, immerhin fast jedes 8te Tier, hinimmt ?

    Studie nochmal gelesen, da fiel mir auf…

    the non-GM feed contained a median of 0.4% GM corn and
    that the non-GM soy contained a median of 1.6% GM soy. Such GM contamination of
    apparent non-GM material is common in the US.

    Kontaminiert ist nicht gut— viel schlimmer find eich jedoch die Angabe “median”. Den nimmt man doch nur bei schiefen Verteilungen.

  8. Grenzwerte

    Ich bin jetzt kein Experte für die USA, aber ich würde mal schwer drauf tippen, dass es da Grenzwerte gibt.

    Das Wort kontaminiert klingt allerdings immer recht dramatisch im Deutschen.

  9. Ach, dass Wort war gar nicht dramatisch gemeint. Es ist mehr Gewohnheit da ich es öfter lese als verunreinigt. Sicher haben die auch Grenzwerte was als non-GM durchgeht.

    Man kann so allerdings argumentieren das es keine echte GMO-freie Kontrollgruppe gibt. Mich stört jedoch mehr der Median, denn nur Mittelwerte machen bei Richtwerten einen Sinn.
    Nimmt man den Median, so könnten rein mathematisch in der GM-Freien Futtergruppe sogar Rationen mit 100%GMO-Anteil sein.

    Aus diesme Grund bezweilfe ich auch sehr stark das es normale Verunreinigungs-Werte sein sollen (mean-Werte wären hingegen völlig ok).

  10. Das mit dem Wort kontaminiert war jetzt auch nicht völlig auf Dich gemünzt. Alle gut 😉

    Bzgl. der nicht völlig gmo-freien Kontrollgruppe: es ging ja auch darum, möglichst reale konventionelle Bedingungen zu gewährleisten – und dazu gehört eben auch ganz leicht versetztes Futter, wenn es so ist. Die Parameter dazu waren ja auch durchaus gut umgesetzt. Nur beim Management haben sie dann versagt.

  11. Haltungssysteme – Lungenbefunde

    Es wäre sehr schön, könnte man gerade Lungenbefunde (auch Magen) direkt einer Haltung zuordnen. So einfach ist das aber nicht! Ich habe hier schöne Daten aus der BRD liegen (Schlachtbefundevergleich Öko und Konvi) die mich a) kein Ökoschweinefleisch essen lassen und b) Lungenbefunde über mehrere Jahre im Vergleich die deutlich zeigen: Es ist nicht das Haltungssystem (Aussenklima schneidet NICHT besser ab!!!) sondern das Management ergo auch Impfung/Krankheitsprophylxe bei Lungenviren. Gerne bei mir abrufbar.

  12. Hallo Frau Lechner,

    das haben Sie schon richtig erkannt und das betone ich ja auch regelmäßig (wie auch in diesem Artikel). Das Management ist entscheidend.

    Natürlich ist es schwierig, rein ferndiagnostisch zu sagen, was da genau schief gelaufen ist, weshalb ich einfach zwei verbreitete Problem-Bereiche genannt habe.

    Ich melde mich per Mail bei Ihnen.

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