Der Konsument ist doof

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Pferdefleisch in Lasagne, Amazon, Eier – und wir als Konsumenten sind die Dummen. Faktisch sieht es anders aus. Gerade rauscht ja so einiges durchs Internet, während mir mein Leben ständig neue Pannen präsentierte (nichts schlimmes, aber grandios nervig). Das Chaos verzieht sich langsam und ich möchte den Moment für ein paar Gedanken zu den letzten Tagen nutzen. 

Ihr wollt es doch schnell und billig! Die Billig-Mentalität fördert so was eben. Auf Twitter ähnelten sich die Meinungen zu Amazon und Pferdefleisch zum Verwechseln. Ich las auch, dass sich der Konsument ändern müsse. Die Macht des Konsumenten, Ihr wisst schon. Jetzt habe ich diese bekanntlich nie angezweifelt – im Gegenteil: bei Fleisch aus tierwohl-orientierter Haltung haben wir jetzt die große Möglichkeit, uns dafür einzusetzen und damit den Weg für weitere Änderungen zu ebnen. 

Es folgt ein kurzer Laien-Exkurs in den Tablet-Markt: Du hast doch auch ein Tablet, weshalb beschwerst Du Dich also – Foxconn, eine in diesen schnellen Zeiten schon wieder veraltete Empörungswelle, die sich da über das chinesische Unternehmen ergoss – und mich ratlos zurückließ. Ich liebe mein Tablet und ich weiß auch, dass es irgendwo in China zusammengeklöppelt wurde. Genau hier bekomme ich mit der Macht des Konsumenten und der Einstellung desselben aber ein Problem. Selbst wenn mir die Arbeiter nicht am Hintern vorbeigehen, habe ich keine andere Wahl, völlig unabhängig vom Preis des Tablets. 

Es ist also wenig zielführend, wenn ich als Konsument bereit und willig bin und dann kein passendes Angebot weit und breit zu sehen ist. Wie das dann aussehen könnte, ohne die Preise hemmungslos explodieren zu lassen, müsste von kompetenter Seite aus entworfen werden. Exkurs-Ende.

Das Konzept moderater Preissteigerungen bei gleichzeitig besseren Bedingungen hat in der Tierhaltung schon mal funktioniert. Und das ist gut so, denn die Auswüchse von “billig und viel” sind unschön. Daran besteht kein Zweifel. Dabei ist das nicht das einzige Problem. Den Preiskampf nach unten werden wir global verlieren. Das können andere Länder “besser”, die vor 10 Jahren noch niemand auf dem Schirm hatte. In Osteuropa tut sich einiges, aber auch Indien, das Land der heiligen Kühe, ist mittlerweile an sechster Stelle weltweit beim (Rind)Fleischexport. Und das Potential ist längst noch nicht ausgeschöpft.  Wir können das mit der Billig-Schiene natürlich versuchen. Zu welchem Ziel das führen soll, sehe ich allerdings nicht. Die reine Fleischproduktion wird bald kein Trumpf mehr sein, bei Qualität und Ethik dürfte das schon anders aussehen. Hier mal ein kleines Zitat aus dem FAO Food Outlook aus November 2012, Seite 52:

The contraction of output in the developed countries is anticipated to be offset by increases in the developing countries. In South America, cattle availabilities and slaughter have been rising particularly in Argentina, Brazil, Paraguay and Uruguay, following several years of herd rebuilding. In Argentina, historically high cattle prices and favourable prot margins are expected to boost beef production by 4 percent, despite restrictive export policies and the closure of an estimated 100 processing plants over the past two years. In Asia, production is expanding in India and Vietnam, sustained by investments into new processing operations.

Die kürzlich veröffentlichen Zahlen beim Privathof-Geflügel stimmen jedenfalls optimistisch, dass es hier beim Tierwohl weiter geht und das Modell nicht nur ein Dasein als Mauerblümchen für krisen-technisch raue Zeiten fristet. Ich zitiere mal kurz: 

Das Konzept kommt bei den Verbrauchern gut an: Seit der Einführung von Privathof-Geflügel im Oktober 2011 hat sich der Absatz vervierfacht.

Heißt in Zahlen: 28 Betriebe sind vorhanden, 15 weitere geplant. Puh! Geht doch! Von wegen nur billig. Dabei muss das gar nicht bedeuten, dass Fleisch ein vielfaches des konventionellen Preises kostet. 10, 20, 30% können schon viel bewirken – natürlich an den richtigen Stellen angesetzt.

So dumm kann der Konsument also gar nicht sein – wenn es vernünftige Angebote gibt.

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

46 Kommentare

  1. Nicht aufgeben!

    Der Konsument ist nicht doof, sondern er wird vielerorts mal wieder als der Schuldige gebrandmarkt, weil er möglichst billig einkaufen möchte. Dabei wird ihm das von allen möglichen Seiten ständig eingebläut. Pferdefleisch in der Lasagne ist zwar erheblich billiger als Rindfleisch, der damit erzielte Gewinn wurde jedoch keineswegs an die Verbraucher weitergegeben, sondern landete in den Taschen von irgendwelchen Zwischenhändlern, die schwer auszumachen sind. Auf der anderen Seite hörte ich heute im Radio, dass die Pferdefleischprodukte auch nicht mit einem Aufkleber: “Enthält Spuren von Pferdefleisch”, zu einen niedrigeren Preis in den Handel gebracht werden dürfen. Tiere die zu Fleischwaren verarbeitet werden müssen nämlich nach zu verfolgen sein und dürfen nur in zertifizierten Schlachthöfen verarbeitet werden und das ist ja hier nicht der Fall. Sämtliche Produkte in denen Pferdefleisch nachgewiesen wurde müssen also weggeworfen werden. Dabei ist dieses Fleisch keineswegs schädlich, sofern es von gesunden Tieren stammt und keine Medikamentenreste enthält. Es wurde lediglich falsch deklariert und damit verletzt es eine der vielen EU- Vorschriften, die normalerweise zwar kaum kontrolliert werden und das scheinen die Betrüger auch zu wissen, aber wenn mal was gefunden wird, dann ist das Geschrei groß. Im Gegensatz dazu war der Fall mit den falsch deklarierten Bio-Eiern den Behörden seit Jahren bekannt war, aber diese waren damit überfordert. Da nutzte es also auch nichts, dass die Verbraucher für die “besseren” Eier tiefer in die Tasche gegriffen haben, betrogen wurden auch sie.
    Was also tun? Letztendlich darf der Konsument trotz allem nicht aufgeben “vernünftige Angebote” zu fordern. In Hühnerzucht hat das ja auch was gebracht, wie Du in deinem Artikel schreibst.

  2. Hallo Mona,

    das hast Du schon sehr gut zusammengefasst. Wobei ich noch anmerken möchte, dass das Pferdefleisch sicher nicht von Pferden stammte, denen es besonders gut ging. Sprich: auch wenn das Fleisch womöglich lebensmittelrechtlich in Ordnung war, sehe ich hier durchaus ethische Probleme.
    Das mit den Bio-Eiern erscheint mir dabei ziemlich kurios. Ob da jetzt der Ruf nach stärkeren Kontrollen der richtige ist? Das System an sich ist ja gar nicht so schlecht, sein Erfolg steht und fällt aber natürlich mit den einzelnen Gliedern in der Kette.

  3. Antwort @Sören Schewe

    “Wobei ich noch anmerken möchte, dass das Pferdefleisch sicher nicht von Pferden stammte, denen es besonders gut ging. Sprich: auch wenn das Fleisch womöglich lebensmittelrechtlich in Ordnung war, sehe ich hier durchaus ethische Probleme.”

    Die Organisation “VIER PFOTEN” vermutet, dass das Pferdefleisch eventuell auch aus dem Donaudelta in Rumänien stammen könnte, weil es dort wilde Pferde gibt. Die Organisation stoppte im Mai 2011 dort schon mal einen Transport mit 54 wilden Pferde auf ihrem Weg zum Schlachthof. Genaueres weiß man aber in dieser Sache noch nicht. Bekannt ist jedoch, dass wilde Pferde in Amerika und anderswo zu Hundefutter verarbeitet werden, nachdem sie mit tierquälerischen Methoden eingefangen wurden. Ethische Probleme gibt es da ganz sicher.

    “Das mit den Bio-Eiern erscheint mir dabei ziemlich kurios. Ob da jetzt der Ruf nach stärkeren Kontrollen der richtige ist? Das System an sich ist ja gar nicht so schlecht, sein Erfolg steht und fällt aber natürlich mit den einzelnen Gliedern in der Kette.”

    Ja, offensichtlich funktionieren da die Kontrollen nicht, wie der Stern schreibt:

    http://www.stern.de/…-funktionieren-1976145.html

  4. Danke Mona!

    Eieiei, bei den Eiern war ja so ziemlich jeder neben der Spur, der es sein konnte…Danke für den Link, aber ich denke, ich werde mich da erstmal raushalten 😉

  5. “Der Konsument”

    Ich glaube, über “den Konsumenten” zu sprechen ist ähnlich abstrakt und wenig präzise wie über “den Bürger”.

    Keine Frage, wir brauchen derartige abstrahierende Begriffe, um über die Frage zu diskutieren, dabei sollten wir jedoch stets im Hinterkopf bewahren: Konsumenten sich Menschen sind hochgradig unterschiedlich. Eine Binsenweisheit, die auch mal wieder irgendwie notiert werden darf.

    Wenn ich im Supermarkt an der Kasse stehen, wundere ich mich oft über die Produkte, die vor und hinter mir am Band liegen. Ich denke mir dann oft: “Was? Das kauft und isst tatsächlich wer?” Und den vor und hinter mir stehenden Kunden wird es bei meiner Warenauswahl wohl ähnlich gehen.

    Grundsätzlich glaube ich, dass es nur bedingt über eine “Moralisierung” des Konsumverhaltens gehen kann. Das kann nur ein Ansatz sein, der auch nicht überstrapaziert werden sollte: Stichwort moralische Überforderung.

    Gerade bei Tierwohl muss die Strategie sein, auf der Regulierungsseite die Mindestkriterien weiter und weiter anzuheben. Wird dadurch Fleisch teurer? Wahrscheinlich. Das aber scheint mir nicht der Untergang des Abendlandes zu sein. Vor allem nicht, wenn es auf Basis eines moralischen Konsenses geschieht, der da heißt: Tiere sind leidensfähige Kreaturen. Und wir sind in der Nutztierhaltung für sie moralisch verantwortlich. Über diese Frage gibt es im Grunde keinen Dissens – und das muss sich gesetzlich noch weiter niederschlagen.

  6. @Dyrnberg: Neuer Standard

    Sicher, “der Konsument” ist völlig abstrakt. Habe ihn auch nur aufgegriffen, weil “er” ständig herangezogen wird.

    Wenn ich die Ethik erwähne, geht es mir dabei gar nicht unbedingt um Moral an allen Ecken und Enden. Aber vielleicht verleiht der ethische Aspekt dem Ganzen ein etwas Leben bzw. Sympathie – oder zumindest mehr als Argumente wie AB-Reduktion.

    Genau darum geht es mir ja dabei – eine kontinuierliche Anhebung der Mindeststandards. Deshalb erwähne ich ja auch das Privathof-Geflügel so oft. Hier haben wir tatsächlich eine verkraftbare Preiserhöhung und viel Wirkung. Das wäre als Standard denkbar.

    Zur Frage, ob Fleisch teurer werden MUSS: die Effizienz muss natürlich ständig überprüft und verbessert werden, gerade auch um finanzielle Kapazitäten für Tierwohl zu bekommen.

  7. Hunger Games und Kommunitarismus?

    Hallo Sören!

    Ich habe da so eine verrückte Idee, die ich gerne mal für einen Monat ausprobieren würde. Wie wäre es wenn man das Konzept des Bürgerhaushalts (auf städtischer Ebene) auf das Lebensmittelsortiment eines Supermarkts anwendet und die Kunden mitenscheiden läßt was mit einem begrenzten Menge an Geld in die Regale kommen soll. Stell Dir vor es würde für jedes Produkt noch zusätzlich bekannt gemacht welche sozialen(z. B. Kinderarbeit) und ökologischen Kosten (z. B. C02-Ausstoß und Wasserverbrauch)damit verbunden sind. Ich würde gerne wissen wie bei so einem induzierten Lust(Genuß)/Moral-Dilemma, die Regale aussehen würden, die die Crowd mitgestaltet.

  8. Hallo Joe,

    Du hast recht, diese Idee ist schon ziemlich verrückt. Dabei wäre es auch sehr interessant zu sehen, wie sehr die Berichterstattung der letzten Jahre das Einkaufsverhalten prägt. Ich erinnere mich noch an Anfang 2011, als Dioxin in Tierfutter gefunden wurde. Da rissen die Menschen den Anbietern die Öko-Eier nur so aus den Regalen, obwohl der Grenzwert für Dioxin bei diesen Eiern schon ganz legal höher liegt als bei konventionellen Eiern. Die Reaktion war also eigentlich widersinnig.
    Andererseits: vielleicht reißt die Intelligenz des Schwarms solche Panik-Reaktionen insgesamt wieder raus…

  9. @Joe Dramiga

    Das Ganze wäre wohl ein Experiment wert. Die sozialen Kosten eines Lebensmittels sind schwierig nachzuvollziehen, aber die ökologischen sind weitgehend bekannt.

    Hier eine Tabelle über die CO2-Emissionen ausgewählter Lebensmittel:

    http://www.bmu.de/…produktbereiche/lebensmittel/

    Und hier der virtuelle Wasserverbrauch:
    http://www.lebensmittellexikon.de/v0001020.php

    Ein “Lust(Genuß)/Moral-Dilemma” müsste es dabei nicht unbedingt geben, denn auch nachhaltig produzierte und fair gehandelte Lebensmittel schmecken gut. Die bekommt man aber wahrscheinlich nicht in jedem Supermarkt. Obst und Gemüse kann man im Sommer auch auf dem Wochenmarkt kaufen, weil da in der Regel regionale Ware angeboten wird, die keine langen Wege zurücklegen muss und auch nicht in Plastik verpackt ist.

  10. Sicher ist der Konsument aus der Perspektive Hersteller der Doofe.

    Sowas merkt man immer dann, wenn mal wieder schon die Werbung uns (den Konsumenten) zum Narren halten will. Coca Cola tut das derzeit mal wieder, indem man den Kuden dort etwas verkauft, was er nicht haben wollte (Coke Siro in normalen Cokebechern).

    Und natürlich jubeln alle Kunden im Werbefilmchen. Niemand fühlt sich verarscht. Denn es wollten wohl alle immer chon Zuckerfreie Getränke haben…!?

  11. Werbung

    Ach chris,

    ich finde dieses Echauffieren über Werbung immer etwas merkwürdig. Die ist einfach nicht für eine kritische Auseinandersetzung mit einer Thematik gedacht, sondern soll Dir und mir und allen anderen Lust auf das jeweils Beworbene machen. Mehr nicht. Und zwischen Werbung und Produkt stehen immer noch wir, die entscheiden können, ob wir dafür nun Geld ausgeben oder nicht. Ist doch auch was.

  12. @Joe und Mona: virtuelles Wasser

    Guten Morgen Mona,

    vielen Dank für Deine Ergänzungen. Gerade beim Wasser fiel mir ein, dass Joe da schon mal was zu geschrieben hat – und zwar über das “virtuelle Wasser”:

    https://scilogs.spektrum.de/…inkt-im-virtuellen-wasser

    Interessiert Dich vielleicht auch 😉

  13. @Sören Schewe

    Danke für den Link. Den Beitrag von Joe kannte ich bereits, der ist recht gut.
    Was die Sache mit dem Pferdefleisch betrifft, so wurde da noch mehr verwurstet. Der österreichische Standard berichtet: “Es muss aber auch nicht immer Pferd sein: Eine Studie der südafrikanischen Stellenbosch-Universität ergab, dass sich in 68 Prozent der untersuchten und als “Rindfleisch” gekennzeichneten Produkte zusätzlich das Fleisch anderer Tiere befand. Am häufigsten wurde den Würsteln und Hamburgern Hühner- und Schweinefleisch beigemischt, jedoch fanden sich auch exotischere Zutaten wie Esel, Ziegen und Wasserbüffel.”
    http://derstandard.at/…/Rinder-Pferd-in-Russland

    Wenn das so weitergeht, dann werden findige Firmen bald ein Zoo-Kit mit verschiedenen DNA-Tests herausbringen, damit der Verbraucher bei Tisch testen kann, welches Tier er gerade auf dem Teller hat. 🙂

  14. @ Sören Schewe Werbung
    28.02.2013, 08:16

    Ach chris,…

    -> Ich echauffiere mich nicht, sondern deute an, was kernproblem aller Verkaufsorientierten sind. Es ist das Ding, allen alles mögliche nur um den Erfolg zu erzählen.

    Wenn in Lasange anstatt Rind Pferd enthalten ist, ist das nicht soweit davon (oder gar genau gleich) wie wenn man einem unter dem Label von standartcola eben die Zuckerreduzierte unterjubelt. Die Krönung dabei: Es ihnen auch noch in einem Werbefilm vorzuspielen, wie dämlich der Konsument sei(n) kann, weil ers nicht merkt.

    Ich kaufte mal ein Tiefkühl-Fischfilet – dachte ich (Filet). Es war ein durchaus gut bekannter und dadurch eigendlich vertrauenswürdiger Hersteller/Marke.
    Als ich es dann aufdem Teller hatte, viel mir auf, dass es kein Filet war, sondern Formfisch.

    Das Bild auf der Verpackung aber zeigte deutlich ein Filetstück – zudem noch die Schwanzhälfte, die bekanntermaßen das Beste am Fisch ist, weil Gretenfreier und Fettarm.

    Auch der “Name” dieser “Spezialität” vom Markenhersteller suggerierte ein Filet. Es nannte sich: “Filegro”.

    Will ich ein solches unehrliches Angebotkaufen? Will ich von einem quasi hochangesehenen Anbieter (Marke) derart verarscht und per suggerierungen in die Irre geführt werden?

    Nein, genauso wenig, wie ich Pferd in einem Fertiggericht haben will, wo Rind draufsteht.

    Wo Scheixxe draufsteht, soll auch Scheixxe drinnen sein.

    Ganze Verkaufsstrategien basieren darauf, dass man Leistungen suggeriert, die letztlich gar nicht im Angebot enthalten sind. Es soll/muß suggeriert mehr enthalten sein, damit eben mehr Umstatz gemacht werden kann. Egal fast, mit welchen Mitteln das geschieht. Sowas muß aufhören.

    Und werbung im Fernsehen ist zwar schon entlarvt genug, aber trotzdem noch Bestandteil der Artikelpräsentation, wie die Verpackung und alle anderen zum Artikel gehörenden und mitverkauften Dinge. Und deswegen gehört eben auch die Fernsehwerbung zu den Begebenheiten, die zu kritisieren sind. Vor allem, wenn man darin den Konsumenten zum Narren hält.

    Erkläre mir, warum mein Beitrag nicht geeignet sei, zu einer kritischen Auseinandersetzung beizutragen.

    Wenn ich auf einer Verpackung “Rind” als Zutat draufschreibe, dann ist das nicht nur nach einer besonderen Vorschrift, dass alle Zutaten auch angegeben werden müssen, sondern deswegen, weil “Rind” ein verkaufsförderndes Wort sei. Ebenso, wie es Filegro suggeriert, dass es sich um ein Filet handelt.

    ich will nicht verarscht werden. Und dazu gehört auch von jeder schnöden Werbung zu verlangen, dass sie Ehrlich und redlich und ethisch und moralisch einwandfrei ist und vor allem mit keiner Silbe auch nur irgendwas suggeriert, was nicht geleistet wird.

    Da stehe ich aber wohl allein in weitest verkommener Landschaft – oder?

  15. @ Sören Schewe Werbung
    28.02.2013, 08:16

    Ach chris,…

    -> Allerdings, wenn du einzig das Problem der Tierhaltung mit dem “Thema” meinst, dann hat das eher wenig damit zu tun. Aber so wenig nun auch wieder nicht. In der Werbung und auch sonst findet man nichts zu dem Problem der Tierhaltung. Das muß immer erst irgendwo anders herkommen. Also hier wieder eine gewisse erwünschte Falschinformation – hier nur durch Weglassen.

  16. @chris: Ehrlichkeit in der Werbung

    Also Dein zweiter Kommentar liest sich ja schon deutlich anders als der erste. Seitdem ich über Agrarthemen blogge, sind mir da schon die seltsamsten Aufreger untergekommen. Es soll wirklich Leute geben, die sich darüber aufregen, dass Kühe real von Maschinen gemolken werden und nicht – wie in der Werbung – per Hand von attraktiven jungen Frauen bspw. So eine Art der Kritik kann ich dann wiederum nicht ernstnehmen.

    Wenn Du jetzt schreibst, dass Du statt einem Filet tatsächlich Formfisch auf dem Teller hattest, ist das natürlich etwas anderes, wobei das irgendwo auf der Packung stehen muss, wenn ich da nicht völlig falsch informiert bin.

    Vielleicht solltest Du Werbung nicht zu ernst nehmen. Ich für meinen Teil habe das längst aufgegeben. Es gibt Werbespots, die sind unterhaltsam, gut gemacht, aber ich weiß immer, dass das kein Produkttest ist. Damit lebe ich eigentlich ganz gut 😉

  17. @chris zum Dritten

    Ich glaube, Du missverstehst die Bedeutung von Werbung total bzw. verlangst hier etwas, was schlicht nicht zu leisten ist. Willst Du ernsthaft, dass in der Werbung Probleme der Tierhaltung thematisiert werden? Wie lang soll so ein Spot dann werden? Ich finde ja schon die 30-minütigen Reportagen problematisch, in denen versucht wird, auf alle Themen rund um Probleme in der Tierhaltung einzugehen. Funktioniert eher selten.

  18. @Mona: WTF?

    Ich frage mich gerade, wie viele Kontrollstellen da weltweit geschlafen haben…Kann ja wohl nicht wahr sein…

    Das mit dem Zookit erscheint mir übrigens als ganz hervorragende Idee 😉

  19. Tja, leider kommt Werbung nicht ohne Gefühlsdusellei aus. Das ist mir letztlich auch egal und wir sind alle dran gewöhnt. Aber ich echauffiere mich ja nicht wegnen diesem, sondern den offensichtllichen Lügen, den suggerierten Leistungen, die nicht geliefert werden und …letztlich auch vor allem deswegen, wenn der Konsument deutlich erkennbar verarscht wird (wie bei Coca Cola derzeit).

    Wie wäre es denn bei Haarwuchsmitteln? Da wird doch tatschlich mit Haarwuchs geworben, der höchstwahrscheinlich eh nie wireder eintritt. O.k., … Marlboro wirbt auch mit Abendteuer, das beim Rauchen allein auch nie auftritt (es sei denn, es wird einem als Kind verboten – das Rauchen).

    Ich kaufe bewusst gerne und möglichst Markenartikel, weil ich erhoffe, einen qualitativ anspruchsvollen Artikel zu bekommen. Ich habs mal mit Deichmann-Schuhe probiert und bin damit voll reingefallen – sie waren nach drei Monaten so richtig zerfleddert und kaputt.(Mag ja sein, dass ich den Schuhen viel abverlangt habe, aber andere Markenschuhe hielten unter den selben Bedingungen viel länger durch).

    Und das eine Kuh, dessen Milch ich trinke, oder Käse esse, nicht rosa sei, ist mir inzwischen auch bewusst. Lustige Sache mit den schönen Frauen, die die Kühe melken würden.
    Das wäre dann eine andere Thematik – teure Autos werden auch von sexuel reizenden Frauen aufgewertet. In der Modeszene geht es ähnlich zu. Ohne diese scheint das eigendliche “Ding” gar nicht wahrgenommen zu werden.

    Und ich habe damals wirklich auf der Packung nach einem Hinweis gesucht. Aber es hat nicht “Formfleisch/Fisch” draufgestanden. Vielleicht gab es einen “Fachausdruck”, den ich nicht kannte und auch nicht interpretieren konnte.

    Ich fordere nicht, dass man Tierhaltungsprobleme in der Werbung thematisiert. Aber es ist so ein Problem, wenn ich mit besten Leistungen werbe und aber quasi nachweislich solche strukturell nicht geleistet werden kann.

  20. Qualität und Ethik

    Wir können das mit der Billig-Schiene natürlich versuchen. Zu welchem Ziel das führen soll, sehe ich allerdings nicht. Die reine Fleischproduktion wird bald kein Trumpf mehr sein, bei Qualität und Ethik dürfte das schon anders aussehen.

    Ethik kann man nicht mampfen und die Qualität ist oft eher etwas für den Gourmet, der beispielsweise bestimmte meist freilebende Rindersorten für sein extra-teueres Steak meint benötigen zu müssen.

    Man kommt hier schnell in das Luxuswesen, was ja wohl im Artikel nicht adressiert ist, und auf andere Ideen, bspw. Verbote den Fleischimport betreffend und die Merkwürdigkeit des Halal- oder Koscher-Schlachtens, jeweils mit der Quälerei verbunden.

    Wer mal bei solchen Schlachtungen dabei war, wird vielleicht grau gucken, aber auch die Bolzenschlachtung in dörflicher Runde, das Blutmischen und Suppezubereiten beim Schwein beispielsweise.

    Man sollte sich hier vielleicht auch ein wenig vom Ethik-Begriff lösen, denn der Ethos meint schon die Mensch-Mensch-Beziehung (gelegentlich mag mal ein Bär dabei sein).

    MFG
    Dr. W (der also zur Normensetzung rät, aber auch von einer besonderen Ethisierung abrät)

  21. @chris: Gefühl

    In der Werbung wird eben auch gerne ein Gefühl vermittelt, an das Du Dich erinnern sollst, wenn Du vor dem Produkt stehst, um es dann zu kaufen. Und die Option, mit einem Sportwagen attraktive Frauen aufzureißen, ist doch auch was 😉 Wobei das auch Landtechnik gemacht wird, da frage ich mich dann schon, was das soll…
    Was die Gentests angeht: erzähl das mal nicht den Grünen 😉

  22. @Webbaer: Ethik

    Keine Sorge, dessen war und bin ich mir schon bewusst. Damit wollte ich eigentlich auch eher Argumente zusammenfassen, die Tierschutz-Standards umfassen – also weniger philosophisch, sondern durchaus real. Das fängt bei der Mast der Tiere an, geht über den Transport bis hin zum Schlachthof. Alles will gut organisiert sein. Mit diesem Verständnis dürften wir noch eine Weile Oberwasser behalten.

  23. geunau, Beipiel Dorfschlachtungen. Ich habe mal als KInd Urlaub gemacht (aufn Dorf) und dabei eines Tages eine “blutrote” Blutspur den Rinnstein runterlaufen sehen.

    Als ich am Anfang der Spur ankam, musste ich eine riesen Sau (oder Eber – was weiß ich schon davon)vom Scheunentor kopfüber runterhing und ausblutete.

    Das war ein Anblick. Ich habe ihn aber überlebt. Nun kann mir aber wohl irgendwer erklären, dass mein Leben o scheixxe verlaufen sei, weil ich dieses Schwein gesehen habe, wie es derart am Balken hing.

    Tierschützer ist das egal und die bemägeln dann die Qual des Schweins beim Sterben.

    Ich lebe in einer Großstadt. Und hier gibt es eine eher unplausible Tierschützerszene, die von Tieren keine Ahnung hat. Aber in diesem Zustand läst sich offenbar noch besser gegen emotional erregende Begebenheiten protestieren.

    Es gibt sicher Tierschützer, die in ihrer zweizimmerwohnung vier Katzen haben. Das wiederum finde ich dann Problematisch, weil Katzen Einzelgänger sind, die auf ihr Revier bestehen. Das geht aber nicht in einer winzigen Stadtwohnung mit mehreren Katzen. Aber solche Sichtweise sei natürlich nicht relevant, weil die Katze nicht getötet wird.
    Das diese Situation aber ganz sicher nicht “Artgerecht” ist, versteht der naive Stadtmensch nicht.

  24. @chris: einmal quer durch

    Kurzer Einwurf meinerseits: es gibt Probleme und zwar in allen Bereichen, die mit der Fleischproduktion zu tun haben. Um diese konkret benennen zu können, muss man sich aber mit ebenfalls vielen Bereichen auskennen und braucht ein kleines bisschen Erfahrung zur Bewertung von Sachverhalten.

    Du hast dabei völlig recht, dass es immer wieder Tierschützer gibt, die das konkret nicht so drauf haben. Da wird es dann schwierig, gerade auch für sie selbst, denn sie wollen ja gehört werden – und haben möglicherweise auch gar nicht mal so unrecht.

    Haustiere sind ohnehin ein leidiges Thema. Das beginnt schon bei der Zucht (was da aus rein stilistischen Gründen alles verbockt wurde, ist schon beeindruckend), geht dann über die Fütterung und auch die Haltung ist teilweise eher zweifelhaft, da hast Du völlig recht.

  25. Seepferdchen

    Ich würde ja gerne was schreiben, aber mein Mann ruft gerade: “Das Essen ist pferdig, es gibt Gaultaschen”

  26. @Carola

    Pferd war gestern! Heute haben wir bereits einen neuen Skandal. Es geht um Schimmelpilze im Futtermais und der ist weniger harmlos als Pferdefleisch in der Lasagne. Siehe hier:
    http://www.welt.de/…uf-3500-Hoefen-entdeckt.html

  27. Erhöhte Werte wurden legalisiert

    Lars bezieht sich in seinem Artikel auf den Grenzwert der efsa, die für Verbrauchsmilch einen Grenzwert von 0,05 µg/kg angibt. In Serbien, dem Land aus dem der mit Schimmelpilzgift belastete Mais stammt, gab es anscheinend schon länger Ärger deswegen. Daher verfügte die dortige Regierung, dass der zulässige Aflatoxin-Wert von bisher 0,05 auf jetzt 0,5 Mikrogramm je Liter angehoben wurde. Somit ist alles wieder im grünen Bereich, zumindest für den zuständigen Minister.

    Quelle: http://www.tagesschau.de/…d/futtermittel120.html

  28. Tierschutz-Standards

    Damit wollte ich eigentlich auch eher Argumente zusammenfassen, die Tierschutz-Standards umfassen – also weniger philosophisch, sondern durchaus real.

    Geht der Schreiber dieser Zeilen recht in der Annahme, dass Sie für Standards [1] sind, abär eine spezielle Tierethik ablehnen?

    MFG
    Dr. W

    [1] die der humanen Ethik geschuldet sind und dem Miteinander, das man nicht durch Missbrauch der Natur beschädigen soll

  29. @Webbaer: Ethik

    Nein, ich lehne eine Tier-Ethik nicht ab. Was ich ablehne, ist eine für die Tiere schlechte Haltung. Bei der Beschäftigung mit dem Thema ergibt sich dann immer schnell ein Zwiespalt: Ethik eignet sich ganz hervorragend, um sich einem Thema unvergänglich zu nähern. Bei der realen Umsetzung geht es natürlich auch um Kosten, Finanzierbarkeit neuer Systeme im Zusammenspiel aller betreffenden Gesetze usw. Da tritt die Ethik erstmal in den Hintergrund. Ganz ohne sie geht es meinem Empfinden nach aber nicht

  30. Tier-Ethik

    Der Webbaer wäre ja den Umgang mit Umwelt und Tier (ganz besonders) betreffend ganz auf Ihrer Seite. Die Tier-Ethik dagegen, die u.a. PETA, ALF und abseitige Ethiker wie Peter Singer betreiben, die bösartig auch als ‘Eine Ratte ist ein Schwein ist ein Hund ist ein Junge. Sie sind alle Tiere.’ subsumiert werden könnte, scheint dem Schreiber dieser Zeilen dagegen klar etwas für die anderen zu sein.

    Vielleicht behalten Sie diese Konzepte im Hinterkopf, Ihr Kommentatorenfreund will explizit nicht zu abseitiger Tierethik Nachrichten einreichen.

    MFG
    Dr. W

  31. @Webbaer: Temple Grandin

    Ach, an die Spezialisten habe ich jetzt gar nicht gedacht – und zu Deiner Beruhigung: die meinte ich auch nicht. Denke da eher an Temple Grandin als populäres Beispiel. Habe mich aber auch schon hier mit einigen Ethikern gut darüber unterhalten, siehe Dyrnberg weiter oben oder auch Edgar Dahl.

  32. @Schewe

    Temple Grandin ist auch alles andere als OK.

    Worum es dem Schreiber dieser Zeilen geht, ist die Ethisierung der Tierhaltung auf einem angemessenen Niveau zu betreiben.

    Sie kommen nicht daran vorbei sich den Ideologisierungen zu stellen, wenn Sie meinen – wie auch Ihr Kommentatorenfreund – das etwas die Tierhaltung betreffend gut ist und anderes nicht so gut.

    Ohne Philosophie geht’s (auch hier) nicht.

    MFG + weiterhin viel Erfolg!
    Dr. W (der Sie also schon meint richtig zu verstehen)

  33. @Webbaer: Ethik

    Die Verbesserungen, die Temple Grandin durchgesetzt hat, sind unbestritten. Für einige mag sie mittlerweile zu industrie-verwachsen zu sein, das schmälert ihre Leistung aber nicht. Für mich dient Ethik hauptsächlich dazu, sich mit Tierhaltung zu beschäftigen ohne ständig kommerzielle/gesetzliche Gesichtspunkte oder medizinische Grundlagen beachten zu müssen. Ein passendes Beispiel dafür ist der Pferdefleisch-Skandal. Hätte es bei Schwein statt Rind eine ähnliche Empörung gegeben? Das Pferd ist eben auch Freund des Menschen. Darüber kann man ethisch diskutieren (Mensch/Tier-Beziehung).

  34. Hätte

    noch mehr Probleme bereiten können:

    Ein passendes Beispiel dafür ist der Pferdefleisch-Skandal. Hätte es bei Schwein statt Rind eine ähnliche Empörung gegeben?

    Da wären vielleicht einige Millionen im Dreieck gesprungen.

    MFG
    Dr. W (der nur zu vernünftigen kulturalistischen Sichten anregen kann, also bspw. der Regel folgend, dass dem Schlachttier kein unnötiges Leid zugefügt werden soll, aber viel lässt sich hier ethisch nicht machen, ganz sicher nicht wie von Grandin [1] wahlfrei postuliert)

    [1] Willy Millowitsch wäre anzunehmenderweise auch kein schlecheter Ratgeber, falls noch verfügbar – man muss die Regeln oder die Ethik schon selbst entwerfen

  35. @Webbaer: Tierleid

    Jetzt wird es schräg. Dass dem Schlachttier kein unnötiges Leid zugefügt werden soll, ist kein Wunschdenken, sondern völlig anerkannt. Gerade dafür hat sich gerade Grandin eingesetzt. Auch in Geflügel-Schlachthöfen folgt man dieser Maxime. Sicher, wenn man etwas aus diesem Bereich hört, ist das meist wenig erfreulich, was nicht selten am Preisdruck liegt…

  36. Tierleid

    ist schon zu beachten wie zu minimieren.
    Man soll sich aber nicht von ALF, PETA, Singer & Grandin herunterreiten lassen, also stattdessen die Normen rationaler Überlegung und humaner Ethik folgend bestimmen.

    Mehr war nicht ausgesagt. Es bedarf aber eben dieser bewussten Ethisierung, die auch Ihnen obliegt.

    MFG
    Dr. W

  37. @Webbaer: Schlusswort

    So schrecklich weit scheinen wir ja nicht von einander entfernt zu ein. Belassen wir es dabei, bevor es zur Haarspalterei kommt 😉

  38. Fortsetzung von Twitter

    Also präzise, meine konstruktive Kritik:
    * Statt einer Wiesenhof-Marke (so mein Eindruck) empfehle ich eine neutrale Bezeichnung für die Produktionsform.
    * Statt einer Perspektive mit dem Tenor: “Wie kann sich Wiesenhof am globalen Markt erfolgreich positionieren? Durch Qualität und Ethik.” wünsche ich mir, dass dies (wirtschaftliche Machbarkeit/Erfolgsaussicht) nur ein Nebenaspekt ist. Dies hier ist schließlich kein Managerseminar. Relevanter wären für mich Fragen wie die, ob die gesamte Geflügelproduktion auf diese Produktionsform umgestellt werden kann. Und welche Auswirkungen das wohl hätte.
    * Auch wenn hier eine bestimmte Produktionsform gelobt (propagiert) werden soll, erhoffe ich mir auch die Erwähnung möglicher kritischer Momente.

    Die Unabhängigkeit der Medienöffentlichkeit von den Bereichen, über die sie tagtäglich berichtet, muss auch tagtäglich wieder unter Beweis gestellt werden. Ansonsten verkommt Öffentlichkeit nämlich zur PR.

  39. Fragen und Antworten

    Hallo Erbloggtes,

    dann gehen wir das mal der Reihe nach durch…

    1) Diese ganze Geflügel-Geschichte verfolgt mich schon seit 2011, als ich einen ganz grundlegenden Artikel zur Haltung schrieb und welche Rassen da jeweils zum Einsatz kommen. Kurz drauf bekam ich eine Presse-Einladung zur Presse-Konferenz von Wiesenhof, dort sollte das Privathof-Geflügel präsentiert werden. Ich war dort und schrieb meinen Artikel. Letztes Jahr war ich dann alleine dort, eine Woche lang, und schaute mir alles von der Brüterei bis zum Schlachthof an. Auch darüber habe ich gebloggt und habe das auch immer recht offen kommuniziert – zumindest für alle regelmäßigen Leser und Twitter-Follower. Die anderen – so wie Du – können ja nachfragen. Was ich damit sagen will: dass ich hier nicht explizit Wiesenhof erwähne, soll keine Verschleierung sein, ich habe es einfach mal als bekannt vorausgesetzt.

    2)Das Argument der Qualität und Ethik habe ich nicht nur Wiesenhof zugerechnet, sondern sehe das als zentrales Argument der gesamten Landwirtschaft für die Zukunft. Wie gesagt, ein kleiner Blick auf die globale Fleischproduktion zeigt, dass so genannte Schwellenländer mächtig aufholen, bei der Produktion an sich sind wir absehbar raus. Zu Deiner Frage: kann die gesamte Geflügel-Produktion auf Privathof umgestellt werden? Sicher, wenn der Absatz durch die Decke geht, sollte das kein Thema sein. Die Tendenz dazu ist jedenfalls vorhanden. Wenn das weitergeht wie es losgegangen ist, sehe ich da gute Chancen. Die Konkurrenz schläft ja auch nicht.

    3)Zur Erwähnung kritischer Momente: nun ja, wenn man den direkten Vergleich konventionell/Privathof hat, fällt das erstmal ein bisschen schwer. Natürlich hast Du da immer noch große Ställe und viele Tiere, aber die Tiere sind durch langsameres Wachstum und mehr Platz deutlich fitter und haben damit auch weniger bis keine der Probleme , welche die Tiere aus konventioneller Haltung haben. Klar, wenn der Landwirt die Betreuung nicht im Griff hat, nützen auch mehr Platz, Spielzeug und ein Wintergarten nix.

    Ich stimme mit Deinem Schluss-Satz vollkommen überein. Allerdings: als Wissenschaftsblogger, der über Landwirtschaft und explizit Tierhaltung berichtet, komme ich aber um eine Beschäftigung mit der Industrie und Landwirten nicht herum. Ich muss wissen, was da passiert, um gerade auch Kritik üben/formulieren zu können, die wirklich zutrifft (es ist kein Geheimnis, dass ich die konventionelle Form beim Geflügel doof finde). Als Nebeneffekt denke ich, kann ich dann natürlich auch Entwicklungen erwähnen, die mir persönlich positiv erscheinen. Mir liegt Tierwohl allgemein sehr am Herzen. Gerade deshalb kommuniziere ich dieses Konzept auch sehr offen. Es würde mich tierisch ärgern, wenn die Produkte in den Supermärkten versauerten. Dann würde Wiesenhof den Sack zumachen und ich könnte hier fröhlich weiter nach mehr Tierwohl krähen und wäre lediglich nur noch der nervige Fensterrentner, der sich schon vor Jahren von der Realität verabschiedet hat.

    So, bevor ich noch eine halbe Stunde hier sitze und überlege, was da noch rein muss, poste ich die Antwort einfach und Du fragst nach, wenn nötig. Einverstanden?

  40. Noch drei Fragen und einige Anmerkungen

    Ja, danke schön für die Antworten! Dass da Recherchen und Artikel vorangegangen waren, die ich nicht mitbekommen habe, war mir klar. Meine Irritation rührte ja daher, dass ich *zuerst* auf die PR-Meldung von Wiesenhof kam (durch Lars’ RT Deines Tweets), also quasi einen “Werbespot”, der Blogger-Credibility ausschlachtet. Anschließend habe ich diesen Artikel hier gelesen (und ich habe beide sorgfältig gelesen) und keine Distanz zwischen Blogtext und Unternehmensdarstellung gefunden. Das warf für mich die Frage auf, ob dies denn nun ein unabhängiger Blogartikel ist oder ein “sponsored Post”, wovon man zuletzt so viel hört. Danke nochmal für die Klarstellung, dass Du dies nicht im Auftrag von Wiesenhof geschrieben hast, sie leuchtet mir auch ein!

    Verbleibende Fragen:
    * Gibt es eine neutrale Bezeichnung (vielleicht auch engl.) für die Produktionsform “Privathof”?
    * Siehst Du Möglichkeiten für Fehlentwicklungen dieser Produktionsform außer dem von Dir erwähnten menschlichen Versagen (wenn der Landwirt die Betreuung nicht im Griff hat)?
    * Würdest Du weitreichende gesetzliche Regelungen befürworten, die etwa den Verkauf von Geflügelfleisch, das nicht mindestens aus dieser “tierfreundlicheren” Produktionsform stammt, in Deutschland/in der EU ganz verbietet?

    Du schreibst: “als Wissenschaftsblogger, der über Landwirtschaft und explizit Tierhaltung berichtet, komme ich aber um eine Beschäftigung mit der Industrie und Landwirten nicht herum”. Da stimme ich Dir voll zu. Meine Trennungsforderung von Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit bezieht sich ja nicht darauf, dass die einen sich nicht mit den anderen beschäftigen sollen. Sondern sie sollen sich unabhängig und kritisch mit den anderen beschäftigen.

    Wenn Wiesenhof eine gute PR-Abteilung hat (was mir der Fall zu sein scheint), dann werden die das zu schätzen wissen, dass es einen Blogger gibt, der Experte für diese Produktionsform ist, die die Firma weiterentwickeln will. Auf den ersten Blick wäre es für eine PR-Abteilung natürlich attraktiv, wenn dieser Blogger immer alles bejubelt, was sich in dieser Hinsicht tut. Auf den zweiten Blick ist ein unabhängiger Experte mit kritischer Begleitung aber sogar hilfreicher für so ein Unternehmen.

    Deshalb würde ich dazu raten, Deine Unabhängigkeit und – wo’s was zu kritisieren gibt – auch kritische Perspektive zu unterstreichen.
    (Du kannst meine ganzen Statements auch einfach darauf reduzieren, dass mir obiger Artikel zu wenig kritische Perspektive auf ein Unternehmen enthielt, das ja nicht aus Tierfreundlichkeit neue Produktionsformen ausprobiert, sondern weil man dort denkt, dass es einen Markt dafür gibt.)

  41. Nächste Runde

    Hallo Erbloggtes,

    freut mich, dass ich meinen Standpunkt einigermaßen klar formuliert habe, was auch nicht immer einfach ist, wenn man so tief im Thema steckt.

    Zu Deinen drei Nachfragen:
    1) Eine wirklich eigentständige Bezeichnung gibt es dafür nicht. Es ist auch eigentlich immer noch eine konventionelle Haltungsform, nur eben mit ein paar zusätzlichen Annehmlichkeiten. In England wird diese Variante als Freedom Food-Standard bezeichnet. Ich habe das mal hier erläutert:

    https://scilogs.spektrum.de/…lfleisch-aus-k-fighaltung

    2) Bzgl. Fehlentwicklungen: nun ja, es kann auch hier immer mal wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Tieren kommen (Stichwort Federpicken) oder Tiere fallen einfach mal tot um (Herzinfarkt). Die wirklich gravierenden Probleme der rein konventionellen Form (Brustblasenbildung durch langes Liegen, Läsionen an den Gelenken, Unfähigkeit der Bewegung durch hohes Gewicht usw) gibt es hier aber nicht oder nicht mehr oder weniger grundsätzlich.
    Kleine Anmerkung: genau gestern unterhielt ich mich über Twitter mit einem Tieraerzt und Wissenschaftler aus England, der sich die Entwicklung schnell wachsender Rassen im Details anschauen möchte, um dieses Problem zu lösen. Wenn ich da mehr weiß, werde ich hier natürlich drüber schreiben.

    3) Zu gesetzlichen Regelungen und Verboten: Nun ja, gerade wenn wir mal die letzten Tage und Wochen rekapitulieren, musste ich beim Lesen Deiner Idee schmunzeln. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Holzhammer-Methode wirklich zielführend ist. Wie schon zuvor erwähnt, sehe ich in einer breiteren – ja sogar vollständigen – Umsetzung dieses Standards kein Problem, wenn die Kasse klingelt. Tut sie das nicht, während zB. nur Wiesenhof komplett umstellt, können die dort mal eben ein paar Leute entlassen und das kann gut gerne 4-stellig werden. Sehr unschön.

    Was Unabhängigkeit und eine kritische Perspektive angeht: wenn wir es mal bei Licht besehen, lobe ich hier ja einen bisher nur kleinen Teil, die um die 90% der sonstigen Tierhaltung (konventionell) finde ich bekanntermaßen wenig erquicklich. Nur schreibe ich das eben nicht ständig überall drunter, wo ich Geflügel erwähne. Ebenso wenig schreibe ich grundsätzliche Kritik unter Artikel, die sich mit positiven Entwicklungen in der Schweine- oder Rinderhaltung beschäftigen, wenn ich diese schon zuvor erwähnt habe. Wer das dann wissen möchte, kann gerne nachfragen.

  42. Gelöscht
    Hier stand ein inhaltlich absolut inakzeptabler Kommentar, den ich so nicht stehen lassen wollte.

    Sören Schewe

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