Antibiotikareduktion und Stalltechnik – ein Einblick

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Antibiotikareduktion ist ein Wort, das ich in letzter Zeit öfter lese. Wenig überraschend ist es die Tierhaltung, welcher ich dabei besondere Aufmerksamkeit schenke. Leider fehlt mir in Artikeln und Kommentaren zu diesem Thema immer das „Wie“. Eine Verringerung der Gaben zu fordern ist das eine – eine vernünftige Umsetzung das andere. Dabei kommt man bei der gemütlichen Recherche schnell in Bereiche, mit denen man so direkt nicht unbedingt gerechnet hätte, deren Kenntnis aber keineswegs schadet – die Stalltechnik ist so ein Bereich.

Natürlich kann man nicht einfach weniger Antibiotika geben, das würde das Problem der Bildung resistenter Bakterien eher noch verstärken, ganz sicher aber nicht lindern. Außerdem ist es auch laut Tierschutzgesetz geboten, schon erkrankte Tiere zu behandeln, um ihnen so weiteres Leid zu ersparen. Irgendwo las ich mal die Aussage, dass man den Tieren den Schnupfen verbieten müsse. Das war natürlich nicht völlig ernst gemeint, deutet aber schon an, worum es wirklich geht. Die tatsächliche Herangehensweise besteht darin, die Tiere gar nicht erst krank werden zu lassen.

Direkt am Tier lässt sich das durch Impfungen recht gut sicherstellen. Auch das Tierfutter sollte zu keinem Zeitpunkt kontaminiert sein. Mykotoxine spielen hier eine wichtige Rolle, aber auch Salmonellen sollten nicht gefunden werden. Ebenso sollte der Stall als Lebensraum hygienisch einwandfrei sein. Beim Geflügel hat sich dabei das „Rein-Raus-Verfahren“ bewährt. Dabei werden die Ställe nach jeder Mastphase komplett gereinigt und desinfiziert. Es werden keine Tiere gemischt, lediglich noch dringelassen für die Schwermast. In einem meiner letzten Artikel zur Fußballengesundheit beim Geflügel war es grob gesagt das Zusammenspiel zwischen Lüftung und Einstreuhöhe, um Läsionen aufgrund zu feuchter Einstreu zu vermeiden. Natürlich wird auch die physiologische Stalltemperatur über die Lüftung geregelt.

Große Schwankungen zwischen Tag- und Nachttemperaturen (mehr als 4 Grad Celsius), unphysiologische Stalltemperaturen, die zu niedrig oder zu hoch sind, Luftfeuchtigkeitsprobleme oder auch Zugluft sind nur einige technische Probleme, die das Wohlergehen der Tiere und damit auch ihre Leistungen belasten. Atemwegsinfektionen und Verhaltensstörungen können die Folgen sein. „Pumpende“, teilnahmslose oder auch schwanz-beißende Tiere sind ein zuverlässiges Zeichen, dass etwas im Stall nicht stimmt. Wenn man dann die Luft kontrollieren will (unnötig zu erwähnen, dass man das immer tun sollte), sollte man nicht den Fehler begehen und auf eigener Nasenhöhe messen. Schweine und Geflügel leben ja weiter unten. Dabei wird Ammoniak eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet, dieses so genannte Schadgas will man auf keinen Fall im Stall haben (Lungenerkrankungen).
Zwei andere ebenso wichtige Faktoren sind die Bewegung der Landwirte im Stall und die Führung der Luft. Es sollte vermieden werden, dass Luft von älteren Tieren mit schon ausgeprägtem Immunsystem zu jüngeren Tieren geleitet wird. 

Natürlich, letztlich muss alles stimmen, angefangen bei den eingestallten Tieren, über das Management im Stall bis hin zum Futter. Es ist aber schon interessant zu sehen, welche Faktoren einem bei der Gesundhaltung der Tiere so alles einen Strich durch die Rechnung machen können…


 Aus: KLIMA UND WETTER IM SCHWEINESTALL (Agrar- und Veterinär-Akademie)

 

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

20 Kommentare

  1. Zukunft steriler Stall, sterileAufzucht?

    Wenn man die (Zitat)“Ställe nach jeder Mastphase komplett reinigt und desinfiziert.” ist man schon auf halbem Wege zur sterilen Aufzucht.

    Der nächste Schritt wäre die Fütterung durch Menschen in Reinraumkleidung und die Entkeimung des Futters.

    Das wäre ziemlich radikal.
    Bevor man so weit geht, sollte man aber zuerst einmal durch Forschung abklären, welches überhaupt die Infektionswege und -kettten sind, die schliesslich den Einsatz von Antibiotika notwendig machen.
    Ich würde eigentlich erwarten, dass es solche Studien schon geben müsste. Oder etwa nicht?

  2. Hallo Herr Holzherr,

    tatsächlich gibt es gerade in den Geflügelställen sogenannte Hygieneschleusen, in denen man sich umzieht, also Schutzanzug, Tüten für die Schuhe und Haarnetz überzieht. Zudem stehen an allen Eingängen Desinfektionsbecken/-matten. Ziel dieser Bemühungen ist es, die Einflüsse von außen auf die Tiere möglichst gering zu halten. Allzu weit ist das von Ihrem “radikalen” Szenario nicht mehr weg.

    Was die Antibiotika-Gaben angeht: die kommen heute nur noch zum Einsatz, wenn es nicht mehr anders geht. Davor steht aber die Gesunderhaltung. Auch Ferkel sind heute praktisch keimfrei, weshalb die Lüftung nie von älteren Tieren zu den Ferkeln wandern sollte. Das kann fiese Auswirkungen haben.

    Damit die Tiere erkranken, braucht es aber nicht zwangsläufig eine Infektion. Sicher kann eine solche immer mal wieder trotz aller Maßnahmen im Stall landen, aber auch Zugluft oder Temperaturschwankungen können zu Krankheiten führen.

  3. “… aber auch Zugluft oder Temperaturschwankungen können zu Krankheiten führen.”

    Nunja, da sind Antibiotika dann aber auch nicht sinnvoll.

  4. Hallo Holger,

    da hast Du nicht so ganz unrecht, ich hätte besser schreiben sollen, dass bspw. Zugluft die Tiere stresst und diese Situation wiederum den Ausbruch gewisser Krankheiten begünstigen kann – und das sollte man auch vermeiden.

  5. “Natürlich kann man nicht einfach weniger Antibiotika geben, das würde das Problem der Bildung resistenter Bakterien eher noch verstärken, ganz sicher aber nicht lindern.”

    Warum sollten weniger Antibiotika zu mehr Resistenzen führen?

  6. Hallo Dienstarzt,

    wenn man sich zur Gabe von AB entschließt, sollten sie tatsächlich konsequent über den empfohlenen Zeitraum gegeben werden. Eine gelegentliche Gabe hätte zur Folge, dass möglicherweise einige Bakterien die Behandlung überstehen – und das wäre ein Problem.

  7. Tatsächlich geht man heute davon aus, dass mit der Dauer der Behandlung auch die Resistenzen zunehmen. In der Humanmedizin, wird deshalb zunehmend kürzer behandelt. Die zu kurze Behandlung mag ein Problem hinsichtlich eines Reinfektes sein, aber eine kurze Behandlung kann natürlich niemals mehr Resistenzen erzeugen als eine lange, da in der antibiotikafreien Umgebung, die Bakterien ohne Resistenzen schnell Selektionsvorteile haben usw.

    Davon abgesehen ging es, wenn ich das richtig verstanden habe, ja um den grundsätzlichen Einsatz von Antibiotika. In diesem Fall gilt, dass mit der Häufigkeit des Einsatzes die Zahl der Resistenzen steigt.

    Ich reite deshalb so darauf herum, weil der Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht seit langem ein grosses Problem für die Humanmedizin darstellt. Viele der beim Menschen beobachteten Resistenzen stammen von dort. Resistenzgene werde in Paketen weitergegeben, so dass auch durch den Einsatz von in der Humanmedizin eigentlich nicht mehr relevanten Antibiotika in der Tierzucht Resistenzen gegenüber den wichtigen Antibiotika erzeugt werden.

  8. @Dienstarzt

    Da mögen Sie sicher recht haben. Was den grundsätzlichen Einsatz von Antibiotika angeht, konnte ich mich ja unlängst davon überzeugen, dass eine Antibiotika-freie Mast beim Geflügel weder Illusion noch Ausnahme ist, sondern durchaus zur Regel werden kann, wenn das Management stimmt und Landwirte bzw. Tierärzte ihren Job verstehen. Dass Antibiotika nur in Ausnahmefällen gegeben werden sollen, ist also durchaus machbar – wie gesagt, wenn alle anderen vorgelagerten Faktoren nicht mehr helfen…

  9. ich denke auch der beste Antibiotikaschutz ist nicht zu versuchen die Mengen im Anwendungsfall zu reduzieren, sondern die Anwendungsfälle selbst zu minimieren. Zum Beispiel durch bessere Konstitutionierung der Tiere.

  10. Dienstarzt

    Dienstarzt: „Ich reite deshalb so darauf herum, weil der Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht seit langem ein grosses Problem für die Humanmedizin darstellt.“
    Das kann man unwidersprochen so nicht stehen lassen. Es gibt derzeit keine Belege für eine direkte Infektionskette von der Tierproduktion zum Menschen und bei den im Krankenhaus erworbenen Infektionen mit MRSA handelt es sich fast ausschließlich um Stämme, die nur beim Menschen vorkommen. Lediglich exponierte Personen (Landwirte, Tierärzte) sind Träger von LA-MSRA (livestock associated methicillin resistant Staph. aureus), ohne jedoch in der Regel daran zu erkranken.
    http://www.bfr.bund.de/…ektion_beim_menschen.pdf
    http://www.bfr.bund.de/…en_menschen_-128708.html
    Natürlich können erworbene Resistenzen zwischen den Stämmen ausgetauscht werden, aber die derzeitige Beschränkung der Stämme im Krankenhaus auf HA-MRSA zeigt, dass zur Verbesserung der Situation in erster Linie die Humanmedizin mit besserem Hygienemanagement gefragt ist.

  11. Hallo Torben,

    vielen Dank für den Zusatz. Ich hatte da auch was im Hinterkopf, erinnere mich da noch an EHEC, da war der Ursprung ja auch human und nicht aus der Tierhaltung, wie es zuerst begeistert angenommen wurde.

  12. @Sören und torben

    Passend dazu: Bei deutsches-geflügel.de fragt ein Verbraucher “Mehrere Studien haben nachgewießen, dass die Geflügelindustrie in großem Umfang Antibiotika einsetzt. Es entstehen multi-resistente Keime, die nicht mehr medizinisch behandelt werden können. Durch solche Keime sterben jährlich in Deutschland 15000 Menschen. Ist das nicht fahrlässige Tötung?”

  13. Hallo Reuben C,

    so eine ähnliche Diskussion führe ich auch gerad in einem anderen Blog. Ich mache dabei den Menschen gar keinen Vorwurf, sie sind Laien und natürlich besorgt, wenn sie so etwas lesen. Leider wird nur sehr wenig zur Aufklärung beigetragen. Der Bauernverband holt da ebenso wenig einen Blumenstrauß wie die NGOs…

  14. werfe ich dem Verbraucher ja auch nicht vor. Viel schlimmer finde ich, wenn Personen die es eigentlich besser wissen müssten ihre Stellung mißbrauchen um Laien Fehlinformationen unterzujubeln. Am gefährlichsten sind Akademiker die sich zu Themen äußern die überhaupt nicht ihrem Abschluss entsprechen, aber durch die Bezeichnung Dr. oder Wissenschaftler eine gewisse Autorität für Laien darstellen. Und da gibt es auch einige unter den Tiermedizinern(aber du bist einer von den Guten ;)). Ein akademischer Grad schützt nicht vor Ahnungslosigkeit.

  15. Das Spielchen kann man ja sogar problemlos bis zu den Nobelpreis-Trägern treiben, da fallen ja auch gerne mal welche bei fachfremden Themen unangenehm auf. Dass ein Studium/eine Ausbildung nicht automatisch bedeutet, dass man den Stoff auch verinnerlicht und verstanden hat, ist eine ärgerliche, aber leider auch richtige Feststellung, mit der wir in allen Bereichen leben müssen. Da hilft nur “gegenkommunizieren” 😉
    PS: Danke fürs Kompliment 🙂

  16. Reuben und Sören

    Reuben: „Viel schlimmer finde ich, wenn Personen die es eigentlich besser wissen müssten ihre Stellung mißbrauchen um Laien Fehlinformationen unterzujubeln.“
    Tja, Wissenschaftler sind auch nur Menschen und einige unterliegen der Verführung ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen oder überhaupt erst ins Rampenlicht der Öffentlichkeit zu gelangen und dadurch eventuell auch noch finanziell zu profitieren. Ich glaube, das sind die Motive für solches Handeln. Das war erst kürzlich zu beobachten im Fall des französischen „Wissenschaftlers“ Seralini, der mit halbseidenem Versuchsdesign und fragwürdiger oder besser keiner Statistik steile Thesen aufstellte, um die Öffentlichkeit zu erschrecken. Wenn es um Fragen der Gesundheit geht, wird jede These ernst genommen.

  17. @Torben Hoffmeister und Reuben C.

    Als ich gestern erwähnte, dass es mitunter auch Nobelpreisträger erwischt, war mir allerdings der Name entfallen. Jörg Ewers half mir gerad über Twitter aus. Ich suchte Luc Montagnier: http://de.wikipedia.org/…#Umstrittene_Positionen

  18. Sören

    Die Auflistung ließe sich problemlos fortsetzen. Ein weiterer Kandidat ist der Doppel-Nobelpreisträger Linus Pauling, der als Erfinder der orthomolekularen Medizin glaubte, mit Vitamin C – Gaben Krebs vorzubeugen. Sein Schüler Rath hat wegen solchen Unfugs schon Probleme mit der Justiz bekommen. Alter (und Lebenserfahrung) schützt vor Torheit nicht.

  19. @Torben Hoffmeister

    Ja, Rath ist mir natürlich auch ein Begriff…Halten wir also fest, dass die Fehl-Kommunikation und Verbreitung obskurer Ansichten überall lauert. Dann versuche ich da mal im Rahmen meiner Möglichkeiten gegen zu halten, nicht wahr 😉

  20. Äpfel und Birnen

    @ torben hoffmeister

    Nichts gegen Widerspruch. Aber Vorsicht bei Äpfel und Birnen: Was ich meinte, war ein grundsätzlicher Zusammenhang zwischen Resistenzentstehung in der Tierzucht und Resistenzen in der Humanmedizin. Eigentlich ist das ein alter Hut.

    Methicillinresistente Staph. aureus (MRSA) sind ein sehr spezifisches Problem, es gibt noch viele, viele andere Resistenzprobleme. So dass die angeführten Folien natürlich kein Widerspruch zum Gesagten sind.

    Richtig bleibt, ein zurüchhaltener Einsatz von in der Humanmedizin scheinbar nicht relevanten Antibiotika in der Tierzucht, hilft die Wirksamkeit lebensrettender Medikamente in der Humanmedizin zu verlängern. Richtig ist aber auch, dass der Effekt rationaler Antibiotikaverordnung in der Humanmedizin selbst, darauf einen noch grösseren Einfluss hat.

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